Julian Borchart

Das Kapital: Zur Kritik der politischen Ökonomie
von Karl Marx

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16. Das Geld

Die Waren können nicht selbst zu Markt gehen und sich nicht selbst austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern umsehen, den Warenbesitzern.

Für den Warenbesitzer hat die Ware keinen unmittelbaren Gebrauchswert. Sonst führte er sie nicht zu Markt. Sie hat Gebrauchswert für andere. Für ihn hat sie unmittelbar nur den Gebrauchswert, Träger von Tauschwert und so Tauschmittel zu sein. [1] Darum will er sie veräußern für Ware, deren Gebrauchswert ihm Genüge tut. Alle Waren sind Nicht-Gebrauchswerte für ihre Besitzer, Gebrauchswerte für ihre Nichtbesitzer. Sie müssen also allseitig die Hände wechseln. Dieser Händewechsel bildet ihren Austausch.

Die erste Möglichkeit, einen Gebrauchsgegenstand zu veräußern, ergibt sich, wenn mehr davon vorhanden ist, als sein Besitzer bedarf. Tritt dieser Fall ein, so brauchen die Tauschlustigen sich nur stillschweigend gegenseitig als Privateigentümer der Gegenstände anzuerkennen. Dies trifft aber gerade dort nicht zu, wo der Austausch begann, in den naturwüchsigen Gemeinwesen, habe dieses nun die Form einer patriarchalischen Familie, einer altindischen Gemeinde, eines Inkastaates usw. Die einzelnen Mitglieder solch eines Gemeinwesens konnten daher nicht austauschen. Der Warenaustausch beginnt vielmehr, wo die Gemeinwesen enden, an den Punkten, wo sie mit fremden Gemeinwesen oder Mitgliedern fremder Gemeinwesen in Berührung kommen. Hat sich aber hier die Gewohnheit, Dinge auszutauschen, einmal festgesetzt, so überträgt sich diese Gewohnheit auch in das innere Gemeinleben. In welchen Quantitäten sie sich austauschen, ist zunächst ganz zufällig. Indes setzt sich das Bedürfnis für fremde Gebrauchsgegenstände allmählich fest. Die beständige Wiederholung des Austausches macht ihn zu einem regelmäßigen Vorgang. Im Laufe der Zeit muss daher wenigstens ein Teil der Arbeitsprodukte eigens zum Behuf des Austausches produziert werden. Von diesem Augenblick befestigt sich einerseits die Scheidung zwischen der Nützlichkeit der Dinge für den unmittelbaren Bedarf und ihrer Nützlichkeit zum Austausch. Ihr Gebrauchswert scheidet sich von ihrem Tauschwert. Andererseits werden die Quantitäten, worin sie sich austauschen, von ihrer Produktion selbst abhängig. Die Gewohnheit fixiert die Größe ihres Wertes.

Jeder Warenbesitzer will seine Ware nur veräußern gegen solche andere Ware, deren Gebrauchswert sein Bedürfnis befriedigt. Jedoch will er sie veräußern können gegen jede ihm beliebige andere Ware von demselben Wert, ob seine eigene Ware nun für den Besitzer der anderen Ware Gebrauchswert habe oder nicht. Dies wäre unmöglich, weil die anderen Warenbesitzer sich auf das Geschäft nicht einlassen können, eine Ware einzutauschen, für deren Gebrauchswert sie keine Verwendung haben. Soll es allgemein üblich werden, Waren auszutauschen, so braucht man daher eine Ware, die nicht nur für den einen oder andern, sondern für alle Warenbesitzer Gebrauchswert hat; eine Ware, welche die Möglichkeit bietet, jede beliebige Ware für sie einzutauschen; mit anderen Worten: man braucht ein allgemeines Tauschmittel.

Die Aufgabe entspringt gleichzeitig mit den Mitteln ihrer Lösung. Sobald einmal ein Verkehr entstanden ist, worin Warenbesitzer ihre eigenen Artikel mit verschiedenen anderen Artikeln austauschen und vergleichen, ist es auch bereits zur Gewohnheit geworden, dass verschiedene Waren von verschiedenen Warenbesitzern innerhalb ihres Verkehrs mit einer und derselben dritten Warenart ausgetauscht und als Werte verglichen werden. Solche dritte Ware, indem sie Tauschmittel für verschiedene andere Waren wird, erhält unmittelbar, wenn auch in engen Grenzen, den Charakter eines allgemeinen (oder gesellschaftlichen) Tauschmittels. Dieser entsteht und vergeht mit dem augenblicklichen gesellschaftlichen Kontrakt, der ihn ins Leben rief. Abwechselnd und flüchtig kommt er dieser oder jener Ware zu. Mit der Entwicklung des Warenaustauschs heftet er sich aber ausschließlich an bestimmte Warenarten – d. h. er kristallisiert zur Geldform. Eine Ware, die allgemein von allen Warenbesitzern als Tauschmittel für ihre sämtlichen verschiedenen Waren angenommen und verwendet wird, ist Geld. An welcher Ware dieser Charakter kleben bleibt, ist zunächst zufällig. Jedoch entscheiden im Großen und Ganzen zwei Umstände. Geldform heftet sich entweder an die wichtigsten Eintauschartikel aus der Fremde, oder an den Gebrauchsgegenstand, welcher das Hauptelement des einheimischen veräußerlichen Besitztums bildet, wie z. B. Vieh. Nomadenvölker entwickeln zuerst die Geldform, weil all ihr Hab und Gut sich in beweglicher, daher unmittelbar veräußerlicher Form befindet, und weil ihre Lebensweise sie beständig mit fremden Gemeinwesen in Berührung bringt, daher zum Produktenaustausch anreizt. Die Menschen haben oft den Menschen selbst in der Gestalt des Sklaven zum ursprünglichen Geldmaterial gemacht, aber niemals den Grund und Boden. Solche Idee konnte nur in bereits ausgebildeter bürgerlicher Gesellschaft aufkommen. Sie datiert vom letzten Drittel des 17. Jahrhunderts und ihre Ausführung, im Umfang einer ganzen Nation, wurde erst ein Jahrhundert später in der bürgerlichen Revolution der Franzosen versucht.

