Aus Festschrift für C. Grünberg, Leipzig 1932).
Dank an Rick Kuhn.
Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Marxens Darstellung der Goldproduktion im Rahmen seines zweiteiligen Reproduktionssdiemas hat seitens Rosa Luxemburgs die heftigste Kritik erfahren. Trotz der Wichtigkeit des so umstrittenen Problems und der weitgehenden Konsequenzen, die sich für das Marxsche System aus der Kritik R. Luxemburgs ergeben würden, wenn sie zu Recht bestünde, wurde die von R. Luxemburg aufgeworfene Frage in der marxistischen Literatur nicht weiter erörtert. Im folgenden wird versucht, das Problem zu klären.
Die Marxsche Methode des Annäherungsverfahrens besteht – wie ich dies an anderer Stelle näher gezeigt habe [1] – aus drei Gliedern, die ein unzertrennliches Ganzes bilden: nämlich aus einem abstrakten Reproduktionsschema als Hilfsmittel der gedanklichen Analyse; ferner aus den ihm zugrunde gelegten hypothetischen, vereinfachenden Annahmen; und schließlich aus den vorzunehmenden nachträglichen Korrekturen am vorläufigen, mit Hilfe der genannten Mittel gewonnenen Denkresultat. Diese drei Elemente des Marxschen Verfahrens bilden also nur Teile einer als Einheit gedachten methodologischen Hilfskonstruktion unseres Denkens, so daß jeder Teil für sich allein, ohne die beiden anderen, für die Erkenntnis der Wahrheit jeglichen Sinn verliert. Das Marxsche Reproduktionsschema allein und der in ihm dargestellte Ablauf von Produktion und Absatz beanspruchen somit nicht, ein Abbild der konkreten kapitalistischen Wirklichkeit zu sein; das Schema gilt nicht unmittelbar für den empirisch gegebenen Produktionsmechanismus, sondern schildert lediglich, einen unter fiktiven, vereinfachenden Annahmen ablaufenden „normalen“ Reproduktionsprozeß, der somit nur ein vorläufiges Erkenntnisstadium, die erste Etappe im Annäherungsverfahren an den wirklichen Reproduktionsprozeß bedeutet.
Dieses von Marx methodologisch fein durchdachte Verfahren der stufenweisen Annäherung, das für das Verständnis des Marxschen Gesamtsystems von entscheidender Bedeutung ist, wird von R. Luxemburg nicht gesehen. Weil sie diesen Zusammenhang außer acht läßt, reißt sie das Reproduktionsschema aus seiner logischen Verknüpfung mit den beiden anderen Bestandteilen des Marxschen Annäherungsverfahrens heraus, so daß es in dieser Isolierung seinen methodologischen Wert verliert und notwendigerweise zur Entstellung der Ergebnisse der Marxschen Forschung führt. Daß R. Luxemburg selbst das Unzureichende ihrer Einschätzung des Reproduktionsschemas fühlte, zeigt schon der Umstand, daß sie – ohne sich dessen bewußt zu sein – ihre Beurteilung des Marxschen Schemas wiederholt geändert und nicht weniger als drei verschiedene, sich gegenseitig ausschließende Deutungen desselben gegeben hat.
Sie beginnt ihr Buch mit einem Dithyrambus auf das Marxsche Reproduktionsschema. Nicht nur wegen der darin enthaltenen „Stellung des Problems der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals“ gehöre die Aufstellung des Schemas „zu den unvergänglichen Verdiensten Marxens um die theoretische Nationalökonomie“. „Das kapitalistische Reproduktionsproblem birgt in sich ... eine Anzahl exakter Verhältnisse, ... deren Vereinigung sowohl in ihrem Widerspruch wie in ihrer Übereinstimmung das eigentliche Problem darstellt“ (Akkumulation, S. 76). In der Geschichte der Nationalökonomie, sagt R.L. weiter, begegnen wir „nur zwei Versuchen einer exakten Darstellung des Problems: an ihrer Schwelle, bei dem Vater der Physiokratenschule, Quesnay, und an ihrem Ausgang, bei Karl Marx“ (S.1). Aber die große historische Leistung Marxens bestehe nicht bloß in der Stellung des Problems. „Das Marxsche Schema ist die wissenschaftliche Lösung des Problems“ (S.76). Marx habe gezeigt, daß die beiden Abteilungen seines Schemas „aufeinander angewiesen sind“ und deshalb „gewisse Quantitätsverhältnisse aufweisen müssen“ (S.55), und zwar wird „das Verhältnis beider auf ein exaktes Wertverhältnis zurückgeführt“ (S.78), nämlich darauf, daß I (v + m) = II c (S.57). „Die Zahlen dieser (Marxschen) Formel drücken Wertgröfien ... aus, die an sich willkürlich, ihre Verhältnisse aber exakt sind“ (S.55). Noch mehr! R. Luxemburg begnügt sich nicht mit der Feststellung, daß das Marxsche Schema unter den genannten Voraussetzungen die Lösung des Problems der Reproduktion aufzeigt, d. h. die fiktiven Bedingungen zeigt, unter welchen allein ein „Normalverlauf“ der Reproduktion erfolgen kann. Statt das Marxsche Schema als das anzusehen, was es tatsächlich ist: als ein gedankliches Hilfsmittel der Analyse der konkreten Wirklichkeit, hypostasiert sie das Reproduktionsschema und schreibt ihm eine objektive Existenz zu! Die exakten Proportionen des Marxschen Schemas, heifit es bei ihr, bilden die „allgemeine absolute Grundlage der gesellschaftlichen Reproduktion“ (S.56), und zwar nicht bloß für die kapitalistische Produktion, „sondern – mutatis mutandis – auch für jede geregelte, planmäßige Wirtschaftsordnung, z.B. für die sozialistische“ (S.75, 103). Die von R.L. aufgerollte Frage, ob dem Schema „objektive, gesellschaftliche Existenz (!) zukommt“ (S.47), wird positiv beantwortet: „Damit ist die objektive gesellschaftliche Gültigkeit des Schemas erwiesen“ (S.102).
Uns interessiert hier nicht dieses seltsame Resultat, zu dem R. Luxemburg gelangte: nämlich die Behauptung, daß dieses isolierte und wirklichkeitsferne Schema bereits unmittelbar die ökonomische Realität widerspiegle. Tatsächlich aber geht die vorläufige Vereinfachung des Marxschen Schemas so weit, daß in ihm weder das für den realen Wirtsdiaftsprozeß so wichtige fixe Kapital berücksichtigt ist, noch das Handels- und Bankkapital ebensowenig wie die Grundrente erfaßt sind; daß in ihm keine Durchschnittsprofitrate vorhanden ist, vielmehr verschiedene Profitraten in beiden Abteilungen existieren; und daß daher im Schema keine Produktionspreise, sondern nur abstrakte Werte auftreten. Und ein solches Schema sollte definitiv die kapitalistische Wirklichkeit repräsentieren?
Was für uns an der Verwechslung einer vorläufigen methodologischen Fiktion mit der Wirklichkeit durch R. Luxemburg zunächst wichtig ist, das ist die Verherrlichung des Marxschen Schemas mit seinen exakten von Marx aufgezeigten Proportionen. Denn in dieser Hypostasierung des Schemas, in der ihm zuerkannten objektiven Existenz soll doch die Tatsache zum Ausdruck gelangen, daß R. Luxemburg ihm den höchsten Wahrheitssinn zuschreibt. Mögen seine Zahlen fingiert und willkürlich sein, ihre Verhältnisse, meint R. Luxemburg, sind doch exakt und behalten ihre Gültigkeit nicht nur für die kapitalistische, sondern auch für die sozialistische Gesellschaft.
Aber welch anderes Bild von der Bedeutung desselben Reproduktionsschemas wird von R. Luxemburg dort entworfen, wo sie dazu übergeht, Marx kritisch, „fortzuentwickeln“!
In der erwähnten Abhandlung über die „Änderung des Aufbauplans“ (S.328, 332) habe ich gezeigt, daß das Schema, wenn es die wesentlichen Bedingungen der kapitalistischen Reproduktion in sich begreifen soll, nicht beliebige Produktionszweige erfassen darf, sondern notwendig eine Zweiteilung des Produktionsapparates: I. in die Produktion von Produktionsmitteln, und II. in die Produktion von Konsummitteln enthalten muß. Diese Zweiteilung bildet die Basis und den Ausgangspunkt der Marxschen Polemik gegen A. Smith, D. Ricardo und ihre Nachfolger im 19. Kap. des II. Bandes des Kapital (Frühere Darstellung des Gegenstandes). Auch im III. Bande seines Lebenswerkes kehrt Marx zu dieser Frage zurück und sagt: „Wir haben dort (d.h. im II. Bd. H. G.) alles Kapital in zwei große Klassen geteilt: Klasse I, welche Produktionsmittel, und Klasse II, welche Mittel der individuellen Konsumtion produziert.“ Und schließlich spricht Marx von der „absoluten Richtigkeit dieser Einteilung ... Sie ist in der Tat keine Hypothese, sondern nur Ausdruck einer Tatsache“ (Marx, Kapital, III/2, S.372).
Auch die Reproduktion des Geldmaterials ändert nach Marx nichts an der Richtigkeit dieser Zweiteilung, denn Marx rechnet bekanntlich die Goldproduktion zur Metallproduktion überhaupt, reiht sie daher folgerichtig in die Abt. I des Schemas ein: „Die Produktion von Gold gehört, wie die Metallproduktion überhaupt, zu Klasse I, der Kategorie, die die Produktion von Produktionsmitteln umfaßt“ (Kapital, II, S.470).
