John Reed

Zehn Tage, die die Welt erschütterten


Beilagen zu Kapitel X


1.
Zerstörungen am Kreml

Ich besuchte den Kreml, unmittelbar nachdem er beschossen worden war, und überzeugte mich selbst von den Schäden. Der kleine Nikolaipalast, ein nicht besonders wichtiges Gebäude, in dem eine der Großfürstinnen hin und wieder einen Empfang abhielt, war von den Offiziersschülern als Kaserne benutzt worden. Er war nicht nur beschädigt, sondern ziemlich zusammengeschossen. Glücklicherweise war nichts daran von besonderem historischem Wert.

Die Uspenski-Kathedrale hatte ein Granatloch in einer der Kuppeln, aber außer ein paar Meter Mosaik an der Decke war alles andere unbeschädigt. Die Fresken in der Vorhalle der Blagoweschtschenski-Kathedrale wurden von einer Granate schwer beschädigt. Eine andere Granate traf eine Ecke des Iwan Weliki. Das Tschudowski-Kloster erhielt etwa dreißig Treffer, aber nur einer drang durch ein Fenster in das Innere, alle anderen zerbrachen nur Simse an den Fenstern und am Dach.

Die Uhr über dem Spasski-Tor wurde zerschmettert. Das Troizki-Tor wurde beschädigt, ist aber leicht zu reparieren. Einer der kleineren Türme hat sein Ziegeldach verloren.

Die Basilius-Kathedrale ist unberührt, desgleichen der große Zarenpalast mit den Schätzen aus Moskau und Petrograd im Keller und den Kronjuwelen in der Schatzkammer. Niemand ist hier eingedrungen.


2.

Vom Volkskommissar für Bildungswesen

Genossen!

... Ihr seid die jungen Herren des Landes, und obwohl ihr jetzt vieles zu bedenken und für vieles zu sorgen habt, werdet ihr auch eure Kunstwerke und euer wissenschaftliches Gut zu schützen wissen.

Genossen! über Moskau ist ein furchtbares, nicht wiedergutzumachendes Unheil hereingebrochen. Der Bürgerkrieg hat zur Beschießung vieler Stadtteile geführt. Feuersbrünste sind ausgebrochen. Es gab große Zerstörungen. Es ist unsagbar schwer, in solchen Tagen des rasenden, erbarmungslosen, vernichtenden Kriegs und der elementaren Zerstörung Kommissar für das Bildungswesen zu sein. In diesen schweren Tagen bietet nur die Hoffnung auf den Sieg des Sozialismus, der Quelle einer neuen, höheren Kultur, die uns für alles entschädigt, Tröstung. Doch auf mir liegt die Verantwortung für die Wahrung und den Schutz des künstlerischen Gutes des Volkes ...

Es ist nicht möglich, auf seinem Posten zu bleiben, wenn man ohnmächtig ist. Darum habe ich meinen Rücktritt eingereicht. [1]

Doch ich bitte euch flehentlich, Genossen, unterstützt mich, helft mir. Behütet für euch und eure Nachkommen die Schönheiten unseres Landes. Seid treue Wächter des Volksgutes.

Bald werden auch die unwissendsten Menschen, die durch die Unterdrückung solange in Finsternis gehalten wurden, aufgeklärt sein und verstehen, welche Quelle der Freude, der Kraft, der Weisheit die Kunstwerke sind.

Russisches werktätiges Volk, sei ein fürsorglicher, treusorgender Herr!

Bürger, alle, alle Bürger, hütet unseren gemeinsamen Reichtum!

16. (3.) November 1917

Der Volkskommissar für Bildungswesen
A. Lunatscharski


3.
Fragebogen für die Bourgeoisie [2]

Fragebogen


4.
Revolutionäre Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzen

Befehl

Kraft der mir vom Revolutionären Militärkomitee bei den Moskauer Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten übertragenen Vollmachten ordne ich an:

  1. Alle Banken mit ihren Zweigstellen, die Zentrale Staatliche Sparkasse mit ihren Zweigstellen und alle Sparkassen bei den Post-und Telegrafenämtern haben vom 9. November an bis auf weiteren Befehl von elf bis ein Uhr zu öffnen.
     
  2. Von Giro- und Sparkonten werden von den genannten Institutionen pro Deponenten im Laufe der nächsten Woche bis 150 Rubel frei ausgezahlt.
     
  3. Die Auszahlung von mehr als 150 Rubel in der Woche von Giro-und Sparkonten sowie die Auszahlung von allen anderen Konten jeglicher Bezeichnung wird in den nächsten drei Tagen, d.h. dem 9., 10. und 11. November, nur gestattet:
     
    a) von Konten von Truppenteilen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse;
     
    b) zur Zahlung der Gehälter an Angestellte und der Löhne an Arbeiter gemäß vom Fabrikkomitee oder von den Angestelltenräten bestätigten und durch Unterschrift der Kommissare oder Vertreter des Revolutionären Militärkomitees und der Revolutionären Militärkomitees in den Bezirken beglaubigten Listen und Tabellen.
     
  4. Auf Überweisungen werden nur 150 Rubel ausgezahlt, die übrigen Summen werden dem Konto gutgeschrieben. Auszahlungen von diesem erfolgen gemäß der durch diese Verfügung festgelegten Regelung.
     
  5. Alle anderen Aktivoperationen sind in diesen drei Tagen verboten.
     
  6. Geldeinzahlungen werden auf jedes Konto uneingeschränkt angenommen.
     
  7. Die Vertreter des Finanzrates tagen zur Bestätigung der unter Punkt 3 genannten Sonderregelungen von zehn bis vierzehn Uhr im Gebäude der Börse, in der Iljinka.
     
  8. Alle Banken und Sparkassen senden die Bilanz der Tageskasse nach Abschluß der Operationen bis fünf Uhr nachmittags in das Gebäude des Sowjets, Skobelewplatz, an die Adresse des Finanzrats beim Revolutionären Militärkomitee.
     
  9. Alle Angestellten und Leiter der verschiedenen Kreditinstitutionen, die sich weigern, dieses Dekret auszuführen, werden als Feinde der Revolution und der breiten Volksmassen vor dem revolutionären Gericht in aller Strenge zur Verantwortung gezogen. Ihre Namen werden öffentlich bekanntgegeben.
     
  10. Zur Kontrolle der Operationen der Abteilungen der Banken und Sparkassen im Rahmen dieses Dekrets wählen die Revolutionären Militärkomitees der Bezirke drei Vertreter und geben den Ort ihrer Tagungen bekannt.

Der Bevollmächtigte Kommissar des Revolutionären Militärkomitees
S. Schewerdin-Maximenko

Redaktionelle Fußnoten

1. A.W. Lunatscharski blieb auf seinem Posten als Volkskommissar.

2. Nach der Fotokopie eines Dokuments, das bei John Reed angeführt ist. Reed weist dabei darauf hin, daß auf Befehl des Moskauer Revolutionären Militärkomitees die der Bourgeoisie abgenommenen Vorräte gesammelt und an die ärmsten Arbeiter und Soldaten verteilt wurden.





Zuletzt aktualisiert am 15.7.2008