Leo Trotzki

 

Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution

(Teil 2)

 

Die Kolonialvölker im Krieg

Gerade durch die Schaffung enormer Schwierigkeiten und Gefahren für die imperialistischen Metropolen eröffnet der Krieg umfangreiche Möglichkeiten für die unterdrückten Völker. Der Kanonendonner in Europa verkündet die herannahende Stunde ihrer Befreiung.

Wenn für die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder ein Programm der friedlichen gesellschaftlichen Umgestaltung utopisch ist, dann ist für die Kolonien das Programm der friedlichen Befreiung doppelt utopisch. Andererseits wurden vor unseren Augen die letzten halbfreien rückständigen Länder (Äthiopien, Albanien, China ...) versklavt. Der ganze gegenwärtige Krieg ist ein Krieg um Kolonien. Einige jagen hinter ihnen her; von anderen, die sich sie aufzugeben weigern, werden sie festgehalten. Keine Seite hat die geringste Absicht, sie freiwillig freizugeben. Die zerfallenden Metropolen sind gezwungen, soviel wie möglich aus den Kolonien herauszuziehen und ihnen dafür so wenig wie möglich zu geben. Nur der direkte und offene revolutionäre Kampf der versklavten Volker kann den Weg zu ihrer Befreiung öffnen.

In den kolonialen und halbkolonialen Ländern ist der Kampf für einen unabhängigen Nationalstaat und damit konsequenterweise die Vaterlandsverteidigung im Prinzip unterschiedlich von dem der imperialistischen Länder. Das revolutionäre Proletariat der ganzen Welt unterstützt bedingungslos den Kampf Chinas oder Indiens für die nationale Unabhängigkeit, denn dieser Kampf bringt den imperialistischen Staaten mächtige Schläge bei, „indem er die rückständigen Völker aus dem Asiatismus, Partikularismus und der Fremdbestimmung ... reißt.“

Gleichzeitig weiß die IV. Internationale im voraus und warnt offen die rückständigen Nationen davor, dass ihre verspäteten Nationalstaaten nicht länger mit einer unabhängigen demokratischen Entwicklung rechnen können. Umgeben vom niedergehenden Kapitalismus und in die imperialistischen Widersprüche verwickelt wird die Unabhängigkeit eines rückständigen Staates unweigerlich halbfiktiv sein und sein politisches Regime wird unter dem Einfluss der internationalen Klassenwidersprüche und des Drucks von außen unvermeidlich in eine Diktatur gegen das Volk verfallen – so wie das Regime der „Volks“partei in der Türkei, die Kuomintang in China; Ghandis Regime wird morgen in Indien genauso aussehen. Vom Standpunkt des revolutionären Proletariats aus ist der Kampf für die nationale Unabhängigkeit der Kolonien nur ein Übergangsstadium auf dem Weg, der die rückständigen Länder in die internationale sozialistische Revolution führt.

Die IV. Internationale macht keine unmissverständlichen starren Unterschiede zwischen den rückständigen und den fortgeschrittenen Ländern und den demokratischen und sozialistischen Revolutionen. Sie verbindet sie und ordnet sie dem weltweiten Kampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker unter. So wie die einzige wahre revolutionäre Kraft unserer Ära das internationale Proletariat ist so ist das einzige wahre Programm zur Beseitigung aller gesellschaftlichen und nationalen Unterdrückung das Programm der Permanenten Revolution.

 

 

Die eindrucksvolle Lehre Chinas

Die tragische Erfahrung Chinas ist eine eindrucksvolle Lehre für die unterdrückten Völker. Die Chinesische Revolution von 1925–27 hatte jede Chance zum Sieg. Ein geeintes und gewandeltes China würde heute eine mächtige Bastion der Freiheit im Fernen Osten darstellen. Das ganze Schicksal Asiens und bis ZU einem gewissen Grad der ganzen Welt hätte anders aussehen können. Aber der Kreml, der kein Vertrauen in die chinesischen Massen hatte und die Freundschaft der Generäle suchte, setzte sein ganzes Gewicht ein, um das chinesische Proletariat der Bourgeoisie unterzuordnen, und. er half damit Tschiang Kai-schek, die chinesische Revolution niederzuschlagen. Desillusioniert, gespalten und geschwächt war China offen für die japanische Invasion.

Wie jedes zum Untergang verdammte Regime ist die stalinistische Oligarchie bereits unfähig, aus den Lehren der Geschichte zu lernen. Zu Beginn des chinesisch-japanischen Krieges brachte der Kreml die Kommunistische Partei wieder in Knechtschaft von Tschiang Kai-schek, indem er die revolutionäre Initiative des chinesischen Volkes im Keim erstickte. Dieser Krieg, der sich jetzt seinem dritten Jahrestag nähert, hätte schon längst durch eine wahre Katastrophe für Japan beendet sein können, wenn China ihn als einen wirklichen Volkskrieg geführt hätte, der sich auf eine Agrarrevolution gestützt und die japanische Soldateska mit seiner Glut in Brand gesetzt hätte. Aber die chinesische Bourgeoisie fürchtet ihre eigenen bewaffneten Massen mehr als die japanischen Räuber. Wenn Tschiang Kai-schek, der unheilvolle Henker der chinesischen Revolution, durch die Umstände zum Krieg gezwungen wird, wird sein Programm wie vorher noch immer auf der Unterdrückung seiner eigenen Arbeiter und einem Kompromiss mit den Imperialisten beruhen.

Der Krieg in Ostasien wird immer mehr mit dem imperialistischen Weltkrieg verknüpft werden. Das chinesische Volk wird nur unter der Führung des jungen sich selbst aufopfernden Proletariats, in dem das unerlässliche Selbstvertrauen durch die Wiedergeburt der Weltrevolution neu belebt wird, fähig sein, die Unabhängigkeit zu erreichen. Es wird eine feste Marschrichtung angeben. Der Gang der Ereignisse setzt den Ausbau unserer chinesischen Sektion zu einer mächtigen revolutionären Partei auf die Tagesordnung.

 

 

Die Aufgaben der Revolution in Indien

In den allerersten Wochen des Krieges übten die indischen Massen ihren wachsenden Druck aus und zwangen die opportunistischen „nationalen“ Führer, sich in ungewohnter Weise zu äußern. Aber wehe dem indischen Volk, wenn es Vertrauen in hochtrabende Worte setzt! Hinter der Maske der Losung nationaler Unabhängigkeit hat Gandhi sich beeilt, seine Weigerung zu verkünden, Großbritannien während der jetzigen ernsten Krise Schwierigkeiten zu bereiten. Als ob die Unterdrückten irgendwo oder zu irgendeiner Zeit jemals in der Lage gewesen wären, sich selbst zu befreien, außer sie nützten die Schwierigkeiten ihrer Unterdrückung aus!

Ghandis „moralische“ Abkehr von der Gewalt spiegelt nur die Angst der indischen Bourgeoisie vor ihren eigenen Massen wider. Sie haben gute Gründe für ihre schlimme Ahnung, dass der britische Imperialismus sie mit in den Zusammenbruch ziehen wird. London seinerseits warnt, dass es beim ersten Auftreten von Widersetzlichkeit „alle notwendigen Maßnahmen“ vornehmen wird – was natürlich die Luftwaffe, die an der Westfront nicht stark genug vertreten ist, mit einschließt. Es gibt eine klar umrissene Arbeitsteilung zwischen der kolonialen Bourgeoisie und der britischen Regierung: Gandhi braucht die Drohungen Chamberlains und Churchills, um die revolutionäre Bewegung erfolgreicher zu paralysieren.

