Rudolf Rocker

 

Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus

 

II

1. Die Ursprünge des Anarcho-Syndikalismus

Viele Anarchisten widmeten den größten Teil ihrer Aktivitäten der Arbeiterbewegung, vor allem in den lateinischen Ländern, wo die Bewegung des Anarcho-Syndikalismus ihren Ausgang nahm. Seine Theorien basieren auf den Lehren des libertären und anarchistischen Sozialismus, seine Organisationsform auf der Bewegung des revolutionären Syndikalismus, der in den Jahren von 1895 bis 1910 einen merklichen Aufschwung erfuhr, vor allem in Frankreich, Italien und Spanien. Aber seine Ideen und Methoden waren nicht neu. Sie hatten bereits in den Reihen der 1. Internationale große Resonanz gefunden, als diese den Höhepunkt ihrer theoretischen Entwicklung erreicht hatte. Das zeigte sich deutlich in den Debatten auf ihrem 4. Kongreß 1869 in Basel, der sich mit der Bedeutung der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter beschäftigte. In dem Referat über diese Frage, das Eugene Eins dem Kongreß im Namen der belgischen Föderation vorlegte, wurde zum erstenmal ein völlig neuer Gesichtspunkt angeschnitten, der eine unverkennbare Ähnlichkeit mit bestimmten Ideen von Robert Owen und der englischen Arbeiterbewegung der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts aufwies.

Um eine korrekte Bewertung dieses Tatbestandes zu geben, muß man sich daran erinnern, daß zu jener Zeit die verschiedenen Schulen des Staatssozialismus keinen, oder im besten Fall einen geringen Einfluß auf die Gewerkschaften besaßen. Die französischen Blanquisten sahen in diesen Organisationen lediglich eine Reformbewegung, mit einer sozialistischen Diktatur als unmittelbarem Ziel. Ferdinand Lassalle und seine Anhänger richteten alle Aktivitäten darauf, die Arbeiter in einer politischen Partei zusammenzufassen; sie waren ausgesprochene Gegner aller gewerkschaftlichen Kämpfe, in denen sie lediglich ein Hindernis für die politische Entwicklung der Arbeiterklasse sahen. Marx und seine Anhänger erkannten die Notwendigkeit der Gewerkschaften für die Erreichung bestimmter Verbesserungen innerhalb des kapitalistischen Systems. Sie aber glaubten, daß die Rolle der Gewerkschaften sich damit erschöpfen würde, und daß sie zusammen mit dem Kapitalismus verschwänden, da der Übergang zum Sozialismus nur durch die „Diktatur der Proletariats“ erreicht werden könne.

In Basel wurde dieser Gedanke zum erstenmal einer gründlichen und kritischen Prüfung unterzogen. Die Ansichten, die in dem Referat von Eins zum Ausdruck kamen, und die von den Delegierten Spaniens, des Schweizer Juras und dem größten Teil der französischen Sektionen geteilt wurden, basierten auf der Prämisse, daß die gegenwärtigen Ökonomischen Organisationen nicht nur eine Notwendigkeit innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaft seien. Darüber hinaus werden sie als der soziale Kern einer kommenden sozialistischen Wirtschaft angesehen. Aus diesem Grund sei es die Pflicht der Internationale, die Arbeiter für diese Aufgabe zu erziehen. In Übereinstimmung damit nahm der Kongreß folgende Resolution an: „Der Kongreß erklärt, daß alle Arbeiter sich bemühen sollten, in den verschiedenen Branchen Vereinigungen für den Widerstand einzurichten. Sobald eine Gewerkschaft aufgebaut ist, müssen die Vereinigungen derselben Branche informiert werden, so daß der Aufbau der nationalen Allianzen in der Industrie beginnen kann. Diese Allianzen werden beauftragt, alles Material ihren Industriezweig betreffend zu sammeln, mit der Beratung über Maßnahmen, die gemeinsam durchgeführt werden können, und mit deren Überwachung, und der Ersetzung des gegenwärtigen Lohnsystems durch eine Föderation der freien Produzenten. Der Kongreß beauftragt den Generalrat, für die Allianz der Gewerkschaften aller Länder zu sorgen.“

