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Die Meistercompagnien bestehen aus solchen Gliedern der Gesellschaft, die eine nützliche Erfindung oder Entdeckung gemacht haben.
Sie haben in der Geschäftsordnung mit den über 1.000 Gewählten gleiches Stimmrecht.
Sie sind während der Dauer ihres Privilegiums an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden.
Sie können Commerzstunden machen wie die Uebrigen, doch muß wenigstens der dritte Theil derselben im Unterricht bestehen, den sie in den Kunst- und Gewerbeschulen geben.
Jedes Geschäft hat wo möglich eine oder mehrere Meistercompagnien, welche den Nutzen, der in selbigem Geschäft gemachten neuen Erfindung oder Entdeckung prüfen, und die Dauer des Privilegiums bestimmen.
Die Folgen dieses durch die Gesellschaft in die Gesellschaft gestreuten Privilegiums werden der Fortschritt derselben in wissenschaftlicher und industrieller Bildung und mithin die Wohlfahrt und das Glück Aller sein; denn die Vermehrung und Vervollkommnung der Kenntnisse ist die Alles belebende Seele der Gesellschaft, ohne welche für dieselbe keine Wohlfahrt möglich ist.
Der allgemeine Nutzen ist die Bedingung dieses Privilegiums. Derjenige, welcher der Gesellschaft schon Beweise von der Ueberlegenheit und nützlichen Anwendung seiner Geisteskräfte gegeben hat, kann derselben der wichtigen Dienste noch mehr leisten, und darum ist es im Interesse dieser, ihm völlige Freiheit seiner Zeitverwendung zu lassen.
Vermöge seines natürlichen Freiheitstriebes strebt der Mensch nach größtmöglichster Unbeschränktheit, und dieses Streben wird der Sporn seiner kühnsten Handlungen, und seine geistige und physische Gewalt wird der Ausdruck dieses Strebens.
Alle rohe Kraft kann aber der Gesellschaft nützlich oder schädlich werden, je nachdem man derselben eine gute oder schlechte Richtung gibt.
In einer fehlerhaft gebauten Maschine kann die sie bewegende rohe Kraft im Kessel verschlossenen Dampfes allen dabei Arbeitenden gefährlich werden.
Eben so der ungezügelte Freiheitstrieb des Menschen in einer schlecht organisirten Gesellschaft.
In unsern schlecht organisirten Gesellschaften genießen die Reichen und Mächtigen auf Unkosten der Arbeiter einer wahrhaft ungezügelten Freiheit. Das Gesetz besteht für sie fast gar nicht. Für die Verbrechen, die sie begehen, haben sie ganz andere Namen erfunden, welche nach den Gesetzen, die sie gemacht haben, entweder nicht strafbar sind, oder doch mit einer kleinen Geldsumme getilgt werden können.
Aber das ist für sie eigentlich keine Strafe; denn solchen Verlust wissen sie dem Arbeiter auf die eine oder die andere Art schon wieder aufzupacken.
Wenn euch Reichen und Mächtigen der gemeine Dieb schon ein so verächtliches Wesen ist, glaubt ihr denn, daß das Volk auf die vornehmen Diebe mit weniger Verachtung sieht?
Alles Gut, dessen ihr euch rühmt, habt ihr oder eure Vorfahren es nicht auf die eine oder die andere Weise dem Volke gestohlen? Die Contributionen und Steuern die ihr uns auferlegt, die Zinsen, die eure Kapitalien aufschwellen, die Bankerotte, die ihr macht, die falschen und kostspieligen Prozesse, die ihr uns aufhängt, sind das keine Diebereien? – Die Arbeiter, die ihr in den dumpfen Fabriken und Werkstätten vor den Jahren verblühen macht, sind das keine Morde, die ihr an der Gesellschaft verübt? – Eure Gefängnisse, Schafotte und Bajonettenheere, preligen sie nicht überall den Mord? –
Die verächtlichsten Diebe sind die, welche den Armen bestehlen; und die verächtlichsten Mörder sind die, welche den Schwachen morden.
Je mehr Jemand jetzt Macht und Geld hat, desto freier und unabhängiger ist er. Um dieses und durch dasselbe die größtmöglichste Unabhängigkeit zu erlangen, jagt man heute auf verschiedenen krummen Wegen, als: Handels- und Börsenspekulationen, Wucher, Verkäuflichkeit, Betrug u.dgl.
In einer gut organisirten Gesellschaft sind diese, die Rechte des Andern verletzenden und die Gleichheit der Gesellschaft zerstörenden Schleichwege für alle gesperrt; und nur auf der Bahn der Talente steht es Jedem frei, seinem Unabhängigkeitstriebe die Zügel schießen zu lassen.
Wer heute reich und mächtig ist hat nicht nöthig sich auf Erfindungen zu verlegen, sein Geld bringt ihm auf den krummen Wegen mehr ein. Auch ist der Unbemittelte, wenn er eine Entdeckung oder Erfindung gemacht hat, genöthigt, sich wegen Mangel der nöthigen Mittel zur Ausführung mit dem Geldmanne zu verständigen, welcher sich dann, ohne einen andern Antheil als den des dargeleihten Geldes zu haben, den größten Theil des Gewinns dafür ausbedingt.
Der Arme hat wieder die Mittel nicht, seine Kenntnisse in dem Fache auszubilden, zu welchem er die meiste Neigung hat; und findet er sich auch in einem ihm angenehmen Geschäfte, so sind seine Geisteskräfte doch nicht immer in ihrer Fülle beisammen; Nahrungssorgen, Mühen und Elend gönnen ihm des Jahres kaum einige Ruhetage.
Ganz anders ist dies im Zustande der Gütergemeinschaft; hier haben alle gleiche Erziehung und gleiche Freiheit und Mittel, ein beliebiges Geschäft zu wählen, und sich darin zu vervollkommnen: denn die Gesellschaft bietet Alles auf, um den Eifer für den Fortschritt stets rege zu erhalten.
Dazu das Erfindungspnivilegium oder der Beweis besonderen Zutrauens der Gesellschaft zu dem Individuum, ihm in Folge des ihr freiwillig erwiesenen nützlichen Dienstes die Wahl seiner Zeitverwendung selbst überlassend.
Der Zweck der freien Wahl zwischen Arbeit und Müßiggang, den dieses Privilegium ausspricht, ist, nicht letzterm zu frönen, sondern dem Privilegierten freien Spielraum zu lassen, um neue Produkte seines Scharfsinnes hervorzubringen. Hat er in der Zeit seines Privilegiums etwas Neues der Art geleistet, so wird ihm ein zweites ertheilt, wo nicht, so arbeitet er nach Verlauf desselben wieder in einem beliebigen Geschäfte.
Zuletzt aktualisiert am 16.10.2003