Leo Trotzki

 

Stalins Verbrechen


Der „Zeuge“ Wladimir Romm


Das gesamte Gewebe des Prozesses ist verfault. Wir wollen als Beispiel die Aussagen Wladimir Romms näher untersuchen, eines sehr wichtigen Zeugen, der überdies unter Eskorte aus dem Gefängnis zur Verhandlung gebracht wurde. Lässt man Pjatakows Reise nach Oslo mit dem mysteriösen Flugzeug beiseite, so bildet Romm – nach dem Plan der Anklage – das wichtigste Verbindungsglied zwischen mir und dem „parallelen Zentrum“ (Pjatakow-Radek-Sokolnikow-Serebrjakow). Durch Romm gingen die Briefe von mir an Radek und von Radek an mich. Romm traf sich nicht nur mit meinem Sohn, Leo Sedow, sondern auch mit mir. Wer ist nun dieser Zeuge? Was hat er getan und was hat er gesehen? Welches sind die Motive für seine Teilnahme an der Verschwörung? Wir wollen ihn aufmerksam anhören.

Romm ist selbstverständlich „Trotzkist“; ohne von der GPU bestellte Trotzkisten hätte es auch keine Trotzkistische Verschwörung gegeben. Doch möchten wir wissen, wann sich Romm den Trotzkisten angeschlossen hat, falls er überhaupt jemals zu ihnen gehörte. Schon auf diese erste und, wie es scheinen sollte, nicht unwichtige Frage vernehmen wir eine sehr verdächtige Antwort.

Wyschinski: „Was hat Sie mit Radek in der Vergangenheit verbunden?“

Romm: „Anfangs kannte ich ihn nur im Zusammenhang mit literarischen Angelegenheiten, später, im Jahre 1926/27, verband mich mit ihm die gemeinsame gegen die Partei gerichtete Trotzkistische Arbeit.“

Das ist die ganze Antwort auf die suggestive Frage Wyschinskis! Auffallend vor allem ist die Ausdrucksweise: der Zeuge spricht nicht von seiner oppositionellen Arbeit; mit keinem Wort charakterisiert er deren Inhalt; nein, er gibt ihr gleich eine kriminelle Qualifikation: „Trotzkistische, gegen die Partei gerichtete Arbeit“ – und basta. Romm bietet dem Gericht gleich die fertige Formel, die für den Prozessbericht nötig ist. So verfährt bei den Stalin-Wyschinski-Prozessen jeder disziplinierte Angeklagte und Zeuge (die Undisziplinierten werden vor der Verhandlung erschossen). Aus Dankbarkeit für den erwiesenen Dienst belästigt der Staatsanwalt den Zeugen nicht weiter mit Fragen wie etwa, unter welchen Umständen sich dieser der Opposition angeschlossen und worin sich die „gegen die Partei gerichtete“ Arbeit geäußert hat. Wyschinskis Grundregel ist: Zeugen und Angeklagten keine Schwierigkeiten zu bereiten. Aber auch ohne die Hilfe des Staatsanwalts ist es nicht schwer, zu begreifen, dass Romm schon in dieser ersten Erklärung die Unwahrheit spricht. Die Jahre 1926–1927 waren eine Periode der breitesten Entfaltung der oppositionellen Tätigkeit; eine Plattform der Opposition wurde ausgearbeitet und gedruckt, in der Partei entwickelte sich eine heiße Diskussion; es fanden gut besuchte Versammlungen der Opposition statt, an denen allein in Moskau und Leningrad viele zehntausend Arbeiter teilnahmen, und schließlich beteiligte sich die Opposition an der November-Manifestation mit ihren eigenen Plakaten. Wäre Romm zu jener Zeit tatsächlich bei der Opposition gewesen, er müsste mit vielen Personen Beziehungen gehabt haben. Er aber nennt vorsichtigerweise nur Radek. Allerdings hat Trojanowski in New York allen Menschen versichert, Romm wäre „tatsächlich“ Trotzkist gewesen, jedoch widerlegt der stenographische Prozessbericht das falsche Zeugnis des Diplomaten endgültig. Radek sagt, über Romm aus: „Ich kenne Romm seit 1925 ... Er war kein Politiker im allgemeinen Sinne, er hatte sich uns nur in der chinesischen Frage angeschlossen.“ Das will sagen, dass er in allen anderen Fragen mit der Opposition auseinanderging. Und diesen Menschen, der sogar nach Radeks Aussage mit ihm nur vorübergehend, nur in der „chinesischen Frage“ (1927) einverstanden war, hat man ans Licht gezerrt als ... Terroristen.

Warum fiel das Los gerade auf Romm, sich für einen Verbindungsagenten auszugeben? Weil er in seiner Eigenschaft als ausländischer Korrespondent Genf, Paris und die Vereinigten Staaten besuchte und folglich technisch die Möglichkeit besaß, jenen Auftrag auszuführen, den ihm nachträglich die GPU erteilte. Da man aber nach den zehnfachen Säuberungen, denen seit Ende 1927 alle ausländischen Vertretungen und Institutionen der Sowjetunion unterworfen waren, einen „Trotzkisten“, und sei es auch einen Kapitulanten, im Auslande auch nicht mit der Laterne hätte finden können, so musste Jeschow zum Trotzkisten Romm ernennen und Wyschinski sich stillschweigend mit der Antwort von der „gegen die Partei gerichteten“ Verbindung mit Radek in den Jahren 1926–1927 begnügen. Was aber hat Romm nach 1927 getan? Hat er mit der Opposition gebrochen oder blieb er ihr treu? Hat er ein Reuebekenntnis abgelegt oder hatte er nichts zu bereuen? Darüber kein Wort. Den Staatsanwalt interessiert nicht politische Psychologie, sondern nur Geographie.

Wyschinski: „Sie waren in Genf?“

Romm: „Ja. Ich war Korrespondent der TASS in Genf und in Paris. In Genf war ich von 1930–1934.“

Hat Romm während der Jahre seines Aufenthalts im Auslande das Bulletin der Opposition gelesen? Hat er Zahlungen dafür geleistet? Hat er auch nur einen Versuch gemacht, mit mir in Verbindung zu treten? Von all dem kein Wort. Indes, aus Genf oder Paris an mich einen Brief zu schreiben, hätte keiner großen Mühe bedurft. Es war dazu nichts weiter notwendig, als sich für die Opposition, insbesondere für meine Tätigkeit zu interessieren. Ein solches Interesse erwähnt Romm nicht und selbstverständlich fragt auch der Staatsanwalt nicht danach. Es ergibt sich also, dass Romm seine „gegen die Partei gerichtete“ Arbeit, die nur Radek bekannt war, im Jahre 1927 beendete, will man für einen Augenblick annehmen, dass er sie jemals begann. Man darf nicht vergessen, dass man als Korrespondenten der TASS nach Genf und Paris nicht den ersten besten schickt. Die GPU wählt die Leute sorgfältigst aus und versichert sich gleichzeitig ihrer absoluten Bereitschaft, mitzuarbeiten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Romm im Auslande keinerlei „oppositionelles“ Interesse für mich und meine Tätigkeit bewies.