In demselben Verhältnis, worin der Warenaustausch seine nur lokalen Bande sprengt, geht die Geldform auf Waren über, die kraft ihrer natürlichen Eigenschaften zur Funktion eines allgemeinen Tauschmittels taugen, auf die edlen Metalle. Soll das Geld jede andere Ware in jeder beliebigen Quantität ersetzen und daher auch jeden beliebigen Tauschwert darstellen können, so braucht man dazu einen Stoff, dessen sämtliche Exemplare dieselbe gleichförmige Qualität besitzen. Sodann, da die verschiedenen Wertgrößen sich nur durch ihre Menge unterscheiden, muss die Geldware nach Willkür teilbar sein und aus ihren Teilen wieder zusammensetzbar sein. Gold und Silber besitzen diese Eigenschaften von Natur.

Weiß man, dass Gold Geld, daher mit allen anderen Waren unmittelbar austauschbar ist, so weiß man deswegen nicht, wie viel z. B. 10 Pfund Gold wert sind. Wie jede andere Ware kann das Geld seine eigene Wertgröße nur im Verhältnis zu anderen Waren ausdrücken. Sein eigener Wert ist bestimmt durch die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit und drückt sich in dem Quantum jeder anderen Ware aus, wozu gleich viel Arbeitszeit gebraucht wurde. Diese Festsetzung seiner relativen Wertgröße findet statt an seiner Produktionsquelle in unmittelbarem Tauschhandel. Sobald es als Geld in die Zirkulation eintritt, ist sein Wert bereits gegeben.

Ich setze überall in dieser Schrift, der Vereinfachung halber, Gold als die Geldware voraus.

Die erste Funktion des Goldes besteht darin, der Warenwelt den Stoff zu liefern, worin sie ihren Wert ausdrückt oder die Warenwerte als gleichnamige Größen, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare, darstellt. So funktioniert es als allgemeines Maß der Werte, und nur durch diese Funktion wird Gold zunächst Geld.

Die Waren werden nicht durch das Geld kommensurabel (mit demselben Maße messbar). Umgekehrt. Weil alle Waren als Werte an und für sich kommensurabel sind – indem sie als Werte nichts sind als vergegenständlichte menschliche Arbeit – können sie ihre Werte gemeinschaftlich in derselben Ware messen und diese dadurch zu ihrem gemeinschaftlichen Wertmaß oder Geld machen.

Der Wertausdruck einer Ware in Gold ist ihre Geldform oder ihr Preis. Eine vereinzelte Gleichung, wie 1 Tonne Eisen = 2 Unzen Gold, genügt jetzt, um den Eisenwert gesellschaftlich gültig darzustellen, d. h. um den Wert des Eisens im Verhältnis zu allen anderen Waren anzugeben, weil ja alle anderen Waren ihren Wert ebenfalls in Gold angeben. Geld hat dagegen keinen Preis; es müsste ja sonst seinen Wert in sich selbst ausdrücken.

Der Preis oder die Geldform der Waren ist, wie ihre Wertform überhaupt, eine von ihrer handgreiflichen Körperform verschiedene, also nur ideelle oder vorgestellte Form. Der Wert von Eisen, Leinwand, Weizen usw. existiert, obgleich unsichtbar, in diesen Dingen selbst; er wird vorgestellt durch ihre Gleichheit mit Gold. Der Wert, d. h. dass Quantum menschlicher Arbeit, das z. B. in einer Tonne Eisen enthalten ist, wird ausgedrückt in einem vorgestellten Quantum der Geldware, welches gleichviel Arbeit enthält.

Begleiten wir nun irgendeinen Warenbesitzer, einen Leinweber z. B., zur Szene des Austauschprozesses, zum Warenmarkt. Seine Ware, 20 Ellen Leinwand, hat ihren Preis, sagen wir 40 M. Er tauscht sie aus gegen 40 M und, Mann von altem Schrot und Korn, tauscht die 40 M wieder aus gegen eine Familienbibel vom selben Preis. Die Leinwand, für ihn nur Ware, Wertträger, wird entäußert gegen Gold, ihre Wertgestalt, und aus dieser Gestalt rückveräußert gegen eine andere Ware, die Bibel, die aber als Gebrauchsgegenstand ins Weberhaus wandern und dort Erbauungsbedürfnisse befriedigen soll. Der Austauschprozess der Ware vollzieht sich also in zwei entgegengesetzten und einander ergänzenden Verwandlungen – Verwandlung der Ware in Geld und Rückverwandlung aus Geld in Ware. Für den Warenbesitzer sind dies zwei Akte: Verkauf und Kauf, und die Einheit beider Akte ist: verkaufen, um zu kaufen.

