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Ernesto Che Guevara

Bolivianisches Tagebuch

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Note der Herausgeber

    Auf den Wunsch Fidel Castros wird im Text auf Kommentare verzichtet. Es ist deswegen für den Leser, der über die Vorgänge in Lateinamerika nicht informiert ist, kaum möglich, die fast ausschließlich konkretistischen Tagebucheintragungen im Gesamtzusammenhang der revolutionären Bewegung zu sehen. Deswegen birgt die Lektüre die Gefahr in sich, zum Konsum sensationeller Notizen zu werden, das Buch degradiert zum unverbindlichen Abenteurerroman. Um den Stellenwert des Textes richtig einzuschätzen, bedarf es der Einsicht in die revolutionäre Praxis, der Kenntnis revolutionärer Theorie. Letztlich kann diese Einsicht nur verwirklicht werden durch die Teilnahme am revolutionären Prozeß selbst. Das gilt nicht nur für Lateinamerika, Afrika und Asien, sondern auch für die hochindustrialisierten Länder. So werden denjenigen, die in den letzten Monaten in Paris, Mailand, Berlin, Madrid usw. "dabei" waren, die Aufzeichnungen Che Guevaras am meisten zu sagen haben. Das Interesse und die "Anteilnahmen" der bürgerlichen Presse an dem Tagebuch unterschlagen, daß Guevara gegen den Imperialismus gekämpft hat, der von ihr in seinen Grundstrukturen befürwortet wird.

Die Herausgeber

Eine notwendige Einführung

    Es war eine Angewohnheit Ches während seines Lebens als Guerillero, seine Beobachtungen an jedem Tag sorgfältig in einem persönlichen Tagebuch aufzuzeichnen. Auf den langen Märschen durch zerfurchtes und schwieriges Gelände, inmitten der feuchten Wälder, wenn die Reihen der dauernd vom Gewicht des Rucksacks, der Munition und Waffen gekrümmten Männer sich in einem Augenblick der Ruhe entspannten oder wenn die Kolonne am Ende eines ermüdenden Tages von oben den Befehl zum Lagern bekam, sah man Che - wie ihn die Kubaner von Anfang an voller Anhänglichkeit nannten - ein kleines Büchlein hervorholen und mit seiner winzigen, kaum leserlichen Arzthandschrift seine Beobachtungen festhalten. Das, was er von diesen Notizen retten konnte, nützte ihm später bei der Niederschrift seiner großartigen historischen Darstellungen des revolutionären Krieges in Kuba, voll revolutionärem, erzieherischem und menschlichem Gehalt.

    Dieses Mal können wir - dank jener beharrlichen Gewohnheit, jeden Tag die wesentlichen Ereignisse aufzuzeichnen - über eine detaillierte, peinlich genaue und unschätzbare Information von jenen letzten heroischen Monaten seines Lebens in Bolivien verfügen.

    Diese Aufzeichnungen, die eigentlich nicht für die Veröffentlichung geschrieben worden sind, dienten ihm als Arbeitsunterlage für die ständige Beurteilung der Lage, der Ereignisse und der Menschen. Zugleich waren sie Anlaß des Ausdrucks seines gründlich beobachtenden, analytischen und oftmals von feinem Humor geprägten Verstandes. Sie sind nüchtern abgefaßt und stehen in einem ununterbrochenen Zusammenhang von Anfang bis Ende.

    Man muß sich vorstellen, daß sie in den äußerst seltenen Augenblicken der Ruhe geschrieben worden sind, mitten zwischen heroischen, übermenschlichen körperlichen Anstrengungen und seinen aufreibenden Pflichten als Führer einer Guerillaeinheit in der schwierigen Anfangsphase eines Kampfes, der sich unter unglaublich harten materiellen Bedingungen entwickelte. Daraus geht einmal mehr sein Arbeitsstil und sein eiserner Wille hervor.

    In diesem Tagebuch lassen sich, wenn man die Vorfälle eines jeden Tags im Detail analysiert, Fehler, Kritiken und Vorwürfe feststellen, die unvermeidlich und der Entwicklung einer revolutionären Guerilla eigentümlich sind.

    Innerhalb einer Guerillaeinheit müssen diese Kritiken andauernd vorgebracht werden, vor allem in der Phase, in der sie nur aus einem kleinen Kern besteht, der sich äußerst widrigen materiellen Bedingungen und einem zahlenmäßig haushoch überlegenen Gegner gegenüber sieht, wodurch die kleinste Nachlässigkeit oder der unbedeutendste Fehler zum Verhängnis führen können. Daher muß der Führer seine Anforderungen bis an die Leistungsgrenze treiben und zugleich jedes Ereignis oder jede Episode, so unbedeutend sie auch scheinen mögen, nutzen, um die Kämpfer und die künftigen Kader neuer Guerillaeinheiten auszubilden.

    Der Entstehungsprozeß der Guerilla ist ein ununterbrochener Aufruf an das Gewissen und die Ehre jedes Mannes. Che verstand es, die empfindlichsten Seiten der Revolutionäre anzusprechen. Als Marcos, der wiederholt von Che gerügt worden war, erfuhr, daß er unehrenvoll aus der Guerilla ausgestoßen werden könnte, entgegnete er: "Lieber erschossen werden! Später ließ er heldenhaft sein Leben. Ahnlich verhielten sich alle Männer, auf die er sein Vertrauen gesetzt hatte und die er dieser oder jener Sache wegen im Verlauf des Kampfes hatte tadeln müssen. So brüderlich und menschlich er als Führer auch war, so konnte er auch hohe Anforderungen stellen und gelegentlich hart sein; aber das war er zu allererst und in höherem Maße als gegen die übrigen sich selbst gegenüber. Che gründete die Disziplin auf das moralische Bewußtsein des Guerillero und die starke Kraft seines eigenen Beispiels.