Wyschinski aber braucht einen Verbindungsagenten zwischen Radek und mir. Einen passenderen Kandidaten gibt es nicht. So stellt sich plötzlich heraus, dass Romm im Sommer 1931 auf der Durchreise durch Berlin Putna trifft, der ihm den Vorschlag macht, ihn mit Sedow „zusammenzubringen“. Wer ist Putna? Ein angesehener Offizier des Generalstabes, Teilnehmer des Bürgerkrieges und später Militärattaché in London. Putna hatte, wie ich noch vor meiner Verbannung nach Zentralasien (1928) hörte, tatsächlich eine gewisse Zeit mit der Opposition sympathisiert, vielleicht sogar an ihr teilgenommen. Ich persönlich war nur sehr wenig mit ihm in Berührung gekommen und nur in militärischen Angelegenheiten; über Fragen der Opposition habe ich mit ihm niemals gesprochen. Ob er später offiziell bereuen musste, weiß ich nicht. Als ich in Prinkipo las, Putna sei für den verantwortlichen Posten des Militärattachés in London ernannt, nahm ich an, dass es ihm gelungen sei, sich das Vertrauen der Behörden völlig wieder zu erwerben. Unter diesen Umständen konnte es im Auslande weder für mich noch für meinen Sohn irgendwelche Verbindungen mit Putna geben. Aus dem Prozessbericht jedoch erfahre ich neben anderen Überraschungen, dass gerade Putna vorgeschlagen hatte, Romm mit Sedow „zusammenzubringen“. Zu welchem Zwecke? Romm hatte danach nicht gefragt. Er akzeptierte einfach diesen Vorschlag Putnas, mit dem er früher keine politischen Beziehungen unterhalten hatte, jedenfalls erwähnt er davon nichts. Romm erklärte sich mithin – nach einer vierjährigen Pause – aus unbekannten Gründen bereit, die „gegen die Partei gerichtete Trotzkistische“ Arbeit wieder aufzunehmen. Treu seinem System, erwähnt er vor Gericht mit keinem Wort seine politischen Motive; wollte er die Macht ergreifen, beabsichtigte er den Kapitalismus wieder herzustellen, brannte er vor Hass gegen Stalin, zog ihn die Verbindung mit dem Faschismus an, oder leitete ihn einfach die alte Freundschaft zu Radek, der allerdings schon zwei Jahre zuvor Reuebeteuerungen abgelegt und an allen Straßenecken auf die Opposition geflucht hatte? Der Staatsanwalt setzt dem Zeugen selbstverständlich mit unbequemen Fragen nicht zu. Romm ist nicht verpflichtet, politische Psychologie zu besitzen. Seine Aufgabe ist: die Verbindung zwischen Radek und Trotzki zu verwirklichen und nebenbei Putna zu kompromittieren, der unterdessen im Gefängnis der GPU für künftige „Geständnisse“ präpariert wird.

„Ich traf Sedow“, fährt Romm fort, „und auf seine Frage, ob ich bereit sei, nötigenfalls (!) einen Auftrag an Radek zu vermitteln, antwortete ich zustimmend ...“ Romm antwortet stets zustimmend, ohne jegliche Erklärung seiner Motive. Dabei konnte es Romm nicht unbekannt geblieben sein, dass Blumkin für einen Besuch bei mir in Stambul im Jahre 1929 und für den Versuch, Freunden in Russland einen Brief von mir zu übermitteln, erschossen wurde. Dieser Brief befindet sich, nebenbei gesagt, noch heute in den Archiven der GPU. Doch eignet er sich so wenig für die Ziele Wyschinskis und Stalins, dass sie nicht daran denken, ihn zu veröffentlichen. Jedenfalls musste Romm, um die Mission eines Verbindungsagenten zu übernehmen, nach der Erschießung Blumkins, ein ganz besonders aufopferungsfähiger und heroischer Oppositioneller gewesen sein. Warum hat er dann vier Jahre lang geschwiegen? Warum hat er auf die zufällige Begegnung mit Putna und die „Zusammenkunft“ mit Sedow gewartet? Und warum genügt wiederum die einmalige Zusammenkunft, damit Romm einen so gefährlichen Auftrag unbedenklich übernimmt? Menschliche Psychologie existiert in diesem Prozess nicht. Zeugen wie Angeklagte erzählen nur von „Taten“, die der Staatsanwalt Wyschinski braucht. Das Verbindungsglied zwischen den angeblichen „Taten“ sind nicht Gedanken und Gefühle lebendiger Menschen, sondern ein A-priori-Schema des Anklageaktes.

Im Frühling des nächsten Jahres, als Radek nach Genf kam, gab ihm Romm „einen Brief von Trotzki, den er kurz vorher in Paris von Sedow bekommen hatte“. Also, im Frühjahr 1931 stellte Sedow hypothetisch die Frage nach einer Verbindung mit Radek „nötigenfalls“. Hat Sedow Radeks Reise nach Genf vorausgesehen? Wohl kaum. Denn im Sommer 1931 hatte Radek seine Reise nach Genf selbst wohl kaum vorausgesehen. Wie dem auch sei, drei Vierteljahre nach dem Berliner Gespräch erhielt Sedow die Möglichkeit, das ihm von Romm gegebene Versprechen auszunutzen. Was hatte sich in Romms Kopf zwischen dem Sommer 1931, als er prinzipiell den Weg der „Verschwörung“ betrat, und dem Frühjahr 1932, als er den ersten praktischen Schritt tat, abgespielt? Hat er wenigstens jetzt versucht, mit mir in Verbindung zu treten? Hat er Interesse gezeigt für meine Bücher, Veröffentlichungen, für meine Freunde? Hat er mit Sedow politische Gespräche geführt? Nichts von alledem. Romm hat nur einfach einen kleinen Auftrag übernommen, der ihm den Kopf kosten konnte. Alles andere interessierte ihn nicht. Sieht Romm aus wie ein überzeugter Trotzkist? Wohl kaum. Dagegen aber würde er wie ein Tropfen Wasser dem anderen einem Agent provocateur der GPU ähneln, wenn er ... ja, wenn er tatsächlich jene Taten begangen hätte, die er beichtet. In Wirklichkeit sind alle diese Taten nachträglich ausgedacht. Wir werden noch die Möglichkeit haben, uns davon zu überzeugen. Unter welchen Umständen übergab Sedow im Frühjahr 1932 Romm den Brief für Radek? Die Antwort auf diese Frage ist höchst bemerkenswert:

„Einige Tage vor meiner Abreise nach Genf, als ich in Paris war,“ erzählt Romm, „erhielt ich durch die Stadtpost einen Brief, in dem ein kurzer Zettel von Sedow war mit der Bitte, den im beigefügten Kuvert liegenden Brief Radek zu übergeben.“

Also: neun bis zehn Monate nach der einzigen Begegnung mit Romm – wie viele Reueerklärungen, Verrätereien und Provokationen hatten in diesen Monaten stattgefunden! – schickt Sedow ohne irgendeine vorherige Nachprüfung Romm einen konspirativen Brief. Um den Leichtsinn zu verdoppeln, tut er es vermittels der „Stadtpost“. Warum übergab er den Brief nicht persönlich? Wyschinski stellt diese heikle Frage natürlich nicht. Wir unsererseits jedoch wollen dafür eine Erklärung vorschlagen. Weder die GPU noch Wyschinski, folglich auch nicht Romm, wissen sicher, wo sich Sedow im Frühjahr 1932 aufhielt: in Berlin oder in Paris. Soll die Zusammenkunft nach dem Tiergarten verlegt werden? Soll man als Rendezvous-Platz Montparnasse wählen? Lieber die unterirdischen Klippen umgehen. Zwar ist der „Stadtbrief“ ein Hinweis darauf, dass Sedow in Paris war. Aber „nötigenfalls“ kann man ja immer noch sagen, Sedow habe aus Berlin den Brief seinem französischen Agenten geschickt und dieser habe die Pariser Stadtpost benutzt. Wie unvorsichtig, wie hilflos sind doch die Trotzkistischen Verschwörer! Vielleicht aber hat Trotzki seinen Brief mindestens chiffriert oder mit unsichtbarer Tinte geschrieben? Hören wir darüber den Zeugen.