Der Antagonismus zwischen den indischen Massen und der Bourgeoisie verspricht, in der nahen Zukunft schärfer zu werden, da der imperialistische Krieg für die indische Bourgeoisie immer mehr zu einem gigantischen Handelsunternehmen wird. Indem er einen außerordentlich günstigen Markt für Rohstoffe erschließt, kann er möglicherweise die indische Industrie schnell ankurbeln. Wenn die völlige Zerstörung des britischen Empires die Nabelschnur zerschneidet, die das indische Kapital mit der Londoner City verbindet, wurde sich die nationale Bourgeoisie schnell einen neuen Beschützer in der New Yorker Wall Street suchen. Die materiellen Interessen der Bourgeoisie bestimmen ihre Politik mit der Kraft der Gravitationsgesetze.

Solange die Befreiungsbewegung von der Ausbeuterklasse gesteuert wird, ist sie unfähig, aus der Sackgasse herauszukommen. Einzig die Agrarrevolution unter dem Banner der nationalen Unabhängigkeit kann Indien zusammenschweißen. Eine vom Proletariat geführte Revolution wird sich nicht nur gegen die britische Herrschaft richten sondern auch gegen die indischen Prinzen, die Konzessionen ans Ausland, die Oberschicht der nationalen Bourgeoisie und sowohl gegen die Führer der Nationalen Kongress-Partei als auch gegen die Führer der Moslem-Liga. Es ist die dringende Aufgabe der IV. Internationale, eine feste und mächtige Sektion in Indien aufzubauen.

Die verräterische Politik der Klassenkollaboration, durch die der Kreml in den letzten fünf Jahren den kapitalistischen Regierungen bei der Kriegsvorbereitung geholfen hat, wurde von der Bourgeoisie abrupt aufgegeben, sobald sie keinen pazifistischen Deckmantel mehr brauchte. Aber in den kolonialen und halbkolonialen Ländern – nicht nur in China und Indien, sondern auch in Lateinamerika – lähmt der Schwindel mit der Volksfront weiterhin die Arbeitermassen, er macht sie zum Kanonenfutter für die „fortschrittliche“ Bourgeoisie und schafft auf diese Weise eine einheimische politische Basis für den Imperialismus.

 

 

Die Zukunft Lateinamerikas

Das riesige Rüstungswachstum in den Vereinigten Staaten bereitet sich auf die gewaltsame Lösung der komplexen Widerspruche in der westlichen Hemisphäre vor und sollte bald die Frage des Schicksals der lateinamerikanischen Länder offen aufwerfen. Das Intermezzo der „Guten Nachbar“-Politik geht seinem Ende entgegen. Roosevelt oder sein Nachfolger werden schnell ihre eiserne Faust aus dem Samthandschuh ziehen. Die Thesen der IV. internationale erklären:

Süd- und Mittelamerika können sich nur durch den Zusammenschluss aller ihrer Staaten zu einer mächtigen Föderation aus der Rückständigkeit und Sklaverei reißen. Aber nicht die nachhinkende südamerikanische Bourgeoisie, ein total käufliche Agentur des ausländischen Imperialismus, sondern das junge südamerikanische Proletariat, der ausgewählte Führer der unterdrückten Massen wird auf den Plan gerufen, diese Aufgabe zu lösen. Die Losung für den Kampf gegen Gewalt und Intrigen des Weltimperialismus und gegen das blutige Werk der einheimischen Kompradorencliquen lautet daher: Die Vereinigten Sowjetstaaten Süd- und Mittelamerikas.

Die vor sechs Jahren geschriebenen Zeilen haben jetzt eine besonders brennende Aktualität erlangt.

Nur unter seiner eigenen revolutionären Führung ist das Proletariat der Kolonien und Halbkolonien fähig, eine unschlagbare Zusammenarbeit mit dem Proletariat der Metropolen und mit der Weltarbeiterklasse als Ganzes zu erreichen. Nur diese Zusammenarbeit kann die unterdrückten Völker durch den weltweiten Sturz des Imperialismus zur vollständigen und endgültigen Befreiung führen. Ein Sieg des internationalen Proletariats wird die Kolonialländer von den langatmigen Wehen der kapitalistischen Entwicklung erlösen, indem er die Möglichkeit eröffnet, Hand in Hand mit dem Proletariat der fortgeschrittenen Länder zum Sozialismus zu gelangen.

Die Perspektive der Permanenten Revolution bedeutet keinesfalls dass die rückständigen Länder das Signal der fortgeschrittenen abwarten müssen oder dass die Kolonialvölker geduldig darauf warten sollen, dass das Proletariat der Metropolen sie befreit. Hilfe erhält derjenige, der sich selbst hilft. Die Arbeiter müssen den revolutionären Kampf in jedem kolonialen oder imperialistischen Land, in dem günstige Bedingungen geschaffen worden sind, vorantreiben und dadurch ein Beispiel für die Arbeiter der anderen Länder geben. Nur Initiative und Aktivität, Entschlossenheit und Mut können die Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ tatsächlich verwirklichen.

 

 

Die Verantwortung der verräterischen Führungen für den Krieg

Der Sieg der spanischen Revolution hätte eine Ära der revolutionären Umstürze in ganz Europa eröffnen können und wäre so dem jetzigen Krieg zuvorgekommen. Aber jene heldenhafte Revolution, die in sich jede Möglichkeit zum Sieg trug, wurde in der Umarmung der II. und III. Internationale mit aktiver Mitwirkung der Anarchisten erstickt. Das Weltproletariat wurde ärmer durch den Verlust einer weiteren großen Hoffnung und reicher an den Erfahrungen eines weiteren riesenhaften Betrugs.

Die mächtige Bewegung des französischen Proletariats im Juni 1936 offenbarte außerordentlich günstige Bedingungen um die revolutionäre Machtergreifung. Eine französische Sowjetrepublik hätte sofort die revolutionäre Vorherrschaft in Europa gewonnen, revolutionäre Reaktionen in jedem Land hervorgerufen, die totalitären Regimes erschüttert und auf diese Weise die Menschheit vor dem jetzigen imperialistischen Gemetzel mit seinen unzähligen Opfern gerettet. Aber die total verdorbene, feige und verräterische Politik Leon Blums und Jouhaux‘, die aktiv durch die französische Sektion der Komintern unterstützt wurde, führte zum Zusammenbruch einer der meistversprechenden Bewegungen des letzten Jahrzehnts.

Das Abwürgen der spanischen Revolution und die Sabotage der proletarischen Offensive in Frankreich – diese beiden tragischen Tatsachen stehen an der Schwelle des jetzigen Krieges. Die Bourgeoisie überzeugte sich, dass sie mit solchen „Arbeiterführern“ zu ihrer Verfügung alles, sogar eine neue Völkerschlacht anfangen konnte. Die Führer der II. Internationale hinderten das Proletariat, die Bourgeoisie am Schluss des ersten imperialistischen Krieges zu stürzen. Die Führer der II. und III. Internationale halfen der Bourgeoisie einen zweiten imperialistischen Krieg zu entfesseln. Soll er ihr politisches Grab werden

 

 

Die II. Internationale

Der Krieg von 1914/18 spaltete die II. Internationale sofort in zwei durch Schützengräben getrennte Lager. Jede sozialdemokratische Partei verteidigte ihr Vaterland. Erst sieben Jahre nach dem Krieg versöhnten sich die verräterischen kriegführenden Brüder und verkündeten gegenseitige Amnestie.