Selten wohl hat sich Marx über irgendein anderes Ergebnis seiner Forschung so bestimmt und unzweideutig geäußert wie hier. Und dennoch: gerade gegen diese von Marx so nachdrücklich betonte „absolute Richtigkeit“ der Zweiteilung des Schemas wendet sich Rosa Luxemburg. Trotz der anfänglichen Apotheose des Marxschen Schemas glaubt sie nun doch einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler des Schemas entdeckt zu haben, was sie veranlaßt, hier „von Marx abzuweichen“. Die Einreihung des Geldes in die Abt. I des Schemas sei fehlerhaft. Marx habe die Sünde der „Verwechslung der Austauschmittel mit Produktionsmitteln“ begangen, was ihn zu unverzeihlichen „Unzuträglichkeiten“ geführt habe (S.72). Denn das Geld sei weder den Produktionsmitteln, noch den Konsumtionsmitteln zuzuzählen. Als Austauschmittel erfülle es eine besondere Zirkulationsfunktion innerhalb des Reproduktionsmechanismus. „So muß das (Marxsche) Schema als unvollständig erscheinen“ ... Ihm „müßte als dritte Abteilung beigeordnet werden die Produktion von Austauschmitteln, für die es gerade charakteristisch ist, daß sie weder zur Produktion noch zur Konsumtion dienen“ (S.71/72).
Man muß schon über die Art der Einwände Rosa Luxemburgs staunen. Sollte Marx wirklich so elementare Kategorien verwechselt haben wie Austauschniittel und Produktionsmittel?! Nachdem aber Marx einmal diese elementare Wahrheit, wie R. Luxemburg versichert, verkannt hat, ist ihm selbstverständlich auch die kompliziertere Erkenntnis entgangen, daß „die Einreihung der Geldproduktion in die Abt. I alle sachlichen und Wertproportionen des Marxschen Schemas verletzen und ihm seine Geltung nehmen würde“ (S.73).
Demgegenüber behauptet R. Luxemburg, daß erst die Aussonderung der Geldproduktion zu einer besonderen dritten Abteilung und deren Darstellung „in ihrer organischen Verschlingung mit den beiden anderen Abteilungen... das erschöpfende (! H.G.) Schema des kapitalistischen Gesamtprozesses in seineu wesentlichen Punkten liefern würde“ (S.71).
Was bleibt denn nach dieser mit bewunderungswürdiger Dialektik geübten Kritik vom Marxschen Schema noch übrig? Nichts als ein Trümmerhaufen! Worin zeigt sich nun diese ihre Dialektik? Zunächst werden von R. Luxemburg die im Marxschen Schema aufgedeckten „exakten“ Proportionalitätsverhältnisse als die größte wissenschaftliche Leistung der theoretischen Ökonomie seit Quesnay gepriesen, dem Schema der höchste Wahrheitsgehalt, nämlich die objektive Existenz zuerkannt. Nachträglich erweisen sich diese „exakten“ Proportionen als illusorisch, sie bestehen gar nicht und können sogar – ohne eine dritte Abteilung im Schema – nicht bestehen! Das Schema sei unvollständig und irreführend, weil durch die Zweiteilung alle seine „sachlichen und Wertproportionen verletzt“ werden müssen, so daß es überhaupt „seine Geltung“ verliert. So wird das Schema von R. Luxemburg vom Piedestal der genialen „wissenschaftlichen Lösung“ eines Problems in ein wissenschaftliches Nichts gestürzt und als ungeeignet erklärt, in der ihm von Marx verliehenen Gestalt die kapitalistische Produktionsweise in ihren „wesentlichen Punkten“ erschöpfend darzustellen. Um also das Marxsche Schema zu retten, muß man es vorerst in der alten Form preisgeben und das baufällige Gebäude durch die Hinzufügung einer dritten Abteilung vor dem Zusammensturz bewahren. Angesichts des Trümmerhaufens, der vom Marxschen Schema nun übrig bleibt, fragt man sich verwundert, worin denn eigentlich die geniale Marxsche „wissenschaftliche Lösung“ des Reproduktionsproblems bestehe. Man wird an die Dichterworte erinnert: „Ach wie schön ist die Stute, leider ist sie tot!“
Wie scharf aber die obige Kritik die Aufbaugrundlagen des Marxschen Schemas ablehnt, so beweist schon der Umstand, daß Rosa Luxemburg an eine Verbesserung des Schemas denkt und es durch eine dritte Abteilung zu vervollständigen sucht, daß sie dem Schema an sich eine große prinzipielle Bedeutung als Instrument der Erkenntnis der wirtschaftlichen Erscheinungen beimißt: das Schema soll eine unmittelbare gedankliche Widerspiegelung der Wirklichkeit sein. Zwar weist es in dieser Beziehung noch große, ja wesentliche Mängel auf – und R.L. ist bemüht, durch Verbesserungsvorschläge diese Mängel zu beheben –, aber an der prinzipiellen Möglichkeit einer unmittelbaren Übereinstimmung zwischen der schematischen Reproduktionsformel und der empirischen Wirklichkeit scheint R.L. keinen Zweifel zu haben: beabsichtigen doch gerade ihre Verbesserungsvorschlage, das Marxsche Schema in höherem Grade, als dies bei Marx der Fall war, in Einklang mit der Wirklichkeit zu bringen!
R. Luxemburg bleibt aber auch bei diesen Ergebnissen ihrer Kritik des Marxschen Schemas nicht stehen. Ihre absolute Verkennung der wissenschaftlichen Aufgabe, die das Schema in der Marxschen Analyse zu erfüllen hat, ihre Auffassung, daß das von den übrigen Bestandteilen des Marxschen Annäherungsverfahrens isolierte Schema schon für sich allein, unmittelbar das Spiegelbild der Wirklichkeit sei und sein solle, mußte sie bald davon überzeugen, daß das Schema mit der Erfahrung nicht übereinstimmt, daß zwischen dem Schema und dem wirklichen Ablauf der Wirtschaft ein klaffender Widerspruch besteht. So entstehen bei ihr Zweifel darüber, ob das Schema überhaupt ein zur Erkenntnis der Wirklichkeit geeignetes Mittel sei. Sie, die sie dem Marxschen Schema zunächst „objektive, gesellschaftliche Existenz“ zuerkannte, wendet sich nun einer direkt gegenteiligen – nunmehr dritten – Auffassung des Schemas zu: daß das Schema (das „papierne“ Schema, wie sie sagt, die leere mathematische Formel) sich im Gegensatz, ja im Widerspruch zu dem wirklichen Leben befinde. Nach der mathematischen Formel, nach dem Schema, gehe die Reproduktion glatt vonstatten. Aber „wie sieht die Sache im Leben aus?“ (S.76). Ironisch spricht sie jetzt von den „erstaunlich glatten Resultaten“ des Marxschen Schemas, „weil wir immer bloß gewisse mathematische Übungen mit Addition und Subtraktion machen“ ... „weil das Papier sich geduldig mit mathematischen Gleichungen beschreiben läßt“ (S.92).
Noch scheut sich R.L., daraus die Konsequenz zu ziehen und das Schema abzulehnen. Die drei geschilderten Auffassungen des Schemas stehen noch in ihrem Buch nebeneinander: ein krasser Beweis ihrer philosophischen und methodologischen Unbeholfenheit.
Als aber später R. Luxemburg durch ihre Kritiker, insbesondere durch die Kritik Otto Bauers und durch dessen Schema, das die schrankenlose Akkumulation zu demonstrieren schien, in die Enge getrieben wird, da entscheidet sie sich für die oben genannte dritte Auffassung, wirft ihren Kritikern „Vorliebe für die Schemata“ vor (Antikritik, S.6), während die Schemata für die Erkenntnis der Wirklichkeit wertlos seien, weil das ökonomische Problem der Akkumulation „mit mathematischen Formeln nichts zu tun hat“ (S.6). Vergessen ist der Dithyrambus auf das Marxsche Schema mit seinen „exakten Verhältnissen“. Nun wird sie aus einer Bewunde-rin des Schemas dessen schärfste Gegnerin, die ihm jeden wissenschaftlichen Wert abspricht! Diese ihre Wendung wird freilich dadurch verdunkelt, daß R. Luxemburg in erster Linie gegen die harmonistischen Ergebnisse der sche-matischen Analyse des Reproduktionsprozesses durch Tugan-Baranowsky, Hilferding, Eckstein und O. Bauer kämpft. Die Art jedoch, wie sie ihre Antikritik übt, zeigt zur Genüge, daß tatsächlich nicht bloß die harmonistischen Ergebnisse der schematischen Darstellung ihrer Kritiker, sondern die Möglichkeit einer schematischen Erfassung der Wirklichkeit selbst bezweifelt wird.
Mit Hohn spricht sie nun „vom orthodoxen Kultus der Formeln“ (S.30) und von Schemata, „die sich ja auf dem Papier ins Unendliche fortführen lassen“ (S.58). Statt sachlich die Konstruktionsfehler des Bauerschen Schemas nachzuweisen, beschränkt sie sich – und dies ist die einzige Kritik, die sie an dem Aufbau der Bauerschen Formeln als solchen übt – darauf, gegen O. Bauer den Einwand zu erheben, daß er den lateinischen Buchstaben c und v „wie sie Marx zur abgekürzten Bezeichnung des konstanten und variablen Kapitals gebrauchte“, noch einige griechische Buchstaben hinzugefügt hätte: „vier Tabellen, mit breiten und länglichen, eiförmig eingeklammerten und vierstöckigen Formeln“ (S.32), wodurch seine Tabellen „noch abschreckender (!) aussehen als alle Schemata im Marxschen Kapital“ (S.31), Auf die Frage, ob die Kapitalisten für ihre „erweiterte Produktion einen fortschreitend erweiterten Absatzmarkt finden und wo sie ihn finden, ... können keine arithmetischen Operationen mit fingierten Zahlen auf dem Papier Antwort geben, sondern nur die Analyse der ökonomischen gesellschaftlichen Zusammenhänge der Produktion“ (S.32). Sie verhöhnt „das ergötzlichste Quiproquo“, d.h. die Verwechslung der Schemata mit der Wirklichkeit, „die naive Vorstellung, als ob mathematische Formeln hier die Hauptsache“ wären und nicht die zu erforschende ökonomische Wirklichkeit. R. Luxemburg gelangt schließlich zum Ergebnis, „daß mathematische Schemata in der Frage der Akkumulation überhaupt nichts beweisen können, da ihre ... Voraussetzung unhaltbar sei“ (S.30).