Romm: „Ich habe diesen Brief mit nach Genf genommen und ihn Radek bei der Begegnung übergeben.“

Wyschinski: „Hat Radek den Brief in Ihrer Gegenwart gelesen oder waren Sie nicht dabei?“

Romm: „Er hat ihn in meiner Gegenwart schnell durchgelesen und dann in die Tasche gesteckt.“

Welch unnachahmliches Detail! Radek hat den Brief nicht verschluckt, nicht auf die Straße geworfen, auch nicht dem Sekretariat des Völkerbundes übergeben, sondern einfach – „in die Tasche gesteckt“. Alle Geständnisse sind voll von solchen „konkreten“ Gemeinplätzen, deren sich der talentloseste Autor von Detektivromanen schämen würde. Wir erfahren jedenfalls, dass Radek den Brief in Gegenwart von Romm „schnell durchgelesen“ hat. Einen chiffrierten oder gar mit chemischer Tinte geschriebenen Brief kann man nicht an Ort und Stelle, vor den Augen des Überbringers „schnell durchlesen“. Folglich war der mit der Stadtpost angekommene Brief auf die gleiche Weise niedergeschrieben, wie man eine Geburtstagsgratulation schreibt. Vielleicht aber hat dieser erste Brief keine besonderen Geheimnisse enthalten? Hören wir weiter.

Wyschinski: „Was hat Ihnen nun Radek über den Inhalt des Briefes mitgeteilt?“

Romm: „Dass er Direktiven enthalte für eine Vereinigung mit den Sinowjewisten, für einen Übergang zur terroristischen Kampfmethode gegen die Leitung der WKP (B), in erster Linie gegen Stalin und Woroschilow.“

Wir sehen, das Sendschreiben ist gar nicht so harmlos. Es enthält die „Direktive“, Stalin und Woroschilow umzubringen, später auch alle anderen. Und gerade dieses Briefchen sandte Sedow per Stadtpost dem ihm kaum bekannten Romm, zehn Monate nach dem ersten und einzigen Zusammentreffen mit diesem! Unser Staunen hört aber noch lange nicht auf. Wyschinski stellte, wie wir soeben vernahmen, dem Zeugen direkt die Frage: „Was hat Ihnen nun Radek über den Inhalt des Briefes mitgeteilt?“ Als ob Radek den Inhalt eines höchst geheimen Briefes einem einfachen Verbindungsagenten mitteilen muss! Die elementarste Regel der Konspiration lautet, dass jeder Teilnehmer einer illegalen Organisation nur das wissen darf, was unmittelbar zu seinen Pflichten gehört. Da Romm aber im Auslande blieb und offenbar weder Stalin, noch Woroschilow, noch die anderen zu ermorden vorhatte (mindestens hat er von einer solchen Absicht nichts verlauten lassen), so hatte Radek, wenn er bei vollen Sinnen war, nicht die geringste Veranlassung, Romm den Inhalt des Briefes mitzuteilen. Nicht die geringste Veranlassung – vom Standpunkt des Oppositionellen, Verschwörers, Terroristen. Die Frage stellt sich aber anders dar unter dem Gesichtspunkt der GPU. Wenn Radek Romm vom Inhalt des Briefes nichts mitgeteilt haben würde, könnte doch dieser die terroristische Direktive Trotzkis nicht entlarven, und seine Aussage würde in dieser Hinsicht jedes Interesse verlieren. Wir wissen bereits: Zeugen und Angeklagte sagen aus, nicht das, was sich aus dem Charakter der konspirativen Tätigkeit oder aus ihrer persönlichen Psychologie ergibt, sondern das, was der Herr Staatsanwalt braucht, den die Natur mit sehr trägem Gehirn ausgestattet hat. Darüber hinaus sind Angeklagte und Zeugen nicht verpflichtet, auf die Überzeugungskraft des Prozessberichtes bedacht zu sein.

Der Leser wird fragen: Was tat nun der Korrespondent der TASS, als er plötzlich von der Direktive Trotzkis erfuhr: so schnell wie möglich alle „Führer“ der Sowjetunion auszurotten? War er entsetzt? Fiel er in Ohnmacht? Äußerte er Empörung oder war er im Gegenteil von der „Direktive“ entzückt? Kein Wort darüber. Von den Zeugen wie von den Angeklagten wird keine Psychologie verlangt. Romm hat „nebenbei“ Radek den Brief ausgehändigt. Radek hat „nebenbei“ Romm die terroristische Direktive mitgeteilt. „Danach reiste Radek nach Moskau und ich sah ihn bis zum Herbst 1932 nicht.“ Schluss. Einfacher Übergang zur Tagesordnung.

Hier korrigiert Radek, um die Lebhaftigkeit des Dialogs besorgt, unvorsichtigerweise Romm: „Im ersten Brief Trotzkis“, sagt er, „figurieren die Namen Stalin und Woroschilow nicht, weil wir in unseren Briefen niemals Namen nannten.“ Für die Korrespondenz mit mir hatte also Radek damals noch keine Chiffre. „Trotzki hat keinesfalls“, drängt er weiter, „Stalin und Woroschilow nennen können.“ Es fragt sich aber, woher hat Romm diese Namen doch her. Aber wenn er eine solche „Lappalie“, wie die Namen Stalins und Woroschilows, als der nächsten Opfer des Terrors, sich einfach ausgedacht hat, vielleicht hat er den ganzen Brief ausgedacht? Den Staatsanwalt geht das nichts an. Im Herbst 1932 kam Romm auf eine Abkommandierung nach Moskau und traf Radek, der nicht versäumte, ihm sofort mitzuteilen, dass „in Erfüllung der Direktive Trotzkis, sich der Trotzkistisch-Sinowjewistische Block organisiert habe, dass aber er und Pjatakow sich diesem Zentrum nicht angeschlossen hätten“. Wieder können wir beobachten, wie Radek nur darauf wartet, Romm irgendein wichtiges Geheimnis zu verraten, nicht etwa aus Leichtsinn oder einer ihm angeborenen uneigennützigen Geschwätzigkeit, sondern zu einem höheren Zweck: aus der Notwendigkeit heraus, dem Staatsanwalt Wyschinski behilflich zu sein, die späteren Lücken in den Geständnissen Sinowjews, Kamenews und anderer auszufüllen. In der Tat, niemand konnte bis jetzt begreifen, wie und weshalb Radek und Pjatakow, die ja in der Voruntersuchung bereits von den Angeklagten im Prozess der 16 als „Komplizen“ entlarvt waren, nicht rechtzeitig einbezogen wurden. Niemand konnte begreifen, wieso Sinowjew, Kamenew, Smirnow und Mratschkowski von den internationalen Plänen Radeks und Pjatakows (Beschleunigung des Krieges, Zerreißung der UdSSR usw.) nichts gewusst hatten. Menschen, die eines gewissen Scharfsinns nicht entbehren, waren geneigt zu glauben, dass diese grandiosen Pläne wie die Idee des „parallelen Zentrums“ überhaupt bei der GPU erst nach der Erschließung der 16 entstanden, um durch die eine Fälschung die andere zu stützen. Aber nicht doch. Radek hatte rechtzeitig, bereits im Herbst 1932, Romm mitgeteilt, das Trotzkistisch-Sinowjewistische Zentrum sei entstanden, aber er, Radek, und Pjatakow seien nicht hineingegangen und bewahren sich auf für das „parallele Zentrum“, wo die Trotzkisten überwiegen. Die Mitteilsamkeit Radeks ist somit hellseherisch. Das ist aber nicht etwa so zu verstehen, dass Radek im Herbst 1932 tatsächlich vom parallelen Zentrum gesprochen hätte, gleichsam die künftigen Sorgen Wyschinskis im Jahre 1937 vorausahnend. Nein, die Sache verhält sich einfacher: Radek und Romm bauten unter Leitung der GPU im Jahre 1937 retrospektiv das Schema der Ereignisse von 1932 auf. Und man muss die Wahrheit sagen: sie bauten schlecht.

