Julian Borchart

Das Kapital: Zur Kritik der politischen Ökonomie
von Karl Marx

* * *

19. Das Handelskapital und die Arbeit
der kaufmännischen Angestellten

(Bd. III, 1. Kapitel 16, 17)

Jedes produzierende Kapital muss, wie wir gesehen haben, die fertige Ware in Geld und das Geld wieder in PM und A umsetzen, also beständig verkaufen und kaufen. Diese Tätigkeit wird ihm zum Teil von Kaufleuten mit selbständigem Kapital abgenommen. Gesetzt, ein Warenhändler besitze 60.000 M, und kaufe damit z. B. 30.000 Ellen Leinwand vom Leinwandfabrikanten. Er verkauft diese 30.000 Ellen, sage mit 10 Prozent Profit. Mit dem gelösten Geld kauft er von neuem Leinwand und verkauft diese von neuem; er wiederholt beständig diese Operation des Kaufens um zu verkaufen, ohne inzwischen zu produzieren. Was den Leinwandfabrikanten betrifft, so hat er mit dem Geld des Kaufmanns den Wert seiner Leinwand bezahlt erhalten und kann nun, bei sonst gleichbleibenden Umständen, für das Geld wieder Garn, Kohle, Arbeitskraft usw. kaufen und seine Produktion fortsetzen. Aber obgleich für ihn der Verkauf der Leinwand stattgefunden hat, so doch noch nicht für die Leinwand selbst. Sie befindet sich nach wie vor auf dem Markt als Ware mit der Bestimmung, verkauft zu werden. Mit dieser Leinwand hat sich nichts zugetragen als ein Wechsel in der Person ihres Besitzers. Gesetzt, es gelänge dem Kaufmann nicht, die 30.000 Ellen Leinwand zu verkaufen, bis der Fabrikant neue 30.000 Ellen fertig hat. Dann kann sie der Kaufmann nicht von neuem kaufen.

Es tritt dann Stockung ein, die Produktion muss unterbrochen werden. Allerdings könnte der Fabrikant anderes Geld zur Verfügung haben und mit ihm die Produktion fortsetzen. Aber das ändert an der Tatsache nichts, dass die Fortsetzung der Produktion mit diesem Kapital unterbrochen ist. So zeigt es sich handgreiflich, dass die Tätigkeit des Kaufmanns nichts anderes ist, als derjenige Verkauf der Ware, den sonst der Fabrikant selbst besorgen müsste. Wenn statt eines unabhängigen Kaufmanns ein Angestellter des Fabrikanten ausschließlich das Verkaufen und Einkaufen besorgte, wäre dieser Zusammenhang keinen Augenblick versteckt. Müsste der Leinwandfabrikant warten, bis seine Leinwand wirklich an den letzten Käufer, den Konsumenten, übergegangen ist, so wäre seine Reproduktion unterbrochen. Oder um sie nicht zu unterbrechen, hätte er seine Operationen einschränken, eine größere Geldreserve behalten müssen. Diese Teilung seines Kapitals wird durch die Dazwischenkunft des Kaufmanns nicht beseitigt. Aber ohne letztere müsste die Geldreserve größer sein und dementsprechend der Umfang der Produktion kleiner. Zugleich spart der Fabrikant Zeit im Verkaufen, die er zur Überwachung der Produktion anwenden kann. Falls das Kaufmannskapital nicht seinen notwendigen Umfang überschreitet, ist anzunehmen:

  1. dass, infolge der Arbeitsteilung das Kapital, dass sich ausschließlich mit Kaufen und Verkaufen beschäftigt, (wozu außer dem Geld zum Ankauf von Waren das Geld für Lagergebäude, Transport, kaufmännische Lohnarbeiter usw. gehört), kleiner ist als es wäre, wenn der Fabrikant den ganzen Vertrieb der Waren selbst besorgen müsste;
     
  2. dass, weil der Kaufmann ausschließlich mit diesem Geschäft sich befasst, nicht nur für den Fabrikanten seine Ware früher in Geld verwandelt wird, sondern das Warenkapital selbst rascher Absatz findet, als in der Hand des Fabrikanten;
     
  3. dass, das gesamte Kaufmannskapital im Verhältnis zum produzierenden Kapital betrachtet, ein Umschlag des Kaufmannskapitals nicht nur die Umschläge vieler Kapitale in einer Branche, sondern die Umschläge einer Anzahl von Kapitalen in verschiedenen Branchen vorstellen kann.