Damit wird von R. Luxemburg ein Zwiespalt zwischen den wissenschaftlichen Darstellungsmethoden und der darzustellenden ökonomischen Wirklichkeit hineinkonstruiert: der Wirklichkeit wird die papierene Formel gegenübergestellt, während doch diese Formel – das Schema – bloß ein Hilfsmittel zur gedanklichen Wiedergabe der Wirklichkeit sein soll! Die Analyse der ökonomischen gesellschaftlichen Zusammenhänge wird in Gegensatz zu den arithmetischen Operationen des Schemas gebracht, obwohl doch das Schema den Anspruch erhebt, eben ein Instrument der geforderten Analyse der gesellschaftlichen Zusammenhänge zu sein!
Indem R.L. nun den „orthodoxen Kultus der Formeln“ auslacht und von den „abschreckenden.“ Marxschen Schemata spricht, gelangt sie auf methodologischem Gebiet in die bedenkliche Nähe R. Liefmanns und R. Wilbrandts, deren Äußerungen über das Marxsche Reproduktionsschema hier als Kuriosa, als für das Niveau der bürgerlichen Ökonomie in ihrem Verhältnis zum Marxismus charakteristische Dokumente, angeführt werden mögen. „Man sollte es nicht für möglich halten“, heißt es bei Liefmann, „daß solche Gleichungen... seitenlang als ökonomische Theorie erörtert werden können und kein Mensch bisher den Unsinn bemerkte, der darin liegt.“ [2] Wilbrandt wiederum erblickt gerade in dem von Marx und Engels so hochgeschätzten „Formelkram“, in den für Marx „charakteristischen“, aber von ihm „selbst überschätzten äußeren Darstellungsformen“ eine der Ursachen für die „Abwendung lebenskräftiger Praktiker (!) vom ganzen Marxismus“. [3]
Was würde man von einem Physiker denken, der den „Formelkram“ der theoretischen Physik „mit seinen fingierten Zahlen“ (um mit R. Luxemburg zu reden) in Gegensatz zu den zu erforschenden „Zusammenhängen der Natur“ bringen wollte? Wird vielleicht dieser „Formelkram“ eine Abneigung „lebenskräftiger Praktiker“ (um das schöne Wort Wilbrandts zu gebrauchen) gegen die Wissenschaft der Physik hervorrufen? Die Wissenschaft würde jedenfalls dadurch nicht viel verlieren.
Rosa Luxemburg übersah übrigens bei ihrer Kritik des Schemas, daß sie damit nicht bloß die Neo-Harmoniker Hilferding, Tugan-Baranowsky und Otto Bauer traf, sondern daß sie ihre eigenen Ausführungen vollends entwertete.
Wenn nämlich für die Erfassung der Zusammenhänge der Produktion nur die Analyse der lebendigen Wirklichkeit, nicht aber arithmetische Schemata mit fingierten Zahlen Aufschluß geben können, wenn für diese Analyse die Schemata wertlos sind, dann ist es doch völlig gleichgültig, ob diese fingierten Schemata nur zwei Abteilungen (wie z.B. bei Marx) aufweisen, oder ob sie – wie dies R. Luxemburg vorschlägt – drei Abteilungen haben sollen. Dann ist es auch unverständlich, wie die Aussonderung der Goldproduktion zu einer dritten Abteilung (neben den beiden Abteilungen für Produktionsmittel und Konsumtionsmittel) „das erschöpfende Schema des kapitalistischen Gesamtprozesses in seinen wesentlichen Punkten (!) liefern“ kann. Rosa Luxemburg hat sich hier in unlösbare Widersprüche verwickelt.
Hatten wir bisher R. Luxemburgs Forschungsmethode, ihr Verhältnis zum Reproduktionsschema beleuchtet, so gilt es jetzt ihre Leistung selbst zu untersuchen. Stellen wir uns für den Zweck unserer Untersuchung auf den Boden der Luxemburgischen Marx-Kritik und prüfen wir die von. ihr gegen die Zweiteilung des Marxschen Schemas erhobenen Einwände auf ihren positiven Gehalt. Ist es richtig, daß die Einreihung der Goldproduktion in die Abt. I des Marxschen Schemas alle sachlichen und Wertproportionen desselben verletze? Daß also für die Goldproduktion im Schema eine besondere, dritte Abteilung ausgesondert werden müsse und daß dadurch erst ein in seinen „wesentlichen“ Punkten erschöpfendes Schema der Reproduktion erreicht werde?
Hat R. Luxemburg für ihre folgenschweren Einwände den Beweis erbracht? Sie sagt:
„Übrigens zeigt ein Blick auf das Reproduktionsschema selbst, zu welchen Unzuträglichkeiten die Verwechslung der Austauschmittel mit Produktionsmitteln führen müßte“ (Akkumulation, S.72).
„Die bedenklichen Resultate“ der Marxschen Zweiteilung werden folgendermaßen geschildert:
„Die Arbeiter der Abt. I g kaufen mit dem von den Kapitalisten an Löhnen erhaltenen Geldbetrag (5 v) Konsumtionsmittel von der Abt. II.“
Da indes die Kapitalisten II mit den eingenommenen I g (5 v) „nichts anzufangen wissen, da sie sie nicht als konstantes Kapital gebrauchen können, so läßt sie Marx diesen Geldbetrag auf-schatzen! Um aber dadurch kein Defizit in konstantem Kapital von II entstehen zu lassen“, findet Marx den Ausweg, das Manko von II c auf II m zu übertragen. Daher das Marxsche „Resultat: Ein Teil des Mehrwerts wird als Geldschatz aufgespeichert“ (S.73, 74).
R. Luxemburg wendet sich dann spöttisch gegen Marx und sagt:
„Das Resultat ist seltsam genug. Indem wir die Reproduktion bloß des jährlichen Verschleißes des Geldmaterials berücksichtigt haben, ergab sich plötzlich Aufschatzung des Geldes, also ein Überschuß an Geldmaterial. Dieser Überschuß entsteht – man weiß nicht weshalb – auf Kosten der Kapitalisten derLebensmittelabteilung, die sich kasteien sollen, nicht etwa um ihre eigene Mehrwertproduktion zu erweitern, sondern damit Lebensmittel genug da sind für die Arbeiter der Goldproduktion.“
„Für diese christliche Tugend werden aber die Kapitalisten der Abt. II schlecht genug belohnt ... da jetzt ein Teil des Produkts von I in Geld besteht, das nicht als Produktionsmittel gebraucht werden kann, so kann II trotz Abstinenz sein konstantes Kapital sachlich nicht in vollem Umfang erneuern“, ... „und die Kapitalisten der Abt. II sind nicht einmal in der Lage, ihre Produktion im früheren Umfang in Angriff zu nehmen“.
R. Luxemburg gelangt zum Ergebnis:
„Und so wäre die Voraussetzung des Schemas: einfache Reproduktion, nach zwei Richtungen verletzt: Aufschatzung des Mehrwerts und Defizit des konstanten Kapitals. Diese von Marx erzielten Resultate beweisen selbst, daß die Goldproduktion unmöglich in einer der beiden Abteilungen seines Schemas untergebracht werden kann, ohne das Schema selbst umzuschmeißen“ (l.c., S.74–75).
Das ist also der umstürzende „Beweis“ R. Luxemburgs! Man liest diese Art der Marx-Kritik, die einer Behandlung von Marx als „toten Hund“ nahekommt, nicht ohne es als schmerzlich zu empfinden, daß selbst die führenden Geister der sozialistischen Theorie gewohnt sind, mit wenigen billigen spöttischen Redewendungen an den übrigens von ihnen selbst als wichtig erkannten Problemen vorbeizugehen! R. Luxemburg empfindet indes selbst, daß der angeführte Beweis der „Unzuträglichkeit“ des Marxschen Schemas nicht genügt. Es bedarf eines weiteren Beweises. Sie sucht und findet ihn auch bald: aus der bekannten Tatsache, daß im Marxschen Manuskript, das die Goldproduktion behandelt, eine Seite fehlt, so daß die von Marx (K. II, S. 472) angesagte „Untersuchung über den Austausch von neuproduziertem Gold innerhalb des konstanten Kapitals der Abt. I“ (also das I c der Goldproduktion, H.G.) nicht erfolgt ist, will R. Luxemburg einen weiteren Stützpunkt für die eigene Auffassung konstruieren und sagt: fände sich die angekündigte Untersuchung vor, „sie hätte (!) die Unzuträglichkeiten (des Marxschen Schemas) noch gesteigert“ (S.75).
Es liegt in dieser verschnörkelten Denkweise R. Luxemburgs etwas scholastisch Befremdendes: nicht der Drang nach Wissen und Erkenntnis, sondern bloß der Wille, den Gegner im Disput niederzuschmettern, spricht aus dieser Beweisführung. Daher die einseitige Hervorhebung der für die eigene Auffassung günstigen und das Verschweigen der ungünstigen Momente. Daher die Anrufung nicht bloß der anwesenden, sondern auch der abwesenden Zeugen. Auch sie sollen für R. Luxemburg und gegen Marx Zeugnis ablegen! Statt die fehlende Seite des Marxschen Manuskriptes auf Grund einer Analyse zu rekonstruieren und so den Beweis für die Richtigkeit ihrer These zu liefern, verlangt sie, wir sollen ihren Versicherungen, die fehlende Seite würde ihre Kritik bestätigen, Glauben schenken. Aus dieser scholastischen Disputiermanier endlich erklärt sich auch der Umstand, daß R. Luxemburg am Schluß ihrer bissigen Kritik des Marxschen Schemas zur Bekräftigung ihrer Auffassung niemand anderen anführt – als Marx selbst! „Übrigens bestätigt Marx selbst unsere Auffassung und erschöpft die Frage mit zwei Worten, wenn er knapp wie treffend sagt: ‚Geld an sich, selbst ist kein Element der wirklichen Reproduktion‘“ (S.75). Weil also Marx eingesehen hat, daß Gold an sich kein Element der wirklichen Reproduktion ist, so hat er damit nach R. Luxemburgs Auffassung auch schon zugegeben, daß sein Schema mit nur zwei Abteilungen falsch sei, so hat er zugegeben, daß die Geldreproduktion nicht in die Abt. I einzureihen, sondern in einer besonderen dritten Abteilung darzustellen sei! Sie sieht darin den Beweis dafür, daß Marx nicht das sagen wollte, was er tatsächlich gesagt hat und was den Titel seiner wissenschaftlichen Größe ausmacht, sondern das, was er nicht gesagt, vielmehr bestritten hat! Mit dieser „Analyse“ hat R. Luxemburg den Gipfel der sophistischen Interpretationskunst erklommen. Das Resultat, zu dem sie gelangte, wird in scholastischer Art aus einem einzigen Marxschen Satz herausdeduziert: unschuldige „zwei Worte“ Marxens gelten ihr mehr als die ganze Marxsche Analyse des Reproduktionsprozesses von Gold und Waren und mehr als alle „exakten Verhältnisse“ des Schemas mit seiner „absoluten Richtigkeit“ der Zweiteilung. Trotz aller Marxschen Beweisführung für die Richtigkeit der Zweiteilung soll Marx zum Schluß nicht sich, sondern R. Luxemburg recht geben!