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Besieht sich der Leinweber nun das Endresultat des Handels, so besitzt er Bibel statt Leinwand; statt seiner ursprünglichen Ware eine andere vom selben Wert, aber verschiedener Nützlichkeit. In gleicher Weise eignet er sich seine anderen Lebens- und Produktionsmittel an. Von seinem Standpunkt vermittelt der ganze Prozess nur den Austausch seines Arbeitsprodukts mit fremdem Arbeitsprodukt.

Der Austauschprozess der Ware vollzieht sich also in folgendem Formwechsel:

Ware – Geld – Ware

W – G – W

Nach ihrem stofflichen Inhalt ist die Bewegung W – w, Austausch von Ware gegen Ware, Stoffwechsel der gesellschaftlichen Arbeit, in dessen Resultat der Prozess selbst erlischt.

Das Geld, das zum Ankauf einer Ware dient, ist vorher durch den Verkauf einer anderen Ware gewonnen worden. Wir wollen annehmen, dass die zwei Goldfüchse, wogegen unser Leinweber seine Ware veräußert, die verwandelte Gestalt eines Viertelzentners Weizen sind. Der Verkauf der Leinwand W – G ist, von der anderen Seite gesehen, zugleich ihr Kauf, G – W. Aber als Verkauf der Leinwand beginnt dieser Vorgang eine Bewegung, die mit seinem Gegenteil endet, mit dem Kauf der Bibel; als Kauf der Leinwand endet er eine Bewegung, die mit seinem Gegenteil begann, mit dem Verkauf des Weizens. W – G (Leinwand – Geld), diese erste Phase von W – G –W (Leinwand – Geld – Bibel), ist zugleich G – W (Geld – Leinwand), die letzte Phase einer anderen Bewegung W – G – W (Weizen – Geld – Leinwand). Die Verwandlung einer Ware in Geld ist stets zugleich Rückverwandlung einer anderen Ware aus der Geldform in Ware. [2]

Desgleichen nach der anderen Richtung hin. Für unsern Leinweber schließt der Lebenslauf seiner Ware mit der Bibel, worein er die 40 M rückverwandelt hat. Aber der Bibelverkäufer setzt die vom Leinweber gelösten 40 M in Kornbranntwein um. G – W, die Schlussphase von W – G – W (Leinwand – Geld – Bibel) ist zugleich W – G, erste Phase von W – G – W (Bibel – Geld – Kornbranntwein). Da der Warenproduzent nur ein einseitiges Produkt liefert, verkauft er es oft in größeren Mengen, während seine vielseitigen Bedürfnisse ihn zwingen, die gelöste Geldsumme beständig in zahlreiche Käufe zu zersplittern. Ein Verkauf mündet daher in viele Käufe verschiedener Waren. Die Schlussverwandlung einer Ware bildet so eine Summe von ersten Verwandlungen anderer Waren.

Der Kreislauf, den jede Ware mit ihrem Verkauf und nachfolgendem Kauf einer anderen Ware beschreibt, verschlingt sich also unentwirrbar mit den Kreisläufen anderer Waren. Der Gesamtvorgang stellt sich dar als die Warenzirkulation.

Die Warenzirkulation ist nicht nur formell, sondern wesentlich vom unmittelbaren Produktenaustausch unterschieden. Man werfe nur einen Rückblick auf den Vorgang. Der Leinweber hat unbedingt Leinwand mit Bibel vertauscht, eigene Ware mit fremder. Aber das gilt nur für ihn. Der Bibelagent, der dem Kühlen Heißes vorzieht, dachte nicht daran, Leinwand für Bibel einzutauschen, wie der Leinweber nichts davon weiß, dass Weizen gegen seine Leinwand eingetauscht worden ist usw. Die Ware des B ersetzt die Ware des A, aber A und B tauschen nicht wechselseitig ihre Waren aus. Einerseits sieht man hier, wie der Warenaustausch die persönlichen und lokalen Schranken des unmittelbaren Produktenaustausches durchbricht und den Stoffwechsel der menschlichen Arbeit entwickelt. Andererseits entwickelt sich ein ganzer Kreis von gesellschaftlichen Zusammenhängen, die den handelnden Personen unkontrollierbar bleiben. Der Weber kann seine Leinwand nur verkaufen, weil der Bauer Weizen, Heißsporn die Bibel nur, weil der Weber Leinwand, der Destillateur das gebrannte Wasser nur, weil der andere das Wasser des ewigen Lebens bereits verkauft hat usw.

Der Zirkulationsprozess erlischt deswegen auch nicht, wie der unmittelbare Produktenaustausch, in dem Stellen- oder Händewechsel der Gebrauchswerte. Das Geld verschwindet nicht, weil es schließlich aus der Reihe der Verwandlungen einer Ware herausfällt. Es schlägt immer nieder auf eine durch die Ware geräumte Zirkulationsstelle. Der Ersatz von Ware durch Ware lässt zugleich an dritter Hand die Geldware hängen. Die Zirkulation schwitzt beständig Geld aus.

Als Vermittler der Warenzirkulation erhält das Geld die Funktion des Zirkulationsmittels.

