[zurück zur Haupseite des Ernesto Che Guevara Archivs]
 

Ernesto Che Guevara

Bolivianisches Tagebuch

< zurück Inhaltsverzeichnis weiter >
 

November 1966

7. November
Heute beginnt eine neue trappe. In der Nacht Kamen wir auf dem Gut an. Die Reise verlief einigermaßen glatt. Nachdem wir, gebührend verkleidet, über Cochabamba eingereist waren, stellten oPachungo und ich die Kontakte her. Wir fuhren im Jeep weiter, zwei Tage lang in zwei Wagen. Sobald wir in die Nähe der Finca kamen, hielten wir die Autos an. Nur ein einziges fuhr bis dort hin, um nicht den Argwohn eines nahen Grundbesitzers auf uns zu lenken, der etwas von der Möglichkeit murmelt, daß unser Unternehmen sich mit der Herstellung von Kokain befasse. Merkwürdigerweise gilt der schweigsame Tumaini als der Chemiker der Gruppe. Als wir auf der zweiten Fahrt unseren Weg zum Gut fortsetzten, wäre Bigotes, der gerade hinter meine Identität gekommen war, fast in eine Schlucht gefallen, aber er brachte den Jeep am Rand des Abgrunds zum Stehen. Wir zogen etwa 20 Kilometer weiter und kamen nach Mitternacht auf dem Gut an, wo sich drei Arbeiter der Partei aufhielten.

Bigotes zeigte sich bereit, mit uns zusammenzuarbeiten, gleichgültig was die Partei unternähme, doch er erweist sich als loyal gegenüber Monje, den er achtet und gernzuhaben scheint. Seinen Worten nach steht Rodolfo in gleicher Weise zur Verfügung, und ebenso verhält es sich mit Coco, aber wir müssen zu erreichen suchen, daß die Partei sich entschließt zu kämpfen. Ich bat ihn, die Partei nicht zu informieren bis zur Ankunft Monies, der auf einer Bulgarienreise ist und uns heften wird. Er stimmte beidem zu.

 

8. November
Wir haben den Tag im Busch zugebracht, kaum 100 Meter vom Haus entfernt in der Nähe des Baches. Jagd auf uns machte eine Art Schnake, die sehr lästig ist, obwohl sie nicht sticht. An Ungeziefer gab es bisher: Schnaken, Jejen, Marigui, Moskitos und Zecken.

Bigotes hat seinen Jeep mit Unterstützung von Arganaraz herausgezogen und verabredet, ihm einiges abzukaufen, z. B. Schweine und Hühner.

Ich dachte daran, zur Information unsere Zwischenfälle niederzuschreiben, verschob es aber auf die nächste Woche, in der wir die zweite Gruppe in Empfang zu nehmen hoffen.

 

9. November
Ein Tag ohne Neuigkeiten. Mit Tumaini haben wir eine Erkundung durchgeführt, dem Lauf des Rio Nacahuasu folgend (in Wirklichkeit ein Bach). Aber wir kamen nicht bis zur Quelle. Er fließt in einem engen Bett, und die Gegend ist anscheinend wenig belebt. Mit einer angemessenen Disziplin kann man hier lange Zeit bleiben.

Am Spätnachmittag hat uns ein starker Regen aus dem Busch ins Haus getrieben. Ich habe mir 6 Zecken vom Körper abgenommen.

 

10. November
Pachungo und Pombo sind zur Erkundung mit einem bolivianischen Kameraden, Serafin, aufgebrochen. Sie sind etwas weiter gegangen als wir und auf die Gabelung des Baches gestoßen, eine kleine Schlucht, die günstig zu sein scheint. Nach der Rückkehr haben sie sich im Haus herumgetrieben, und Alganaraz' Fahrer, der die Leute mit einigen Einkäufen, die sie gemacht hatten, zurückbrachte, sah sie. Ich habe furchtbaren Krach geschlagen, und wir beschlossen, uns morgen in den Busch zu begeben und dort ein Dauerlager aufzuschlagen. Tumaini wird sich blicken lassen, denn ihn kennen sie schon, und er wird als ein weiterer Angestellter des Gutes gelten. Das verschlimmert sich schnell; bleibt abzuwarten, ob sie uns trotz allem unsere Leute herholen lassen. Mit ihnen wäre ich beruhigt.