Der Leinwandhändler, wenn er das Produkt des ersten Fabrikanten verkauft hat, bevor dieser wieder ein gleiches Quantum Leinwand fertig hat, kann inzwischen von einem oder mehreren anderen Fabrikanten Leinwand kaufen und diese umsetzen. Oder er kann nach dem Verkauf der Leinwand, in der Zwischenzeit bis wieder neue Leinwand fertig wird, Seide kaufen. Dasselbe Kaufmannskapital kann also nacheinander die verschiedenen Umschläge der in einer Branche angelegten Kapitale vermitteln, und ersetzt daher nicht bloß die eine Geldreserve, die ein einzelner Fabrikant haben müsste. Nachdem der Kaufmann z. B. das Getreide eines Pächters verkauft hat, kann er mit demselben Geld das des zweiten kaufen und verkaufen usw., während der Umschlag des Pächterkapitals, abgesehen von der Zirkulationszeit, beschränkt ist durch die Produktionszeit, die ein Jahr dauert. Je rascher das Kaufmannskapital umschlägt, um so kleiner, je langsamer es umschlägt, um so größer ist der Teil des gesamten Geldkapitals, der als Kaufmannskapital figuriert. Man hat gesehen, dass die Akte des Verkaufens und Kaufens weder Wert noch Mehrwert erzeugen, sondern im Gegenteil der Bildung von Wert und Mehrwert Schranken setzen. Daran ändert sich natürlich nichts, wenn diese Akte, statt vom industriellen Kapitalisten, von anderen Personen vollzogen werden. Abgesehen also von den nicht eigentlich kaufmännischen Funktionen – wie Aufbewahren, Spedieren, Transportieren, Sortieren, Detaillieren, die vielmehr eine Fortsetzung der Produktion bilden – und beschränkt auf seine wahre Funktion des Kaufens, um zu verkaufen, schafft das Handelskapital weder Wert noch Mehrwert, sondern vermittelt nur den Umsatz vorhandener Werte in Geld. Dennoch muss es den jährlichen Durchschnittsprofit abwerfen. Würfe es einen höheren Durchschnittsprofit ab als das produzierende Kapital, so würde sich dieses zum Teil in Handelskapital verwandeln.