Der Stoffwechsel des Arbeitsprodukts W – G – W ist ein Kreislauf. Denn er bedingt, dass derselbe Wert als Ware den Ausgangspunkt bildet und zu demselben Punkt zurückkehrt als Ware. Die Bewegung des Geldes dagegen ist kein Kreislauf und kann kein Kreislauf sein. Das Geld entfernt sich beständig von seinem Ausgangspunkt und kehrt nicht zu ihm zurück. Solange der Verkäufer das Geld – die verwandelte Gestalt seiner Ware – festhält, hat die Ware nur die erste Hälfte ihrer Zirkulation zurückgelegt. Ist der Prozess, verkaufen, um zu kaufen, vervollständigt, so ist auch das Geld wieder aus der Hand seines ursprünglichen Besitzers entfernt. Allerdings, wenn der Leinweber, nachdem er die Bibel gekauft, von neuem Leinwand verkauft, kehrt auch das Geld in seine Hand zurück. Aber nicht durch die Zirkulation der ersten 20 Ellen Leinwand, wodurch es vielmehr aus der Hand des Leinwebers in die des Bibelverkäufers entfernt ist. Es kehrt nur zurück durch Zirkulation einer neuen Ware und endet hier wie dort mit demselben Resultat. Die Bewegung, welche dem Geld durch die Warenzirkulation unmittelbar erteilt wird, ist daher seine beständige Entfernung vom Ausgangspunkt, sein Lauf aus der Hand eines Warenbesitzers in die eines andern, oder sein Umlauf.

Dass aus der doppelseitigen Bewegung der Ware diese einseitige Bewegung des Geldes entspringt, ist verhüllt. Die Natur der Warenzirkulation selbst erzeugt den entgegengesetzten Schein. Die erste Verwandlung der Ware (W – G) ist nicht nur als Bewegung des Geldes, sondern als ihre eigene Bewegung sichtbar, aber ihre zweite Verwandlung (G – W) ist nur als Bewegung des Geldes sichtbar. In der ersten Hälfte ihrer Zirkulation wechselt die Ware den Platz mit dem Geld. Damit fällt zugleich ihre Gebrauchsgestalt aus der Zirkulation heraus, in den Konsum. (Auch wenn die Ware wiederholt verkauft wird, fällt sie mit dem letzten endgültigen Verkauf aus der Zirkulation in den Konsum.) Ihre Wertgestalt oder Geldlarve tritt an ihre Stelle. Die zweite Hälfte der Zirkulation durchläuft sie nicht mehr in ihrer eigenen Naturalhaut, sondern in ihrer Goldhaut. Dauernd in Bewegung ist somit nur das Geld, und dieselbe Bewegung, die für die Ware zwei entgegengesetzte Vorgänge einschließt, schließt als eigene Bewegung des Geldes stets denselben Vorgang ein, seinen Stellenwechsel mit stets anderer Ware. Das Resultat der Warenzirkulation, Ersatz von Ware durch andere Ware, scheint daher nicht durch ihren eigenen Formwechsel vermittelt, sondern durch die Funktion des Geldes. Es gewinnt den Anschein, als ob die Waren an und für sich bewegungslos sind und durch das Geld in Bewegung gebracht werden, stets in entgegengesetzter Richtung zu seinem eigenen Lauf. Obgleich daher die Geldbewegung nur Ausdruck der Warenzirkulation, erscheint umgekehrt die Warenzirkulation nur als Resultat der Geldbewegung.

Jede Ware, bei ihrem ersten Schritt in die Zirkulation, bei ihrem ersten Formwechsel, fällt aus der Zirkulation heraus, in welche stets neue Ware eintritt. Das Geld dagegen als Zirkulationsmittel haust beständig in der Zirkulation und treibt sich beständig in ihr um. Es entsteht also die Frage, wie viel Geld die Zirkulation beständig braucht.

In einem Lande gehen jeden Tag zahlreiche, gleichzeitige Warenumsätze vor sich. Da nun die Zirkulation, wie wir sie hier betrachten, Ware und Geld einander stets leiblich gegenüberstellt, ist die für die gleichzeitigen Warenumsätze erheischte Geldmasse bereits durch die Preissumme der Waren bestimmt. (Ändert sich aus irgend einem Grunde der Wert des Goldes, so ändern sich demzufolge die Preise und damit dann auch die Menge des zur Zirkulation benötigten Geldes. Einseitige Beobachtung der Tatsachen, welche der Entdeckung der neuen Gold- und Silberquellen folgten, verleitete im 17. und namentlich im 18. Jahrhundert zu dem Trugschluss, die Warenpreise seien gestiegen, weil mehr Gold und Silber als Zirkulationsmittel funktionierten. In Wahrheit war der Wert des Goldes und Silbers durch die leichtere Ausbeute gesunken, infolgedessen die Warenpreise gestiegen, und die im Preise gestiegenen Waren erforderten nun natürlich zu ihrer Zirkulation größere Massen von Geld. – Im Folgenden wird der Wert des Geldes als gegeben vorausgesetzt.)

Setzen wir nun ferner den Preis jeder Warenart als gegeben voraus, so hängt die Preissumme der Waren offenbar von der in der Zirkulation befindlichen Warenmasse ab. Es gehört wenig Kopfzerbrechens dazu, um zu begreifen, dass, wenn ein Zentner Weizen 160 M kostet, 100 Zentner 16.000 M, 200 Zentner 32.000 M usw. kosten, mit der Masse des Weizens daher die Geldmasse wachsen muss, die beim Verkauf den Platz mit ihm wechselt.

Die Warenmasse als gegeben vorausgesetzt, flutet die Masse des zirkulierenden Geldes auf und ab mit den Preisschwankungen der Waren. Sie steigt und fällt, weil die Preissumme der Waren infolge ihres Preiswechsels zu- oder abnimmt. Ob der Preiswechsel der Waren wirkliche Wertwechsel widerspiegelt oder bloße Schwankungen der Marktpreise, die Wirkung auf die Masse der Zirkulationsmittel bleibt dieselbe.