In seiner Argumentation für die vom Komitee eingebrachte Resolution erklärte Eins: „Bei dieser doppelten Form der Organisation von lokalen Arbeiter-Assoziationen und allgemeinen Allianzen für jeden Industriezweig auf der einen und der politischen Administration der Arbeiterräte auf der anderen Seite, wird für die umfassende Vertretung der Arbeit, regional, national und international, gesorgt sein. Die Räte der Branchen und industriellen Organisationen werden den Platz der gegenwärtigen Regierung einnehmen, und die Vertretung der Arbeit wird ein für allemal die Regierung der Vergangenheit beseitigen.“ Diese neue Vorstellung entsprang der Erkenntnis, daß jede neue ökonomische Gesellschaftsform von einer neuen politischen Form des sozialen Organismus begleitet sein muß und nur in ihr seinen praktischen Ausdruck finden kann.

Ihre Anhänger sahen im Nationalstaat lediglich den politischen Agenten und Verteidiger der besitzenden Klassen. Aus diesem Grunde kämpften sie nicht um die Eroberung der Macht, sondern um die Abschaffung jedes Machtsystems innerhalb der Gesellschaft, in dem sie die notwendige Bedingung für alle Tyrannei und Ausbeutung sahen. Sie meinten, daß mit dem Monopol des Eigentums auch das Machtmonopol verschwinden müsse. Ausgehend von dieser Erkenntnis, daß die Tage der Herrschaft des Menschen über den Menschen gezählt sind, versuchten sie, sich mit der Verwaltung von Sachen vertraut zu machen. Oder, wie Bakunin, einer der großen Vorläufer des Anarcho-Syndikalismus es ausdrückte: „Seit die Organisation der Internationale nicht mehr die Errichtung neuer Staaten oder die Einsetzung von Despoten zum Ziel hat, sondern die radikale Beseitigung jeder selbständigen Gewalt, muß sie einen wesentlich anderen Charakter als die Staatsorganisation besitzen. In dem Maße, wie letztere autoritär, künstlich und gewalttätig, fremd und feindlich der natürlichen Entwicklung der Interessen und Gefühle der Menschen gegenübersteht, muß die Organisation der Internationale frei, natürlich und in jeder Beziehung in Übereinstimmung mit jenen Interessen und Gefühlen stehen. Aber welcher Art ist die natürliche Organisation der Massen? Sie basiert auf der tagtäglichen Beschäftigung, gewerkschaftliche Organisation. Wenn alle Industriezweige, einschließlich der verschiedenen Zweige der Landwirtschaft, in der Internationale vertreten sind, wird die Organisation der arbeitenden Massen abgeschlossen sein.“

Oder bei einer anderen Gelegenheit: „Das praktische und grundlegende Studium der Gesellschaftswissenschaft durch die Arbeiter selbst in ihren Sektionen und ihren Arbeiterkammern wird – oder hat schon – in ihnen die einmütige, wohlüberlegte, theoretisch und praktisch fundierte Überzeugung hervorgerufen, daß die ernsthafte, vollständige Befreiung der Arbeiter nur unter einer Bedingung möglich ist: durch die Aneignung von Kapital, d.h. von Rohstoffen und allen Maschinen, inklusive Land, durch die Gesamtheit der Arbeiter ... Die Organisation der einzelnen Sektionen, ihr Zusammenschluß in der Internationale, und ihre Vertretung durch die Arbeiterkammern schaffen nicht nur eine große Bildungsstätte, in der die Arbeiter der Internationale, Theorie und Praxis verbindend, die Wirtschaftswissenschaft studieren müssen; Sie tragen auch die lebenden Keime der neuen sozialen Ordnung in sich, die die bürgerliche Welt ersetzen wird. Sie bringen nicht nur die Theorien hervor, sondern auch die zukünfigen Tatsachen ...“ Nach dem Niedergang der Internationale und dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), durch den sich das Zentrum der sozialistischen Arbeiterbewegung nach Deutschland verlagerte, dessen Arbeiter weder eine revolutionäre Tradition noch jene reiche Erfahrung aufzuweisen hatten, die die Sozialisten in den anderen westlichen Ländern besaßen, wurden diese Ideen allmählich vergessen. Nach der Niederlage der Pariser Kommune (1871) und der revolutionären Erhebungen in Spanien und Italien [12] waren die Sektionen der Internationale dieser Länder gezwungen, für viele Jahre ihre Existenz im Untergrund fortzuführen. Nur durch das Erwachen des revolutionären Syndikalismus in Frankreich wurden die Ideen und Theorien der 1. Internationale vor der Vergessenheit bewahrt und begeisterten noch einmal größere Sektionen der Arbeiterbewegung.
 