Würfe es einen niedrigeren Durchschnittsprofit ab, so fände das Umgekehrte statt. Keine Kapitalgattung kann leichter ihre Funktion ändern als das Handelskapital. Da das Handelskapital selbst keinen Mehrwert erzeugt, so ist klar, dass der Mehrwert, der ihm in der Form des Durchschnittsprofits zufällt, einen Teil des von dem gesamten produktiven Kapital erzeugten Mehrwerts bildet. Aber die Frage ist nun die: wie zieht das Handelskapital den ihm zufallenden Teil des Mehrwerts an sich? Es ist nur Schein, dass der Handelsprofit bloße Erhöhung des Preises der Waren über ihren Wert sei. Es ist klar, dass der Kaufmann seinen Profit nur aus dem Preis der von ihm verkauften Waren ziehen kann, und noch mehr, dass dieser Profit, den er beim Verkauf der Waren macht, gleich sein muss dem Überschuss seines Verkaufspreises über seinem Einkaufspreis. Es ist möglich, dass nach dem Kauf der Ware und vor ihrem Verkauf zusätzliche Kosten (Zirkulationskosten) entstehen. Ist dies der Fall, so ist klar, dass der Überschuss des Verkaufspreises über den Kaufpreis nicht bloß Profit darstellt. Um die Untersuchung zu vereinfachen, unterstellen wir zunächst, dass keine solchen Kosten entstehen. Wie ist es dann möglich, dass der Kaufmann die Waren zu einem höheren Preise verkauft, als er sie eingekauft hat? Bei dem produzierenden Kapitalisten haben wir die gleiche Frage bereits beantwortet. Sein Kostpreis ist gleich dem wirklich verbrauchten Teil seines Kapitals, c + y; hierzu kommt der Durchschnittsprofit und so kommt der Verkaufspreis des Fabrikanten zustande, den wir den „Produktionspreis“ genannt haben. Addieren wir alle Produktionspreise sämtlicher vorhandenen Waren zusammen, so ist die Summe gleich dem wirklichen Wert sämtlicher Waren, d. h. gleich der wirklich in ihnen enthaltenen Arbeit. Und so ergibt sich, dass – wenigstens nach dem bisherigen Stand unserer Betrachtung – die Verkaufspreise der Fabrikanten in ihrer Gesamtheit gleich sind dem Wert der Waren, gleich der in ihnen enthaltenen Arbeit, ihre Kostpreise dagegen nur gleich dem bezahlten Teil dieser Arbeit. Aber mit dem Warenhändler verhält es sich anders. Er produziert nicht, sondern setzt nur den Verkauf der Ware fort, den der Fabrikant [1] begonnen hat. Der Fabrikant hat vor Beginn des Verkaufs bereits den Mehrwert in Warenform in seinen Händen und setzt ihn durch den Verkauf nur in Geld um. Der Kaufmann soll durch den Verkauf seinen Profit erst machen. Dies scheint nur dadurch möglich zu sein, dass er auf den Produktionspreis des Fabrikanten noch einen Aufschlag macht. Da nun die Gesamtheit aller Produktionspreise gleich ist der Gesamtsumme der Werte aller Waren, so ergibt sich scheinbar, dass die Kaufleute ihre Profite nur machen können, indem sie die Waren teurer verkaufen als sie wert sind. Diese Form des Zuschlags ist sehr einfach zu verstehen. Näher betrachtet, zeigt sich jedoch bald, dass dies bloßer Schein ist. (Es handelt sich hier immer bloß um den Durchschnitt, nicht um einzelne Fälle.) Warum unterstellen wir, dass der Warenhändler einen Profit von sage 10 Prozent auf seine Waren nur realisieren kann, indem er sie um 10 Prozent über ihren Produktionspreisen verkauft? Weil wir angenommen haben, dass der produktive Kapitalist sie dem Kaufmann zu ihrem Produktionspreis verkauft hat. Nun ist aber, wie nochmal erinnert werden muss, der Produktionspreis gleich dem Kostpreis + Durchschnittsprofit. Das heißt, wir haben angenommen, dass der Kaufmann dem Fabrikanten denjenigen Produktionspreis zahlt, der herauskommt, wenn der Durchschnittsprofit sich regelt ohne Berücksichtigung des Handelskapitals! Wir haben angenommen, dass das Handelskapital bei der Bildung der allgemeinen Profitrate nicht mitzählt! Dies ist aber eine ganz unsinnige Voraussetzung.

Gesetzt, das während des Jahres vorgeschossene produktive Gesamtkapital sei = 720 c + 180 v = 900 (etwa Millionen&nbso;M) und m′ = 100 Prozent. Das Produkt also = 720 c + 180 t + 180 m = 1080. Die Rate des Profits für das gesamte Kapital ist dann = 180/900 = 20 Prozent. Dies ist dann die Durchschnittsprofitrate. Wir wollen aber nun annehmen, dass außer diesen 900 produktives Kapital noch 100 Handelskapital erforderlich sind, welches im Verhältnis seiner Größe denselben Anteil am Profit hat wie jenes. Es bildet dann ⅒ vom Gesamtkapital 1.000 und beteiligt sich folglich mit ⅒ am Gesamtmehrwert von 180, so dass es einen Profit von 18 Prozent erhält. In der Tat also ist der zwischen den anderen 9/10small> des Gesamtkapitals zu verteilende Profit nur noch = 162, d. h. auf das Kapital von 900 ebenfalls 18 Prozent. Der Preis also, wozu die gesamten produzierten Waren von den Besitzern des produktiven Kapitals an die Händler verkauft werden, ist = 720 c + 180 v + 162 m = 1062. sind wenn der Kaufmann auf sein Kapital von 100 den Durchschnittsprofit von 18 Prozent aufschlägt, so verkauft er die Waren zu 1062 + 18 – 1080, d. h. zu ihrem Wert, obgleich er seinen Profit nur in der Zirkulation und durch sie macht, und nur durch den Überschuss seines Verkaufspreises über seinen Einkaufspreis.