Dies gilt für die gleichzeitigen Umsätze. Anders die aufeinander folgenden.

Wenn vier verschiedene Waren, z. B. ein Viertelzentner Weizen, 20 Ellen Leinwand, eine Bibel, 4 Gallons [3] Kornbranntwein, je 40 M kosten und alle gleichzeitig verkauft werden, so sind dazu 160 M Geld nötig. Erfolgen die Verkäufe aber nacheinander, etwa in der uns bekannten Reihe der Umsätze: ¼ Zentner Weizen – 40 M – 20 Ellen Leinwand – 40 M – 1 Bibel – 40 M – 4 Gallons Kornbranntwein – 40 M, so vollbringen dieselben 40 M vier Umläufe, und es ist nur ¼ der Geldmasse nötig, welche bei gleichzeitigem Umsatz der vier Waren erforderlich war.

Je mehr Umläufe dieselbe Geldsumme in einer gegebenen Zeit vollbringt, d. h. je schneller sie umläuft, desto weniger Geld erfordert die Zirkulation. Die Masse des als Zirkulationsmittel nötigen Geldes ergibt sich, wenn man die Preissumme der Waren dividiert durch die Umlaufsanzahl der Geldstücke:

(Preissumme der Waren) /
(Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke)

= (Masse des als Zirkulationsmittel fungierenden Geldes)

Dies Gesetz gilt allgemein. Wächst daher die Anzahl der Umläufe der Geldstücke, so nimmt ihre zirkulierende Masse ab. Nimmt die Anzahl ihrer Umläufe ab, so wächst ihre Masse. Weil die Masse des Geldes, die als Zirkulationsmittel fungieren kann, bei gegebener Durchschnittsgeschwindigkeit gegeben ist, hat man z. B. nur eine bestimmte Quantität 20 M – Banknoten in die Zirkulation hineinzuwerfen, um ebenso viele Goldstücke hinauszuwerfen, ein allen Banken wohlbekanntes Kunststück.

Der Geldumlauf überhaupt ist also nur Wirkung und Widerspiegelung der Warenzirkulation. So auch ist die Geschwindigkeit des Geldumlaufs Wirkung der Geschwindigkeit, mit der die Waren zirkulieren, nicht umgekehrt. In der Verlangsamung des Geldumlaufs zeigt sich also die Stockung der Warenzirkulation. Woher diese Stockung entspringt, ist natürlich der Zirkulation selbst nicht anzusehen. Der volkstümlichen Anschauung, welche mit verlangsamtem Geldumlauf das Geld minder häufig auf allen Punkten der Zirkulation erscheinen und verschwinden sieht, liegt es nahe, den Vorgang aus mangelnder Quantität der Zirkulationsmittel zu deuten. [4]

Das Gesamtquantum des in jedem Zeitabschnitt als Zirkulationsmittel fungierenden Geldes ist also bestimmt einerseits durch die Preissumme der zirkulierenden Warenwelt, andererseits durch den langsameren oder rascheren Fluss ihrer Zirkulation. Die Preissumme der Waren hängt ab sowohl von der Masse als den Preisen jeder Warenart. Die drei Faktoren: Preisbewegung, zirkulierende Warenmasse und Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes können aber in verschiedener Richtung und in verschiedenen Verhältnissen wechseln und sich dadurch gegenseitig ausgleichen. Man findet daher, namentlich bei Betrachtung etwas längerer Zeiträume, einen viel beständigeren Durchschnitt der in jedem Lande zirkulierenden Geldmasse und (mit Ausnahme starker Störungen, die aber meist aus Krisen entspringen) viel geringere Abweichungen von diesem Durchschnitt, als man nach dem Augenschein erwarten sollte.

Die Illusion, dass umgekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel und letztere ihrerseits durch die Masse des in einem Lande befindlichen Geldmaterials bestimmt werden, wurzelt bei ihren ursprünglichen Vertretern in der abgeschmackten Annahme, dass Waren ohne Preis und Geld ohne Wert in die Zirkulation eintreten, wo sich dann ein entsprechender Teil des Warenbreis mit einem entsprechenden Teil des Metallbergs austausche.

Aus der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel entspringt seine Münzgestalt. Der in dem Preis der Waren vorgestellte Gewichtsteil Gold muss ihnen in der Zirkulation als gleichnamiges Goldstück oder Münze gegenübertreten. Goldmünze und Barrengold unterscheiden sich also von Haus aus nur durch die Figur, und das Gold ist beständig aus einer Form in die andere verwandelbar. Der Weg aus der Münze ist aber zugleich der Gang zum Schmelztiegel. Im Umlauf verschleißen nämlich die Goldmünzen, die eine mehr, die andere weniger. Goldtitel und Goldgehalt beginnen voneinander abzuweichen. Gleichnamige Goldmünzen werden von ungleichem Wert, weil verschiedenem Gewicht. Das Gold hört damit auf, wirklicher Gegenwert der Waren zu sein, deren Preise es verwirklicht. Die Zirkulation wirkt also darauf hin, das Goldsein der Münze in Goldschein oder die Münze in ein Symbol ihres offiziellen Metallgehalts zu verwandeln.