Heute hat sich die Situation in der II. Internationale krass verändert – an der Oberfläche. Alle ihre Sektionen stehen ohne Ausnahme politisch auf einer Seite der militärischen Linien, im Lager der Alliierten: Einige, weil sie Parteien in den demokratischen Ländern sind, andere, weil sie Emigranten aus kriegführenden oder neutralen Ländern sind. Die deutsche Sozialdemokratie, die während des ersten imperialistischen Krieges unter dem Banner der Hohenzollern eine gemeine chauvinistische Politik verfolgte, ist heute eine Partei des „Defätismus“ im Dienste Frankreichs und Englands. Es wäre unverzeihlich zu glauben, dass diese hartgesottenen Lakaien Revolutionäre geworden sind. Es gibt eine einfache Erklärung. Das Deutschland Wilhelms II. bot den Reformisten genügend Aussichten auf einträgliche Ämter in den parlamentarischen Gremien, Stadtverwaltungen, Gewerkschaften und andernorts. Die Verteidigung des Kaiserdeutschlands war die Verteidigung eines gutgefüllten Troges, in den die konservative Arbeiterbürokratie ihre Schnauzen grub. „Die Sozialdemokratie bleibt genauso lange patriotisch, wie das politische Regime ihre Profite und Privilegien gewährleistet“, warnten unsere Thesen vor sechs Jahren. Die russischen Menschewiki und Narodniki, die sogar unter dem Zar Patrioten waren – als sie ihre eigenen Fraktionen in der Duma hatten, ihre eigenen Zeitungen, ihre eigenen Gewerkschaftsfunktionäre und auf weitere Fortschritte auf diesem Weg hofften – nehmen jetzt, wo sie all das verloren haben, eine defätistische Position zur UdSSR ein.

Folgerichtig ist die jetzige „Einmütigkeit“ der II. Internationale durch die Tatsache erklärbar, dass alle ihre Sektionen hoffen, dass die Alliierten ihnen ihre Posten und Einnahmequellen in der Arbeiterbürokratie der demokratischen Länder retten und ihnen diese Posten und Einnahmequellen in den totalitären Staaten wiederbeschaffen werden. Die Sozialdemokratie geht über hilflose Wunschvorstellungen der Schirmherrschaft der „demokratischen“ Bourgeoisie nicht hinaus. Diese politischen Invaliden sind völlig unfähig zu kämpfen, selbst wenn ihre eigenen Interessen betroffen sind.

Das zeigte sich ganz klar in Skandinavien, das das sicherste Asyl der II. Internationale zu sein schien, und wo alle drei Länder jahrelang von der besonnenen, realistischen, reformistischen und pazifistischen Sozialdemokratie regiert wurden. Als Sozialismus bezeichneten diese Herren die konservative königliche Demokratie, plus der Staatskirche plus der knauserigen sozialen Reformen, die zeitweilig durch begrenzte Militärausgaben möglich gemacht wurden. Mit dem Völkerbund im Rücken und geschützt durch den Schild der „Neutralität“ rechneten die skandinavischen Regierungen auf generationslange ruhige und friedliche Entwicklung. Aber die imperialistischen Herren achteten nicht auf deren Kalkulationen. Daher waren sie gezwungen, den Schlägen des Schicksals auszuweichen. Zur Invasion der UdSSR in Finnland stellten sich alle drei skandinavischen Regierungen neutral, soweit Finnland betroffen war. In bezug auf Deutschlands Invasion in Dänemark und Norwegen erklärte sich Schweden als neutral, soweit die beiden Opfer der Aggression betroffen waren. Dänemark brachte es fertig, sich sogar in bezug auf sich selbst neutral zu erklären. Nur Norwegen, durch die Gewehrmündungen seines Wächters England gezwungen, machte ein paar symbolische Gesten der Selbstverteidigung. Diese Helden sind völlig bereit auf Kosten des demokratischen Vaterlandes zu leben, aber fühlen sich abgeneigt, dafür zu sterben. Der von ihnen nicht vorhergesehene Krieg hat in seinem Verlauf ihre Hoffnungen auf eine friedliche Evolution unter König und Gott über den Haufen geworfen. Das skandinavische Paradies, die letzte Zuflucht der Hoffnungen der II. Internationale, wurde in einen kleinen Sektor der allumfassenden imperialistischen Hölle umgewandelt.

Die sozialdemokratischen Opportunisten kennen nur eine Politik – die der passiven Anpassung. Unter den Bedingungen des niedergehenden Kapitalismus bleibt ihnen nichts anderes als eine Position nach der anderen aufzugeben, ihr bereits miserables Programm weiter zu beschneiden, ihre Forderungen zurückzuschrauben, auf alle Forderungen zu verzichten, sich ständig mehr und mehr zurückzuziehen, bis es keinen Platz mehr für den Rückzug gibt außer einem Rattenloch. Aber sogar da wird. sie die erbarmungslose Hand des Imperialismus am Schwanz herausziehen. So sieht eine kurze Geschichte der II. Internationale aus. Sie ist dabei, vom jetzigen Krieg zum zweiten Mal getötet zu werden, und, man muss annehmen, diesmal für immer.

 

 

Die III. Internationale

Die Politik der degenerierten III. Internationale – eine Mischung von blankem Opportunismus und zügellosem. Abenteurertum – übt einen Einfluss auf die Arbeiterklasse aus, der möglicherweise, demoralisierender ist als die Politik ihrer älteren Schwester, der II. Internationale. Die revolutionäre Partei baut ihre gesamte Politik auf dem Klassenbewusstsein der Arbeiter auf; die Komintern ist mit nichts anderem beschäftigt, als dieses Klassenbewusstsein zu verderben und zu vergiften.

Die offiziellen Propagandisten eines jeden der kriegführenden Lager entlarven manchmal ganz korrekt die Verbrechen des gegnerischen Lagers. Goebbels sagt einen großen Teil der Wahrheit über das gewaltsame Vorgehen der Briten in Indien. Die französische und englische Presse sagt eine Menge scharfsinniger Dinge über die Außenpolitik Hitlers und Stalins. Nichtsdestoweniger stellt diese einseitige Propaganda das schlimmste chauvinistische Gift dar. Halbwahrheiten sind die gefährlichste Art der Lügen.

In diese Kategorie gehört die gesamte jetzige Propaganda der Komintern. Nach fünf Jahren primitivster Kriecherei vor den Demokratien, in denen der ganze „Kommunismus“ zu der monotonen Anklage gegen faschistische Aggressoren reduziert wurde, entdeckte die Komintern plötzlich im Herbst 1939 den kriminellen Imperialismus der westlichen Demokratien. Ganze Abteilung links! Von da an kein einziges Wort der Anklage zur Vernichtung der Tschechoslowakei und Polens, zur Beseitigung Dänemarks und Norwegens und zu den schockierenden Bestialitäten der Hitlerbande gegenüber dem polnischen und jüdischen Volk! Hitler wurde als ein friedliebender, ständig von den westlichen Imperialisten provozierter Vegetarier verstanden. In der Komintern-Presse bezog man sich auf die englisch–französische Allianz als den „imperialistischen Block gegen das deutsche Volk“. Goebbels selbst hätte sich das nicht besser ausdenken können! Die emigrierte deutsche Kommunistische Partei entbrannte in Flammen der Liebe zum Vaterland. Und da das deutsche Vaterland nicht aufgehört hatte, faschistisch zu sein, stellte sich heraus, dass die deutsche Kommunistische Partei eine sozialfaschistische Position einnahm. Die Zeit war endgültig gekommen, dass Stalins Sozialfaschismustheorie Fleisch und Blut annahm.

Auf den ersten Blick schien das Verhalten der französischen und englischen Sektion in der Kommunistischen Internationale diametral entgegengesetzt zu sein. Im Gegensatz zu den Deutschen waren sie gezwungen, ihre eigene Regierung anzugreifen. Aber dieser plötzliche Defätismus war nicht Internationalismus, sondern eine verzerrte Spielart des Patriotismus – diese Herren halten den Kreml, von dem ihr Wohlergehen abhängt, für ihr Vaterland. Viele der französischen Stalinisten verhielten sich fraglos mutig unter der Verfolgung. Aber der politische Inhalt dieses Mutes wurde besudelt durch ihre beschönigende Darstellung der räuberischen Politik des feindlichen Lagers. Was müssen die französischen Arbeiter von ihnen halten?