    Das Tagebuch enthält auch zahlreiche Hinweise auf Debray, welche die enorme Besorgnis zeigen, die bei Che durch die Gefangennahme und Einkerkerung des revolutionären Schriftstellers hervorgerufen worden war, dem er eine Mission in Europa anvertraut hatte, obgleich er es im Grunde lieber gesehen hätte, wenn dieser bei der Guerilla geblieben wäre. Daher zeigte er eine gewisse Nichtübereinstimmung, und in manchen Fällen einige Zweifel an seinem Verhalten.

    Che hatte keine Möglichkeit, von der Odysse, die Debray im Räderwerk der Unterdrückungsapparate durchlebte, und von der festen und tapferen Haltung zu erfahren, die dieser vor seinen Häschern und Folterknechten bewahrte.

    Er hob andererseits die außerordentliche politische Bedeutung des Prozesses hervor und vermerkte am 3. Oktober, sechs Tage vor seinem Tod, inmitten bitterer und spannungsgeladener Ereignisse: =Wir hörten ein Interview zwischen dem sehr mutigen Debray und einem studentischen Provokateur. Das war sein letzter Hinweis auf den Schriftsteller.

    Da in diesem Tagebuch wiederholt von der Kubanischen Revolution und ihren Verbindungen mit der Guerillabewegung die Rede ist, könnten einige vermuten, daß seine Veröffentlichung von unserer Seite eine Provokation darstelle, die den Feinden der Revolution, den Yankee-Imperialisten und ihren Verbündeten, den Oligarchien Lateinamerikas, Argumente liefere, um ihre Blockade-, Isolationsund Aggressionspläne gegenüber Kuba zu intensivieren.

    Es ist gut denen, die die Geschehnisse so beurteilen, in Erinnerung zu rufen, daß derYankee-Imperialismus niemals Vorwände brauchte, um an irgendeinem Ort der Welt seine Verbrechen zu begehen, und daß seine Anstrengungen, die kubanische Revolution zu zertreten, mit dem ersten revolutionären Gesetz, das in unserem Land erlassen worden war, einsetzten aus dem offensichtlichen und bekannten Grunde, daß dieser Imperialismus der Gendarm der weltweiten Reaktion ist, der systematische Förderer der Konterrevolution und Verteidiger der rückschrittlichsten und unmenschlichsten Gesellschaftsstrukturen, die es noch auf der Welt gibt.

    Die Solidarität mit der revolutionären Bewegung kann als Vorwand genommen werden, aber sie wird niemals der Grund für die Aggressionen der Yankees sein. Die Solidarität abzuleugnen, um keinen Vorwand zu liefern, ist eine lächerliche Vogel-Strauß-Politik, die nichts mit dem internationalistischen Charakter der gegenwärtigen sozialen Revolution zu tun hat. Sich nicht mit der revolutionären Bewegung zu solidarisieren, heißt nicht, keinen Vorwand liefern zu wollen, sondern heißt in Wirklichkeit, sich mit dem Yankee- Imperialismus und seiner Politik der Beherrschung und Versklavung der Welt zu solidarisieren.

    Kuba ist ein kleines Land mit unterentwickelter Wirtschaft wie alle Länder, die Jahrhunderte vom Kolonialismus und Imperialismus beherrscht und ausgebeutet wurden. Es liegt nur 90 Meilen von der Küste der Vereinigten Staaten entfernt, hat einen Yankee-Marinestützpunkt auf seinem eigenen Territorium und sieht sich in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zahlreichen Hindernissen gegenüber. Große Gefahren sind seit dem Triumph der Revolution auf unser Vaterland zugekommen, aber der Imperialismus wird es nicht erreichen, uns deswegen nachgiebig zu machen, da die Schwierigkeiten, die eine konsequente revolutionäre Linie mit sich bringen kann, uns nicht erschüttern.

    Aus der revolutionären Sicht ließ die Veröffentlichung des Tagebuches Ches aus Bolivien keine Alternative zu. Das Tagebuch blieb in der Gewalt von Barrientos, der sofort dem CIA, dem Pentagon und der Regierung der Vereinigten Staaten eine Kopie übergab. Dem CIA nahestehende Journalisten hatten Zugang zu den Aufzeichnungen in Bolivien selbst und stellten davon Fotokopien in der Absicht her, sie vorläufig nicht zu veröffentlichen.

    Die Regierung Barrientos und die hohen Militärchefs haben genug Gründe, das Tagebuch nicht zu veröffentlichen, in dem die ungeheuerliche Unfähigkeit ihres Heers festgestellt werden kann und die unzählbaren Niederlagen, die ihnen von den Händen einer kleinen Gruppe entschlossener Guerilleros beigebracht wurden, die in wenigen Wochen ungefähr 200 Waffen im Kampf erbeuteten.

    Che beschreibt außerdem Barrientos und sein Regime in Wendungen, die ihm würdig sind und in Worten, die sich nicht aus der Geschichte löschen lassen.

    Andererseits hatte der Imperialismus auch seine Gründe: Che und sein außergewöhnliches Vorbild gewinnen jeden Tag größere Resonanz in der Welt. Seine Ideen, sein Bild, sein Name sind Banner des Kampfes gegen die Ungerechtigkeiten unter den Unterdrückten und Ausgebeuteten und rufen eine immer größere Bewunderung unter den Studenten und Intellektuellen überall in der ganzen Welt hervor.

    Selbst in den Vereinigten Staaten haben die Negerbewegung und die progressiven Studenten, die von Tag zu Tag zahlreicher werden, Che zu ihrem Leitbild gemacht. Bei den größten Demonstrationen für die Bürgerrechte und gegen die Aggression in Vietnam, werden seine Bilder als Kampfeszeichen geschwungen. Selten oder vielleicht niemals in der Geschichte hat sich eine Gestalt, ein Name, ein Vorbild mit solcher Geschwindigkeit und leidenschaftlicher Kraft verbreitet. Che repräsentiert den internationalistischen Geist, der die Welt von heute und die von morgen auszeichnet, in ständig wachsendem Maße in seiner reinsten und selbstlosesten Art.