Bei der Bildung der allgemeinen Profitrate wirkt also das Kaufmannskapital mit im Verhältnis des Teils, den es vom Gesamtkapital bildet. In der Durchschnittsprofitrate ist bereits der auf das Handelskapital fallende Teil des Gesamtprofits eingerechnet.

Der Produktionspreis, wozu der produktive Kapitalist als solcher verkauft, ist also kleiner als der wirkliche Produktionspreis der Ware; oder, wenn wir die Gesamtheit der Waren betrachten, so sind die Preise, wozu die produktive Kapitalistenklasse sie verkauft, kleiner als ihre Werte. Indem (im obigen Beispiel) der Kaufmann Ware, die ihm 100 kostet, zu 118 verkauft, schlägt er allerdings 18 Prozent auf; aber da die Ware, die er zu 100 gekauft hat, 118 wert ist, verkauft er sie deswegen nicht über ihrem Wert.

Es fragt sich jetzt: wie verhält es sich mit den kaufmännischen Lohnarbeitern, die der Warenhändler beschäftigt?

Nach einer Seite hin ist ein solcher kaufmännischer Angestellter ein Lohnarbeiter wie jeder andere. Zum Ankauf seiner Arbeitskraft dient das variable Kapital des Kaufmanns, nicht dessen für seinen Privatunterhalt bestimmtes Geld. Nicht zur Privatbedienung wird sie gekauft, sondern zum Zweck der Verwertung des im Handel vorgeschossenen Kapitals. Auch richtet sich der Wert seiner Arbeitskraft und daher sein Lohn – wie bei allen anderen Lohnarbeitern – nicht nach dem Produkt der Arbeit, sondern nach den Kosten der Wiederherstellung seiner Arbeitskraft.

Aber zwischen ihm und den direkt vom produzierenden Kapital beschäftigten Arbeitern muss derselbe Unterschied obwalten, wie zwischen dem Handelskapital und dem produzierenden Kapital und daher zwischen dem Kaufmann und dem Fabrikanten. Denn da der Kaufmann bloß den Umsatz der Waren vermittelt und weder Wert noch Mehrwert produziert, so können auch die kaufmännischen Angestellten unmöglich unmittelbar Mehrwert für ihn schaffen. (Hier, wie bei den produktiven Arbeitern, unterstellen wir, dass der Lohn durch den Wert der Arbeitskraft bestimmt ist, dass also der Kaufmann sich nicht bereichert durch Abzug am Lohn.)

Was Schwierigkeiten macht mit Bezug auf die kaufmännischen Angestellten, ist keineswegs, zu erklären, wie sie direkt für ihren Beschäftiger Profit produzieren, obgleich sie nicht direkt Mehrwert produzieren. Diese Frage ist in der Tat schon gelöst durch den Nachweis, woher der Handelsprofit überhaupt kommt. Ganz wie das produktive Kapital dadurch Profit macht, dass es in den Waren steckende Arbeit verkauft, für die es nichts bezahlt hat, ganz so macht das Handelskapital seinen Profit dadurch, dass es dem produktiven Kapital von dieser unbezahlten Arbeit nur einen Teil bezahlt, dann aber, wenn es seinerseits die Waren verkauft, sich diesen Teil mitbezahlen lässt. Das produktive Kapital produziert den Mehrwert durch direkte Aneignung unbezahlter Arbeit; das Kaufmannskapital lässt einen Teil des schon vorhandenen Mehrwerts auf sich übertragen. Die Masse seines Profits hängt für den einzelnen Kaufmann ab von der Masse Kapital, die er im Kaufen und Verkaufen anwenden kann, und diese ist um so grösser, je grösser die unbezahlte Arbeit seiner Angestellten. Die Funktion selbst, kraft deren dem Handelskapital Profit zufliesst, lässt der im Kaufmann großenteils durch seine Angestellten verrichten. Deren unbezahlte Arbeit, obgleich sie keinen Mehrwert schafft, schafft ihm aber Aneignung von Mehrwert, was für das einzelne Kapital auf dasselbe herauskommt; sie ist also für ihn dieses Kapital Quelle von Profit. Das kaufmännische Geschäft könnte sonst nie auf grosser Stufenleiter, nie kapitalistisch betrieben werden. Wie die unbezahlte Arbeit des produktiven Arbeiters seinem Beschäftiger direkt Mehrwert schafft, so schafft die unbezahlte Arbeit des kaufmännischen Angestellten dem Handelskapital einen Anteil an jenem Mehrwert.