Nachdem Radek dem Romm vom Zentrum und dem parallelen Zentrum erzählt hatte, versäumte er nicht, hinzuzufügen, dass er „über diese Frage eine Direktive von Trotzki einholen will“. Ohne diese Aussage wäre Romms Zeugnis wertlos. „In Durchführung der Trotzkistischen Direktive“ wurde das terroristische Zentrum gebildet. Jetzt braucht man Trotzkis Direktive zur Schaffung eines parallelen Zentrums. Ohne Trotzki können diese Menschen keinen Schritt tun. Oder, richtiger gesagt, sie sind bemüht, durch alle Kanäle das Weltall zu unterrichten, dass alle Schandtaten nicht anders als auf Trotzkis Direktive hin geschehen.

Die Reise Romms benutzt Radek selbstverständlich, um Trotzki einen Brief zu schreiben.

Wyschinski: „Was stand in diesem Brief? Wussten Sie das?“

Romm: „Ja, weil mir der Brief ausgehändigt und dann (!), vor meiner Abreise nach Genf, in den Deckel eines deutschen Buches eingebunden wurde.“

Der Staatsanwalt zweifelt von vornherein nicht daran, dass Romm der Inhalt des Briefes bekannt ist; zu diesem Zwecke wurde ja der unglückselige Korrespondent der TASS in einen Zeugen verwandelt. Und doch liegt in Romms Antwort mehr Gehorsam als Sinn: der Brief wird ihm zuerst eingehändigt und dann in den Einband eines deutschen Buches eingebunden. Was bedeutet eigentlich „eingehändigt“? Wer hat ihn in den Einband getan? Würde Radek den Brief einfach in ein Buch eingebunden und Romm beauftragt haben, das Buch zu übergeben, wie es jeder revolutionäre ABC-Schütze getan hätte, Romm hätte dem Gericht nichts anderes mitteilen können, als dass er dem Adressaten ein „deutsches Buch“ abgeliefert habe. Wyschinski aber genügt das nicht. Deshalb wurde der Brief zuerst Romm „eingehändigt“ – zum Durchlesen? – und „dann“ in einen Einbanddeckel getan, damit später der Staatsanwalt seinen Geist nicht zu sehr zu strapazieren braucht. Die Menschheit erfährt auf diese Weise ohne viel Mühe, dass Radek Trotzki nicht von Spektralanalyse, sondern vom berüchtigten terroristischen Zentrum Mitteilung gemacht hat.

Auf der Durchreise in Berlin schickte Romm vom Bahnhof aus das Buch als Drucksache an die Adresse, die ihm Sedow gegeben hatte: „Postlagernd an eines der Berliner Postämter“. Diese Herren haben sich an dem Prozess der 16 die Finger verbrannt und gehen nun vorsichtig ans Werk. Romm hat weder Sedow noch eine dritte von diesem ihm genannte Person besucht, denn in diesem Falle hätte man doch die Adresse und die Person nennen müssen. Das aber war riskant. Romm hat den Brief auch nicht an die Adresse irgendeines mit Sedow in Verbindung stehenden Deutschen gesandt, obwohl dies jeder illegalen Tradition entsprochen hätte, aber auch in diesem Falle hätte man Name und Adresse des Deutschen kennen müssen. Es ist deshalb viel vorsichtiger (nicht vom Standpunkt der Konspiration, aber vom Standpunkt der Falsifikation), das Buch „postlagernd, an eines der Berliner Postämter“ zu spedieren.

Die nächste Begegnung Romms mit Sedow fand „im Juli 1933“ statt. Merken wir uns dieses Datum. Wir nähern uns dem zentralen Punkte der Aussage. Hier muss auch ich auf die Bühne treten.

Wyschinski: „Aus welchem Anlass, wie und wo trafen Sie sich wieder?“

Romm: „In Paris. Ich war aus Genf gekommen, und einige Tage später rief mich Sedow telefonisch an.“

Es bleibt unbekannt, woher Sedow von der Ankunft Romms erfahren hatte. Auf den ersten Blick mag diese Bemerkung als Nörgelei erscheinen. In Wirklichkeit aber enthüllt sie wiederum das System ängstlichen Verschweigens. Um Sedow von seiner Ankunft zu benachrichtigen, hätte Romm dessen Adresse oder Telefonnummer wissen müssen. Romm weiß weder das eine noch das andere. Es ist besser, die Initiative Sedow zu überlassen, seine eigene Adresse kennt ja Romm. Sedow bestimmte eine Zusammenkunft in einem Café auf dem Boulevard Montparnasse und sagte, „er wolle mir (Romm) eine Begegnung mit Trotzki vermitteln“. Wir wissen, dass Romm als Verbindungsagent unbedenklich seinen Kopf riskiert hatte, ohne bisher den geringsten Wunsch gezeigt zu haben, sich mit mir zu treffen oder mit mir in Korrespondenz zu treten. Auf Sedows Vorschlag hin aber war er sofort bereit. Ebenso hatte er sich zwei Jahre vorher auf Putnas Vorschlag sofort zu einem Treffen mit Sedow begeben. Ebenso war er nach den ersten Worten Sedows sofort bereit, Radek Briefe zu übermitteln. Romms Funktion ist: mit allem einverstanden zu sein, aber keine eigene Initiative zu entwickeln. Offenbar hatte er sich mit der GPU auf dieses „Minimum“ an verbrecherischer Tätigkeit geeinigt, in der Hoffnung, so seinen Kopf zu retten. Ob er ihn retten wird, ist eine andere Frage ...