    Aus einem gestern von den Kolonialmächten unterdrückten, heute ausgebeuteten und vom Yankee-Imperialismus in der ruchlosesten Rückständigkeit und Unterentwicklung gehaltenen Kontinent steigt diese einzigartige Gestalt auf, die sich in ein universelles Leitbild des revolutionären Kampfes, bis hinein in die Metropolen des Imperialismus und Kolonialismus, verwandelt.

    Die Yankee-Imperialisten fürchten die Stärke dieses Vorbilds und alles, was dazu beitragen könnte, es bekannt zu machen. Der eigentliche Wert des Tagebuchs ist die lebensnahe Darstellung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Die Lehre der Guerilla, in der Hitze und Spannung jedes Tages geschrieben, ist entzündbares Pulver und realer Beweis, daß der lateinamerikanische Mensch nicht ohnmächtig ist gegenüber den Versklavern der Völker und seinen Söldnerheeren. Das ist es, was sie bis jetzt gehindert hat, es zu veröffentlichen.

    Auch die Pseudorevolutionäre, Opportunisten und Heuchler aller Arten könnten daran interessiert sein, daß dieses Tagebuch nie bekannt wird, sie, die sich selbst als Marxisten, Kommunisten und Ahnliches ausgaben, aber nie zögerten, Che zum verirrten Abenteurer und bestenfalls zum Idealisten abzustempeln, dessen Tod der Schwanengesang des bewaffneten Kampfes der Revolution in Südamerika ist. "Wenn Che", so rufen sie aus, "der größte Exponent dieser Ideen, der erfahrene Guerillero, bei den Guerillakämpfen getötet wurde und seine Bewegung Bolivien nicht befreit hat, zeigt das, wie sehr er irrte! Wieviele dieser Elenden mögen sich über den Tod Ches gefreut haben, ohne sich zu schämen, daß ihre Einstellung und Argumentation mit denen der reaktionärsten Oligarchien und des Imperialismus übereinstimmen!

    Auf diese Weise rechtfertigen sie sich selbst oder rechtfertigen verräterische Führer, die im entscheidenden Moment nicht zögerten, beim bewaffneten Kampf mitzuspielen, mit dem wahren Vorsatz - wie man später sehen konnte - die Gruppen der Guerilleros zu zerstören, die revolutionären Aktionen zu bremsen und ihre lächerlichen politischen Vorstellungen verschleiert durchzusetzen, da sie völlig unfähig für eine andere Linie waren; oder die, die nicht kämpfen wollten, noch jemals für ein Volk und seine Befreiung kämpfen werden und die die revolutionären Ideen karikiert haben, indem sie aus ihnen dogmatisches Opium ohne Inhalt und Bedeutung gemacht haben, die Kampforganisationen des Volkes in Instrumente der Versöhnung mit den in- und ausländischen Ausbeutern und in Vorkämpfer einer Politik verwandelt haben, die nichts mit den wahren Interessen der ausgebeuteten Völker dieses Kontinents zu tun haben.

    Che betrachtete seinen Tod als etwas Natürliches und im Verlauf der Guerilla als Wahrscheinliches. Er bemühte sich, besonders in seinen letzten Aufzeichnungen, darauf hinzuweisen, daß dies den unausweichlichen Fortgang der Revolution in Lateinamerika nicht aufhalten werde. In seiner Botschaft an die Trikontinentale führte er diesen Gedanken aus: "Jede unserer Taten ist ein Kriegsruf gegen den Imperialismus ... Wo immer uns der Tod trifft, sei er willkommen, wenn nur unser Kriegsruf ein aufnahmebereites Ohr getroffen hat und eine andere Hand sich ausstreckt, um unsere Waffen zu ergreifen".

    Er sah sich als Soldat dieser Revolution, ohne sich um sein Leben zu sorgen. Die im Ende seines Kampfes in Bolivien das Scheitern seiner Ideen sehen, könnten mit derselben Einfalt den Wert der Ideen und Kämpfe aller großen revolutionären Vorläufer und Denker abtun, einschließlich der Gründer des Marxismus, die ihr Lebenswerk nicht vollenden und dessen Früchte nicht ernten konnten.

    Weder der Tod von Marti und Maceo im Gefecht, dem später, als sich der Unabhängigkeitskrieg seinem Ende näherte, die YankeeIntervention folgte, die vorübergehend das Ziel ihrer Kämpfe vereitelte, noch derTod von glanzvollen Vorkämpfern der sozialistischen Revolution wie Julio Antonio Mella, der von Agenten des Imperialismus ermordet wurde, konnte in Kuba schließlich den Triumph einer Entwicklung verhindern, die vor hundert Jahren begann. Und niemand kann die tiefe Bedeutung der Sache und die Kampfweise jener Vorläufer und die Gültigkeit ihrer grundlegenden Ideen anzweifeln, die die kubanischen Revolutionäre immer inspiriert haben.

    Aus den Aufzeichnungen im Tagebuch Ches kann man entnehmen, wie real die Chancen eines Erfolges und wie außergewöhnlich die beschleunigende Wirkung des Guerillakrieges waren. In einem gewissen Augenblick, gegenüber den offensichtlichen Zeichen der Schwäche und des drohenden Zusammenbruchs des bolivianischen Regimes, meinte er: "Die Regierung löst sich schnell auf, schade, jetzt nicht hundert Männer mehr zu haben".

    Aus seiner Erfahrung in Kuba wußte Che, wie oft unsere kleine Guerillatruppe kurz vor der Auslöschung stand. Dem Zufall und den Unwägbarkeiten des Krieges gänzlich unterworfen, hätte dies eintreten können. Hätte diese Möglichkeit jemanden berechtigt, unsere Linie für irrig zu halten und zum Anlaß zu nehmen, die Revolution zu beschneiden und die Völker impotent zu machen? Häufig gingen in der Geschichte revolutionären Entwicklungen gegenläufige Bewegungen voraus! Trat der endgültige Triumph des bewaffneten Kampfes des kubanischen Volkes nicht knapp 6 Jahre nach dem Versuch von Moncada ein?