2. Sozialismus und Anarcho-Syndikalismus in Frankreich

Der moderne Anarcho-Syndikalismus ist eine direkte Fortsetzung jener sozialen Bestrebungen, die in der 1. Internationale Gestalt annahmen und die am besten durch den libertären Flügel der großen Arbeiterallianz vertreten wurden. Seine Entwicklung war die direkte Reaktion auf die Konzepte und Vorgehensweisen des politischen Sozialismus. Eine Reaktion, die sich bereits in dem großen Aufschwung der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Frankreich, Italien und besonders in Spanien manifestierte, wo die große Mehrheit der organisierten Arbeiter den Lehren des libertären Flügels der Internationale treu geblieben war.

In Frankreich fand die Opposition gegen die Theorien und Praktiken der modernen Arbeiterparteien ihren klaren Ausdruck in den Theorien und im Vorgehen des revolutionären Syndikalismus. Der unmittelbare Grund für die Entwicklung dieser neuen Tendenzen in der französischen Arbeiterbegung war die fortwährende Zersplitterung der sozialistischen Parteien dieses Landes. Alle diese Parteien sahen in den Gewerkschaften lediglich Rekrutierungsschulen für ihre politischen Ziele und besaßen keinerlei Verständnis für ihre wirklichen Funktionen. Die ständigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen sozialistischen Splitterparteien wurden auch in die Gewerkschaften hineingetragen. Es kam häufig vor, daß, wenn die Gewerkschaften einer Splitterpartei streikten, die Gewerkschaften der anderen Splitterparteien sich als Streikbrecher betätigten. Diese unhaltbare Situation öffnete den Arbeitern allmählich die Augen. So beauftragte der Gewerkschaftskongreß von Nantes (1894) einen Sonderausschuß mit der Aufgabe, Wege zu finden, um eine Verständigung unter allen Gewerkschaften zu erreichen. Das Resultat war 1895 die Gründung der CGT (Confederation Generale du Travail, Allgemeine Vereinigung der Arbeit) auf dem Kongreß in Limoges, die sich von allen politischen Parteien unabhängig erklärte. Von dem Zeitpunkt an existierten in Frankreich zwei große Gewerkschaftsgruppen, die CGT und die „Föderation der Arbeiterbörsen“. 1902, auf dem Kongreß in Montpellier, vereinigte sich letztere mit der CGT.

Man begegnet häufig der weit verbreiteten Meinung, die besonders von Werner Sombart [13] genährt wurde, daß der revolutionäre Syndikalismus in Frankreich seinen Ursprung Intellektuellen, wie Georges Sorel, [14] E. Berth und H. Lagardelle verdankt, die in der 1899 gegründeten Zeitschrift Die Sozialistische Bewegung auf ihre Weise die intellektuellen Ergebnisse der neuen Bewegung herausarbeiteten. Das ist völlig falsch. Keine dieser Personen gehörte zu dieser Bewegung. Sie hatten auch keinen spürbaren Einfluß auf die interne Entwicklung. Darüber hinaus war die CGT nicht ausschließlich aus revolutionären Syndikaten zusammengesetzt. Rund die Hälfte ihrer Mitglieder tendierte zum Reformismus und hatte sich der CGT nur deshalb angeschlossen, weil sie erkannten, daß die Abhängigkeit der Gewerkschaften von den politischen Parteien ein großes Unglück für die Bewegung bedeutete. Aber der revolutionäre Flügel, der sowohl die tatkräftigsten und aktivsten Elemente der organisierten Arbeiter als auch die brilliantesten intellektuellen Kräfte auf seiner Seite gehabt hatte, drückte der CGT seinen charakteristischen Stempel auf. Es waren diejenigen Kräfte, die die Ideenentwicklung des revolutionären Syndikalismus bestimmten. Viele kamen aus den Reihen der Anarchisten, wie Fernand Pelloutier, der hochintelligente Sekretär der Föderation der Arbeiterbörsen, Emile Pouget, der Herausgeber des offiziellen Organs der CGT Die Stimme des Volkes, P. Delesalle, G. Yvetot und viele andere. Vorwiegend unter dem Einfluß des radikalen Flügels der CGT entwickelte sich die neue Bewegung und fand ihren Ausdruck in der Charta von Amiens (1906), in der die Grundsätze und die Taktik der Bewegung niedergelegt wurden.