Die Schwierigkeit beim kaufmännischen Angestellten ist, vielmehr diese: da die Arbeit des Kaufmanns selbst keinen Wert erzeugt – obgleich sie ihm Anteil an bereits vorhandenem Mehrwert verschafft – wie verhält es sich mit seinem variablen Kapital, aus dem er die Löhne seiner kaufmännischen Angestellten zahlt? Rechnet dieses variable Kapital mit als vorgeschossenes Kaufmannskapital? Wenn nicht, erscheint dies zu widersprechen dem Gesetz der Ausgleichung der Profitrate: welcher Kapitalist würde 150 vorschießen, wenn er nur 100 als vorgeschossenes Kapital berechnen in könnte? Wenn doch, so scheint es dem Wesen des Handelskapitals zu widersprechen. Denn dieses Kapital erzielt seinen Profit nicht dadurch, dass es fremde Arbeit in Bewegung setzt, sondern dadurch, dass es selbst kauft und verkauft.

Besässe jeder Kaufmann nur soviel Kapital, als er persönlich fähig ist, durch seine eigene Arbeit umzuschlagen, so fände eine unendliche Zersplitterung des Kaufmannskapitals statt; diese Zersplitterung müsste in demselben Maße wachsen, wie das produktive Kapital auf größerer Stufenleiter produziert und mit grösseren Massen operiert. Also steigendes Missverhältnis beider. Im selben Maße, wie sich das Kapital in der Produktion zentralisierte, würde es sich in der Zirkulation dezentralisieren. Der produktive Kapitalist müsste dann unendlich viel Zeit, Arbeit und Geld auf eine rein kaufmännische Tätigkeit verwenden, indem er, statt mit je 100, mit je 1.000 Kaufleuten zu tun hätte. Damit ginge der Vorteil der Verselbständigung des Kaufmannskapitals zum großen Teil verloren; außer den rein kaufmännischen Kosten würden auch die anderen Zirkulationskosten, Sortierung, Spedierung usw. wachsen. So würde sich die Sache für das produktive Kapital gestalten.

Betrachten wir nun das Kaufmannskapital. Erstens was die rein kaufmännischen Arbeiten betrifft. Es kostet nicht mehr Zeit, mit großen als mit kleinen Zahlen zu rechnen. Es kostet zehnmal so viel Zeit, 10 Einkäufe für je 100 M, wie einen Einkauf für 1.000 M zu machen. Es kostet 10-mal so viel Korrespondenz, Papier, Briefporto, mit 10 kleinen Kaufleuten, wie mit einem großen zu korrespondieren. Die beschränkte Teilung der Arbeit in der kaufmännischen Werkstatt, wo der eine Bücher führt, der andere die Kasse, ein dritter korrespondiert, dieser einkauft, jener verkauft, dieser reist usw., erspart Arbeitszeit in ungeheuren Massen, sodass die im Großhandel verwandte Zahl von kaufmännischen Arbeitern in gar keinem Verhältnis steht zu der Größe des Geschäfts. Es ist dies der Fall, weil im Handel viel mehr als in der Industrie dieselbe Funktion, ob im großen oder kleinen verrichtet, gleich viel Arbeitszeit kostet. (Daher zeigt sich auch die Konzentration im Kaufmannsgeschäft historisch früher als in der industriellen Werkstatt.) Ferner nun die Ausgaben an konstantem Kapital. 100 kleine Kontore kosten unendlich mehr als ein großes, 100 kleine Warenlager unendlich mehr als ein großes usw. Die Transportkosten, die wenigstens als vorzuschießende Kosten in das Kaufmannsgeschäft eingehen, wachsen mit der Zersplitterung.