    Viele sahen in der Zeit zwischen dem 26. Juli 1953, Tag des Angriffs auf die Kaserne Moncada in Santiago de Cuba und dem z. Dezember 1956, Tag der Landung der Granma, keine Aussicht auf Erfolg für den revolutionären Kampf in Kuba gegen eine moderne und gut bewaffnete Armee. Die Taten einer Handvoll Kämpfer wurden als Hirngespinst von vollkommen verwirrten Idealisten und Illusionisten abgetan. Die erdrückende Niederlage und totale Zerstreuung der unerfahrenen Guerillatruppe am 5. Dezember 1956 schien die pessimistischen Wahrsager voll zu bestätigen ... Aber nur 25 Monate später hatten die Reste jener Truppe die notwendige Stärke und Erfahrung entwickelt, um jenes Heer zu vernichten.

    Zu allen Zeiten und Begebenheiten wird es übermäßig Einwände geben, nicht zu kämpfen, aber das wird der einzige Weg sein, die Freiheit niemals zu erlangen. Che überlebte seine Ideen nicht, aber er befruchtete sie mit seinem Blut. Mit größter Sicherheit werden seine pseudorevolutionären Kritiker mit ihrer feigen Politik und ihrer ewigen Tatenlosigkeit die Offenkundigkeit ihrer eigenen Dummheit erleben.

    Es ist bezeichnend, wie man im Tagebuch sehen wird, daß einer dieser allmählich für Lateinamerika typischen Revolutionäre, Mario Monje, Sekretär der kommunistischen Partei Boliviens, Che die politische und militärische Leitung der Bewegung in Bolivien streitig machen wollte. Er behauptete, die Absicht zu haben, dafür auf seinen Parteiposten zu verzichten. Es genügte ihm offenbar der Titel, es gewesen zu sein, um dieses Vorrecht zu fordern.

    Mario Monje hatte sicherlich keinerlei Erfahrung im Guerillakrieg und nie eine Schlacht geschlagen. Andererseits verpflichtete ihn sein Selbstverständnis als Kommunist nicht einmal zur Lösung von dem plumpen und weltlichen Chauvinismus, den schon die Vorkämpfer des Kampfes für die erste Unabhängigkeit überwunden hatten.

    Mit einem solchen Konzept der Führung des antiimperialistischen Kampfes auf diesem Kontinent haben diese "Kommunistenführer" nicht einmal das internationalistische Niveau der Ureinwohner, die den europäischen Kolonisatoren zur Zeit der Eroberung unterjocht waren, überboten.

    Der Führer der kommunistischen Partei eines Landes, das zu Ehren seiner ersten Befreier, beides Venezolaner, sich selbst "Bolivien" und seine Hauptstadt uSucre" nannte, dem für die endgültige Befreiung seines Volkes, dessen Sache sich nicht auf die engen, künstlichen und obendrein ungerechten Grenzen dieses Landes beschränkte, das politische, organisatorische und militärische Talent eines wahren revolutionären Titanen zur Verfügung stand, tat nichts anderes, als schimpfliche, lächerliche und unverdiente Befehlsansprüche geltend zu machen.

    Da Bolivien keinen Zugang zum Meer hat, hängt seine eigene Befreiung mehr als in jedem anderen Land vom revolutionären Triumph seiner Nachbarn ab, um sich nicht einer grausamen Blockade auszusetzen. Che war mit seinem enormen Prestige, seinen Fähigkeiten und Erfahrungen der Mann, der diese Entwicklung hätte beschleunigen können.

    Che hatte mit den Führern und den Kämpfern der bolivianischen kommunistischen Partei vor ihrer Spaltung Verbindung aufgenommen und von ihnen Hilfe für die revolutionäre Bewegung in Südamerika gefordert. Einige von der Partei genehmigte Kämpfer arbeiteten einige Jahre bei verschiedenen Aufgaben mit ihm zusammen. Bei der Spaltung der Partei entstand eine kritische Situation, da einige Kämpfer, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, in der einen oder anderen Gruppe waren. Aber Che sah im Kampf in Bolivien keine isolierte Handlung, sondern einen Teil der revolutionären Befreiungsbewegung, die sich bald auf andere Länder Südamerikas ausweiten würde. Sein Plan war, eine Bewegung ohne Sektierertum zu organisieren, der sich alle anschlossen, die für die Befreiung Boliviens und der vom Imperialismus unterjochten Völker Lateinamerikas kämpfen wollten. Aber die Vorbereitungsphase der Guerillabasis hing wesentlich von der Hilfe einer Gruppe wertvoller und bescheidener Mitarbeiter ab, die bei der Spaltung in der Gruppe Monjes blieben. Hauptsächlich aus Rücksicht auf diese, lud er ihn zu einem Besuch seines Lagers ein, obwohl er ihm gewiß keine Sympathie entgegenbrachte. Danach lud er Moises Guevara ein, Bergarbeiterführer und Politiker, der sich von der Partei getrennt hatte, um bei der Bildung einer anderen Organisation mitzuarbeiten, von der er sich später, uneinig mit Oscar Zamora, löste. Letzterer war ein weiterer Monje, der sich Che gegenüber verpflichtet hatte, in der Organisation des bewaffneten Guerillakampfes in Bolivien zu arbeiten, dann alle Verpflichtungen leugnete und in der Stunde der Tat feige die Arme verschränkte, um sich nach Ches Tod in einen seiner heftigsten Kritiker im Namen des Marxismus-Leninismus" zu verwandeln. Moises Guevara schloß sich Che ohne Schwanken an, was er schon lange vor dessen Ankunft in Bolivien angeboten hatte. Er gab ihm seine Unterstützung und opferte sein Leben heroisch der revolutionären Sache.