Diese Denkweise R. Luxemburgs offenbart sich noch nach einer anderen sehr wichtigen Richtung. Man sollte nämlich erwarten, daß R. Luxemburg nicht bei dem bloß negativen Ergebnis ihrer Marxkritik stehen bleiben werde. Wenn nämlich die Einreihung der Goldproduktion in die Abt. I des Schemas alle seine Proportionen verletze, wenn durch die Einführung der Goldproduktion als einer dritten Abteilung „erst das erschöpfende Schema“ des kapitalistischen Reproduktionsprozesses geliefert wäre, so drängt sich von selbst der Schluß auf, daß es sich verlohnen würde, den Rekonstruktionsversuch eines solchen erschöpfenden Schemas zu unternehmen. Paris vaut bien une messe!
Hier die drei Abteilungen R. Luxemburgs (S.72):
I 4000 c + 1000 v + 1000 m = 6000 Produktionsmittel |
Wie vollziehen sich die Umsätze in einem solchen „erschöpfenden“ Schema? Hier stoßen wir auf etwas Unerwartetes: in dem umfangreichen, beinahe 450 Seiten zählenden Buch R. Luxemburgs fand sich wohl die Gelegenheit für lange, mehr als ein Drittel des Buches füllende historische Auseinandersetzungen. Nur für die von R. Luxemburg selbst formulierte Kardinalaufgabe, für die Aufzeigung der organischen Verschlingung der Goldproduktion mit den beiden anderen Produktionsabteilungen hat sie weder Raum noch Zeit gefunden! Tatsächlich enthält ihr Buch nicht ein einziges Wort der Aufklärung darüber, wie sich die Austauschverhältnisse eines dreiteiligen Schemas gegenseitig bedingen und realisieren würden. Diese Tatsache schon zeigt die Unfruchtbarkeit der Luxemburgischen Kritik, beweist, daß diese Kritik rein verbal und formal ist und von keinem tieferen Gedanken getragen wird, und daß sie gegen das Marxsche Schema nicht nur keinen positiven Gegenbeweis von dessen Unzulänglichkeit zu erbringen imstande war, sondern auch, daß sie diesen nicht einmal zu erbringen versucht hat! Würde sie ihn aber unternehmen, so hätte der bloße Versuch ihr zeigen müssen – und wir wollen das im folgenden näher begründen –, daß ihr dreiteiliges Schema grundfalsch ist.
Um das Problem der Goldproduktion – als Teilproblem des kapitalistischen Reproduktionsproblems überhaupt – auf seinen einfachsten und klarsten Ausdruck zu reduzieren, muß sich unsere Analyse auf die Goldproduktion für monetäre Zwecke beschränken (auch Marx legt diese Voraussetzung seiner Analyse zugrunde, Kapital II, S.314), da die Produktion des Goldes als Warenmaterial für industrielle Zwecke, sich durch nichts von irgendeiner anderen Metallproduktion (die in die Abt. I des Schemas eingereiht ist) unterscheidet und somit kein Problem ist. Problematisch ist nur die monetäre Goldproduktion. Nur in bezug auf diese hat R. Luxemburg ihre kritischen Einwände gegen Marx erhoben. Mit deren Prüfung haben wir uns denn auch zu befassen.
Eins soll dabei im voraus „zugegeben“ werden: durch die Einreihung der Goldproduktion in die Abt. I entstehen Schwierigkeiten. Denken wir uns die Goldproduktion im Umfang von 20 c + 5 v + 5 m = 30 in die Abt. I des oben angeführten Schemas eingereiht, so besteht am Jahresschluß das Produkt der Abt. I (Produktionsmittel) im Umfang von 30 in Goldgestalt, und nur 5970 in Gestalt von Produktionsmitteln. Da indes aus dem Jahresprodukt der Abt. I die verbrauchten Produktionsmittel der Abt. I (= 4000 c) und der Abt. II (= 2000 c) ersetzt werden müssen, so ist es klar, daß ein Defizit an konstantem Kapital entsteht, also das konstante Kapital beider Abteilungen im Umfang von 30 nicht ersetzt werden kann, da aus Gold keine Produktionsmittel (Maschinen, Gebäude etc.) hergestellt werden, oder wie Marx sagt „Geld an sich selbst kein Element der wirklichen Reproduktion“ ist. Diese Schwierigkeit hat aber nicht erst R. Luxemburg entdeckt, sondern Marx selbst hat auf sie hingewiesen und ihre Lösung angesagt. Da sie sich aber, wie Engels feststellt, im Manuskript nicht vorfindet, so bestand die eigentliche Aufgabe der Marxisten darin, die verlorengegangene Seite des Marxschen Manuskriptes in diesem Punkte zu rekonstruieren. Im Gegensatz dazu negiert R. Luxemburg die Möglichkeit der Lösung auf der von Marx angekündigten Basis und zieht es vor, diese Basis selbst, nämlich das zweiteilige Reproduktionsschema, aufzuheben!
Aber wie alle ihre Problemstellungen und Lösungen ist auch die in diesem Fall gegebene „Lösung“ rein äußerlich, mechanisch. Erscheinen ihr die Waren im Kapitalismus unabsetzbar, so fügt sie einfach der kapitalistischen Welt von außen den nichtkapitalistischen Raum als Warenabnehmer hinzu, und die Schwierigkeit ist damit „gelöst“. Ähnlich hier in bezug auf unser Problem. Entstehen bei der Goldproduktion auf Basis eines zweiteiligen Schemas für das Reproduktionsproblem Schwierigkeiten, so wird, statt daß der Versuch einer Lösung gemacht werde, einfach eine dritte Abteilung für die Goldproduktion hinzugefügt und die Schwierigkeit ist damit „erledigt“.
Kann aber durch die bloße mechanisch-formelle Aussonderung der Goldproduktion zu einer besonderen dritten Abteilung die genannte Schwierigkeit behoben werden? Wird durch die Änderung der technischen Darstellungsweise das erwähnte Defizit an konstantem Kapital verschwinden? Wieso? Auf welchem Wege? Das erfahren wir von R.L. mit keiner Silbe.
Für das Marxsche Problem des Reproduktionsprozesses ist der formale Streit, ob das Schema zwei- oder dreiteilig sein soll, ohne
Belang. Denn es kommt nicht darauf an, Klassifikationen zu konstruieren, sondern klare Begriffe über das Wesen des Problems zu gewinnen. Ist man sich, im klaren über die Unterschiede iu der Funktion des Goldes als Ware und als Geld (Zirkulationsmittel), dann ist es leicht, das Problem sowohl in einem zwei- wie in einem dreiteiligen Schema zu bewältigen. Das Problem selbst, die „Schwierigkeit“, ist viel größer als R.L. meint, und es muß aus dem Charakter des Geldes als Zirkulationsmittel, nicht aber aus der formalen zwei- oder dreiteiligen Darstellungsweise erklärt werden.
Bevor wir an die Darstellung der Goldreproduktion herantreten, sei zunächst die Vorfrage erörtert: um welche verhältnismäßigen Mengen von Gold handelt es sich bei dem Problem der Reproduktion des Geldmaterials? Die Antwort ergibt sich aus dem Marxschen Zirkulationsgesetz (Zur Kritik, S.149): die für die Zirkulation nötige Geldmasse ist bei gegebener Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes bestimmt durch die Warenmasse und die zu realisierenden Warenpreise, minus der durch Ausgleichung sich gegeneinander aufhebenden oder in einen späteren Zeitraum verlegten (kreditierten) Zahlungen. Darüber hinaus muß die Geldmasse hinreichen für die Schwankungen des Geldumlaufs, die teils aus Fluktuationen in der durchschnittlichen Geschwindigkeit der Zirkulation, teils aus den verschiedenen und wechselnden Proportionen, worin Geld in Bargeschäften oder in Kredittransaktionen fungiert, entspringen (K. II, 313).
In dem oben angeführten Marxschen Schema der einfachen Reproduktion beträgt das abzusetzende Jahresprodukt beider Abteilungen 9000 Werteinheiten. Wollte man diese Warenmasse auf einmal (z.B. nach dem Ausland) absetzen, so müßte der ausländische Käufer über ein Geldkapital von 9000 verfügen. Bei zehnmaligem Umsatz würde die dazu erforderliche Geldmenge auf 900 sinken.
Für unsere Analyse wollen wir annehmen daß im Schema jährlich vier Umsätze stattfinden, daß also für den Warenabsatz von 9000 eine Geldmasse von 2250 genüge. Indes muß für die oben erwähnten Schwankungen des Geldumlaufs darüber hinaus noch ein Reserveschatz vorhanden sein. Wird er in der Höhe von einem Neuntel der Gesamtmenge von 2250, also mit 250, angenommen (das Zahlenverhältnis ist willkürlich gewählt), so beträgt die für die Zirkulation erforderliche Gesamtmenge des Geldes 2500. Nehmen wir ferner der Einfachheit halber an, daß der jährliche Geldverlust durch Abnutzung 1 = 25 beträgt (der tatsächliche Abnützungskoeffizient ist bedeutend kleiner), so muß die Goldproduktion eben nur diesen Abgang von 25 g jährlich ersetzen – unter Voraussetzung der einfachen Reproduktion, wo dasselbe Quantum des Jahresprodukts jahraus, jahrein mit derselben Geldmenge zirkuliert werden soll. (Marx, K. II, 314, 325.)