Damit ist die Möglichkeit geschaffen, das Metallgeld in seiner Münzfunktion durch Marken aus anderem Material oder Symbole zu ersetzen. Die technischen Hindernisse der Münzung ganz kleiner Gewichtsteile des Goldes, und der Umstand, dass niedrigere Metalle ursprünglich statt der edleren zum Wertmaß dienen – Silber statt des Goldes, Kupfer statt des Silbers – und daher als Geld zirkulieren im Augenblick, wo das edlere Metall sie entthront, erklären historisch die Rolle von Silber- und Kupfermarken als Ersatz der Goldmünze. Sie ersehen das Gold in denjenigen Kreisen der Warenzirkulation, worin die Münze am schnellsten zirkuliert und sich daher am schnellsten abnutzt, d. h. wo Käufe und Verkäufe unaufhörlich im kleinsten Maßstab erneuert werden. Um die Festsetzung dieser Trabanten an der Stelle des Goldes selbst zu verhindern, werden gesetzlich die sehr niedrigen Mengen bestimmt, worin sie allein an Zahlungsstatt für Gold angenommen werden müssen.

Der Metallgehalt der Silber- oder Kupfermarken ist willkürlich durch das Gesetz bestimmt. Im Umlauf verschleißen sie noch rascher als die Goldmünze. Ihre Münzfunktion wird daher faktisch durchaus unabhängig von ihrem Gewicht, d. h. von allem Wert. Das Münzdasein des Goldes scheidet sich völlig von seinem Wertgehalt. Relativ wertlose Dinge, Papierzettel, können also an seiner Statt als Münze funktionieren. In den metallischen Geldmarken ist der rein symbolische Charakter noch einigermaßen versteckt. Im Papiergeld tritt er augenscheinlich hervor.

Es handelt sich hier nur von Staatspapiergeld mit Zwangskurs. Es wächst unmittelbar aus der metallischen Zirkulation heraus. Kreditgeld unterstellt dagegen Verhältnisse. die wir hier noch in keiner Weise behandelt haben.

Papierzettel, denen Geldnamen, wie 20 M, 100 M usw. aufgedruckt sind, werden vom Staat in die Zirkulation hineingeworfen. Soweit sie wirklich an Stelle der gleichnamigen Geldsumme zirkulieren, spiegeln sich in ihrer Bewegung nur die Gesetze des Geldumlaufs selbst wider. Ein besonderes Gesetz der Papierzirkulation kann nur aus ihrem Stellvertretungsverhältnis zum Gold entspringen. Und dies Gesetz ist einfach dies, dass die Ausgabe des Papiergeldes auf die Quantität zu beschränken ist, worin das von ihm symbolisch dargestellte Gold wirklich zirkulieren müsste. Nun schwankt zwar das Goldquantum, welches die Zirkulation aufnehmen kann, beständig über oder unter einem gewissen Durchschnitt. Jedoch sinkt es in einem gegebenen Land nie unter ein gewisses Minimum, das sich erfahrungsmäßig feststellt. Dass diese Minimalmasse fortwährend ihre Bestandteile wechselt, d. h. aus stets anderen Goldstücken besteht, ändert natürlich nichts an ihrem Umfang und ihrem beständigen Umlauf in der Zirkulation. Sie kann daher durch Papiersymbole ersetzt werden. Werden dagegen heute alle Zirkulationskanäle zum vollen Grad ihrer Aufnahmefähigkeit mit Papiergeld gefüllt, so können sie infolge der Schwankungen der Warenzirkulation morgen übervoll sein. Alles Maß geht verloren. Überschreitet aber das Papiergeld sein Maß, d. h. die Quantität von Goldmünze gleicher Benennung, welche zirkulieren könnte, so tritt nicht nur die Gefahr ein, dass es allgemein das Vertrauen verliert, sondern innerhalb der Warenwelt stellt es dennoch nur die durch ihre inneren Gesetze bestimmte, also auch allein vertretbare Goldquantität vor. Stellt die Papierzettelmasse z. B. je 2 Unzen Gold statt je 1 Unze dar, so wird faktisch 20 M z. B. zum Geldnamen sage etwa von ⅛ Unze statt von ¼ Unze. Dieselben Werte, die sich vorher im Preis von 20 M ausdrückten, drücken sich jetzt im Preis von 40 M aus.

Mit der ersten Entwicklung der Warenzirkulation selbst entwickelt sich die Notwendigkeit und die Leidenschaft, das Ergebnis des Verkaufs der Ware, ihre Goldverpuppung festzuhalten. Ware wird verkauft, nicht um andere Ware zu kaufen, sondern um Warenform durch Geldform zu ersetzen. Aus bloßer Vermittlung des Stoffwechsels wird dieser Formwechsel zum Selbstzweck. Das Geld versteinert damit zum Schatz, und der Warenverkäufer wird Schatzbildner.

Gerade in den Anfängen der Warenzirkulation verwandelt sich nur der Überschuss an Gebrauchswert in Gold. Gold und Silber werden so von selbst zu gesellschaftlichen Ausdrücken des Überflusses oder des Reichtums.

Mit mehr entwickelter Warenproduktion muss jeder Warenproduzent sich den nervus rerum, das „gesellschaftliche Faustpfand“ sichern. Seine Bedürfnisse erneuern sich unaufhörlich und gebieten unaufhörlichen Kauf fremder Ware, während Produktion und Kauf seiner eigenen Ware Zeit kosten und von Zufällen abhängen. Um zu kaufen, ohne zu verkaufen, muss er vorher verkauft haben, ohne zu kaufen. So entstehen auf allen Punkten des Verkehrs Gold- und Silberschätze vom verschiedensten Umfang. Mit der Möglichkeit, die Ware als Tauschwert oder den Tauschwert als Ware festzuhalten, erwacht die Goldgier. Mit der Ausdehnung der Warenzirkulation wächst die Macht des Geldes. Dem barbarisch einfachen Warenbesitzer, selbst einem westeuropäischen Bauer, ist der Wert unzertrennlich von der Wertform, Vermehrung des Gold- und Silberschatzes daher Wertvermehrung.