Einige Tage nach dem Telefongespräch traf sich Sedow mit Romm „im gleichen Café“. Aus Vorsicht wird das Café nicht genannt: plötzlich könnte sich herausstellen, das Café sei am Vorabend abgebrannt! Die Geschichte mit dem Kopenhagener Hotel Bristol haben sie sich nun ein für allemal gemerkt. „Von dort (dem unbekannten Café) begaben wir uns in den Bois de Boulogne, wo wir uns mit Trotzki trafen.“

Wyschinski: „Wann war das?“

Romm: „Ende Juli 1933.“

Wahrhaftig, eine unpassendere Frage hätte Wyschinski nicht stellen können! Es ist wahr, Romm hatte schon früher die Bemerkung gemacht, die Episode spiele im Juli 1933. Doch er hätte sich geirrt oder versprochen haben können. Man hätte ihn erschießen und dann einen der Pritts beauftragen können, den Irrtum zu korrigieren. Doch auf Drängen des Staatsanwalts wiederholt und präzisiert Romm, die Zusammenkunft habe „Ende Juli 1933“ stattgefunden. Hier hat die Vorsicht Wyschinski völlig verlassen! Romm hat ein wahrhaft fatales Datum genannt, das allein imstande ist, nicht nur Romms Aussagen, sondern auch den ganzen Prozess zu begraben. Wir müssen jedoch den Leser um ein wenig Geduld bitten. Auf den fatalen chronologischen Irrtum und seine Quellen werden wir an entsprechender Stelle eingehen. Jetzt wollen wir den gerichtlichen Dialog oder richtiger das Duett weiterverfolgen.

Die Begegnung Romms mit mir im Bois de Boulogne – seine überhaupt erste Begegnung mit mir, wie aus seiner eigenen Erzählung folgt – musste doch, sollte man annehmen, in seinem Gedächtnis haften geblieben sein. Aber wir vernehmen von ihm nichts: weder über den ersten Augenblick der Bekanntschaft noch über den äußeren Eindruck oder den Verlauf des Gesprächs; gingen wir durch die Alleen oder saßen wir auf einer Bank, rauchte ich, Zigarren, Zigaretten oder Pfeife? – kein lebendiger Strich, kein subjektives Erlebnis, kein Wahrnehmungseindruck! Trotzki in der Allee des Bois de Boulogne bleibt für Romm ein Gespenst, eine Abstraktion, eine Figur aus den Mappen der GPU. Romm sagt nur, das Gespräch habe „etwa 20 bis 25 Minuten“ gedauert.

Wyschinski: „Zu welchem Zwecke hat sich Trotzki nun mit Ihnen getroffen?“

Romm: „Ich habe es so verstanden (!), um die Weisungen, die ich in dem Brief nach Moskau mitnahm, mündlich zu bestätigen.“

Bemerkenswerte Worte: ich habe es „so verstanden“. Der Zweck der Zusammenkunft war, wie sich herausstellt, derart unbestimmt, dass Romm darüber nur nachträglich Vermutungen aufzustellen vermag. In der Tat, nachdem ich in dem Brief Radek rituelle Instruktionen hinsichtlich der Ausrottung von Führern, Schädlingsarbeit usw. erteilt hatte, welchen Grund sollte ich noch gehabt haben, mich mit einem mir unbekannten Verbindungsagenten zu unterhalten. Es kommt vor, dass man mündlich erteilte Direktiven schriftlich bestätigt. Es kommt vor, dass man durch eine autoritative Person Direktiven, die man einer untergeordneten Stelle gegeben hat, bestätigt. Es ist aber unbegreiflich, wozu ich es nötig hatte, durch den für niemand autoritären Romm mündlich jene Direktiven zu bestätigen, die ich Radek schriftlich erteilt hatte. Jedoch, wenn diese Handlungsweise vom Standpunkt des Verschwörers unbegreiflich ist, so ändert sich die Sache sofort, wenn man die Interessen des Staatsanwalts berücksichtigt. Ohne Begegnung mit mir hätte Romm nur aussagen könnender habe Radek einen in einem Bucheinband versteckten Brief übergeben. Diesen Brief besitzt aber weder Radek, noch Romm, noch der Staatsanwalt. Den in einem Einband enthaltenen Brief hätte Romm nicht lesen können. Vielleicht war der Brief gar nicht von mir? Vielleicht war darin gar kein Brief. Um Romm aus der schwierigen Lage zu befreien, habe ich das Buch für Radek nicht durch einen geschützten Vermittler, sagen wir einen Franzosen, dem Verbindungsagenten übergeben lassen, was jeder Konspirator getan hätte, der das fünfzehnte Lebensjahr überschritten hat, sondern ich, der das fünfzigste Lebensjahr bereits überschritt, habe gerade umgekehrt gehandelt, nämlich: meinen Sohn in die Operation verwickelt, was an sich ein grober Fehler war, und außerdem auch noch selbst 20 bis 25 Minuten lang Romm seine späteren Aussagen eingepaukt. Die Methodologie der Fälschung zeichnet sich nicht durch Raffiniertheit aus! Im Gespräch habe ich selbstverständlich erklärt, dass ich „mit der Idee des parallelen Zentrums einverstanden bin, aber unter der Bedingung des Aufrechterhaltens des Blocks mit den Sinowjewisten und ferner unter der Bedingung, dass das parallele Zentrum nicht tatenlos bleiben, sondern aktiv arbeiten wird, indem es die aufrechten Kader um sich sammelt‘. Welch tiefe und fruchtbare Gedanken! ... Ich musste natürlich „die Aufrechterhaltung des Blocks mit den Sinowjewisten“ fordern, andernfalls hätte Stalin keine Gelegenheit gehabt, Sinowjew, Kamenew, Smirnow und die anderen zu erschießen. Ich habe aber auch die Schaffung des parallelen Zentrums gutgeheißen, um Stalin die Möglichkeit zu geben, Pjatakow, Serebrjakow und Muralow zu erschießen. Übergehend zu der Frage von der Notwendigkeit, nicht nur Terror, sondern auch Industriesabotage anzuwenden, empfahl ich, vor Opfern an Menschen nicht zurückzuschrecken. Romm äußerte seine „Verwunderung“: das würde ja bedeuten, „die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu untergraben“! Ich habe folglich im Bois de Boulogne mich einem unbekannten jungen Menschen, der nicht einmal meine „defätistischen“ Einstellungen teilte, mein Herz ausgeschüttet. Und das alles, weil Romm im Jahre 1927 sich Radek in der „chinesischen Frage“ angeschlossen hat.

Selbstverständlich hat der gewissenhafte Romm nicht nur pünktlich den nie geschriebenen Brief abgeliefert, sondern Radek dabei auch von dem erdachten Gespräch mit mir berichtet – um Wyschinski die Möglichkeit zu geben, sich auf zwei Zeugnisse zu stützen. Ende September 1933 übergab Radek Romm die Antwort. Über den Inhalt des Briefes teilt Romm diesmal nichts mit, es ist auch nicht notwendig, da die Briefe in diesem Prozess sich alle ähneln wie die Beschwörungen von Schamanen. Das Buch mit dem Brief übergab Romm Sedow „in Paris im November 1933“. Die nächste Zusammenkunft fand statt im April 1934, wiederum im Bois de Boulogne. Romm kam mit der Kunde, dass er bald nach Amerika versetzt werden würde. Sedow „bedauerte es“, bat aber, von Radek einen „ausführlichen Bericht über die Lage“ zu bringen.