Revolutionäre Internationalisten wurden von der Reaktion immer als feindliche Agenten dargestellt. Die Komintern schuf für ihre französische und englische Sektion eine Situation, die den eigentlichen Gründen für eine solche Anklage Vorschub leistete und so die Arbeiter verstärkt in das patriotische Lager trieb oder sie der Verwirrung und Passivität preisgab.

Die Politik des Kreml ist simpel: Er verkaufte Hitler die Komintern neben Öl und Mangan. Aber die kindische Ergebenheit, mit der sich diese Leute verkaufen lassen, zeugt unwiderlegbar von der internationalen Korruption der Komintern. Weder Prinzipien noch Ehre noch Gewissen bleiben den Kreml–Agenten – sondern nur ein biegsames Rückgrat. Aber Leute mit einem biegsamen Rückgrat haben noch nie eine Revolution angeführt.

Stalins Freundschaft mit Hitler wird nicht ewig dauern, ja nicht einmal für irgendeinen Zeitraum. Bevor unser Manifest die Massen erreicht, kann die Außenpolitik des Kreml schon einen neuen Schwenk machen. In diesem Falle würde sich auch der Charakter der Komintern-Propaganda ändern. Falls es den Kreml zu den Demokratien zieht, wird die Komintern wieder einmal mal das Braune Buch der nationalsozialistischen Verbrechen aus den Regalen graben. Aber das heißt nicht, dass ihre Propaganda einen revolutionären Charakter annimmt. Mit veränderten Etiketten wird sie so kriecherisch wie vorher bleiben. Revolutionäre Politik verlangt vor allem, dass den Massen die Wahrheit gesagt wird. Aber die Komintern lügt systematisch. Wir wenden uns an die Werktätigen der Welt und sagen: Glaubt den Lügnern nicht!

 

 

Die Sozialdemokraten und die Stalinisten in den Kolonien

Parteien, die an. die Ausbeuter gebunden und an Privilegien interessiert sind, sind von Grund auf unfähig, eine ehrliche Politik in bezug auf die am meisten ausgebeuteten Schichten der Werktätigen und die unterdrückten Völker zu betreiben. Die Physiognomie der II. und III. Internationale zeigt sich daher mit besonderer Klarheit an ihrer Haltung gegenüber den Kolonien.

In ihrer Rolle als Anwalt der Sklavenhalter und als ein Teilhaber an den Sklavereiprofiten hat die II. Internationale keine eigenen Sektionen in den Kolonien, wenn wir gelegentliche Gruppen Kolonialbeamter, vornehmlich französische Freimaurer und „linke“ Karrieristen im allgemeinen, die auf dem Rücken der eingeborenen Bevölkerung sitzen, außer acht lassen. Indem die II. Internationale günstigerweise die unpatriotische Vorstellung, die Kolonialbevölkerung gegen das „demokratische Vaterland“ aufzuwiegeln, aufgegeben hat, hat sie für sich das Vorrecht gewonnen, die Bourgeoisie mit Ministern für die Kolonien, d. h. mit Sklaventreibern (Sidney Webb, Maurius Moutet, und andere) zu versorgen.

Innerhalb einer kurzen Zeitspanne hat sich die III. Internationale die mit einem mutigen revolutionären Appell an alle unterdrückten Völker begann, ebenfalls völlig in der Kolonialfrage prostituiert. Gar nicht so viele Jahre zuvor, als Moskau eine günstige Gelegenheit für eine Allianz mit den imperialistischen Demokratien sah, trieb die Komintern die Losungen der nationalen Befreiung nicht nur für Albanien und Abessinien, sondern auch für Österreich voran, Aber bei den Kolonien Britanniens und Frankreichs beschränkte sie sich darauf, Wünsche. nach „vernünftigen“ Reformen zu äußern. In dieser Zeit verteidigte die Komintern die Inder nicht gegen Großbritannien. sondern gegen mögliche Angriffe durch Japan und Tunis gegen die Klauen Mussolinis. Jetzt hat sich die Situation abrupt geändert. Vollständige Unabhängigkeit für Indien, Ägypten, Algerien! – Dimitroff wird nicht weniger akzeptieren. Araber und Neger haben ihren besten Freund wieder einmal in Stalin gefunden, ohne natürlich Mussolini und Hitler mit zuzählen. Die deutsche Sektion der Komintern verteidigt mit der für diese Parasitenbande charakteristischen Unverschämtheit Polen und die Tschechoslowakei gegen die Machenschaften des britischen Imperialismus. Diese Leute sind zu allem fähig und bereit! Mit einem neuen Schwenk in der Orientierung des Kreml hin zu den westlichen Demokratien werden sie wieder London und Paris höflichst ersuchen, ihren Kolonien liberale Reformen zu gewähren.

Im Gegensatz zur II. Internationale übt die Komintern dank ihrer großen Tradition einen unbestreitbaren Einfluss in den Kolonien aus. Aber ihre gesellschaftliche Basis hat sich parallel zu ihrer politischen Entwicklung geändert. Gegenwärtig stützt sich die Komintern in Ländern mit Kolonialcharakter auf diejenige Schicht, die die traditionelle Basis der II. Internationale in den Metropolen ist. Die Krumen seiner Superprofite ermöglichten es dem Imperialismus, den Anschein einer einheimischen Arbeiteraristokratie in den Kolonial– und Halbkolonialländern zu schaffen. Unbedeutend im Vergleich zu ihrem Prototyp in den Metropolen hebt sie sich jedoch deutlich vom Hintergrund der allgemeinen Armut ab und hält die Hand fest auf ihre Privilegien. Die Arbeiterbürokratie und -aristokratie der kolonialen und halbkolonialen Länder liefert zusammen mit den Staatsbeamten den „Freunden“ des Kreml besonders kriecherische Rekruten. In Lateinamerika ist einer der widerlichsten Repräsentanten dieses Typs der mexikanische Anwalt Lombardo Toledano, dessen vertrauliche Dienste der Kreml damit belohnte, dass er ihn auf den dekorativen Posten des Vorsitzenden des Lateinamerikanischen Gewerkschaftsbundes hob.

Indem der Krieg die Fragen des Klassenkampfes offen aufwirft, schafft er für diese Betrüger und Wetterfahnen eine zunehmend schwierige Position, die wahre Bolschewiken nützen müssen, um die Komintern für immer aus den Kolonialländern zu fegen.

 

 

Zentrismus und Anarchismus

Indem der Krieg alles Bestehende auf die Probe stellt und alles Verrottete beiseite wirft, stellt er eine tödliche Gefahr für die überlebten Internationalen dar, Ein beträchtlicher Teil der Kominternbürokratie wird sich, besonders im Fall von Umschwüngen in der Sowjetunion, sicherlich seinem eigenen imperialistischen Vaterland zuwenden. Die Arbeiter dagegen werden sich mehr und mehr nach links bewegen. Unter solchen Bedingungen sind Spaltungen und Brüche unvermeidlich. Eine Anzahl von Symptomen weist auch auf die Möglichkeit hin, dass der „linke“ Flügel der II. Internationale sich losreißen wird. Zentristische Gruppierungen verschiedenen Ursprungs werden verschmelzen, zerbrechen, neue „Fronten“, „Lager“ etc. bilden. Unsere Epoche wird jedoch enthüllen, dass für sie der Zentrismus nicht tragbar ist. Die pathetische und tragische Rolle, die die POUM in der spanischen Revolution spielte, wird im Gedächtnis des fortgeschrittenen Proletariats immer als schreckliche Erinnerung bleiben.