Der produktive Kapitalist müsste mehr Arbeit und Kosten im kaufmännischen Teil seines Geschäfts verausgaben. Dasselbe Kaufmannskapital, wenn auf viele kleine Kaufleute verteilt, würde wegen dieser Zersplitterung viel mehr Arbeiter zur Vollziehung seiner Funktionen erheischen, und es wäre außerdem größeres Kaufmannskapital erheischt, um dasselbe Warenkapital umzuschlagen. Nennen wir das sämtliche direkt im Kauf und Verkauf von Waren angelegte Kaufmannskapital B, und das entsprechende variable (für Zahlung der kaufmännischen Angestellten) ausgelegte Kapital b, so ist B + b kleiner als das gesamte Kaufmannskapital B sein müsste, wenn b nicht existierte, d. h. wenn jeder Kaufmann sich ohne Gehilfen durchschlüge.

Indes sind wir immer noch nicht mit der Schwierigkeit fertig.

Der Verkaufspreis der Waren muss hinreichen, 1) um den Durchschnittsprofit auf B + b zu zahlen. Schon hier könnte man stutzen. Wir setzen voraus, dass der Verkaufspreis der Waren mit ihrem Werte übereinstimmt. Soeben haben wir gesehen, in welcher Weise alsdann B, das Kaufmannskapital, am Durchschnittsprofit teilnimmt. Dieser ist also im Verkaufspreis enthalten. Aber wie ist es mit b? Wo soll über dem Profit, der auf das Kaufmannskapital B entfällt, noch für das im Lohn der Angestellten ausgelegte Zusatzkapital b ein Profit herkommen? Es gewinnt also den Anschein, als sei dieser Teil des Profits denn doch ein willkürlicher Aufschlag auf den Preis – Indessen erinnern wir uns, dass B + b ja kleiner ist als B ohne b wäre. Der unter Mitwirkung von B zustande gekommene Durchschnittsprofit reicht also hin, um auch für b Profit abzuwerfen.

Nun aber muss der Verkaufspreis 2)nüberdies hinreichen, um außer dem Profit auf b auch noch die Summe b selbst, d. h. den an die kaufmännischen Angestellten gezahlten Lohn zu ersetzen. Und hier steckt erst die Schwierigkeit.

Wenn der Verkaufspreis der Waren nichts weiter enthält als ihren wirklichen Wert, so ist nach unseren bisherigen Betrachtungen darin eine Summe vorhanden, welche den Kostpreis des Fabrikanten sowie dessen Durchschnittsprofit zahlt, ebenso das Handelskapital nebst dessen Profit; und dieser Handelsprofit ist groß genug, um auch als Profit auf die vom Kaufmann vorgeschossene Lohnsumme der Angestellten auszureichen. Aber diese Lohnsumme selbst (das variable Kapital des Kaufmanns) – wie kommt sie in den Verkaufspreis hinein? Kann der Kaufmann bloß deshalb, weil er Angestellte beschäftigt und bezahlt, die dafür aufgewandten Summen willkürlich auf den Verkaufspreis aufschlagen? Oder muss er sie aus seinem Profit bezahlen, so dass sie eine Verkürzung dieses Profits bedeuten?

Was der Kaufmann mit b kauft, ist (nach unserer Voraussetzung) bloß kaufmännische Arbeit, also Arbeit, notwendig um Ware in Geld und Geld in Ware umzusetzen. Arbeit, die Werte umsetzt, aber keine Werte schafft. Aber wenn diese Arbeit nicht geleistet wird, fungiert das Kaufmannskapital nicht, und dann nimmt es auch nicht teil an der Regelung der allgemeinen Profitrate, d. h. dann zieht es keim Dividende aus dem Gesamtprofit.

Nehmen wir an B = 100, b = 10, und die Profitrate = 10 Prozent. (Von den sächlichen Handelsunkosten sehen wir ab, um die Rechnung nicht unnötig zu erschweren. Denn sie haben mit der Schwierigkeit, die wir hier behandeln, nichts zu tun. Das konstante Kapital des Kaufmanns ist höchstens ebenso groß, in der Tat aber geringer, als es wäre, wenn der Fabrikant das Verkaufen selbst besorgen müsste).