Wyschinski: „Haben Sie den Auftrag ausgeführt?“

Romm: „Ja, ich habe ihn ausgeführt.“

Wie hätte Romm ihn nicht ausführen können? Im Mai 1934 übergab er in Paris Sedow ein englisch-russisches technisches Wörterbuch (welche Genauigkeit!), das „ausführliche Berichte sowohl des aktiven wie des parallelen Zentrums“ enthielt. Beachten wir diesen kostbaren Umstand! Keinem einzigen der 16 Angeklagten, von Sinowjew bis Reingold, der alles gewusst und alle denunziert hat, war im August 1936 von der Existenz eines parallelen Zentrums auch nur das Geringste bekannt. Romm aber war seit Herbst 1932 auf das genaueste über die Idee des parallelen Zentrums und seiner Realisierung unterrichtet. Nicht weniger bemerkenswert ist die Tatsache, dass Radek, der dem aktiven Zentrum nicht angehörte, trotzdem „ausführliche Berichte des aktiven wie des parallelen“ Zentrums versandte. Über den Inhalt dieser Berichte sagt Romm nichts und Wyschinski belästigt ihn natürlicherweise nicht. Denn was hätte Romm auch sagen können? Im Mai 1934 war Kirow noch nicht ermordet, durch Nikolajew unter Beteiligung der GPU und deren Agenten, des lettischen Konsuls Bisineks. Romm hätte sagen müssen, dass die Tätigkeit des „aktiven und des parallelen Zentrums“ darin bestand, von mir Direktiven zu verlangen und in Empfang zu nehmen. Aber das wissen wir ohnehin. Belassen wir deshalb die „ausführlichen Berichte“ Radeks in den Tiefen des technischen Wörterbuchs. Wyschinski interessiert sich ferner dafür, worauf das Gespräch mit Sedow bezüglich Romms Versetzung nach Amerika hinauslief. Romm berichtet unverzüglich von der durch Sedow übermittelten Bitte Trotzkis: „wenn es etwas Interessantes auf dem Gebiete der sowjet-amerikanischen Beziehungen geben würde, ihn zu informieren“. An sich klingt die Bitte auf den ersten Blick harmlos: als Politiker und Schriftsteller hatte ich natürlich Interesse für die sowjet-amerikanischen Beziehungen, um so mehr, als ich in den vergangenen Jahren in der amerikanischen Presse wiederholt in Artikeln und Interviews für die Anerkennung der Sowjets durch die Vereinigten Staaten eingetreten war. Aber Romm, der sich nicht weiter wunderte, als man durch ihn Instruktionen über Terror und Sabotage übermittelte, hatte es diesmal für seine Pflicht gehalten, sich zu wundern. „Als ich fragte, weshalb es denn so interessant sei (!), sagte Sedow: ‚Das ergibt sich aus der Einstellung Trotzkis auf die Niederlage der UdSSR.‘“ Wieder einmal ein Punkt über dem i. Aber ich habe mich doch in meinen Artikeln stets für die Verständigung mit der UdSSR ausgesprochen; ich habe öffentlich mit jenen meiner angeblichen Gesinnungsgenossen gebrochen, die Zweifel äußerten an der Pflicht eines Revolutionärs, die UdSSR zu verteidigen, trotz dem Stalinschen Regime. Es bleibt also nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass mein „Defätismus“, der in absolutem Gegensatz zu meiner publizistischen Tätigkeit stand, ein strenges Geheimnis der wenigen Eingeweihten bildete. Es lohnt sich nicht, davon zu sprechen, wie weit eine solche Hypothese politisch und psychologisch läppisch ist. Aber die Anklage beruht völlig darauf, steht und fällt mit ihr. Wyschinski, der in Details, Daten und Adressen usw. so Vorsichtige ist absolut stumpfsinnig in Bezug auf die grundlegenden Probleme des Prozesses. Wenn Romm Sedow fragt, weshalb mich die sowjet-amerikanischen Beziehungen „interessieren“ (eine an sich sinnlose Frage), antwortet Sedow, anstatt auf meine literarische Tätigkeit zu verweisen, eilfertig: „Das ergibt sich aus Trotzkis Einstellung auf die Niederlage der UdSSR.“ Es stellt sich also heraus, dass ich aus meinem „Defätismus“ gar kein Geheimnis machte. Wozu dann meine gesamte angestrengte theoretische und publizistische Arbeit? Daran denken die Herren Ankläger nicht, sie sind unfähig, daran zu denken. Ihre Fälschung entfaltet sich auf einer psychologisch viel niedrigeren Ebene. Sie werden ohne Psychologie fertig. Ihnen genügt der Inquisitionsapparat.

Auf die weitere Frage Wyschinskis antwortet Romm: „Ja, ich erklärte mich bereit, die Trotzki interessierenden Informationen zu senden.“ Jedoch habe Romm im Mai 1934 den „letzten Auftrag“ erfüllt. Nach der Ermordung Kirows beschloss er, „die aktive Arbeit einzustellen“. Deshalb habe er mir keine Informationen aus den Vereinigten Staaten gesandt ... Unter meinen amerikanischen Freunden befinden sich Menschen von hoher wissenschaftlicher und politischer Qualifikation, die jederzeit bereit sind, mich über alle Fragen, die den Kreis meiner Interessen bilden, zu informieren. Mich um Informationen an Romm zu wenden, hatte ich folglich gar keinen Grund ... sieht man von dem Bedürfnis ab, ihm mein „defätistisches“ Programm mitzuteilen.

Diese gesamte Episode ist in die Aussagen Romms wohl eingefügt worden – wie wahrscheinlich der ganze Romm in den Prozess – erst nachdem man erfahren hatte, dass ich im Begriff stand, nach Amerika überzusiedeln. Die Einbildungskraft der GPU war bestrebt, jenes Tankschiff zu überholen, das mich von Oslo nach Tampico brachte. Die Regierung der Vereinigten Staaten erhielt auf diese Weise von Anfang an eine Warnung: In Washington trieb der Trotzkistische Agent Romm sein Unwesen, der „bereit war“, Trotzki eine Information zu senden. Was für eine? Ganz klar: eine, die die Lebensinteressen der Vereinigten Staaten bedrohte. Radek vertiefte die Warnung: ein Teil meines Programms sei, „Japan im Falle eines Krieges mit den Vereinigten Staaten mit Petroleum zu versorgen“ (Verhandlung vom 23. Januar). Das war wohl auch der Grund, weshalb ich als Verkehrsmittel aus Oslo nach Tampico das Tankschiff gewählt hatte, als ein unentbehrliches Instrument bei meinen weiteren Operationen mit Petroleum. Beim nächsten Prozess wird sich Romm wahrscheinlich erinnern, dass ich ihn beauftragte, den Panamakanal abzusperren und den Niagara zur Überschwemmung New Yorks abzuleiten – das alles als Beschäftigung in seinen von der Arbeit als Korrespondent der Iswestija freien Stunden ... Sind alle diese Menschen wirklich so dumm? Nein, sie sind gar nicht dumm, aber ihre Gedanken sind durch das Regime der totalitären Verantwortungslosigkeit völlig demoralisiert. Beim einigermaßen aufmerksamen Lesen kompromittiert jede Frage Wyschinskis im Voraus Romms Antwort. Jede Antwort Romms überführt Wyschinski. Der Dialog als Ganzes befleckt den Prozess. Die Serie dieser Prozesse schändet auf nicht gutzumachende Weise Stalins System. Indes haben wir das Wichtigste noch nicht gesagt. Dass Romms Aussagen falsch sind, ergibt sich aus ihnen von selbst für jeden, der nicht blind und nicht taub ist. Doch wir besitzen Beweise auch für Blinde und Taube. Ich war nicht im Bois de Boulogne Ende Juli 1933. Ich konnte nicht dort gewesen sein. Ich befand mich zu jener Zeit fünfhundert Kilometer von Paris entfernt, am Ufer des Atlantischen Ozeans und war krank. Ich habe dies schon durch die New York Times (am 17. Februar 1937) mitgeteilt. Ich will hier die ganze Episode etwas ausführlicher darstellen, sie verdient es!