Vom Standpunkt der Goldreproduktion entsteht nun die Frage, welche Geldmasse in das Reproduktionsschema gehört: 2500 g oder nur 25 g? Gehört in das Schema die ganze vorhandene und allmählich seit Jahrhunderten angesammelte Masse von Geldmitteln, oder bloß das im letzten Jahr erzielte und für den Ersatz des Geldverschleißes bestimmte Neuprodukt an Gold?
R. Luxemburg spricht allgemein von „Geldmitteln“ oder „Austauschmitteln“, die in eine dritte Abteilung des Schemas gehören (S.72). Damit liefert sie aber den Beweis, daß sie sich in bezug auf die grundlegenden Aufgaben und Funktionen des Marx-schen Reproduktionsschemas im unklaren gewesen ist. Wird nämlich seitens R. Luxemburgs der Einwand erhoben, daß das Marxsche Schema die Goldproduktion nur als Metallproduktion (innerhalb der Abt. I) behandle, nicht aber das Gold in seiner besonderen Funktion als Zirkulationsmittel berücksichtige, dann müßte sie folgerichtig in das Schema nicht bloß das neu produzierte Gold (= 25 g), sondern die ganze im Laufe von Jahrhunderten aufgeschatzte Geldmasse (= 2500 g) einreihen, weil eben diese ganze Geldmasse als Zirkulationsmittel fungiert. Das Reproduktionsschema müßte also von ihrem eigenen Standpunkt aus konsequenterweise folgendermaßen aussehen (die Bruchteile in der Abt. III wurden weggelassen):
I 4000 c + 1000 v + 1000 m = 6000 Produktionsmittel |
Vor dieser Konsequenz schreckt aber R. Luxemburg zurück, und im Widerspruch zu ihren eigenen Forderungen reiht sie in die dritte Abteilung bloß das neu produzierte Gold ein, und zwar III. 20 c + 5 v + 5 m = 30, somit Gold nicht in seinem Charakter als Zirkulationsmedium, sondern Gold in seinem Warencharakter, als Teil des neuproduzierten und Absatz suchenden gesamten Jahresproduktes. Und mit Recht. Denn das Marxsche Schema stellt sich zur Aufgabe, ähnlich wie das Tableau économique Quesnays, ein Bild des jährlichen Produkts und seines Absatzes zu geben (K. I, 604, K. II, 300, 362). Diesen absatzsuchenden Warencharakter hat nur das neu produzierte Gold (= 25 g), das sich in dieser Beziehung von den anderen Waren des Jahresprodukts nicht unterscheidet. [4] Anders dagegen verhält sich die Sache mit Geld als Zirkulationsmittel. Diese im Laufe von Jahrhunderten nach und nach angesammelte Geldmasse ist nicht das Produkt des letzten Produktionsjahres, sie fungiert nicht als Ware, sie wird daher nicht abgesetzt, sie vermittelt nur den Absatz der neuproduzierten Waren, und gehört also nicht in das Schema. (Marx, K. II, S.478.) Die „Geldmittel“ sind somit von Marx in sein Schema überhaupt nicht einbegriffen worden, weder in Abt. I, noch in Abt. II und, wie wir sogleich sehen werden, konnte und durfte sie Marx gar nicht als Bestandteile des Schemas darstellen. [5] Die Geldmittel werden zwar gebraucht, aber nicht verbraucht; sie werden daher auch nicht reproduziert, sondern bloß aufgeschatzt. Was somit im Marxschen Reproduktions-Schema an Gold erfaßt wird (und zwar in der Abt. I), ist bloß das zum Ersatz der Abnutzung (Verschleißes) der Geldmittel notwendige Goldquantum.
Setzt nun R. Luxemburg in das Schema bloß das neu produzierte Gold (25 g) ein, so erfaßt sie das Gold in seinem Warencharakter, nicht jedoch als Zirkulationsmittel (2500 g). Tut sie das aber, dann entfällt der einzige von ihr angeführte, ökonomische Grund, das Gold als eine besondere, dritte Abteilung des Schemas auszuscheiden. Denn Gold als Ware braucht von den anderen Waren des Schemas nicht ausgesondert zu werden und gehört wie die übrige Metallproduktion in die Abt. I.
Wir wollen nun den Nachweis führen, daß die Forderung Rosa Luxemburgs nach Aussonderung der „Geldmittel“ als einer dritten Abteilung des Schemas sich in Widerspruch mit den logischen Voraussetzungen befindet, auf denen das Schema aufgebaut ist. Die wissenschaftliche Aufgabe des Schemas besteht, wie wir wissen, in der Erforschung der qualitativen und quantitativen Größenbeziehungen zwischen den einzelnen Elementen des Jahresprodukts, Größenbeziehungen, die Bedingung für den störungslosen Verlauf der Reproduktion sind. Nun ist klar: nur zwischen den c-, v- und m-Bestandteilen des Jahresprodukts des letzten Produktionszyklus der beiden Abteilungen I und II, daher auch beim neu produzierten Gold als Teil dieses Jahresprodukts bestehen solche quantitative Größenbeziehungen. Solche quantitative Größenbeziehungen bestehen aber nicht und sind auch unmöglich zwischen den Elementen des Schemas einerseits und der für die Zirkulation nötigen Gesamtmasse an Geldmitteln andererseits. Aus dem Marxschen Zirkulationsgesetz ergibt sich nämlich, daß „die Stufenleiter der Produktion auf kapitalistischer Grundlage, ihren absoluten Schranken nach, von dem Umfang des fungierenden Geldkapitals“ unabhängig ist (Kapital, II, S.345), d.h., daß ein Produktionsapparat von gegebener Stufenleiter je nach, der Geschwindigkeit des Geldumlaufs oder der Organisation der Kompensationsverrechnung durch eine größere oder geringere Geldmasse in Bewegung gesetzt werden kann. (Marx, Kapital, II, 314, 333, 348, vgl. auch. Sismondi, Nouveaux Principes, L.V., Ch.1.). Wir haben gesehen, daß das Jahresprodukt unseres Schemas im Werte von 9000 je nach der jährlichen Umsatzzahl mit einer Geldmasse von 9000, 2500 oder 900 abgesetzt werden kann. Mit anderen Worten: die Masse der für die Zirkulation erforderlichen Geldmittel – obwohl nach der jeweiligen Stufenleiter der Produktion, der Geschwindigkeit der Umsätze etc., berechenbar – steht ihrer absoluten Größe nach in keinem fixen Größenverhältnis zu der Gesamtmasse des Jahresprodukts; sie ist variabel, und eben deshalb hat Marx die Geldmittel in das Reproduktionsschema mit seinen exakten quantitativen Beziehungen nicht einbegriffen und durfte sie gar nicht einbegreifen, wenn er damit nicht die logischen Grundlagen des Schemas, die exakten Größenbestimmungen, verletzen wollte.
Neben dem produktiven Kapital der Gesellschaft muß stets ein Teil des gesellschaftlichen Gesamtkapitals als Geldkapital fungieren. Diese Geldmasse hängt natürlich von der Stufenleiter der Produktion und der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ab, die wiederum durch die Länge der Umschlagsperiode, d.h. das Verhältnis der Arbeitsperiode zur eigentlichen Zirkulationsperiode bedingt ist. „Welches aber immer dies Verhältnis sei, unter allen Umständen ist der Teil des prozessierenden Kapitalwerts, der beständig als produktives Kapital fungieren kann, beschränkt durch den Teil des ... Kapitalwerts, der beständig neben dem produktiven Kapital in Geldform existieren muß“ (Marx, K. II, 245). In unserem Schema z.B. beträgt das gesellschaftliche Gesamtkapital 10000. Der in Geldform existierende Teil, 2500 g, beschränkt das produktive, d.h. Mehrwert schaffende Gesamtkapital auf 7500, und zwar Abt. I auf 4000 c + 1000 v; Abt. II auf 2000 c + 500 v.
Was hier in bezug auf die gesamte zirkulierende Geldmenge überhaupt gesagt wurde, gilt auch für die alljährlich neu produzierte und zum Ersatz des Geldverschleifies dienende Goldmenge: die Goldproduktion bedeutet eine Einschränkung der Stufenleiter der Warenproduktion. Beträgt die Goldproduktion 25 g, so muß das produktive Kapital um eben diese Summe noch weiter, d.h. von 7500 auf 7475 eingeschränkt werden, d.h. es muß ein Kapital von 25 aus der produktiven Industrie in die Goldproduktion für unproduktive Zwecke der Zirkulation überführt werden. Würde der Umfang der Goldproduktion 200 betragen, so müßte der der Warenproduktion von 7500 auf 7300 sinken. Oder wie Marx sagt: „Ein Teil der gesellschaftlichen Arbeitskraft und ein Teil der gesellschaftlichen Produktionsmittel muß also in der Produktion von Gold und Silber jährlich verausgabt werden“ (Kapital, II, S.314).
Die Verwendung eines Teils des produktiven Kapitals in der Goldproduktion geschieht in der Wirklichkeit – da nicht alle Länder eigene Goldbergwerke besitzen – durch direkten oder indirekten Austausch eines Teils des jährlichen Landesprodukts, z.B. der deutschen Chemikalien, Kohle etc. gegen das Produkt der goldproduzierenden Länder. Dieser internationale Charakter der Transaktion verhüllt indes ihren einfachen Kern. Um das Problem nicht zu komplizieren und auf seinen durchsichtigsten Ausdruck zu reduzieren, setzen wir mit Marx voraus, daß die Goldproduktion im Lande selbst stattfindet und einen Teil der gesellschaftlichen Gesamtproduktion jedes Landes bildet. (Marx, Kapital, II, S.314). Durch eine solche Voraussetzung werden die realen Bedingungen der Reproduktion – wie dies Marx ausdrücklich betont (Kapital, II, S.325) – keinesfalls modifiziert: sie entspricht vielmehr den realen Tatsachen.