Aber die Geschichte liebt Wiederholungen. Die Möglichkeit erneuter Versuche, eine internationale Organisation nach dem Vorbild der II½. Internationale, oder diesmal nach dem der III¼. Internatonale aufzubauen, ist nicht ausgeschlossen. Derartige Anfänge verdienen nur insofern Aufmerksamkeit, als sie Reflexionen weitaus schwerwiegenderer Prozesse sind, die in der Arbeiterklasse stattfinden. Aber man kann mit Sicherheit im voraus feststellen, dass die zentristischen „Fronten“, „Lager“ und „Internatonalen“ die weder theoretische Grundlagen, noch eine revolutionäre Tradition, noch ein fertiges Programm haben, nur von kurzlebiger Natur sind. Wir werden ihnen mit gnadenlosen Kritik an ihrer Unentschlossenheit und Halbherzigkeit helfen.

Diese Skizzierung des Bankrotts der alten Organisationen der Arbeiterklasse wäre unvollständig, wenn wir den Anarchismus nicht erwähnen würden. Sein Niedergang stellt das unstrittigste Phänomen unserer Zeit dar. Sogar vor dem ersten imperialistischen Kriege gelang es den französischen Anarcho–Syndikalisten, zu den schlimmsten Opportunisten und den unmittelbaren Dienern der Bourgeoisie zu werden. Im letzten Krieg zeigten sich die meisten der internationalen Anarchistenführer als Patrioten. In der Hitze des Bürgerkrieges in Spanien übernahmen die Anarchisten Posten als Minister der Bourgeoisie. Die anarchistischen Phrasendrescher lehnten den Staat solange ab, wie er sie nicht braucht. In der Stunde der Gefahr werden sie wie die Sozialdemokraten zu Agenten der Kapitalistenklasse.

Die Anarchisten kamen in den jetzigen Krieg ohne Programm, ohne einzige Idee und mit einer Fahne, die beschmutzt war von ihrem Verrat am spanischen Proletariat. Heute sind sie unfähig, irgend etwas in die Reihen der Arbeiter zu tragen, außer patriotische Demoralisierung gewürzt mit humanitärem Gewimmer. Im Suchen einer Annäherung an die anarchistischen Arbeiter, die wirklich bereit sind, für die Interessen ihrer Klasse zu kämpfen, werden wir gleichzeitig fordern, dass sie einen totalen Bruch mit jenen Führern vollziehen, die sowohl im Krieg als auch in der Revolution der Bourgeoisie als Botengänger dienen.

 

 

Die Gewerkschaften und der Krieg

Während die Magnaten des Monopolkapitalismus über den offiziellen Organen der Staatsmacht stehen und sie von hoch oben kontrollieren, trippeln die opportunistischen Gewerkschaftsführer um den Fußschemel der Staatsmacht und schaffen unter den arbeitenden Massen Stützen für sie. Es ist unmöglich, diese lausige Arbeit zu verrichten, solange die Arbeiterdemokratie innerhalb der Gewerkschaften aufrechterhalten wird. Das Regime in den Gewerkschaften, das dem Vorbild des Regimes des bürgerlichen Staates folgt, wird immer autoritärer. In Kriegszeiten wird die Gewerkschaftsbürokratie innerhalb der Arbeiterklasse zweifellos zur Militärpolizei des Armeegeneralstabes.

Aber kein Dienstleiter wird sie retten. Der Krieg bringt den jetzigen reformistischen Gewerkschaften Tod und Verderben. Jene Gewerkschafter, die in der Blüte ihres Lebens stehen, werden für das Blutbad aufgeboten. An ihre Stelle treten Jungen, Frauen und alte Männer, d. h. jene, die am wenigsten zum Widerstand fähig sind. Alle Länder werden am Ende des Krieges dermaßen ruiniert sein, dass der Lebensstandard für die Arbeiter um hundert Jahre zurückgeschraubt sein wird. Reformistische Gewerkschaften sind nur unter dem Regime der bürgerlichen Demokratie möglich. Aber das erste, was im Krieg niedergeworfen wird, wird die durch und durch verfaulte Demokratie sein. In ihrem endgültigen Zusammenbruch wird sie all diejenigen Arbeiterorganisationen mit sich ziehen, die sie unterstützt haben. Es wird kein Platz für reformistische Gewerkschaften sein. Die kapitalistische Reaktion wird sie unbarmherzig zerstören. Es ist notwendig, die Arbeiter sofort und für jeden laut genug zu warnen.

Eine neue Epoche verlangt neue Methoden. Neue Methoden verlangen neue Führer. Es ist nur auf eine Art möglich, die Gewerkschaften zu retten: Indem man sie zu Kampforganisationen macht, die sich den Sieg über die kapitalistische Anarchie und das imperialistische Banditentum zum Ziel setzen. Die Gewerkschaften werden eine überragende Rolle beim Aufbau der sozialistischen Wirtschaft spielen, aber die Vorbedingung dafür ist der Sturz der Kapitalistenklasse und die Nationalisierung der Produktionsmittel. Die Gewerkschaften können ihrer Verschüttung unter den Ruinen des Krieges nur entrinnen, wenn sie den Weg der sozialistischen Revolution nehmen.

 

 

Die IV. Internationale

Die proletarische Vorhut ist der unversöhnliche Feind des imperialistischen Krieges. Aber sie hat keine Angst vor diesem Krieg. Sie akzeptiert die vom Klassenfeind gewählte Arena. Sie betritt diese Arena mit ihren wehenden Fahnen.

Die IV. Internationale ist die einzige Organisation, die den allgemeinen Gang der Ereignisse korrekt voraussagte, die die Unvermeidlichkeit einer neuen imperialistischen Katastrophe voraussah, die den pazifistischen Schwindel der bürgerlichen Demokraten und kleinbürgerlichen Abenteurer der stalinistischen Schule entlarvte, die gegen die Politik der Klassenkollaboration namens „Volksfront“ kämpfte, die die verräterische Rolle der Komintern und Anarchisten in Spanien anprangerte, die unversöhnlich die zentristischen Illusionen der POUM kritisierte, die fortfuhr, ihre Kader unaufhörlich im Geist des revolutionären Klassenkampfes zu stählen. Unsere Politik im Krieg ist nur eine konzentrierte Weiterführung unserer Politik im Frieden.

Die IV. Internationale stützt ihr Programm auf die granitenen theoretischen Grundlagen des Marxismus. Sie weist den verachtenswerten Eklektizismus zurück, der jetzt in den Reihen der offiziellen Arbeiterbürokratie der verschiedenen Lager herrscht und der nur allzu oft als Deckmantel für die Kapitulation vor der bürgerlichen Demokratie dient. Unser Programm ist in einer Serie jedem zugänglicher Dokumente formuliert. Sein Kernpunkt kann in zwei Worten zusammengeführt werden: Proletarische Diktatur!

 

 

Unser auf den Boden des Bolschewismus gestütztes Programm

Die IV. Internationale steht vollständig und aufrichtig auf der Grundlage der revolutionären Tradition des Bolschewismus und seiner Organisationsmethoden. Lasst die kleinbürgerlichen Radikalen gegen den Zentralismus jammern. Ein Arbeiter, der einmal an einem Streik beteiligt war, weiß, dass ohne Disziplin und straffe Führung kein Kampf möglich ist. Unsere ganze Epoche ist durchdrungen vom Geist des Zentralismus. Der Monopolkapitalismus hat die wirtschaftliche Zentralisierung an ihre äußerste Grenze gebracht. Der Staatszentralismus in .der Maske des Faschismus hat einen totalitären Charakter angenommen. Die Demokratien versuchen mehr und. mehr diesem Vorbild nachzueifern. Die Gewerkschaftsbürokratie verteidigt gnadenlos ihre mächtige Maschinerie. Die II. und die III. Internationale benutzen schamlos den Staatsapparat in ihrem Kampf gegen die Revolution. Unter diesen Bedingungen besteht die grundlegende Garantie des Erfolges darin, dem Zentralismus der Reaktion den revolutionären Zentralismus entgegenzusetzen. Es is unerlässlich, eine Organisation der proletarischen Vorhut zu haben, die durch eiserne Disziplin zusammengeschweißt ist, eine ehrliche Auswahl gestählter Revolutionäre, die zur Selbstaufopferung bereit und. von einem unbezwingbaren Willen zum Sieg beseelt sind. Die Offensive systematisch und sorgfältig vorzubereiten und ohne Zögern die ganze Kraft der Klasse auf das Schlachtfeld werfen, wenn die Stunde der Entscheidung schlägt – nur eine zentralisierte Partei, die selbst nicht zögert, ist fähig, das die Arbeiter zu lehren.