Diese neue Bewegung in Frankreich fand ein starkes Echo unter den romanischen Arbeitern und drang auch in andere Länder vor. Der Einfluß des französischen Syndikalismus auf größere und kleinere Sektionen der internationalen Arbeiterbewegung zu jener Zeit wurde in hohem Maß gefördert durch die interne Krise, die fast alle sozialistischen Arbeiterparteien Europas heimsuchte. Der Kampf zwischen den sog. Revisionisten und den orthodoxen Marxisten, und besonders die Tatsache, daß ihre parlamentarischen Aktivitäten die heftigsten Kritiker der Revisionisten von der Notwendigkeit überzeugte, den Pfad des Revisionismus zu beschreiten, bewog viele nachdenkliche Kräfte, ihre Lage ernsthaft zu überdenken. Sie stellten fest, daß die Teilhabe an der Politik der Nationalstaaten der Arbeiterbewegung kein bißchen näher zum Sozialismus brachte, sondern in großem Maße geholfen hatte, den Glauben an die Notwendigkeit von konstruktiven sozialistischen Aktivitäten zu zerstören. Was aber am allerschlimmsten ist: sie beraubte die Menschen ihrer Initiative, indem sie ihnen vortäuschte, daß das Heil immer von oben kommt.

Unter diesen Umständen verlor der Sozialismus mehr und mehr den Charakter eines kulturellen Ideals, das die Arbeiter auf die Vernichtung des gegenwärtigen kapitalistischen Systems vorbereiten sollte. Er konnte aus diesem Grund nicht von den künstlichen Grenzen der Nationalstaaten aufgehalten werden. Im Sinne der Führer der modernen Arbeiterparteien wurden die vermeintlichen Ziele der Bewegung mehr und mehr mit den Interessen der Nationalstaaten vermischt, bis sie zum Schluß unfähig wurden, bestimmte Grenzen wahrzunehmen, die zwischen ihnen bestehen. Es würde ein Fehler sein, hierin einen beabsichtigten Verrat der Führer zu sehen, wie es so oft behauptet wird. Die Wahrheit ist, daß wir es hier mit einer allmählichen Angleichung an die Gedankengänge und die Normen der gegenwärtigen Gesellschaft zu tun haben, die notwendigerweise die geistige Haltung der Führer der verschiedenen Arbeiterparteien in jedem Land in Mitleidenschaft ziehen müssen. Diese Parteien, die sich einst aufgemacht hatten, die politische Macht unter der Flagge des Sozialismus zu erobern, sahen sich durch die eherne Logik der Bedingungen gezwungen, ihre sozialistischen Überzeugungen der Politik der Nationalstaaten zu opfern. Die politische Macht, die sie erobern wollten, hatte allmählich ihren Sozialismus erobert, bis kaum mehr übrigblieb als der Name.
 