Am 24. Juli 1933 sollte der italienische Dampfer Bolgaria mit mir, meiner Frau und vier meiner Mitarbeiter (zwei Amerikaner: Sara Weber, Max Shachtman, der Franzose Van Heijenoort und der deutsche Emigrant Adolf) im Marseiller Hafen landen. Nach einem mehr als vierjährigen Aufenthalt in der Türkei übersiedelten wir nach Westeuropa. Unserer Einreise nach Frankreich waren langwierige Bemühungen vorausgegangen, wobei der Hinweis auf meinen Gesundheitszustand die wichtigste Stelle einnahm. Die Regierung Daladier, die mir die Erlaubnis erteilt hatte, wahrte jedoch große Vorsicht: sie befürchtete Attentate, Manifestationen und andere Zwischenfälle, besonders in der Hauptstadt. Am 29. Juni 1933 teilte der Innenminister Chautemps dem Deputierten Henri Guernut schriftlich mit, dass mir „aus Gesundheitsgründen das Recht erteilt werde, in einem der südlichen Departements Aufenthalt zu nehmen und später mich auf Korsika niederzulassen“ (Korsika hatte ich selbst in einem Brief bedingt genannt). Somit war die Rede von Anfang an nicht von der Hauptstadt, sondern von einem entfernten Departement. Ich konnte keinen Beweggrund haben, diese Verabredung zu verletzen, da ich selbst genügend daran interessiert war, während meines Aufenthalts in Frankreich alle Komplikationen zu vermeiden. Schon allein der Gedanke daran, dass ich, kaum französischen Boden betreten, entgegen dem Übereinkommen, mich den Augen der Polizei entziehen und mich geheim nach Paris begeben haben könnte, zum Zwecke eines völlig überflüssigen Rendezvous mit Romm, muss man als völlig phantastisch zurückweisen. Nein, die Sache war ganz anders ...

Ermutigt durch den Sieg Hitlers in Deutschland, erhob die Reaktion in Frankreich ihr Haupt. Gegen meine Einreise ins Land wurde eine wütende Kampagne geführt von solchen Blättern wie Matin, Journal, Liberté, Echo de Paris usw. Besonders schrill klang in diesem Chor die Stimme der Humanité. Die französischen Stalinisten hatten noch nicht den Befehl erhalten, die Sozialisten und die Radikalen als „Brüder“ anzuerkennen. Ganz im Gegenteil, Daladier wurde von der Komintern als Radikal-Faschist behandelt, Leon Blum, der Daladier stützte, als Sozial-Faschist gebrandmarkt. Was mich betrifft, so hatte ich nach der Bestimmung von Moskau die Funktion eines Agenten des amerikanischen, englischen und französischen Imperialismus zu erfüllen.

Das Inkognito, unter dem wir unsere Plätze auf dem Dampfer eingenommen hatten, wurde unterwegs selbstverständlich gelüftet. Es waren nun Manifestationen im Marseiller Hafen seitens der Faschisten und noch mehr seitens der Stalinisten zu befürchten. Unsere Freunde in Frankreich hatten allen Grund, Vorkehrungen zu treffen, damit unsere Ankunft von keinen Zwischenfällen begleitet werde, die unseren Aufenthalt in Frankreich hätten gefährden können. Um die Wachsamkeit der Feinde zu täuschen, hatten unsere Freunde zusammen mit meinem Sohn, dem es inzwischen gelungen war, aus dem Hitler-Deutschland nach Paris zu kommen, einen komplizierten strategischen Plan ausgearbeitet, der, wie der letzte Moskauer Prozess beweist, glänzend gelang. Der Dampfer Bolgaria hielt auf ein Funktelegramm aus Frankreich hin einige Kilometer vom Marseiller Hafen entfernt an, wo uns ein Motorboot erwartete, in dem sich mein Sohn, der Franzose Raymond Molinier, ferner ein Kommissar der Sûreté Générale und zwei Bootsleute befanden. Für die Fahrtunterbrechung von drei Minuten war, soviel ich mich erinnere, die Summe von tausend Francs zu zahlen. Im Journal des Dampfers ist diese Episode bestimmt eingetragen; außerdem berichtete darüber die gesamte Weltpresse. Mein Sohn kam auf unser Schiff und übergab Van Heijenoort eine schriftliche Instruktion. In das Boot stiegen nur ich und meine Frau, während unsere vier Reisegefährten mit dem ganzen Gepäck den Weg nach Marseille fortsetzten. Unser Boot legte an einem stillen Orte, Cassis, an, wo uns zwei Automobile und zwei französische Freunde, Leprince und Lasté, erwarteten. Ohne eine Minute Aufenthalt fuhren wir sofort in die Richtung nordwestlich von Marseille, zur Mündung der Gironde, in das Dorf Saint-Palais, bei Royan, wo für uns auf den Namen Molinier bereits ein Sommerhaus gemietet war.

Unterwegs übernachteten wir in einem Hotel. Die Eintragungen im Hotelbuch sind festgestellt und von mir der Untersuchungskommission übergeben worden.

Unser gesamtes Gepäck war in der Türkei zur Wahrung des Inkognito auf den Namen Max Shachtman aufgegeben worden. Die Holzkisten, in denen meine Bücher und Papiere nach Mexiko gebracht wurden, zeigen noch jetzt diese Initialen. Angesichts des aufgehobenen Inkognito konnte es für die Agenten der GPU in Marseille kein Geheimnis mehr sein, dass das Gepäck mir gehörte, und da meine Mitarbeiter damit in die Richtung nach Paris weiterfuhren, folgerten die GPU-Agenten, ich sei mit meiner Frau in einem Automobil oder einem Flugzeug ebenfalls in die Hauptstadt gereist. Man darf nicht vergessen, dass die Beziehungen zwischen der sowjetrussischen Regierung und Frankreich zu jener Zeit noch sehr gespannt waren. Die Presse der Komintern hatte damals sogar behauptet, ich sei mit der bestimmten Mission nach Frankreich gekommen, dem damaligen Premierminister Daladier, dem heutigen Kriegsminister, zu helfen – einen Überfall auf die UdSSR vorzubereiten. Wie kurz ist das menschliche Gedächtnis! ... Zwischen der GPU und der französischen Polizei konnten folglich keine intimen Beziehungen bestanden haben. Die GPU wusste über mich nur das, was die Zeitungen brachten. Romm konnte nur das wissen, was die GPU wusste. Die Presse aber hatte unsere Spur gleich nach der Landung verloren.