Nichtssagende Skeptiker erfreuen sich daran, die Degeneration des bolschewistischen Zentralismus zum Bürokratismus anzuführen. Als wenn der ganze Verlauf der Geschichte von der Struktur einer Partei abhinge. Es ist eine Tatsache, dass das Schicksal einer Partei vom Verlauf des Klassenkampfs abhängt. Auf jeden Fall war die bolschewistische Partei die einzige Partei, die durch Taten ihre Fähigkeit bewies, die proletarische Revolution durchzuführen. Genauso eine Partei braucht jetzt das internationale Proletariat. Wenn das bürgerliche Regime straffrei aus dem Krieg hervorgeht, wird die revolutionäre Partei eine Degeneration erfahren. Wenn die proletarische Revolution siegt, werden die Bedingungen, die eine Degeneration hervorrufen, verschwinden.

Unter den Bedingungen der triumphierenden Reaktion, der Massendesillusionierung und Massenmüdigkeit, in einer von der üblen Zersetzung der traditionellen Organisationen der Arbeiterklasse vergifteten politischen Atmosphäre, inmitten einem Berg von Schwierigkeiten und Hindernissen, schreitet die Entwicklung der IV. Internationale notwendigerweise langsam voran. Isolierte und auf den ersten Blick viel umfassendere und vielversprechendere Versuche, den linken Flügel zu einen, wurden mehr als einmal von den Zentristen unternommen, die geringschätzig auf unsere Bemühungen herabsahen. Alle diese überheblichen Versuche zerfielen jedoch zu Staub, ehe die Massen auch nur Gelegenheit hatten, sich ihre Namen zu merken. Nur die IV. Internationale schwimmt mit Hartnäckigkeit, Ausdauer und wachsendem Erfolg weiter geben den Strom.

 

 

Wir haben der Probe standgehalten!

Das, was eine wahre revolutionäre Organisation charakterisiert, ist vor allem die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre politische Linie bei jeder neuen Wende der Ereignisse ausarbeitet und überprüft. Der Zentralismus wird fruchtbar durch die Demokratie. Im Feuer des Krieges diskutieren unsere Sektionen leidenschaftlich alle Fragen der proletarischen Politik, sie prüfen Positionen und erteilen dabei jenen wankelmütigen Elementen eine Abfuhr die sich uns nur wegen ihrer Opposition zur II. und III. Internationale angeschlossen haben. Die Trennung von unzuverlässigen Mitläufern stell die unvermeidbaren Unkosten bei der Bildung einer wahren revolutionären Partei dar.

Die überwältigende Mehrheit unserer Genossen in verschiedenen Ländern hat der ersten Prüfung durch den Krieg standgehalten. Diese Tatsache ist von unschätzbarer Bedeutung für die Zukunft der IV. Internationale. Jedes einfache Mitglied unserer Organisation ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich in Zukunft als ein Offizier der revolutionären Armee zu betrachten, die im Feuer der Ereignisse geschaffen werden wird. Der Eintritt der Massen in die revolutionäre Arena wird sofort die Bedeutungslosigkeit der opportunistischen, pazifistischen und zentristischen Programme entlarven. Ein einzelner wahrer Revolutionär in einer Fabrik, einer Mine, einer Gewerkschaft, einem Regiment, auf einem Kriegsschiff, ist unendlich mehr wert als Hunderte von kleinbürgerlichen Pseudorevolutionären, die in ihrem eigenen Saft schmoren.

Den Politikern des Großbürgertums gelingt es weitaus besser, sich an der Rolle der IV. Internationale zu orientieren, als unseren kleinbürgerlichen Pedanten. Am Vorabend des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen waren sich der französische Botschafter Coulondre und Hitler, die sich während ihres letzten Interviews gegenseitig mit den Konsequenzen des Krieges zu erschrecken versuchten, darüber einig, dass der „einzige wirkliche Sieger“ die IV. Internationale sein würde. Seit Beginn der Feindseligkeiten gegen Polen brachten die größeren Zeitungen in Frankreich, Dänemark und anderen Ländern Meldungen, die besagten, dass in den Arbeitervierteln in Berlin Plakate an den Wänden erschienen mit der Aufschrift: „Nieder mit Stalin! Lang lebe Trotzki!“ Das bedeutet: „Nieder mit der III. Internationale! Lang lebe die IV. Internationale!“ Als von den entschlosseneren Arbeitern und Studenten Prags am Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit eine Demonstration organisiert wurde, veröffentlichte der „Protektor“ Baron Neurath eine offizielle Erklärung, die die tschechischen „Trotzkisten“ für diese Demonstration verantwortlich machte. Die Leserbriefe aus Prag, die in der von Benes, dem ehemaligen Präsidenten der tschechoslowakischen Republik, herausgegebenen Zeitung erscheinen, bestätigen die Tatsache, dass die tschechischen Arbeiter „Trotzkisten“ werden. All das sind bis jetzt nur Symptome. Aber sie zeigen unmissverständlich die Richtung der Entwicklung an. Die neue Arbeitergeneration, die der Krieg auf den Weg der Revolution zwingen wird, wird sich hinter unserer Fahne sammeln.

 

 

Die proletarische Revolution

Die Grundbedingungen für den Sieg der proletarischen Revolution sind durch historische Erfahrung aufgestellt und theoretisch geklärt worden: 1. die ausweglose Situation des bürgerlichen Staaten und die daraus resultierende Verwirrung der herrschenden Klasse; 2. die heftige Unzufriedenheit und die Anstrengung in Richtung entscheidender Veränderung in den Reihen des Kleinbürgertums, ohne dessen Unterstützung die Bourgeoisie sich nicht halten kann; 3. das bewusste Erkennen der unerträglichen Situation und die Bereitschaft zu revolutionären Handlungen in den Reihen des Proletariats; 4. ein klares Programm und eine feste Führung der proletarischen Avantgarde – das sind die vier Bedingungen für den Sieg der proletarischen Revolution. Der Hauptgrund für das Scheitern vieler Revolutionen wurzelt in der Tatsache, dass diese vier Bedingungen kaum den notwendigen Reifegrad zu ein und derselben Zeit erreichen. In der Geschichte war nicht selten der Krieg die Mutter der Revolution, eben weil er veraltete Regime bis zu ihren Grundfesten erschüttert, die herrschende Klasse schwächt und das Anwachsen der revolutionären Empörung innerhalb der unterdrückten Klassen beschleunigt.

Die Verwirrung der Bourgeoisie, die Beunruhigung und Unzufriedenheit der Volksmassen sind nicht nur in den kriegführenden, sondern auch in den neutralen Ländern bereits stark; diese Phänomene werden sich mit jedem weiteren Monat des Krieges verstärken. Es ist wahr, in den letzten zwanzig Jahren erlitt das Proletariat eine Niederlage nach der anderen, jede schwerwiegender als die vorhergehende, verlor es seine Illusionen in seine alten Parteien und wurde in einer depressiven Stimmung mit dem Krieg konfrontiert. Man sollte jedoch die Stabilität und Beständigkeit solcher Stimmungen nicht überschätzen. Ereignisse verursachten sie, Ereignisse werden sie zerstreuen.