 

11. November
Ein Tag ohne etwas Neues in einem neuen Lager, auf der anderen Seite des Hauses, in dem wir auch schliefen.

Die Plage ist infernalisch und zwingt, sich in die Hängematte mit Moskitonetz zu flüchten (das nur ich allein besitze).

Tumeini hat Arganaraz einen Besuch abgestattet und ihm einiges abgekauft: Hühner, Truthennen. Es scheint, daß er seinerseits bisher keinen großen Verdacht hegt.

 

12. November
Ein Tag ohne irgend etwas Neues. Wir haben eine kurze Erkundung unternommen, um das Terrain vorzubereiten, das als Lager bestimmt ist, wenn die 6 der zweiten Gruppe eintreffen. Die ausgewählte Stelle liegt etwa 100 Meter vom Anfang der Grabstätte auf einem kleinen Hügel. In der Nähe befindet sich eine Mulde, in die man Höhlen graben kann, um Nahrungsmittel und andere Dinge aufzubewahren. Zu dieser Zeit soll die erste der drei Gruppen zu je zwei Mann kommen, in die sie aufgeteilt sind. Ende der Woche, die beginnt, müssen sie auf der Finca eintreffen. Mein Haar wächst nach, wenn auch recht spärlich, und die weißen Haare werden blond und beginnen zu verschwinden; mir sprießt der Bart. In etwa zwei Monaten werde ich wieder ich selbst sein.

 

13. November
Sonntag. Einige Jäger ziehen nahe an unserer Behausung vorbei; Knechte von Arganaraz. Es sind Leute aus den Bergen, jung und unverheiratet, und ideal als Rekruten. Sie haben einen geballten Haß auf ihren Patrön. Sie berichteten, daß 8 Meilen von hier am Fluß entlang Häuser seien und es dort einige Schluchten mit Wasser gäbe. Sonst nichts Neues.

 

14. November
Eine Woche Lagerleben. Pachungo sieht etwas verloren und traurig aus, aber er muß sich wieder fangen. Heute haben wir begonnen, einen Tunnel zu graben, in dem wir alles unterbringen können, was belastend sein könnte. Wir werden ihn mit einem Geflecht aus Ästen tarnen und so gut wie möglich vor Feuchtigkeit schützen. Der Schacht von anderthalb Metern ist schon fertig und der Tunnel angefangen.

 

15. November
Wir haben die Arbeit am Tunnel fortgesetzt - am Morgen Pombo und Pachungo, am Nachmittag Tumaini und ich. Als wir die Arbeit um 6 Uhr beendeten, hatte der Tunnel schon eine Tiefe von 2 Metern erreicht. Morgen denken wir ihn fertigzustellen und alle belastenden Dinge in ihm zu deponieren. In der Nacht hat mich ein Regen aus meiner Hängematte vertrieben, die naß wird, weil die Nylondecke zu kein ist. Sonst gab es nichts Neues.

 

16. November
Der Tunnel ist fertig und getarnt; nur noch den Weg gilt es, unkenntlich zu machen. Wir werden die Sachen zu unserem Versteck schaffen und es morgen abdecken, indem wir den Ausgang mit einem Geflecht aus Ästen und Lehm verstopfen. Die Skizze dieses Tunnels, die die Nr. 1 trägt, befindet sich im Dokument I. Alles Übrige unverändert. Ab Morgen können wir auf Nachrechten aus La Paz hoffen.

 

17. November
Der Tunnel wurde mit den Sachen gefüllt, die für die Leute im Haus belastend sein könnten, sowie mit einigen Konserven. Er ist jetzt ausreichend getarnt. Aus La Paz kam keinerlei Nachricht. Die Jungen aus dem Haus haben mit Argariaraz gesprochen, dem sie einiges abkauften. Er bestand erneut darauf, daß sie an der Herstellung von Kokain beteiligt waren.

 

18. November
Ohne Nachricht aus La Paz. Pachungo und Pombo haben noch einmal den Bach erkundet, aber sie sind nicht sehr überzeugt davon, daß es der zweckmäßigste Lagerplatz ist. Am Montag werden wir ihn mit Tumaini erforschen. Arganaraz kam, um den Weg zu reparieren und um dafür Steine aus dem Fluß herauszuholen. Er verbrachte eine gute Weile mit dieser Arbeit. Dem Anschein nach ahnt er nichts von unserer Anwesenheit hier. Alles verläuft monoton. Die Moskitos und Zecken haben inzwischen unerfreuliche Wunden mit entzündeten Stichen hinterlassen. Die Kälte macht sich bei Morgengrauen etwas bemerkbar.