Würde der Kaufmann keine Angestellten beschäftigen und also kein b auslegen, so müsste deren Arbeit darum doch gemacht werden. Der Kaufmann müsste sie selbst machen. Um für B = 100 zu kaufen oder zu verkaufen, gäbe der Kaufmann seine Zeit hin, und wir wollen annehmen, dass dies die einzige Zeit ist, über die er verfügt. Die kaufmännische Arbeit, die durch b oder 10 repräsentiert ist, müsste in diesem Falle durch Profit bezahlt werden, d. h. sie unterstellt ein anderes kaufmännisches Kapital = 100. Dieses zweite B = 100 würde nicht zusätzlich in den Preis der Waren eingehen, aber wohl die 10 Prozent. Es würden daher zwei Operationen zu 100 – 200, Waren kaufen für 200 + 20 = 220.

Da das Kaufmannskapital absolut nichts ist als ein selbständig gewordener Teil des produktiven Kapitals, so wollen wir versuchen, die Lösung zu finden, indem wir uns vorstellen, das Handelskapital habe sich noch nicht vom produzierenden Kapital abgetrennt. In der Tat beschäftigt ja auch der Fabrikant in seinem Kontor kaufmännische Angestellte. Betrachten wir also zunächst das für diese aufgewendete variable Kapital b.

Von vornherein ist dieses Kontor immer verschwindend klein gegen die industrielle Werkstatt. Im übrigen ist klar: im Maß, wie sich die Produktion erweitert, vermehren sich die kaufmännischen Arbeiten, die beständig auszuführen sind, um das produktive Kapital umzusetzen, (sowohl zum Verkauf des Produkts als auch zum Einkauf der Pm), und um Rechnung über das Ganze zu führen. Preisberechnung, Buchführung, Kassenführung, Korrespondenz gehört alles hierher. Es wird dadurch Anwendung kaufmännischer Lohnarbeiter nötig, die das eigentliche Kontor bilden. Die Auslage für diese, obgleich in Form von Arbeitslohn gemacht, unterscheidet sich von dem variablen Kapital, das für den Lohn der produktiven Arbeiter ausgelegt ist. Sie vermehrt die Auslagen des Fabrikanten, die Masse des vorzuschießenden Kapitals, ohne direkt den Mehrwert zu vermehren. Wie jede andere Auslage dieser Art, vermindert auch diese die Rate des Profits, weil das vorgeschossene Kapital wächst, aber nicht der Mehrwert. Der Fabrikant sucht also diese Unkosten, ganz wie seine Auslagen für konstantes Kapital, auf ihr Minimum zu beschränken. Das produktive Kapital steht also seinen kaufmännischen Angestellten anders gegenüber als seinen produktiven Lohnarbeitern. Je mehr von diesen letzteren – bei sonst gleichbleibenden Umständen – angewandt werden, um so mehr wird produziert, um so größer der Mehrwert oder Profit. Umgekehrt dagegen, je umfangreicher die Produktion, je größer die Menge der produzierten Waren, die zu verkaufen sind, um den darin steckenden Wert und Mehrwert in Geld umzusetzen, desto mehr wachsen (absolut, wenn auch nicht relativ) die Bürokosten und geben zu einer Art Teilung der Arbeit Anlass. Wie sehr diese Ausgaben aus dem Profit genommen sind und daher die Existenz des Profits voraussetzen, zeigt sich unter anderm darin, dass mit dem Wachsen der kaufmännischen Gehälter diese oft zum Teil durch Prozentanteil am Profit gezahlt werden. Nicht, weil viel kaufmännische Arbeit geleistet wird, ist viel Wert vorhanden, sondern umgekehrt: weil und wenn viel Werte zu berechnen und umzusetzen sind, ist viel kaufmännische Arbeit erforderlich. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Zirkulationskosten. Um viel zu messen, zu wiegen, zu verpacken, zu transportieren, muss viel da sein; die Menge der Pack- und Transportarbeit usw. hängt ab von der Masse der Waren, die zu verpacken und zu transportieren sind, nicht umgekehrt.