Tatsächlich kann behauptet werden, daß sich jedes Land seinen Geldvorrat – wenn nicht im technischen, so doch im ökonomischen Sinne – im Wege der eigenen Goldproduktion verschafft. Denn es muß in der Produktion von Chemikalien, Maschinen, Kohle etc. über den sonstigen Bedarf an diesen Artikeln hinaus, sei es für das Inland oder den Export, noch einen zusätzlichen Teil seiner Produktionsmittel und Arbeitskräfte bloß zu dem Zwecke verwenden, um sich durch diese zusätzliche Warenproduktion für Exportzwecke einen äquivalenten Goldvorrat zu verschaffen resp. ihn zu ergänzen.
Die genannte Voraussetzung der eigenen Goldproduktion in allen Ländern mit Goldwährung gestattet uns, die charakteristischen Merkmale dieser Produktion sofort zu erfassen. Es wurde bereits betont, daß im Schema das Gold nicht als Geld, sondern lediglich als Ware berücksichigt ist. Aber das neu produzierte Gold als Ware unterscheidet sich wesentlich von den sonstigen Waren des Jahresprodukts. Während bei jeder anderen Warenproduktion (Kohle, Maschinen) der kapitalistische Unternehmer – indem er am Schluß der Produktiousperiode das Jahresprodukt auf den Markt wirft – die zu Anfang der Produktionsperiode zirkulierende Warenmenge um die Größe des neu produzierten Mehrwerts vermehrt und gleichzeitig aus der Zirkulation eine dem Warenwert äquivalente Geldmenge entzieht, verhält sich die Sache in der Goldproduktion umgekehrt. Hier existiert nämlich das ganze Jahresprodukt (also nicht bloß der Mehrwert-Teil, sondern auch der c- und v-Teil) in Goldform, und alle diese Teile werden am Jahresende in die Zirkulation geworfen, um ihr für den Betrag der ganzen Jahresproduktion an Gold Waren zu entziehen (Kapital, II, S.316, 325, 477). Die Goldproduktion, wie die Aufschatzung überhaupt, – obwohl ein notwendiges und kon-stitutives Element des kapitalistischen Mechanismus – bedeutet somit für die Gesellschaft den Verlust eines Teiles der verfügbaren Produktionselemente, einen „Abbruch am Umfang der gesellschaftlichen Produktion“ (Marx, K. II, S.348). Eben deshalb rechnet Marx das Geld zu den unproduktiven Zirkulationskosten der Gesellschaft, zu den „faux frais der Warenproduktion ... Es ist ein Teil des gesellschaftlichen Reichtums, der dem Zirkulationsprozeß geopfert werden muß“ (Kapital, II, 112, 113). Er „entzieht der gesellschaftlichen Ausnutzung eine entsprechende Summe möglicher, zuschüssiger Mittel der Produktion und Konsumtion, d.h. des wirklichen Reichtums“ (Kapital, II, S.336). Daher erklärt sich auch das Bestreben der Kapitalisten, die für die Zirkulation nötige Geldmasse, d.h. diesen toten Fonds – wenn nidit absolut, so wenigstens relativ zur Größe der Transaktionen – durch gesteigerte Funktionsfälligkeit der vorhandenen Geldmasse zu vermindern.
Daß die Goldproduktion den Umfang der gesellschaftlichen Gesamtproduktion einschränkt, ist auch R. Luxemburg nicht unbekannt (Akkumulation, S.73). Sie schreibt indes Marx diesen Grundsatz mechanisch nach, ohne daraus dort, wo es auf seine praktische Anwendung im Schema ankam, die geringsten Konsequenzen zu ziehen. Auf unser Schema bezogen müßte die Verwendung von 20 c + 5 v + 5 m = 30 g in der Goldproduktion einen Abbruch am Umfang der gesellschaftlichen Warenproduktion bedeuten. Konsequent muß also diese Produktion, resp. das sie illustrierende Marxsche Schema: 6000 c + 1500 v + 1500 m = 9000 (sobald die Goldproduktion als eine besondere Abteilung ausgeschieden wird) auf 5980 c + 1495 v + 1495 m = 8970 beschränkt werden, d.i. gerade um den Betrag der in der Goldproduktion verwendeten Produktivkräfte. Indem durch den Gebrauch der vorhandenen Umlaufsmittelmenge von 2500 alljährlich voraussetzungsgemäß 1% = 25 g abgenutzt werden, muß die Gesellschaft zum Ersatz dieses Verlustes jahraus, jahrein einen Teil ihres produktiven Kapitals von gleicher Höhe der Warenproduktion entziehen und der Goldproduktion zuwenden.
Im Gegensatz dazu beläßt R. Luxemburg den Umfang der gesellschaftlichen Warenproduktion, trotz Aussonderung der Goldproduktion, in der ursprünglichen Höhe und fügt zur Warenproduktion die Goldproduktion hinzu:
6000 c + 1500 v + 1500 m = 9000 |
Tatsächlich ist somit die gesellschaftliche Gesamtproduktion nicht eingeschränkt, sondern um den Betrag der Goldproduktion gewachsen!
Bei der Marxschen Annahme, daß die gesellschaftliche Stufenleiter der Produktion gegeben ist und das Jahresprodukt im ganzen 9000 beträgt, kann die Goldproduktion – einfache Reproduktion vorausgesetzt – nur auf dem Wege eröffnet werden, daß ein Teil der Produktionsmittel und der Arbeitskräfte der sonstigen Warenproduktion (z.B. den Kohlenbergwerken) entzogen und in die Goldproduktion übergeleitet wird. Die Proportionalitätsverhältnisse des Schemas werden dadurch und können dadurch nicht verletzt werden, da der Gesamtumfang der gesellschaftlichen Produktivkräfte derselbe bleibt und nur seine Verteilung auf einzelne Produktionszweige sich geändert hat: es wird weniger Kohle, statt dessen ober Gold produziert.
Im Schema R. Luxemburgs dagegen ist der Zuwachs der gesellschaftlichen Produktivkräfte innerhalb der einfachen Reproduktion ein ungeklärtes Mysterium, eine Geburt ex nihilo, die Produktionsmittel und Arbeitskräfte der Goldproduktion, fallen offenbar vom Himmel!
Daß gerade durch eine solche Addition einer dritten Reihe die exakten Proportionalitäten des Schemas gestört werden müssen, ist klar. Nicht der von R. Luxemburg kritisierten Zweiteilung entspringen die „Unzuträglichkeiten“ des Reproduktionsschemas: sondern es ist allein das hier geschilderte Verfahren R. Luxemburgs, die Anwendung der Addition, wo die Subtraktion erforderlich war, die Quelle aller ihrer Irrtümer und Widersprüche in der Behandlung der Goldproduktion.
R. Luxemburg führt für die Aussonderung der Goldproduktion in einer besonderen, dritten Abteilung noch einen weiteren „gewichtigen Grund“ an, den wir nun ins Auge fassen wollen. Die Goldproduktion für Zirkulationszwecke, deren Charakter der „falschen Kosten“ nur aus der anarchischen Wirtschaftsweise des Kapitalismus entspringt, „findet am exaktesten Ausdruck als gesonderte Abteilung“ (R. Luxemburg, Akkumulation, S.75). Da beim Übergang zur planmäßigen sozialistischen Wirtschaftsordnung die Goldproduktion für monetäre Zwecke wegfällt, werde das Marxsche Schema der einfachen Reproduktion seine Geltung auch für die sozialistische Wirtschaft behalten, indem man dann einfach die dritte Abteilung des Schemas streicht!
In diesem Gedankengang haben wir noch ein schlagendes Beispiel für jene mechanischen „Lösungen“ bei R. Luxemburg, von welchen früher die Rede war. Das Schema der kapitalistischen Produktion erfordere drei Abteilungen, wobei in der dritten Abteilung (Goldproduktion) das spezifisch Kapitalistische der Reproduktion zum Ausdruck gelange. Nach dem Übergang zum Sozialismus genügt es dann offenbar, einfach den Wegfall der dritten Abteilung zu dekretieren, um das alte Schema mit nunmehr zwei Abteilungen auch für die neue, sozialistische Wirtschaftsordnung anwendbar zu machen. Der „gewichtige Grund“ für die Aussonderung der Goldproduktion besteht somit in der... Bequemlichkeit, für die sozialistische Reproduktion kein neues Schema konstruieren zu müssen!
Können solche mechanisch-formale Darstellungsgründe ernst genommen werden? Offenbar stellt sich R. Luxemburg unter „Wegfall der Goldproduktion“ nichts Konkretes vor, wo doch dieser Wegfall keine sichtbaren Wirkungen in der Welt der realen Erscheinungen hervorruft. In Wirklichkeit müßten durch den Wegfall der Goldproduktion Produktionsmittel und Arbeitskräfte frei werden und andere Verwendung finden. Bedeutete der Übergang von der Fiktion der geldlosen Wirtschaft zur Goldproduktion eine Einschränkung der Stufenleiter der Warenproduktion von 7500 auf 7475, so müßte umgekehrt der Wegfall der Goldproduktion die Erweiterung der Güterproduktion zur Folge haben, und zwar nach zweifacher Richtung hin:
Während also in der Wirklichkeit der Wegfall der Geldzirkulation die Erweiterung und planmäßige Umorganisierung der gesamten Warenproduktion nach sich ziehen müßte, bleibt bei R. Luxemburg in beiden erwähnten Fällen: sowohl beim-Übergang zur Goldproduktion als beim Wegfall derselben im Sozialismus, der Umfang der Warenproduktion stets unverändert.
Es klingt die Marxsche Behauptung fast paradox, daß, obwohl wir bloß einfache Reproduktion sowohl in der Waren- als auch in der Goldproduktion angenommen hatten, d.h. obwohl vorausgesetzt wird, daß der Umfang der Goldproduktion von Jahr zu Jahr unverändert bleibt, dennoch allmählich eine Goldakkumulation stattfindet. Eben diese Ergebnisse der Marxschen Analyse hat R. Luxemburg angegriffen. Trotzdem wollen wir zeigen nicht nur, daß eine solche Akkumulation im Schema stattfindet, sondern, daß sie unter den gemachten Voraussetzungen notwendig stattfinden muß.