Auf Grund von Nachforschungen in Telegrammen ihrer eigenen Korrespondenten aus jener Zeit schrieb die Redaktion der New York Times am 17. Februar dieses Jahres:

„Das Schiff, das im Jahre 1933 Trotzki aus der Türkei nach Marseille bringen sollte, traf dort ein, nachdem er unterwegs geheim ans Ufer gegangen war, laut einem Telegramm aus Marseille der The New York Times vom 25. Juli 1933. Trotzki hatte drei Meilen vom Hafen entfernt ein Motorboot bestiegen und war in Cassis gelandet, wo ein Automobil wartete ... Damals kamen sich widersprechende Nachrichten: Trotzki habe sich nach Korsika begeben, in das Heilbad Royan im Zentrum Frankreichs, bei Vichy und schließlich, er sei nach Vichy gereist.“

Diese Auskunft, die der Genauigkeit des Zeitungskorrespondenten alle Ehre macht, bestätigt vollständig die vorangegangene Schilderung. Bereits am 24. Juli erging sich die Presse in Vermutungen über unser weiteres Schicksal. Die Lage der GPU, das sei zugegeben, war sehr schwierig.

Die Organisatoren der Fälschung wähnten wohl: Trotzki musste immerhin mindestens einige Tage in Paris verbracht haben, um seine Angelegenheiten zu regeln und einen Aufenthaltsort in der Provinz zu finden. Der GPU war unbekannt, dass alle Fragen im Voraus geregelt waren und ein Sommerhaus vor unserer Ankunft gemietet war. Wiederum fürchteten sich Stalin, Jeschow und Wyschinski, die Zusammenkunft mit Romm auf den August oder auf einen späteren Monat zu verlegen – man musste das Eisen schmieden, solange es heiß war. Deshalb wählten die vorsichtigen und vorausschauenden Männer als Termin der Zusammenkunft Ende Juli, wo ich, ihrer Meinung nach, in Paris gewesen sein musste. Aber gerade dabei hatten sie sich verspekuliert. In Paris waren wir nicht. In Begleitung meines Sohnes und dreier französischer Freunde sind wir, wie gesagt, am 25. Juli in Saint-Palais bei Royan angekommen. Gleichsam um die Lage der GPU noch zu erschweren, hatte sich der Tag unserer Ankunft durch einen Brand auf unserem Grundstück ausgezeichnet: eine Laube, ein Stück des Zaunes und ein Teil der Bäume im Garten waren in Flammen aufgegangen. Der Brand war entstanden durch Funken aus einer Lokomotive. In den Lokalzeitungen vom 26. Juli kann man Berichte darüber lesen. Die Nichte unseres Hausbesitzers kam wenige Stunden später, um die Folgen des Brandes zu besichtigen.

Die Zeugenaussagen beider Personen, die unsere Chauffeure waren, Leprince und Raymond Molinier, wie die des uns begleitenden Lasté schildern die Reise in allen ihren Einzelheiten. Das von der Feuerwehr erteilte Zeugnis bestätigt das Datum des Brandes. Der Reporter Albert Bardon, der über den Brand Berichte an die Presse sandte, hat mich im Automobil gesehen und dies bezeugt. Eine Aussage hat auch die früher erwähnte Nichte unseres Hauswirtes gemacht.

In der Wohnung erwarteten uns Wera Lanis, die die Pflichten der Hausfrau übernommen hatte, und Segal, der uns bei der Einrichtung behilflich war. Alle diese Personen haben die letzten Julitage mit uns verbracht und waren Zeugen, dass ich, kaum in Saint-Palais angekommen, mich mit einem Lumbago und Fieber niederlegen musste.

Von unserer Ankunft war der Präfekt des Departements Charente Inférieure sofort durch ein Geheimtelegramm aus Paris benachrichtigt worden. Wir lebten bei Royan wie überhaupt in Frankreich inkognito. Unsere Papiere wurden nur durch höhere Beamte der Sûreté Générale in Paris kontrolliert. Dort kann man zweifellos Spuren unserer Marschroute finden. In Saint-Palais war ich zwei Monate krank und in Behandlung eines Arztes. In der Times schrieb ich, dass mich in Saint-Palais etwa dreißig Freunde besucht hätten. Wie ich später aus dem Gedächtnis und aus Aufzeichnungen feststellen konnte, besuchten mich dort mindestens fünfzig Personen: etwa dreißig Franzosen, vorwiegend Pariser, sieben Holländer, zwei Belgier, drei Engländer, zwei Italiener, zwei Deutsche, ein Schweizer usw. Unter den Besuchern waren Menschen mit bekannten Namen, wie etwa der französische Schriftsteller André Malraux, der Schriftsteller und Übersetzer meiner Bücher, Parichanin, der holländische Deputierte Sneevliet, die holländischen Journalisten Schmidt und de Kadt, der frühere Sekretär der englischen Unabhängigen Arbeiterpartei, Paton, der deutsche Emigrant W[alcher], der deutsche Schriftsteller G. und andere (ich nenne Emigranten nicht bei Namen, um ihnen keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, doch werden sie es alle selbstverständlich vor einer Kommission bestätigen). Würde ich die letzten Julitage in Paris verbracht haben, die meisten meiner Besucher hätten nicht nötig gehabt, die Fahrt nach Royan zu machen. Sie wussten aber alle, dass ich in Paris nicht war und nicht sein konnte ... Von den vier Mitarbeitern, die mit uns die Reise gemacht hatten, kamen drei von Paris nach Royan. Nur Max Shachtman fuhr über Le Havre nach New York, ohne sich von mir verabschieden zu können. Ich habe der Kommission einen Brief vom 8. August 1933 unterbreitet, in dem Max Shachtman sein Bedauern ausspricht, dass er sich unterwegs von uns losgerissen hatte, ohne sich auch nur zu verabschieden. Nein, an Beweisen mangelt es nicht ...

Anfang Oktober hatte sich mein Gesundheitszustand gebessert und meine Freunde brachten mich mit einem Auto nach Bagneur in den Pyrenäen, noch weiter von Paris entfernt. Dort verlebte ich mit meiner Frau den Monat Oktober. Allein nur deshalb, weil unser Aufenthalt in Royan wie in den Pyrenäen ohne Zwischenfälle verlaufen war, willigte die Regierung ein, dass wir uns der Hauptstadt näherten, empfahl uns aber, außerhalb der Grenzen des Seine-Departements Aufenthalt zu nehmen. Anfang November kamen wir nach Barbizon, wo für uns ein Häuschen gemietet war. Von Barbizon aus besuchte ich tatsächlich einige mal die Hauptstadt, stets in Begleitung von zwei bis drei Freunden, wobei das Programm des Tages im Voraus präzis festgelegt war und die wenigen Wohnungen, die ich besuchte, wie auch die Liste der Personen, die mich besuchten, genau festzustellen sind. Das alles bezieht sich jedoch auf den Winter 1933. Die GPU aber hat Romms Begegnung mit mir im Juli 1933 veranstaltet. Diese Begegnung fand nicht statt. Sie konnte nicht stattfinden. Wenn es in der Welt überhaupt den Begriff Alibi gibt, so findet er hier seinen vollständigen und vollendeten Ausdruck. Der unglückliche Romm hat gelogen. Die GPU zwang ihn zu lügen. Wyschinski hat seine Lüge gedeckt. Nur dieser Lüge wegen war Romm verhaftet und zum Zeugen gemacht worden.

 


Zuletzt aktualisiert am 10. Juni 2018