    Ebenso handelten die bolivianischen Guerilleros, die bis dahin in Monjes Organisation geblieben waren. Angeführt von Inti und Coco Peredo, die später zeigten, daß sie wertvolle und mutige Kämpfer waren, trennten sie sich von dieser und unterstützten Che hingebungsvoll. Aber Monje war mit dem Ergebnis nicht zufrieden und boykottierte die Bewegung, indem er kampfbereite, gut trainierte Kommunisten, die sich den Guerillas anschließen wollten, in La Paz abfing. Diese Vorfälle zeigen, daß es in den revolutionären Reihen mit allen notwendigen Fähigkeiten für den Kampf ausgerüstete Männer gibt, deren Entfaltung von unfähigen, heuchlerischen und Ränke schmiedenden Führern vereitelt wird.

    Che war ein Mann, den persönlich Amter, Befehlsgrade oder Ehrungen nicht interessierten, der aber stärkstens überzeugt war, daß in einem revolutionären Guerillakampf - wesentliche Aktionsform der Befreiung der Völker Lateinamerikas gemäß der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lage fast aller lateinamerikanischen Länder - die militärische und politische Führung des Guerillakampfes in einer Hand liegen müsse, und daß der Kampf nur von dort und nicht aus bequemen und bürokratischen Stadtbüros geleitet werden könne. Er war nicht bereit, von diesem Standpunkt abzugehen und einem unerfahrenen Irren mit engstirnigen chauvinistischen Ansichten die Führung einer Kerntruppe der Guerillas zu überlassen, die in ihrer weiteren Entwicklung einen groß angelegten Kampf in Südamerika auslösen sollte. Che glaubte, daß dieser Chauvinismus, der oft die revolutionären Elemente verschiedener lateinamerikanischer Länder infiziert, als eine lächerliche und sterile reaktionäre Gesinnung bekämpft werden mußte. "Auf daß sich ein echter proletarischer Internationalismus entwickele", sagte er in seiner Botschaft an die Trikontinentale, "... die Fahne, unter der man kämpft, sei die geheiligte Sache der Befreiung der Menschheit. Deshalb ist der Tod im Zeichen von Vietnam, Venezuela, Guate- mala, Laos, Guinea, Bolivien..., um nur die Schauplätze der jetzigen bewaffneten Kämpfe zu nennen, gleichermaßen ehrenvoll und wünschenswert für einen Amerikaner, Asiaten, Afrikaner und sogar für einen Europäer. Jeder Tropfen Blut, in dem Land vergossen, unter dessen Fahne man nicht geboren wurde, ist eine Erfahrung, die jeder, der überlebt, machen soll, um sie dann bei dem Be- freiungskampf seines Geburtslandes zu verwenden. Und jedes Volk, das sich befreit, ist ein Teil des Kampfes für die Freiheit des eigenen Volkes, den man gewonnen hat".

    Che dachte weiterhin, daß in den Guerillatruppen Kämpfer verschie- dener lateinamerikanischer Länder sein sollten. Der Guerillakampf in Bolivien sollte die Schule für Revolutionäre sein, die ihren Un- terricht in den Schlachten absolvieren würden. Als Hilfe bei dieser Aufgabe wollte er, zusammen mit den Bolivianern, eine kleine Gruppe erfahrener Guerilleros an seiner Seite haben, fast alles Kameraden aus der Sierra Maestra im Revolutionskampf Kubas, deren Fähigkeiten, Mut und Opfergeist er kannte. Von diesen schlug keiner seine Bitte aus, und keiner verließ ihn, und keiner ergab sich.

    Che handelte während seines Unternehmens in Bolivien mit der Überlegenheit, der Ruhe und dem beispielhaften Handeln, die sprichwörtlich an ihm waren. Man kann sagen, daß er, durchdrungen von der Wichtigkeit der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, jederzeit im Geiste einer tadellosen Verantwortung handelte. Bei den Gele- genheiten, bei denen die Guerillatruppe fahrlässig handelte, beeilte er sich, sie zu ermahnen und zu belehren, was er in sein Tagebuch eintrug.

    Ungünstige Faktoren verbündeten sich auf unglaubliche Weise ge- gen ihn. Die Trennung - die einige wenige Tage dauern sollte - von einem Teil der Guerilla, in der sich eine Gruppe wertvoller Leute befand, von denen einige krank oder genesend waren, dehnte sich, als der Kontakt zwischen beiden in sehr zerklüftetem Gelände ver- loren gegangen war, über nicht enden wollende Monate aus, in de- nen die Kräfte des Che durch die Suche gebunden waren. In jener Zeit hatte er schwere Asthmaanfälle, ein Leiden, das er gewöhnlich leicht mit einfachen Medikamenten unter Kontrolle hielt, das aber wegen der fehlenden Medikamente zu einem schrecklichen Feind wurde. Es wurde zu einem ernsten Problem, als die Medikamente, die er vorsorglich für die Truppe besorgt hatte, vom Gegner ent- deckt und beschlagnahmt worden waren. Diese Tatsache zusammen mit der Ende August erfolgten Zerschlagung der Guerillagruppe, mit der er den Kontakt verloren hatte, waren Faktoren, die in der wei- teren Entwicklung schwer wogen. Aber Che stellte sich mit seinem Willen aus Stahl über das physische Leiden, und in keinem Augen- blick verminderte sich seine Handlungsfähigkeit oder ließ sein Kampfgeist nach.