Sowohl der Krieg als auch die Revolution werden in erster Linie von der jüngeren Generation gemacht. Millionen Jugendliche können nicht in die Industrie, beginnen ihr Leben als Arbeitslose und bleiben daher außerhalb des politischen Lebens. Sie finden heute ihren Platz oder werden ihn bald finden: Der Staat organisiert sie in den Regimentern und eröffnet ihnen eben deshalb die Möglichkeit zu ihrer revolutionären Einigung. Zweifelsohne wird der Krieg auch die ältere Generation aus ihrer Apathie aufrütteln.

 

 

Das Problem der Führung

Es bleibt die Frage der Führung, Wird die Revolution nicht auch diesmal betrogen werden, insofern als zwei Internationalen im Dienste des Imperialismus stehen, wohingegen die wahren revolutionären Elemente eine kleine Minderheit darstellen? Mit anderen Worten: werden wir Erfolg haben, mit der rechtzeitigen Vorbereitung einer Partei, die fähig ist, die proletarische Revolution zu führen? Um diese Frage korrekt zu beantworten, müssen wir sie korrekt stellen. Natürlich, dieser oder jener Aufstand mag zu einem Ende kommen, und er wird ganz sicher in einer Niederlage enden, an der die Unreife der revolutionären Führung schuld sein wird. Aber es ist nicht die Frage eines einzelnen Aufstands. Es ist die Frage einer ganzen revolutionären Epoche.

Für die kapitalistische Welt gibt es keinen Ausweg, es sei denn, man betrachtet einen hinausgezögerten Todeskampf als einen solchen. Es ist notwendig, sich auf lange Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, des Krieges, der Aufstände, kurzer Atempausen neuer Kriege und neuer Aufstände vorzubereiten. Eine junge revolutionäre Partei muss sich auf diese Perspektive gründen. Die Geschichte wird ihr genug Gelegenheiten und Möglichkeiten liefern, sich zu prüfen, Erfahrungen zu sammeln und zu reifen. Je rascher sich die Reihen der Vorhut zusammenschließen, desto mehr wird die Epoche der blutigen Erschütterungen verkürzt, desto weniger Zerstörung wird unser Planet erleiden. Aber das große historische Problem wird auf keinen Fall gelöst werden, bevor nicht eine revolutionäre Partei an der Spitze des Proletariats steht. Die Frage des Tempos und der Zeitintervalle ist von enormer Bedeutung; aber sie ändert weder die allgemeine historische Perspektive noch die Richtung unserer Politik. Die Schlussfolgerung ist einfach: Es ist notwendig, die Arbeit der Erziehung und Organisierung der proletarischen Avantgarde mit zehnfacher Energie weiterzutreiben. Genau darin liegt die Aufgabe der IV. Internationale.

Der größte Fehler wird von denjenigen begangen, die bei dem Versuch, pessimistische Schlussfolgerungen zu rechtfertigen, einfach auf die traurigen Konsequenzen des letzten Krieges verweisen. In erster Linie schenkte der letzte Krieg der Oktoberrevolution das Leben, von deren Lehren die Arteiterbewegung der ganzen Welt lebt. In zweiter Linie unterscheiden sich die Bedingungen des jetzigen Krieges gründlich von den Bedingungen von 1914. Die wirtschaftliche Stellung der imperialistischen Staaten, einschließlich der Vereinigten Staaten, ist heute unendlich schlechter, und die zerstörerische Kraft des Krieges ist unendlich größer, als es vor einem Vierteljahrhundert der Fall war. Es besteht daher ein ausreichender Grund, diesmal eine viel schnellere und viel entschiedenere Reaktion auf Seiten der Arbeiter und der Armee zu erwarten.

Die Erfahrung des ersten Krieges ging nicht ohne einen tiefen Eindruck auf die Massen vorüber, Die II. Internationale zog ihre Stärke aus den noch fast unberührten demokratischen und pazifistischen Illusionen der Massen. Die Arbeiter hofften ernsthaft, dass der Krieg von 1914 der letzte Krieg sein würde. Die Soldaten ließen es zu, getötet zu werden, um ihren Kindern ein neuerliches Gemetzel zu ersparen. Nur dank dieser Hoffnung hatten die Menschen dem Krieg für mehr als vier Jahre standhalten können. Heute ist fast nichts mehr von den demokratischen und pazifistischen Illusionen übrig. Die Völker erdulden den jetzigen Krieg ohne länger an ihn zu glauben, ohne mehr als neue Ketten von ihm zu erwarten. Das betrifft auch die totalitären Staaten. Die ältere Generation der Arbeiter, die auf ihrem Rücken die Last des ersten imperialistischen Krieges trug und die seine Lektionen nicht vergessen hat, ist noch lange nicht aus der Arena entfernt. In den Ohren der mittleren Generation, die während der Kriegszeit zur Schule ging, klingen noch immer die trügerischen Patriotismus- und Pazifismusparolen. Die unschätzbare politische Erfahrung dieser Schichten, die jetzt vom Gewicht der Kriegsmaschinerie zerquetscht werden, wird. mit voller Macht zu Tage treten, wenn der Krieg die werktätigen Massen zwingt, sich offen gegen ihre Regierungen zu stellen.

 

 

Sozialismus oder Sklaverei

Unsere Thesen Der Krieg und die IV. Internationale (1934) erklären: „Die Entlarvung des durch und durch reaktionären, verfaulten und räuberischen Charakters des momentanen Kapitalismus, die Zerstörung von Demokratie, Reformismus und Pazifismus, das dringende und brennende Bedürfnis des Proletariats, einen sicheren Weg aus der drohenden Katastrophe zu finden, setzt mit erneuter Macht die internationale Revolution auf die Tagesordnung.“

Es handelt sich heute nicht länger um die einfache Garantie einer schnelleren und gesünderen Entwicklung des Wirtschaftslebens, wie es im 19. Jahrhundert der Fall war: Heute geht es um die Rettung der Menschheit vor dem Selbstmord. Es ist genau die Schärfe des historischen Problems, die den opportunistischen Parteien den Boden unter den Füssen entzieht. Die Partei der Revolution dagegen findet eine Quelle von unerschöpflicher Kraft in dem Bewusstsein der Tatsache, dass sie eine unerbittliche historische Notwendigkeit in die Tat umsetzt.

Überdies ist es unzulässig, die gegenwärtige revolutionäre Avantgarde auf eine Ebene zu stellen mit jenen Internationalisten, die ihre Stimmen beim Ausbruch des letzten Krieges erhoben. Zu der Zeit stellte nur die russische Partei der Bolschewiki eine revolutionäre Kraft dar. Aber sogar der überwältigenden Mehrheit dieser Partei, mit Ausnahme einer kleinen emigrierten Gruppe um Lenin, gelang es nicht, sich aus ihrer nationalen Beschränktheit zu lösen und sich zur Perspektive der Weltrevolution zu erheben.

Die IV. Internationale hat zahlenmäßig und besonders in der Vorbereitung unbegrenzte Vorteile gegenüber ihren Vorgängern zu Beginn des letzten Krieges. Die IV. Internationale ist der direkte Erbe des in Blüte stehenden Bolschewismus. Die IV. Internationale hat die Tradition der Oktoberrevolution in sich aufgenommen und hat die Erfahrung der ergiebigsten historischen Periode zwischen den beiden imperialistischen Kriegen zur Theorie umgewandelt. Sie hat Vertrauen in sich und in ihre Zukunft.