Um das Gold als Geld festzuhalten, muss es verhindert werden zu zirkulieren oder als Kaufmittel sich in Genussmittel aufzulösen. Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust. Er macht Ernst mit dem Evangelium der Entsagung. Andererseits kann er der Zirkulation in Geld nur entziehen, was er ihr in Ware gibt. Je mehr er produziert, desto mehr kann er verkaufen. Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen die Summe seiner ökonomischen Weisheit.

Neben der unmittelbaren Form des Schatzes läuft seine künstlerische Form, der Besitz von Gold- und Silberwaren. Er wächst mit dem Reichtum der bürgerlichen Gesellschaft. Es bildet sich so teils ein stets ausgedehnterer Markt für Gold und Silber, unabhängig von ihren Geldfunktionen, teils eine unauffällige Zufuhrquelle des Geldes, die namentlich in gesellschaftlichen Sturmperioden fließt.

Die Schatzbildung erfüllt verschiedene Funktionen. Die nächste Funktion ist diese: man hat gesehen, wie mit den beständigen Schwankungen der Warenzirkulation in Umfang, Preisen und Geschwindigkeit die Umlaufsmasse des Geldes rastlos ebbt und flutet. Sie muss also der Zusammenziehung und Ausdehnung fähig sein. Bald muss Geld als Münze in die Zirkulation hineingezogen, bald Münze als Geld von ihr ausgestoßen werden. Damit die wirklich umlaufende Geldmasse dem Sättigungsgrad der Zirkulation stets entspreche, muss das in einem Lande befindliche Goldquantum größer sein als das in Münzfunktion begriffene. Diese Bedingung wird erfüllt durch die Schatzform des Geldes. Die Schatzreservoirs dienen zugleich als Abfluss- und Zufuhrkanäle des zirkulierenden Geldes, welches seine Umlaufskanäle daher nie überfüllt.

Mit der Entwicklung der Warenzirkulation entwickeln sich Verhältnisse, wodurch die Veräußerung der Ware von der Zahlung ihres Preises zeitlich getrennt wird. Es genügt, die einfachsten dieser Verhältnisse hier anzudeuten. Die eine Warenart erheischt längere, die andere kürzere Zeitdauer zu ihrer Produktion. Die Produktion verschiedener Waren ist an verschiedene Jahreszeiten geknüpft. Die eine Ware wird an ihrem Marktplatz geboren, die andere muss zu entferntem Markt reisen. Der eine Warenbesitzer kann daher als Verkäufer auftreten, bevor der andere als Käufer. Bei steter Wiederkehr derselben Geschäfte zwischen denselben Personen regeln sich die Verkaufsbedingungen der Waren nach ihren Produktionsbedingungen. Andererseits wird die Benutzung gewisser Warenarten, z. B. eines Hauses, für einen bestimmten Zeitraum verkauft. Erst nach Ablauf des Termins hat der Käufer den Gebrauchswert der Ware wirklich erhalten. Er kauft sie daher, bevor er sie zahlt. Der Verkäufer wird Gläubiger, der Käufer Schuldner. So erhält auch das Geld eine andere Funktion. Es wird Zahlungsmittel.

Der Charakter von Gläubiger und Schuldner entspringt hier aus der einfachen Warenzirkulation. Ihre Formveränderung drückt dem Verkäufer und Käufer diese neuen Stempel auf. Zunächst also sind es ebenso verschwindende und wechselweise von denselben Personen gespielte Rollen wie die von Verkäufer und Käufer. Jedoch sieht der Gegensatz jetzt von Haus aus minder gemütlich aus. Dieselben Charaktere können aber auch unabhängig von der Warenzirkulation auftreten. Der Klassenkampf der antiken Welt z. B. bewegt sich hauptsächlich in der Form eines Kampfes zwischen Gläubiger und Schuldner, und endet in Rom mit dem Untergang des plebejischen Schuldners, der durch den Sklaven ersetzt wird. Im Mittelalter endet der Kampf mit dem Untergang des feudalen Schuldners, der seine politische Macht mit ihrer wirtschaftlichen Grundlage einbüßt. Indes spiegelt das Geldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner hier nur den Gegensatz tiefer liegender wirtschaftlicher Lebensbedingungen wider.

Kehren wir zur Warenzirkulation zurück. Das gleichzeitige Gegenübertreten von Ware und Geld hat aufgehört. Das Geld funktioniert jetzt erstens als Wertmaß in der Preisbestimmung der verkauften Ware. Ihr vereinbarter Preis misst die Schuld des Käufers, d. h. die Geldsumme, die er an bestimmtem Termin zu zahlen hat. Es funktioniert zweitens als ideelles (nur vorgestelltes, nicht tatsächliches) Kaufmittel. Obgleich es nur im Geldversprechen des Käufers existiert, bewirkt es den Händewechsel der Ware. Erst am fälligen Zahlungstermin tritt das Zahlungsmittel wirklich in Zirkulation, d. h. geht es aus der Hand des Käufers in die des Verkäufers über. Das Zahlungsmittel tritt in die Zirkulation hinein, aber erst nachdem die Ware bereits aus ihr ausgetreten ist. Das Geld vermittelt nicht mehr den Vorgang. Es schließt ihn selbständig ab.