    Er hatte zahlreiche Kontakte mit den bolivianischen Bauern. Ihr höchst mißtrauischer und vorsichtiger Charakter konnte Che, der ihre Mentalität bestens kannte, nicht überraschen. Er hatte bei an- deren Gelegenheiten mit ihnen zu tun gehabt und wußte, daß es lange, harte und geduldige Arbeit erfordern würde, um sie für seine Sache zu gewinnen; aber er hegte keinerlei Zweifel, daß er sie mit der Zeit für sich gewinnen könnte. Wenn man aufmerksam den Lauf der Ereignisse verfolgt, wird man feststellen, daß, auch als die Zahl der Männer sehr klein war, mit denen er im September - einige Wochen vor seinem Tod - rechnen konnte, die Guerilla ihre Ent- wicklungsfähigkeit noch behielt und einige bolivianische Kader, wie die Brüder Inti und Coco Peredo, sich schon zu hervorragenden Führern entwickelten. Der Hinterhalt von Higueras brachte sie in eine ausweglose Lage. Es war die einzige erfolgreiche Aktion der Armee gegen die Truppe, die Che befehligte. Die Vorhut wurde auf- gerieben und noch einige andere Männer verletzt. Sie setzten sich tagsüber in ein ländliches Gebiet mit einem größeren politischen Entwicklungsstand ab - eine Tatsache, die im Tagebuch nicht ange- führt ist, die man aber von den Uberlebenden weiß. Dieses Vor- rücken bei Tageslicht auf einer Route, die sie mehrere Tage lang verfolgten, war zweifellos gefährlich„ da es sie in einen unvermeid- lich großen Kontakt mit den Bewohnern jenes Gebietes, das sie zum ersten Mal durchquerten, brachte. Es war sicher, daß das Heer sie an irgendeinem Punkte abfangen würde. Aber Che, sich dessen vollkommen bewußt, entschied, das Risiko auf sich zu nehmen, um dem Arzt zu helfen, der sich in einer sehr schlechten körperlichen Verfassung befand.

    Am Tag vor dem Hinterhalt schreibt er: "Wir erreichten Pujio, aber dort gab es Leute, die uns am Tage vorher gesehen hatten; man kann sagen, wir sind von Radio Bomba angesagt ..." "Das Reiten auf Maultieren wird gefährlich„ aber ich bemühe mich, daß EI Medico so gut wie möglich weiter kommt, da er sehr schwach ist."

    Am nächsten Tag schrieb er: "Um 13.00 Uhr brach die Vorhut auf, um Jagüey zu erreichen. Dort sollte eine Entscheidung über die Maulesel und den Arzt getroffen werden. Das heißt, er suchte nach einer Lösung für den Kranken, um diese Route zu verlassen und die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen treffen zu können. Aber an jenem Nachmittag, bevor die Vorhut Jagüey erreichte, geschah der fatale Hinterhalt, der die Gruppe in eine unhaltbare Lage brachte.

    Tage später, nahe der Yuro-Schlucht, lieferte er seine letzte Schlacht.

    Die von dieser Handvoll von Revolutionären vollbrachte Leistung beeindruckt zutiefst. Allein der Karnpf.gegen die feindliche Natur, in der sie ihre Unternehmen ausführten, füllt eine unübertreffliche Seite des Heroismus. Niemals vorher in der Geschichte hat eine so kleine Gruppe von Männern eine so gigantische Aufgabe auf sich genommen. Der Glaube und die absolute Uberzeugung, daß die immense revolutionäre Fähigkeit der lateinamerikanischen Völker geweckt werden könne, ihr Selbstvertrauen und die Entschiedenheit, mit der sie sich dieser Aufgabe widmeten, zeigt uns die wahre Größe dieser Männer.

    Che sagte einmal zu den Guerilleros in Bolivien: "Diese Art Kampf gibt uns die Möglichkeit, uns in Revolutionäre zu verwandeln, die höchste Stufe der menschlichen Art, aber sie erlaubt uns auch, zu Männern zu werden. Wer keine dieser Stufen erreichen kann, muß es sagen und das Kämpfen lassen."

    Diejenigen die bis zum Ende mit ihm kämpften, erhielten diese ehrenhafte Auszeichnung. Sie symbolisieren den Typ des Revolutionärs und den Typ des Menschen, den die Geschichte in dieser Stunde zusammenruft für eine wirklich harte und schwierige Aufgabe: die revolutionäre Umwandlung Lateinamerikas.

    Der Feind, dem sich die Vorkämpfer des ersten Unabhängigkeitskampfes entgegenstellten, war eine dekadente Kolonialmacht. Heute haben die Revolutionäre das mächtigste Bollwerk des imperialistischen Lagers zum Feinde, ausgerüstet mit der modernsten Technik und Industrie. Dieser Feind organisierte und rüstete nicht nur von neuem ein bolivianisches Heer aus, nachdem das Volk die vorherige, repressive militärische Macht zerstört hatte, sondern bot sofort Waffenhilfe und Militärberater für den Kampf gegen die Guerillas an und gewährt in gleichem Ausmaß repressiven Kräften dieses Kontinents militärische und technische Hilfe. Und falls diese Mittel nicht ausreichen, greift er direkt mit seinen Truppen ein, wie er es in Santo Domingo tat.

    Um gegen diesen Feind zu kämpfen, benötigt man den Typ von Revolutionären und Männern, von denen Che sprach. Ohne diesen Typ von Revolutionären, die bereit sind, das zu tun, was jene taten; ohne den Mut großen Hindernissen entgegenzutreten, wie jene es taten; ohne die Bereitschaft zu sterben, die jene in jedem Augenblick hatten; ohne die tiefe Uberzeugung der Gerechtigkeit ihrer Sache und den unerschütterlichen Glauben in die unbesiegbare Stärke der Völker, den jene angesichts einer Macht wie dem Yankee-Imperialismus hatten, dessen militärische, technische und wirtschaftliche Mittel sich in der ganzen Welt bemerkbar machen, wird die Befreiung der Völker dieses Kontinents niemals erreicht werden.