3. Die Rolle der Gewerkschaften aus anarcho-syndikalistischer Sicht

Dies waren die Überlegungen, die zur Entwicklung des revolutionären Syndikalismus oder Anarcho-Syndikalismus, wie er später genannt wurde, in Frankreich und anderen Ländern führten. Der Begriff Arbeitersyndikat bedeutete zuerst lediglich eine Organisation der Produzenten für die unmittelbare Verbesserung ihres ökonomischen und sozialen Status. Aber der Aufstieg des revolutionären Syndikalismus vermittelte dieser ursprünglichen Bedeutung ein wesentlich größeres Gewicht. Die Partei ist eine Organisation mit bestimmten politischen Aufgaben innerhalb der modernen Verfassungsstaaten, die die gegenwärtige Gesellschaftsordnung in der einen oder anderen Form aufrechtzuerhalten sucht. Dagegen sind aus syndikalistischer Sicht die Gewerkschaften die vereinigte Arbeiterorganisation; sie haben die Verteidigung der Produzenten in der existierenden Gesellschaft und die Vorbereitung sowie die praktische Durchführung der Rekonstruktion des gesellschaftlichen Lebens in Richtung Sozialismus zum Ziel. Die Gewerkschaften haben deshalb eine doppelte Aufgabe:

Die Anarcho-Syndikalisten sind der Meinung, daß die politischen Parteien nicht in der Lage sind, auch nur eine von diesen beiden Aufgaben zu verrichten. Nach ihren Vorstellungen sollen die Gewerkschaften die Speerspitze der Arbeiterbewegung sein, durch tägliche Kämpfe erprobt und von sozialistischem Geist durchdrungen. Denn nur im Ökonomischen Bereich sind die Arbeiter in der Lage, ihre volle Macht auszuspielen; ihre Produzentenfunktion ist es, die die gesamte soziale Struktur aufrechterhält und damit die Existenz der Gesellschaft garantiert. Nur als Produzent und Erzeuger gesellschaftlichen Reichtums kann der Arbeiter sich seiner Stärke bewußt werden. In solidarischem Zusammenschluß kann er militante Aktionen, die vom Geist der Freiheit und vom Ideal der sozialen Gerechtigkeit durchdrungen sind, durchführen. Für die Anarchosyndikalisten sind die Arbeitersyndikate die fruchtbare Keimzelle der zukünftigen Gesellschaft, die elementare Schule des Sozialismus allgemein. Jede neue soziale Struktur schafft für sich Organe im Körper des alten Organismus; ohne diese Voraussetzung ist jede soziale Evolution undenkbar. Für die Anarchosyndikalisten bedeutet sozialistische Erziehung nicht Teilnahme an der politischen Macht des Nationalstaates. Vielmehr ist es die Aufgabe der Anarchosyndikalisten, den Arbeitern die wesentlichen sozialen Probleme klarzumachen. Die Arbeiter müssen auf ihre Rolle als Umgestalter des wirtschaflichen Lebens vorbereitet werden, damit sie diese Aufgabe bewältigen können. Kein sozialer Körper ist besser für diesen Zweck geeignet als die ökonomische Kampforganisation der Arbeiter; sie gibt den sozialen Aktivitäten ein bestimmtes Ziel und stärkt die Widerstandskraft im unmittelbaren Kampf für die täglichen Bedürfnisse und die Verteidigung der Menschenrechte. Gleichzeitig entwickelt er moralische Stärke, ohne die jegliche soziale Transformation unmöglich ist: lebensnotwendige Solidarität der Betroffenen und moralische Verantwortlichkeit für alle Aktionen.

Gerade weil die Erziehungsarbeit der Anarchosyndikalisten auf die Entwicklung unabhängigen Denkens und Handelns gerichtet ist, sind sie ausgesprochene Gegner aller zentralistischen Tendenzen, die für die meisten der existierenden Arbeiterparteien charakteristisch sind. Das System des Zentralismus das von oben nach unten funktioniert, das die Verwaltungsangelegenheiten einer kleinen Minderheit überträgt, ist immer von unproduktiver bürokratischer Routine begleitet; sie tötet jegliche individuelle Initiative durch leblose Disziplin und bürokratische Verknöcherung. Für den Staat ist der Zentralismus die geeignete Organisationsform, seit er die größtmögliche Uniformität des sozialen Lebens für die Erhaltung des politischen und sozialen Gleichgewichts anstrebt. Aber für eine Bewegung, deren gesamte Existenz von der prompten Reaktion in jedem beliebigen Moment und von den unabhängigen Gedankengängen seiner Anhänger abhängt, ist der Zentralismus ein Unglück. Er schwächt ihre Entscheidungskraft und unterdrückt systematisch jede spontane Initiative.