Der Geldverlust beider Abteilungen der Warenproduktion beträgt zusammen 25 g, und zwar in der Abt. I 162/3 g, in der Abt. II 81/3 g. Unter der dem Marxschen Schema zugrunde liegenden Voraussetzung, daß die Waren zu ihren Werten verkauft und gekauft werden, müssen die Kapitalisten der Warenproduktion zum Ankauf des fehlenden Geldbetrags von 25 g einen äquivalenten Betrag an Produktionsmitteln an die Unternehmer der Goldproduktion abgeben.
Dieses Kapital als 20 c + 5 v in der Goldproduktion angelegt, ergibt ein Jahresprodukt – da der Mehrwert der Goldproduktion hinzukommt – von 30 g, so daß über den Ersatz des Geldverschleißes von 25 g hinaus faktisch eine Goldaufschatzung von 5 g stattfindet. Dies trotz der Annahme der einfachen Reproduktion, d.h. der Annahme, daß der Mehrwert aufgezehrt wird. Dieses Resultat, wie „seltsam“ es R. Luxemburg erschien, hat nichts Befremdendes. R. Luxemburg hat offenbar vergessen, daß der Mehrwert der Goldproduktion, entgegen allen Voraussetzungen der einfachen Reproduktion, gesellschaftlich betrachtet, nicht verzehrbar ist und daher notwendig auf geschätzt werden muß. Die Goldproduzenten können zwar ihren Mehrwert „verzehren“. Da dies in natura nicht durchführbar ist, müssen sie dafür Lebensmittel von Abt. II kaufen. Damit aber vergrößert sich der gesellschaftliche Geldvorrat der Warenproduzenten von 2500 auf 2505. R. Luxemburg glaubte, gegen Marx den Einwand erheben zu müssen, er hätte die von ihm gemachte Voraussetzung der einfachen Reproduktion nicht eingehalten. Sie übersah, daß sich gerade darin die geniale Leistung Marxens zeigt. Mit seltenem Scharfsinn erkannte er, daß diese Voraussetzung historisch nicht eingehalten werden kann. Auch wenn wir – mit einer wissenschaftlich zulässigen Approximation – für die Periode der Antike und des Mittelalters wegen Fehlens von großem fixen Kapital und wegen der relativen Konstanz der Technik sogar in längeren Zeiträumen von einfacher Reproduktion in der Goldproduktion reden dürften, müßte sich trotzdem allmählich im Laufe von Jahrhunderten eine Goldansammlung ergeben, die eine der Voraussetzungen der kapitalistischen Produktionsweise bildet:
„Es zeigt sich ... wie selbst bei einfacher Reproduktion, wenn hier auch Akkumulation im eigentlichen Sinne des Wortes, d.h. Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter ausgeschlossen, dagegen Geldaufspeicherung oder Schatzbildung notwendig eingeschlossen ist. Und da sich dies jährlich neu wiederholt, so erklärt sich damit die Voraussetzung, von welcher bei Betrachtung der kapitalistischen Produktion ausgegangen wird: daß sich bei Beginn der Reproduktion eine dem Warenumsatz entsprechende Masse von Geldmitteln in den Händen der Kapitalistenklasse I und II befindet. Solche Aufspeicherung findet statt selbst nach Abzug des durch Verschleiß des zirkulierenden Geldes verloren gehenden Goldes“ (Marx, K. II, S.472).
Wenn man über die oben dargestellten ökonomischen Kategorien und Zusammenhänge im klaren ist, dann bietet die Aufzeigung der Beziehungen zwischen der Goldproduktion und der Warenproduktion keine Schwierigkeiten mehr. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob wir die Goldproduktion formell als eine dritte Abteilung von der Warenproduktion aussondern oder nicht, und wird zu einer Frage der technischen Darstellung. Worauf es ankommt, sind die realen Bedingungen, unter welchen diese Aussonderung erfolgt, d.h. die Modifikationen, die der Umfang der Warenproduktion in I und II durch die Tatsache der Goldproduktion erfährt.
Der Übersichtlichkeit halber wollen wir die Goldproduktion zunächst gesondert betrachten. Sind die Zusammenhänge zwischen ihr und der Warenproduktion erkannt, dann ändert sich nichts an den Ergebnissen unserer Analyse, wenn nachträglich die Goldproduktion als Bestandteil der Abt. I des Schemas dargestellt wird.
Die Ausgangssituation für unsere Darstellung bildet das uns bekannte Schema zu dem Zeitpunkt, wo bei Vollziehung der Warenumsätze das ursprüngliche Geldkapital 2500 durch Abnutzung auf 2475 vermindert wurde. Dieser Verlust verteilt sich proportional zur Kapitalgröße beider Abteilungen und beträgt in I 162/3 g, in II 81/3 g. Wir haben somit:
I 4000 c + 1000 v + 1000 m = 6000 (in Waren) und |
1650 (in Geld) |
Da die Geldmasse 2475 voraussetzungsgemäß für die Zirkulation unzureichend ist, sind die Warenproduzenten gezwungen, die fehlenden 25 g durch Goldproduktion zu ersetzen. In beiden Abteilungen der Warenproduktion erfolgen somit Geldvorschüsse an die Goldproduzenten, und zwar gibt die Abt. I 162/3 g, die Abt. II 81/3 g ab, so daß das Geldkapital der Warenproduzenten sich vorübergehend um weitere 25 g auf 2450 vermindert.
Indem die Goldproduzenten mit diesen 25 g für die Zwecke der Goldproduktion Produktions- und Lebensmittel bei den Warenproduzenten kaufen, fließen diese 25 g sofort zu diesen zurück, deren Geldvorrat sich wieder auf 2475 erhöht. Der Rückfluß dieser 25 g an die Warenproduzenten erfolgt jedoch in einer anderen Proportion als der vorausgegangene Vorschuß. Da nämlich in der Goldproduktion – der Annahme nach – die Zusammensetzung des Kapitals dasselbe Durchschnittsverhältnis von c zu v wie in der Abt. I aufweist (in unserem Beispiel also 4 : 1), so müssen die Goldproduzenten von den erhaltenen 25 g für den Ankauf von Produktionsmitteln bei den Warenproduzenten der Abt. I 20 c und für den Kauf von Lebensmitteln bei der Abt. II 5 v verwenden. Diese Warenproduzenten können den Bedarf der Goldproduzenten an Produktions- und Lebensmitteln nur aus ihrem Mehrwert befriedigen, wenn sie nicht den Umfang ihrer eigenen Produktion beeinträchtigen wollen. Somit vermindert sich ihr Mehrwert durch die Käufe der Goldproduzenten in Abt. I auf 980 m, in Abt. II auf 495 in. Durch diese Verkäufe hat die Abt. I an Geld 20 g zurückerhalten, während sie ursprünglich an die Goldproduzenten bloß 162/3 g vorgeschossen hat. Sie erhält also 31/3 g an Geld zu viel. Umgekehrt verhält sich die Sache in der Abt. II; sie hat ursprünglich für die Goldproduktion an Geld 81/3 g vorgeschossen, erhält aber bloß 5 g zurück, also 31/3 g zu wenig.
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, daß die Kapitalisten der Abt. I, die von ihrem Mehrwert 31/3 zu viel in Geld aufgeschatzt haben, diese 31/3 g – da einfache Reproduktion die Voraussetzung bildet – verzehren müssen und zu diesem Zweck Lebensmittel von der Abt. II kaufen, wodurch die in I überschüssigen 31/3 g zu den Kapitalisten II zurückfließen. Diese decken damit ihr Manko un Geld von 31/3 g, zugleich geben sie von ihrem Mehrwert in Warenform Lebensmittel um denselben Betrag an die Kapitalisten I ab, wodurch ihr Mehrwert auf 4912/3 sinkt.
Durch die vollzogenen Umsätze, die die Goldproduktion vorbereiten sollen, hat das Schema folgende Veränderungen erfahren:
A. Warenproduktion I 4000 c + 1000 v + 980 m (Produktionsmittel) + 31/3 m Lebensmittel |
+ 1650 Geld |
B. Goldproduktion 20 c + 5 v (in Warenform). |
Das Schema zeigt uns, daß die Kapitalisten der Warenproduktion für den Ersatz des Goldverlustes gesorgt und zu diesem Zweck in beiden Abteilungen I und II Produktions- und Lebensmittel proportional zur Größe ihres Kapitals an die Goldproduzenten abgegeben haben. Zugleich zeigt es aber, daß durch diese Abgaben die Proportionalitätsverhältnisse des Schemas der Warenproduktion gestört werden. Denn zwischen I (v + m) = 1980 und II c = 2000 kann nun kein restloser Austausch stattfinden. Wird dadurch nicht etwa die Richtigkeit der Einwände R. Luxemburgs bestätigt?
Wenn R. Luxemburg mit der Feststellung des Defizits an konstantem Kapital in der Warenproduktion einen Widerspruch zur Marxschen Annahme der einfachen Reproduktion erblickt, so beweist sie, daß für sie der Begriff der einfachen Reproduktion tatsächlich zu einem inhaltsleeren „Formelkram“ geworden ist. Denn keine Voraussetzung der einfachen Reproduktion kann es zustande bringen, daß das Defizit des konstanten Kapitals in der Warenproduktion verschwindet, wenn zugleich angenommen wird, daß dies konstante Kapital an die Goldproduzenten, abgegeben wird! Aus eins kann nicht zwei werden. Das Defizit an konstantem Kapital in der Warenproduk-tion ist eine selbstverständliche und notwendige Konsequenz seiner Verschiebung in die Goldproduktion.
Was uns hier interessiert und was für das Verständnis der Reproduktion wichtig ist, sind die Konsequenzen dieses Defizits. Die Einschränkung in I (v + m) = 2000 auf 1980 muß notwendigerweise – gerade weil und solange an der Annahme der einfachen Reproduktion, festgehalten wird – eine entsprechende Einschränkung auch in II c nach sich ziehen, und zwar gleichfalls von 2000 c auf 1980 c, da sonst ein restloser Austausch nicht stattfinden könnte. Folglich müssen dementsprechend auch die 500 v in der Abt. II auf 495 v eingeschränkt werden. Der Umfang der Reproduktion in Abt. II muß somit insgesamt um 25 reduziert, d.h. die Lebensrnittel im Betrag von 25, da keine anderen Abnehmer vorhanden sind, müssen von den Kapitalisten II verzehrt werden. Selbstverständlich! Als nächste und einmalige Folge der Eröffnung der Goldproduktion – was nur durch die Entnahme des konstanten Kapitals aus I m möglich ist –, würde sich eine gesteigerte Lebensmittelkonsumtion in II ergeben. Zugleich müßte als nachhaltige Folge für die Zukunft – im Einklang mit der früheren Darstellung sub V. – eine Einschränkung des Produktionsumfangs in II von 2000 c + 500 v auf 1980 c + 495 v eintreten.