 

19. November
Nichts Neues aus La Paz. Nichts Neues hier. Wir bleiben zurückgezogen, denn es ist Sonnabend, der Tag,, an dem Jäger herumstreifen.

 

20. November
Am Mittag trafen Marcos und Rolando ein. Jetzt sind wir sechs. Gleich ging es ans Geschichtenerzählen von der Reise. Sie haben so lange auf sich warten lassen, weil der Bescheid sie erst vor einer Woche erreichte. Es sind die beiden, die auf dem schnellsten Weg, über Sao Paola, reisten. Vor der kommenden Woche kann man mit dem Eintreffen der anderen Vier nicht rechnen.

Mit ihnen kam Rodolfo, der auf mich einen sehr guten Eindruck machte. Anscheinend ist er stärker entschlossen als Bigotes, mit allem zu brechen. Papi hat ihm und auch Coco in Verletzung der Vorschriften von meiner Anwesenheit berichtet. Es scheint ein Fall von Eifersucht auf die Autorität zu sein. Ich. habe nach Manila geschrieben und einige Empfehlungen beigefügt (Dokumente I und II), ebenso an Papi, um seine Fragen zu beantworten. Rodolfo kehrte am Morgen wieder zurück.

 

21. November
Erster Tag für die erweiterte Gruppe. Es hat ziemlich geregnet, und beim Umzug an unseren neuen Ort wurden wir ganz schön naß. Jetzt sind wir also eingerichtet. Das Zelt erwies sich als Lastwagenplane, die zwar Wasser saugt, doch ein wenig schützt. Wir haben unsere Hängematte mit der Nylondecke. Einige Waffen sind dazugekommen: Marcos besitzt ein Gewehr, und Rolando soll ein M-1 aus dem Depot erhalten. Jorge ist bei uns geblieben, aber im Haus; er wird dort die Arbeiten zur Verbesserung des Gutes einleiten. Rodolfo habe ich um einen vertrauenswürdigen ausgebildeten Landwirt gebeten. Wir versuchen, daß dies so lange wie möglich anhält.

 

22. November
Tuma, Jorge und ich unternahmen einen Streifzug am Fluß (Nacahuzu) entlang, um den entdeckten Bach zu besichtigen. Durch den Regen vom Vortag war der Fluß nicht wieder zu erkennen, und es kostete uns ziemliche Mühe, den gewünschten Punkt zu erreichen. Der Bach ist nur ein dünner Wasserlauf mit einer recht engen Mündung; entsprechend hergerichtet, ließe sich die Gegend für ein Dauerlager verwenden. Wir kehrten kurz nach 9 Uhr abends zurück. Hier nichts Neues.

 

23. November
Wir haben einen Beobachtungsstand eingeweiht, der das Häuschen der Finca beherrscht, um im Falle irgendeiner Untersuchung oder eines, unerfreulichen Besuches vorgewarnt zu sein. Da zwei auf Erkundung ausgehen, entfallen auf die Zurückbleibenden je drei Stunden Wache. Pombo und Marcos haben die Sicherheit unseres Lagers bis zum Bach, der noch immer anschwillt, geprüft.

 

24. November
Pacho und Rolando sind auf Erkundung am Bach ausgezogen. Sie müssen morgen wieder zurück sein. Am Abend kamen zwei Knechte von Argaharaz beim Spazierengehen« zu einem ungewöhnlichen Besuch vorbei. Es gab nichts Befremdliches, doch fehlten Antonio, der die Kundschafter begleitete, und Tuma, der offiziell zum Haus gehört. Vorwand: die Jagd. Geburtstag von Aliucha.

 

25. November
Vom Beobachtungsstand wurde uns ein Jeep mit 2 oder 3 Mann Besatzung gemeldet. Wie sich herausstellte, gehörten sie zu einer Verwaltungsstelle zur Bekämpfung des Sumpffiebers; sie fuhren gleich wieder ab, nachdem sie Blutproben gemacht hatten. Pacho und Rolando kamen sehr spät am Abend an. Sie haben den auf der Karte verzeichneten Bach gefunden und ihn ausgekundschaftet. Sie sind auch dem Flußlauf weiter hinauf gefolgt, bis sie auf verlassene Felder stießen.