Nun produziert der kaufmännische Angestellte direkt keinen Mehrwert. Aber der Preis seiner Arbeitskraft ist durch ihren Wert (also ihre Produktionskosten) bestimmt, während ihre Ausübung, wie bei jedem andern Lohnarbeiter, keineswegs durch ihren Wert begrenzt ist. Sein Lohn steht daher in keinem notwendigen Verhältnis zu der Menge Profit, die er dem Kapitalisten in Geld umsetzen hilft. Was er dem Kapitalisten kostet und was er ihm einbringt, sind verschiedene Größen. Er bringt ihm etwas ein, indem er – durch zum Teil unbezahlte Arbeit – die Kosten vermindern hilft, welche die Umsetzung des Mehrwerts in Geld verursacht. Der eigentlich kaufmännische Arbeiter gehört zu der besser bezahlten Klasse von Lohnarbeitern, zu denen, deren Arbeit qualifizierte Arbeit ist, über der Durchschnittsarbeit steht. Indes hat der Lohn die Tendenz zu fallen, selbst im Verhältnis zur Durchschnittsarbeit, im Fortschritt der kapitalistischen Produktionsweise. Teils durch Teilung der Arbeit innerhalb des Kontors; daher die Arbeitsfähigkeit nur einseitig auszubilden ist, und diese Ausbildung zum Teil dem Kapitalisten nichts kostet, weil die Geschicklichkeit des Arbeiters sich durch die Tätigkeit selbst entwickelt, und dies um so rascher, je einseitiger sie mit der Teilung der Arbeit wird. Zweitens weil die Vorbildung, Handels- und Sprachkenntnisse usw. mit dem Fortschritt der Wissenschaft und Volksbildung immer rascher, leichter, allgemeiner, wohlfeiler vermittelt werden, jemehr die kapitalistische Produktionsweise die Lehrmethoden usw. aufs Praktische richtet. Die Verallgemeinerung des Volksunterrichts erlaubt, die kaufmännischen Angestellten aus Klassen zu rekrutieren, die früher davon ausgeschlossen, an schlechtere Lebensweise gewöhnt waren. Dadurch vermehrt sie den Andrang und die Konkurrenz. Mit einigen Ausnahmen entwertet sich daher im Fortgang der kapitalistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit zunimmt. [2]

Betrachtet man die kaufmännische Arbeit im Zusammenhang mit dem produzierenden Kapital, so ist ganz klar, dass sie keine Quelle von Mehrwert sein kann. Niemand wird auf den Gedanken kommen, dass die Unkosten, die das Kontor einer Fabrik verursacht, etwas anderes sind als eben Unkosten, die um ihren ganzen Betrag den Profit verkleinern. Anders scheinbar – aber eben nur scheinbar – beim Großkaufmann. Bei ihm erscheinen die Auslagen für Zirkulationsunkosten viel größer, weil außer den eigenen Geschäftsbüros, die mit jeder Fabrik verbunden sind, der Teil des Kapitals, der sonst von der Gesamtheit der Fabrikanten so verwandt werden müsste, in den Händen einzelner Kaufleute konzentriert ist. Aber das kann am Wesen der Sache natürlich nichts ändern. Dem produzierenden Kapital erscheinen die Zirkulationskosten als das, was sie sind, nämlich als Unkosten. Dem Kaufmann erscheinen sie als Quelle seines Profits, der – die allgemeine Profitrate vorausgesetzt – im Verhältnis zur Größe eben dieser Unkosten steht. Für das kaufmännische Kapital sind diese Zirkulationskosten eine produktive Anlage. Also ist auch die kaufmännische Arbeit, die es kauft, für das Handelskapital unmittelbar produktiv.

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Anmerkungen

1. Set Leier wirb bereits beinern beben, des; wir hier durch den Ausdruck „Fabrikant“ den umständlicheren Ausdruck „produzierender Kapitalist“ ersetzen. Zu den „Fabrikanten“ in diesem Sinne gehören also auch die Landwirte usw., soweit sie produzieren.

2. Anmerkung von Friedrich Engels: Wie diese 1865 geschriebene Voraussage der Schicksale des kaufmännischen Proletariats sich seitdem bewährt hat, davon können die hunderte deutscher Kommis ein Liedchen singen, die, in allen kaufmännischen Arbeiten und 3–4 Sprachen bewandert, in der Londoner City (1894) vergebens ihre Dienste um 25 Schilling die Woche anbieten – weit unter dem Lohn eines geschickten Maschinenschlossers. – Eine Lücke von 2 Seiten im (nachgelassenen Marxschen) Manuskript deutet an, dass dieser Punkt noch weiter entwickelt werden sollte.

 


Zuletzt aktualisiert am 19. Juni 2024