Nach Vollziehung der genannten Anpassungsvorgänge in der Umstellungsperiode kann der Produktionsprozeß störungslos vor sich gehen. Wir haben:
A. Warenproduktion I 4000 c + 1000 v + 1000 m |
= 6000 |
|
+ 1650 (in Geld) |
B. Goldproduktion 20 c + 5 v + 5 m |
= 30 |
+ 30 |
Nach wie vor beträgt der Gesamtumfaug der Produktion 9000. Die Voraussetzung der einfachen Reproduktion wurde nicht verletzt. Jedoch infolge der Eröffnung der Goldproduktion ist der Umfang der Warenproduktion auf 8970 vermindert worden.
Zugleich sehen wir, daß die Goldproduktion bloß scheinbar nur auf Kosten der Kapitalisten der Abt. II stattfindet. Die Einschränkung des Produktionsumfangs in II war bloß eine einmalige Wirkung des Übergangs zur Goldproduktion. Auf die Dauer aber erfolgt der Ersatz des Verschleißes der Geldmittel nicht auf Kosten nur einer der beiden Abteilungen des Schemas, wie das R. Luxemburg behauptet, vielmehr sind die Kapitalisten beider Abteilungen des Schemas an den Abgaben zu Zwecken des Ersatzes des Geldverschleißes gleichmäßig, d.h. proportional zur Größe ihrer Kapitalien beteiligt. Die Kapitalisten der Abt. l geben nämlich von ihrem Mehrwert 1000 m alljährlich 20 m Produktionsmittel, und die Kapitalisten der Abt. II von 495 m alljährlich 10 m Lebensmittel für Zwecke der Goldproduktion ab, ohne daß dadurch die „sachlichen und Wertproportionen“, d.h. das Gleichgewicht gestört zu werden braucht.
Endlich ergibt sich die Aufschatzung der Geldmittel als eine notwendige Folge der Goldproduktion auch unter den Bedingungen der einfachen Reproduktion. Die Kapitalisten I haben statt des tatsächlichen Geldverschleißes von 162/3 g 20 g, d.h. um 20/6 mehr an Geld zurückerhalten. Die Kapitalisten II bekamen statt ihres Verbrauchs von 81/3 g 10 g, d.h. um 10/6 mehr an Geld zurück, wodurch der Gesamtvorrat der Gesellschaft an Geld von 2475 auf 2505 vergrößert wurde. [6]
So hat das Ergebnis unserer Analyse bestätigt, daß die Darstellung der Reproduktion des Geldmaterials, wie sie Marx im II. Bde. des Kapital (K. II, S.468) gibt, vollständig richtig ist und daß die an jener geübte Kritik R. Luxemburgs sich als völlig verfehlt erwiesen hat.
1. H. Grossmann, Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems, Leipzig 1929, S.VIff., und Die Änderung des ursprünglichen Aufbauplans des Marxschen Kapital und ihre Ursachen (Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus, Jahrg. XIV, 1929). – Die Sperrungen in den Zitaten stammen in der Regel von mir. – Der I. Band des Marxschen Kapital wird nach der dritten, die Akkumulation und die Antikritik von R. Luxemburg werden nach der ersten Auflage zitiert.
2. R. Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, 4. Aufl. Jena 1923, S.19.
3. R. Wilbrandt, Karl Marx, 4. Aufl., 1920, S.97.
4. „Was die Beschaffung des Geldmaterials – Gold und Silber – von seinen Produktionsquellen angeht, so löst sie sidi auf in unmittelbaren Warenaustausch, in Austausch von Gold und Silber als Ware gegen andere Ware, ist also selbst ebenso sehr ein Moment des Warenaustausches wie die Beschaffung von Eisen oder anderen Metallen.“ (Marx, K. III/1., S.304.) Vgl. K. II., S.470.
5. Übrigens kann das Geld, auch soweit es als Zirkulationsmittel fungiert, nicht neben die zwei anderen Produktionssphären als gleichwertige dritte Sphäre rangiert werden. Denn die Geldzirkulation bildet keine besondere, selbständige Sphäre, ist vielmehr eine Funktion, die auch innerhalb der genannten zwei Sphären ausgeübt wird. Die Kapitalisten dieser beiden Sphären müssen außer ihrem Produktivkapital, noch ein gewisses Geldkapital haben.
I 4000 c + 1000 v = 5000 Produktivkapital und 1668 in Geld |
Das vorhandene Geldkapital von 2500 wird von Marx in das Schema nicht eingereiht, weil die Umlaufsmittel die Warenumsätze nicht nur zwischen I und II, sondern auch innerhalb derselben vermitteln, d.h. „in beiden Sphären des Reproduktionsprozesses zirkulieren“ (Marx, K. III/1., S.431, 433).
6. An den Resultaten unserer Untersuchung wird sich nichts ändern, wenn wir – nachdem die Goldproduktion zunächst gesondert dargestellt wurde – sie nun als einen Bestandteil der Abteilung I zeigen werden. Wir erhalten dann das folgende Schema:
I 4020 c + 1005 v + 1005 m = 6030 |
|
Geldvorrat 1650 g |
Zunächst ist es wichtig festzustellen, daß nidit das ganze Jahresprodukt der Abt. I 6030 aus Produktionsmitteln besteht: an diesen sind nur 6000 vorhanden; der Rest von 30 besteht aus Gold, eignet sich somit nicht zum Ersatz von c, sei es in Abt. I oder in Abt. II. Wir müssen daher die Abt. I in zwei Unterabteilungen, und zwar die der Goldproduktion und die der eigentlichen Warenproduktion zerlegen und erhalten dann die folgende Gestalt des Schemas:
I { |
20 c + 5 v + 5 m = 30 (in Goldform) |
II |
1980 c + 495 v + 495 m = 2970 (in Lebensmitteln) |
Es sind nun kurz die Umsätze dieses Schemas zu erklären. Die II v = 495 konsumieren selbst ihre Lebensmittel. Die II c = 1980 (Lebensmittel) müssen gegen Produktionsmittel I (v + m) ausgetauscht werden, und zwar gegen I v = 1000, bestehend aus Produktionsmitteln (der Rest in I v = 5 bestellt aus Gold) und I m = 980, die gleichfalls die Gestalt von Produktionsmitteln haben. In I m bleibt somit ein Rest von 20 m (Produktionsmittel) und 5 m (Gold). – Da der Annahme nach I v = 5 (Gold) und I m = 5 (Gold) konsumiert, daher vorerst gegen Lebensrnittel ausgetauscht werden sollen, müssen sie diese Lebensmittel – da weder in II c noch in II v frei verfügbare Lebensmittelquanten vorhanden sind –, aus II m = 495 entnehmen. Dadurch sinkt der von den Kapitalisten II zu konsumierende Mehrwert auf 485, dafür aber bleibt in ihren Händen als Gegenwert 10 m in Goldform. – So ergibt sich, daß die 15 v + 5 m der Goldproduktion sich nicht gegen II c austauschen, wie dies normalerweise im Schema der Warenproduktion geschieht; vielmehr sehen wir, daß die Lebensmittel für Arbeiter und Kapitalisten der Goldproduktion aus dem Mehrwert der Abt. II der Warenproduktion entnommen werden müssen.
Wie erfolgt aber der Ersatz von I c = 4020? Nach dem Schema der einfachen Reproduktion wird der Wert der verbrauchten I c auf das Jahresprodukt übertragen, und die verbrauchten I c können normalerweise in natura aus dem Jahresprodukt ihrer eigenen Abteilung wieder erneuert werden. In unserem Schema jedoch, welches auch die Goldproduktion umfaßt, können die I c = 4020 nicht vollständig aus dem c-Teil des Jahresprodukts ersetzt werden, da, wie wir wissen, nur die I 4000 c die Gestalt von Produktionsmitteln, dagegen die restlichen I 20 c Goldform haben. Somit bestünde keine Möglichkeit, die für die Goldproduktion bestimmmten Produktionsmittel 20 c zu ersetzen. Daher kaufen die Kapitalisten I c der Goldproduktion mit ihren 20 c in Goldform die nötigen Produktionsmittel bei I m der Warenproduktion, in deren Händen, wie wir wissen, noch ein unverkaufter Rest ihres Mehrwerts 20 m zurückblieb. Dadurch wird das konstante Kapital der Abt. I sowohl in der Warenproduktion als auch in der Goldproduktion vollständig ersetzt, zugleich aber bleiben in den Händen der Kapitalisten I (Warenproduktion) als Gegenwert für die an die Goldproduzenten abgetretenen Produktionsmittel 20 m in Goldform. – Auch hier, in bezug auf die Erneuerung der I c der Goldproduktion zeigt sich ein Unterschied gegenüber dem Normalschema der Warenproduktion. Die I c der Goldproduktion werden nämlich nicht aus dem ihnen entsprechenden c-Teil des Jahresprodukts ihrer eigenen Abteilung, sondern aus dem Mehrwert der Abt. I der Warenproduktion entnommen.
Als Ergebnis der Umsätze bleibt in den Händen der Kapitalisten I (Produktionsmittel) ein Mehrwert in Goldform = 20, in den Händen der Kapitalisten II (Lebensmittel) ein Mehrwert in Goldform = 10, wodurch die bisher vorhandene Geldmasse 2475 g auf 2505 g erhöht wird. Endlich haben wir hier die bei Marx angesagte, aber in seinem Manuskript fehlende Darstellung der besonderen Bewegungen bei dem Ersatz sowohl des konstanten Kapitals der Goldproduktion, I c, als auch ihres I (v + m)-Teils rekonstruiert und somit die uns gestellte Aufgabe gelöst.
Zuletzt aktualisiert am 27.11.2008