Der Verkäufer verwandelte Ware in Geld, um ein Bedürfnis durch das Geld zu befriedigen; der Schatzbildner, um die Waren in Geldform zu behalten; der schuldige Käufer, um zahlen zu können. Zahlt er nicht, so finden Zwangsverkäufe seiner Habe statt. Das Geld wird also jetzt zum Selbstzweck des Verkaufs durch eine den Verhältnissen der Zirkulation selbst entspringende gesellschaftliche Notwendigkeit.

In jedem bestimmten Zeitabschnitt der Zirkulation repräsentieren die fälligen Schulden die Preissumme der Waren, deren Verkauf sie hervorrief. Die zu ihrer Bezahlung nötige Geldmasse hängt zunächst ab von der Umlaufsgeschwindigkeit der Zahlungsmittel. Sie ist bedingt durch zwei Umstände: die Verkettung der Verhältnisse von Gläubiger und Schuldner, sodass A, der das Geld von seinem Schuldner B erhält, es an seinen Gläubiger C fortzahlt usw. – und die Zeitlänge zwischen den verschiedenen Zahlungsterminen. Die zusammenhängende Kette von Zahlungen unterscheidet sich wesentlich von der früher betrachteten Verschlingung der Käufe und Verkäufe. Im Umlauf des Zirkulationsmittels wird der Zusammenhang zwischen Verkäufern und Käufern nicht nur ausgedrückt; er entsteht erst in und mit dem Geldumlauf. Dagegen drückt die Bewegung des Zahlungsmittels einen schon vorher fertig vorhandenen gesellschaftlichen Zusammenhang aus.

Mit der Konzentration der Zahlungen an demselben Platz entwickeln sich naturwüchsig eigene Anstalten und Methoden ihrer Ausgleichung. So z. B. die gegenseitigen Verrechnungen im mittelalterlichen Lyon. Die Schuldforderungen von A an B, B an C, C an A usw. brauchen bloß zusammengestellt zu werden, um sich wechselseitig bis zu einem gewissen Belauf aufzuheben. So bleibt nur ein Überschuss auszugleichen. Je massenhafter die Konzentration der Zahlungen, desto kleiner verhältnismäßig der Überschuss, also die Masse der zirkulierenden Zahlungsmittel.

Betrachten wir nun die Gesamtsumme des in einem gegebenen Zeitabschnitt umlaufenden Geldes, so ist sie, bei gegebener Geschwindigkeit des Umlaufs, gleich

 
plus
minus
minus
 

der Summe der zu zahlenden Warenpreise
der Summe der fälligen Zahlungen
der sich ausgleichenden Zahlungen
der Anzahl Umläufe desselben Geldstücks
als Zirkulations- wie Zahlungsmittel.

Z. B. der Bauer verkauft sein Getreide für 40 M, die so als Zirkulationsmittel dienen. Am Verfalltag zahlt er damit die Leinwand, die ihm der Weber geliefert hat. Dieselben 40 M funktionieren jetzt als Zahlungsmittel. Der Weber kauft nun eine Bibel gegen Bar – sie funktionieren von neuem als Zirkulationsmittel – usw. Es decken sich also nicht mehr die während eines bestimmten Zeitraums, z. B. eines Tages, umlaufende Geldmasse und zirkulierende Warenmasse. Es läuft Geld um, das Waren repräsentiert, die der Zirkulation längst entzogen sind. Es laufen Waren um, deren Gegenwert in Geld erst in der Zukunft erscheint. Andererseits sind die jeden Tag aufgenommenen und die denselben Tag fälligen Zahlungsverpflichtungen in keiner Weise als gleiche Größen anzusehen.

Das Kreditgeld entspringt unmittelbar aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, indem Schuldbescheinigungen für die verkauften Waren selbst wieder zur Übertragung von Schuldforderungen zirkulieren. Andrerseits, wie sich das Kreditwesen ausdehnt, so die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel.

Die Entwicklung des Geldes als Zahlungsmittel benötigt Geldansammlungen für die Verfalltermine der geschuldeten Summen. Während die Schatzbildung als selbständige Bereicherungsform verschwindet mit dem Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft, wächst sie umgekehrt mit demselben in der Form von Reservefonds der Zahlungsmittel.

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Anmerkung

1. „Denn zweifach ist der Gebrauchswert jedes Gutes. – Der eine ist dem Ding als solchem eigen, der andere nicht, wie einer Sandale, zur Beschuhung zu dienen und austauschbar zu sein. Beide sind Gebrauchswerte der Sandale, denn auch wer die Sandale mit dem ihm Mangelnden, z. B. Nahrung, austauscht, benutzt die Sandale als Sandale. Aber nicht in ihrer natürlichen Gebrauchsweise. Denn sie ist nicht da des Austauschs wegen.“ (Aristoteles, Über die Republik, Buch I, Kapitel 9.) Bd. I, Kapitel 2 und 3.

2. Ausgenommen die Geldware, Gold oder Silber, an ihrer Produktionsquelle, wo sie zum ersten Mal als unmittelbares Arbeitsprodukt mit anderem Arbeitsprodukt von demselben Wert ausgetauscht wird, ohne vorher verkauft zu sein.

3. 1 Gallon – ungefähr 4½ Liter.

4. Wenn es demnach eine Illusion ist, Stockungen der Produktion und Zirkulation einem Mangel an Geld zuzuschreiben, so folgt daraus keineswegs, daß wirklicher Mangel an Zirkulationsmitteln, z. B. infolge amtlicher Pfuschereien mit der „Regelung des Geldumlaufs“, nicht Stockungen hervorrufen kann.

 


Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2024