 

26. November
Da Samstag ist, bleiben wir alle im Quartier. Ich bat Jorge, mit dem Pferd eine Erkundung im Flußbett durchzuführen um zu sehen, wohin er führt. Das Pferd war nicht da, und so ist er zu Fuß zu Don Remberto gelaufen (20 bis 25 km), um eines zu erbitten. Am Abend war er noch nicht zurück. Keine Nachricht aus La Paz.

 

27. November
Jorge ist noch immer nicht aufgetaucht. Ich habe Befehl gegeben, die ganze Nacht über Wache zu halten, doch traf um 9 Uhr der erste Jeep aus La Paz ein. Mit Coco kamen Joaquin und Urbano und ein Bolivianer, der bleiben will: Ernesto, Medizinstudent. Coco machte kehrt und holte Ricardo zusammen mit Braulio und Miguel und einem weiteren Bolivianer, Inti, der gleichfalls bleiben will. Jetzt sind wir 12 Aufständische plus Jorge, der als Gutsbesitzer fungiert. Coco und Rodolfo werden sich um die Kontakte kümmern. Ricardo bringt eine unbequeme Nachricht: EI Chino ist in Bolivien und möchte 20 Leute schicken und mich sehen. Das hat seine Schwierigkeiten, denn wir würden damit den Kampf internationalisieren, noch bevor wir auf Estanislao zählen können. Wir verabredeten, ihn nach Santa Cruz zu schicken, dort würde Coco ihn abholen und hierher bringen. Coco fuhr im Morgengrauen zusammen mit Ricardo Ios, der den anderen Jeep nahm, um nach La Paz weiterzufahren. Coco soll bei Remberto vorbeischauen, um nach Jorge zu for- schen. Bei einem Vorgespräch mit Inti meinte dieser, Estanislao werde sich nicht der Erhebung anschließen, sondern scheine ent- schlossen, die Verbindungen abzubrechen.

 

28. November
Am Morgen war Jorge noch immer nicht aufgetaucht, und auch Coco war nicht zurückgekommen. Später trafen sie dann ein. Alles, was sich. ereignet hatte war, daß er bei Remberto geblieben war. Ein wenig verantwortungslos. Am Nachmittag rief ich die boliviani- sche Gruppe zusammen, um ihnen den peruanischen Antrag, 20 Mann zu entsenden, vorzulegen. Alle stimmten überein, daß sie sie schicken sollten, aber erst, wenn die Aktionen angelaufen seien.

 

29. November
Wir zogen aus, eine Vermessung des Flusses vorzunehmen und den Bach zu erkunden, wo unser nächstes Lager liegen soll. Tumaini, Urbano, Inti und ich bildeten die Gruppe. Das Bachtal ist außerordentlich sicher, aber sehr düster. Wir werden versuchen, einen anderen Bach zu finden, der eine Stunde weit weg ist. Tumaini stürzte und hat sich anscheinend die Fußwurzel gebrochen. Wir kamen am Abend im Lager an, nachdem wir die Vermessung des Flusses erledigt hatten. Hier nichts Neues. Coco ist nach Santa Cruz abgefahren, um EI Chino zu erwarten.

 

30. November
Marcos, Pacho, Miguel und Pombo zogen mit der Anweisung Ios, einen weiter weg gelegenen Bach zu erkunden; sie sollen zwei Tage unterwegs sein. Es hat ziemlich geregnet. Im Haus nichts Neues.

 

Analyse des Monats
Alles ist ziemlich gut verlaufen: meine Ankunft ohne Schwierig- keiten; die Hälfte der hier anwesenden Leute gleichfalls ohne Schwierigkeiten, obwohl sie sich etwas verspäteten. Die entschei- denden Mitarbeiter von Ricardo schließen sich der Erhebung allen Widerständen zum Trotz an. Die Aussichten sind gut in dieser ab- gelegenen Region, wo alles darauf hindeutet, daß wir praktisch so lange bleiben können, wie wir es für richtig halten. Die Pläne sind: auf den Rest der Leute zu warten, die Zahl der Bolivianer wenig- stens auf 20 zu erhöhen und die Operationen zu beginnen. Bleibt die Reaktion von Monje zu ergründen, und wie sich die Leute von Guevara verhalten werden.

 
< zurück Inhaltsverzeichnis weiter >
 

geleitet von Einde O’Callaghan
zuletzt aktualisiert am 9. September 2000
 
[zurück nach oben]
28.12.2003