    Das nordamerikanische Volk, das anfängt zu begreifen, daß die monströse, politische Suprastruktur, die ihr Land beherrscht, seit langem nicht mehr die idyllische Republik ist, die ihre Gründer vor fast 200 Jahre aufbauten, leidet selbst in immer höherem Maße unter der moralischen Barbarei eines irrationalen, entfremdeten, entmenschten und brutalen Systems. Dieses fordert vom amerikanischen Volk immer größere Opfer für seine Angriffskriege, seine politischen Verbrechen, Rassendiskriminierung, die erbärmliche Unterdrückung seiner Menschen und seine widerliche Verschwendung wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und menschlicher Mittel für seinen unmäßigen, reaktionären und repressiven Militärapparat, inmitten einer Welt, zu dreiviertel unterentwickelt und hungrig.

    Aber nur die revolutionäre Umwandlung Lateinamerikas wird dem Volk der Vereinigten Staaten erlauben, seine eigene Rechnung mit jenem Imperialismus zu begleichen. Gleichzeitig könnte sich der wachsende Kampf des nordamerikanischen Volkes gegen die imperialistische Politik in einen entscheidenden Alliierten der Revolutionsbewegung in Lateinamerika verwandeln.

    Und wenn dieser Teil der Hemisphäre keine tiefgreifende, revolutionäre Umwandlung erfährt, wird die riesige Differenz und das Gefälle, das sich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts zwischen der mächtigen Nation, die sich schnell industrialisierte und gleichzeitig durch das Gesetz der sozialen Dynamik und Wirtschaft zu gigantischen Höhen gelangte und der Gruppe der schwachen und stehengebliebenen Länder, die von feudalen Oligarchien und ihren reaktionären Armeen auf dem balkanisierten Rest des amerikanischen Kontinents unterworfen sind, jedesmal größer; wird der jetzige Unterschied in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik nur ein kleiner Widerschein der riesigen Ungleichheit sein, die in zwanzig oder mehr Jahren die imperialistische Struktur den lateinamerikanischen Völkern aufzwingen wird.

    Auf diesem Weg sind wir gezwungen, immer ärmer, schwächer, abhängiger und noch versklavter von diesem Imperialismus zu werden. Diese düstere Perspektive betrifft ebenso die unterentwickelten Länder Afrikas und Asiens.

    Wenn die industrialisierten und gebildeten Nationen Europas mit ihrem Gemeinsamen Markt und den supranationalen, wissenschaftlichen Einrichtungen unruhig werden vor der Möglichkeit zurückzubleiben und ängstlich der Drohung gegenüberstehen, in wirtschaftliche Kolonien des Yankee-Imperialismus verwandelt zu werden, was hat dann die Zukunft für die lateinamerikanischen Völker bereit?

    Wenn angesichts dieser wahren und nicht in Frage zu stellenden Lage, die gewiß das Schicksal unserer Völker berührt, irgend ein liberaler oder reformistischer Bourgeois oder pseudorevolutionärer Heuchler - unfähig Aktionen auszuführen - eine andere Antwort bereit hält als die Notwendigkeit einer tiefen und dringenden revolutionären Umwandlung, die einen Vorrat aller moralischen materiellen und menschlichen Kräfte binden könnte, um diesen Teil der Welt nach vorn zu bringen, um den wirtschaftlichen und wissenschaftlichtechnischen Rückstand von Jahrhunderten aufzuholen, der von Tag zu Tag der industrialisierten Welt gegenüber größer wird, einer Welt, deren Abhängige wir sind und jeden Tag mehr sein werden, insbesondere von den Vereinigten Staaten, und um außerdem die Formel des magischen Weges zu finden - anders als von Che entwickelt, der Oligarchien, Despoten, sogenannte Politiker, d. h. Knechte, und Yankee-Monopole, d. h. die Herren, hinwegfegt und es so schnell macht, wie es die Umstände erfordern - dann soll man die Hand erheben, um gegen Che aufzutreten.

    Da in Wahrheit keiner weder eine ehrenvolle Antwort, noch eine konsequente Aktion weiß, die eine wirkliche Hoffnung für die fast dreihundert Millionen Menschen einschließt, die die Bevölkerung Lateinamerikas darstellen - beklagenswert arm in ihrer überwiegenden Mehrheit - und die in fünfundzwanzig Jahren sechshundert Millionen sein werden mit einem Recht auf Leben, Kultur und Zivilisation, dann wäre das Angebrachteste zu schweigen. Schweigen vor der Haltung Ches und derer, die mit ihm fielen, ihre Ideen mit Mut verteidigend. Die Heldentat, die diese Handvoll Männer vollbrachte, geführt durch das edle Ideal der Erlösung eines Kontinents, wird als der höchste Beweis dessen bleiben, was Willen, Heroismus und menschliche Größe vermögen. Ein Beispiel, welches das Bewußtsein erleuchten wird und dem Kampf der lateinamerikanischen Völker vorangehen wird, weil der heroische Ruf Ches an die Ohren der Armen und Ausgebeuteten gelangen wird, für die er sein Leben hingab und sich viele Arme ausstrecken werden, die Waffen zu ergreifen, um ihre endgültige Befreiung zu erreichen.

    Am 7. Oktober schrieb Che seine letzten Zeilen. Am folgenden Tag um 13.00 Uhr, als er in einer engen Schlucht die Nacht abwarten wollte, um die Einkreisung zu sprengen, trat eine große Truppe des Feindes gegen sie an. Die kleine Gruppe von Männern, die zu dieser Zeit die Truppe bildete, kämpfte heroisch bis zur Dunkelheit aus Einzelstellungen, an den Wänden und am oberen Rand der Schlucht verborgen, gegen die Obermacht von Soldaten, die sie umzingelten und angriffen. Von denen, die in Stellungen nahe bei Che kämpften, gibt es keine Oberlebenden. Da sich bei ihnen der Arzt, auf dessen schlechten Gesundheitszustand schon vorher hingewiesen wurde, und ein peruanischer Guerillero, ebenfalls in schlechtem Gesundheitszustand, befanden, weist alles darauf, daß Che bis zu dem Zeitpunkt, an dem er verletzt wurde, alles tat, um den Rückzug dieser Kameraden an einen möglichst sicheren Ort zu decken. Der Arzt wurde bei dieser Schlacht nicht getötet, sondern erst einige Tage später, nahe der Yoro-Schlucht. Das steile, unebene und felsige Gelände machte es sehr schwer und manchmal unmöglich, daß die Guerilleros sich sehen konnten. Diejenigen, die die Schlucht am anderen Ende, einige hundert Meter von Che entfernt, verteidigten, unter ihnen Inti Peredo, widerstanden dem Angriff bis zur Dunkelheit, in der es ihnen gelang, sich vom Feind abzusetzen und sich zu dem vorher ausgemachten Sammelpunkt zu begeben.