Rufen wir uns noch einmal ins Gedächtnis, dass der Krieg die politische Entwicklung enorm beschleunigt. Jene großen Aufgaben, die gestern noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vorauszuliegen schienen, können sich bereits in den nächsten zwei oder drei Jahren und noch früher drohend vor uns erheben. Programme, die auf den üblichen gewohnten Bedingungen der Friedenszeit basieren, werden unvermeidlich in der Luft hängen. Auf der anderen Seite wird das Programm von Übergangsforderungen der IV. Internationale, das kurzsichtigen Politikern so „unwirklich“ erschien, im Prozess der Mobilisierung der Massen für die Ergreifung der Staatsmacht seine volle Bedeutung enthüllen.

Am Beginn der neuen Revolution werden sich Opportunisten wieder einmal bemühen, wie sie es vor einem Vierteljahrhundert taten, die Arbeiter mit dem Gedanken zu erfüllen, dass es unmöglich ist, den Sozialismus auf Ruinen und Verwüstung auf zubauen. Als ob dem Proletariat eine Wahl offenstände! Es ist notwendig, auf den Grundlagen zu bauen, die die Geschichte schafft. Die russische Revolution zeigte, dass eine Arbeiterregierung sogar ein sehr rückständiges Land aus der tiefsten Armut herausholen kann. Umso großartiger sind die Wundertaten, die vor dem Proletariat der fortgeschrittenen Länder liegen. Der Krieg zerstört Gebäude, Eisenbahnlinien, Fabriken. Minen; aber er kann nicht die Technologie, die Wissenschaft, die Fertigkeiten zerstören. Nachdem das Proletariat seinen eigenen Staat geschaffen, seine eigenen Reihen korrekt organisiert, von dem bürgerlichen Regime hinterlassenen qualifizierte Kräfte in die Arbeit einbezogen und die Produktion nach einem einheitlichen Plan organisiert hat, wird es nicht nur innerhalb weniger Jahre alles. vom Krieg zerstörte wieder aufbauen, sondern auch Bedingungen für das großartigste Aufblühen der Kultur auf der Basis der Solidarität schaffen.

 

 

Was tun?

Dieses Manifest wird von der Notkonferenz der IV. Internationale in einem Augenblick angenommen, in dem die deutschen Armeen nach der Überwältigung Hollands und Belgiens und dem Niederschlagen des Anfangswiderstandes der alliierten Truppen wie eine Feuerwand auf Paris und den Kanal zurollen. In Berlin beeilt man sich bereits, den Sieg zu feiern. Im Lager der Alliierten herrscht eine Alarmstimmung, die einer Panik zustrebt. Wir haben hier weder die Möglichkeit noch das Bedürfnis, uns in strategische Spekulationen über die nächsten Stufen des Krieges zu verwickeln. Hitlers gewaltige Übermacht ist dabei, dem politischen Erscheinungsbild der ganzen Welt ihren Stempel aufzudrücken.

„Aber ist bei den jetzigen Bedingungen die Arbeiterklasse nicht verpflichtet, den Demokratien in ihrem Kampf gegen den deutschen Faschismus zu helfen?“ So wird von breiten kleinbürgerlichen Kreisen gefragt, für die das Proletariat immer nur ein Hilfswerkzeug der einen oder anderen Fraktion der Bourgeoisie bleibt. Wir lehnen diese Politik mit Empörung ab. Natürlich besteht ein Unterschied zwischen den politischen Regimes in der bürgerlichen Gesellschaft, genauso wie es einen Unterschied im Komfort zwischen den verschiedenen Wagen eines Zuges gibt. Aber wenn der ganze Zug dabei ist, in einen Abgrund zu stürzen, verschwindet der Unterschied zwischen der niedergehenden Demokratie und dem mörderischen Faschismus angesichts des Zusammenbruchs des gesamten kapitalistischen Systems.

Durch seine Siege und Bestialitäten provoziert Hitler natürlich den scharfen Hass der Arbeiter in der ganzen Welt. Aber zwischen diesem berechtigten Hass der Arbeiter einerseits und dem Gewähren von Hilfe an seine schwächeren, aber nicht weniger reaktionären Feinde andererseits, besteht eine unüberbrückbare Kluft. Der Sieg der Imperialisten Großbritanniens und Frankreichs wäre nicht weniger fürchterlich für das endgültige Schicksal der Menschheit als der Sieg von Hitler und Mussolini. Die bürgerliche Demokratie kann nicht gerettet werden. Indem die Arbeiter ihrer Bourgeoisie gegen den ausländischen Faschismus helfen, würden sie den Sieg des Faschismus in ihrem eigenen Land nur beschleunigen. Die von der Geschichte gestellte Aufgabe besteht nicht darin, einen Teil des imperialistischen Systems gegen einen anderen zu unterstützen, sondern darin, dem System als Ganzem ein Ende zu setzen.

 

 

Die Arbeiter müssen militärische Techniken lernen

Die Militarisierung der Massen wird jeden Tag weiter verstärkt Wir weisen den grotesken Anspruch zurück, diese Militarisierung durch leere pazifistische Proteste beiseite zu schaffen. Alle bedeutenden Fragen werden in der nächsten Epoche mit der Waffe in der Hand entschieden werden. Die Arbeiter sollten keine Angst vor Waffen haben; im Gegenteil, sie sollten lernen, sie zu gebrauchen. Revolutionäre unterscheiden sich während des Krieges nicht mehr vom Volk als im Frieden. Ein Bolschewik bemüht sich, nicht nur der beste Gewerkschafter, sondern auch der beste Soldat zu werden.

Wir wollen der Bourgeoisie nicht erlauben, nicht oder nur halt ausgebildete Soldaten im letzten Augenblick auf das Schlachtfeld zu treiben. Wir fordern, dass der Staat den Arbeitern und den Arbeitslosen unverzüglich die Möglichkeit gibt, zu lernen, wie man mit dem Gewehr, der Handgranate, dem Maschinengewehr, der Kanone, dem Flugzeug, dem U-Boot und dem anderen Kriegswerkzeug umgeht. Besondere Militärschulen in enger Verbindung mit den Gewerkschaften sind notwendig, sodass die Arbeiter fähige Spezialisten der militärischen Technik werden, die in der Lage sind, Kommandeursposten einzunehmen.

 

 

Das ist nicht unser Krieg

Gleichzeitig vergessen wir in keinem Augenblick, dass dieser Krieg nicht unser Krieg ist. Im Gegensatz zur II. und III. Internationale stützt sich die IV. Internationale und ihre Politik nicht auf die militärischen Erfolge der kapitalistischen Staaten, sondern auf die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten, auf den Sturz der herrschenden Klassen aller Länder, auf die sozialistische Weltrevolution. Veränderungen in den Kampflinien an der Front, die Vernichtung von nationalem Vermögen, die Besetzung von Gebieten, der Untergang einzelner Staaten stellen von diesem Standpunkt aus nur tragische Episoden dar auf dem Weg zum Wiederaufbau einer modernen Gesellschaft.

Unabhängig vom Verlauf des Krieges erfüllen wir unsere fundamentale Aufgabe: Wir erklären den. Arbeitern die Unvereinbarkeit zwischen ihren Interessen und den Interessen des blutrünstigen Kapitalismus; wir mobilisieren die Werktätigen gegen den Imperialismus; wir propagieren die Einheit der Arbeiter in allen kriegführenden und neutralen Ländern; wir verlangen die Verbrüderung der Arbeiter und Soldaten innerhalb eines jeden Landes und der Soldaten mit den Soldaten der gegenüberliegenden Seite der Kampffront; wir mobilisieren die Frauen und die Jugend gegen den Krieg; wir setzen die konstante, beharrliche, unermüdliche Vorbereitung auf die Revolution fort – in den Fabriken, in den Dörfern, in den Kasernen, an der Front und in der Marine.

Das ist unser Programm. Proletarier der Welt, es gibt keinen anderen Ausweg, als sich unter dem Banner der IV. Internationale zu vereinen!

 


Zuletzt aktualiziert am 20 März 2020