    Es konnte festgestellt werden, daß Che verletzt weitergekämpft hat bis der Lauf seines M-2 Gewehres durch einen Schuß zerstört wurde, der es vollkommen unbrauchbar machte. Die Pistole, die er bei sich trug, hatte kein Magazin. Diese unglaublichen Begleitum stände zeigen, daß sie ihn lebend gefangen nehmen konnten. Die Verletzungen der Beine machten es ihm unmöglich, ohne Hilfe zu gehen, aber sie waren nicht tödlich.

    In das Dorf Higueras gebracht, blieb er noch ungefähr vierundzwanzig Stunden am Leben. Er weigerte sich, auch nur irgend ein Wort mit seinen Häschern zu wechseln, und einem betrunkenen Offizier, der versuchte ihn zu verspotten, schlug er mit der Faust mitten ins Gesicht.

    Nachdem sich Barrientos, Ovando und andere hohe Militärs in La Paz versammelt hatten, beschlossen sie kaltblütig, ihn zu ermorden. Die Details der Art und Weise, in der sie vorgingen, um den heimtückischen Beschluß in der Schule des Dorfes Higueras auszuführen, sind bekannt. Der Major Miguel Ayoroa und der Coronel An-drös Selnich, zwei von den Yankees trainierte Rangers, befahlen dem Unteroffizier Mario Terän, den Mord auszuführen. Als dieser vollkommen betrunken das Haus betrat, sagte Che - der die Schüsse, mit denen soeben ein bolivianischer und ein peruanischer Guerillero niedergestreckt worden waren, gehört hatte -, als er sah, daß der Henker zögerte, mit Bestimmtheit: Schieß! Hab keine Angst!" Dieser ging weg, und es war notwendig, daß die Vorgesetzten Ayoroa und Selnich den Befehl wiederholten, den er dann ausführte, indem er ihm vom Gürtel abwärts eine Salve seiner Maschinenpistole hineinjagte. Die Version, daß Che einige Stunden nach der Schlacht gestorben war, war schon bekannt gegeben worden, und so hatten die Ausführenden die Anweisung erhalten, weder auf Kopf noch Brust zu schießen, um keine großen Wunden zu erzeugen. Dies verlängerte grausam den Todeskampf Ches, bis ihm ein Feldwebel - ebenfalls betrunken - mit einer Pistole auf der linken Seite den Todesschuß gab. Dieses Vorgehen steht im krassen Widerspruch zum Respekt, den Che ohne Ausnahme Offizieren und Soldaten der bolivianischen Armee, die er gefangen genommen hatte, entgegenbrachte.

    Die letzten Stunden seines Lebens in den Händen seiner zu verachtenden Feinde müssen für ihn grauenvoll gewesen sein. Aber kein Mensch war besser auf eine solche Prüfung vorbereitet als Che.

 

    Der Weg, auf dem dieses Tagebuch in unsere Hände gelangte, kann jetzt nicht bekanntgegeben werden. Es genügt zu sagen, daß es ohne die Zahlung eines Entgelts geschah. Es enthält alle Notizen vom 7. November 1966, dem Tag, an dem Che nach Nancahuazü kam, bis zum 7. Oktober 1967, Vortag der Schlacht an der YuroSchlucht. Es fehlen lediglich einige wenige Seiten, die noch nicht in unsere Hände gelangt sind; aber da sie Tagen entsprechen, an denen sich keine wichtigen Vorfälle ereigneten, ändert das nichts an seinem Inhalt.

    Obwohl die Aufzeichnungen keinerlei Zweifel an ihrer Echtheit zulassen, wurden alle Fotokopien einer genauen Prüfung unterzogen, um nicht nur besagte Authentizität zu überprüfen, sondern auch jegliche, mögliche Anderung, wie klein sie hätte sein mögen, zu entdecken.

    Die Aufzeichnungen wurden mit dem Tagebuch eines der überlebenden Guerilleros verglichen, und beide Aufzeichnungen stimmten in allen Punkten überein. Die Aussagen der anderen Guerilleros, die überlebten und Zeugen der einzelnen Ereignisse waren, trugen außerdem zur Bestätigung bei. Man gelangte zu der absoluten Sicherheit, daß alle Fotos eine getreue Kopie von Ches Tagebuch sind.

    Es war eine anstrengende Arbeit, die kleine und schwierige Schrift zu entziffern, was durch die unermüdliche Mitarbeit seiner Gefährtin Aleida March de Guevara ausgeführt wurde.

    Das Tagebuch wird ungefähr gleichzeitig herausgegeben: in Frankreich durch den Verlag Frangois Maspero; in Italien durch den Verlag Feltrinelli; in der Bundesrepublik Deutschland durch den Trikont Verlag; in den USA in Ramparts Review; in Frankreich auf spanisch durch Ediciones Ruedo lberico; in Chile in der Revista Punto Final; in Mexiko durch den Verlag Siglo XXI und in anderen Ländern.

Immer bis zum Sieg!
Hasta la Victoria Siempre!

Fidel Castro

 
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geleitet von Einde O’Callaghan
zuletzt aktualisiert am 3. September 2000
 
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28.12.2003