Die Organisation des Anarcho-Syndikalismus basiert auf den Prinzipien des Föderalismus, auf der freien Vereinigung von unten. Sie stellt das Recht auf Selbstbestimmung jeder Gruppe über alles und erkennt nur die Zustimmung aller an der Basis an. Die Organisation der Anarchosyndikalisten ist dementsprechend auf folgender Basis organisiert: Die Arbeiter in jedem Ort schließen sich ihren Berufszweigen an. Die Gewerkschaften einer Stadt oder eines ländlichen Distrikts vereinigen sich in Arbeiterkammern, die die Zentren für die lokale Propaganda und Schulung gründen; sie formieren die Arbeiter, um dem Aufkommen eines beschränkten Parteigeistes vorzubeugen. In Zeiten von lokalen Arbeitskämpfen sorgen sie für die Zusammenarbeit aller betroffenen Gruppen. Alle Arbeiterkammern sind gemäß den Distrikten und Regionen gruppiert, um die Nationalföderation der Arbeiterkammern zu bilden. Diese hält ständige Verbindung zwischen den lokalen Körpern und arrangiert die freie Vereinbarung der produktiven Arbeit der Mitglieder der verschiedenen Organisationen nach kooperativen Prinzipien. Weiterhin sorgt sie für die notwendige Zusammenarbeit in der Schulungsarbeit und steht den lokalen Gruppen mit Rat und Tat beiseite.

Jede Gewerkschaft ist darüber hinaus mit allen Organisationen derselben Branche verbunden. Diese wiederum der Reihe nach mit allen verwandten Branchen, so daß alle in allgemeinen industriellen und landwirtschaftlichen Verbindungen vereinigt sind. Es ist ihre Aufgabe, Forderungen des täglichen Kampfes zwischen Kapital und Arbeit aufzustellen und alle Kräfte für die gemeinsame Aktion zu vereinheitlichen. So schaffen die Föderationen der Arbeiterkammern und die industriellen Föderationen die zwei Pole, um die sich das gesamte Leben der Arbeitersyndikate dreht.

Eine solche Form der Organisation gibt den Arbeitern nicht nur die Mögllchkeit zur direkten Aktion im Kampf für die täglichen Bedürfnisse, sondern befähigt sie auch, die notwendigen Kenntnisse für die Reorganisation der Gesellschaft zu erwerben, um diese ohne fremde Intervention im Falle einer revolutionären Krise in Gang zu setzen. Die Anarchosyndikalisten sind der Überzeugung, daß eine sozialistische Wirtschaftsordnung nicht durch Dekrete und Gesetze irgendeiner Regierung geschaffen werden kann, sondern nur durch die uneingeschränkte Zusammenarbeit der Arbeiter, Techniker und Bauern. Nur so kann die Produktion und die Verteilung durch ihre eigene Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit auf der Basis gegenseitiger Vereinbarungen gewährleistet werden. In einer solchen Situation würden die Arbeiterkammern die Verwaltung des existierenden gesellschaftlichen Kapitals übernehmen, die Bedürfnisse der Bewohner ihres Distrikts festsetzen und den lokalen Konsum organisieren. Die Tätigkeit der Föderation der Arbeiterkammern würde es ermöglichen, die Gesamtbedürfnisse des ganzen Landes zu berechnen und demgemäß die Produktion zu regulieren. Auf der anderen Seite wäre es die Aufgabe der industriellen und landwirtschaftlichen Vereinigungen, die Produktionsmittel, das Transportwesen etc. zu kontrollieren und die verschiedenen Produzentengruppen mit dem zu versorgen, was sie benötigen. Mit einem Wort:

Auch in dieser Hinsicht hat die praktische Erfahrung die besten Lehren erteilt. Sie hat gezeigt, daß viele Probleme einer sozialistischen Umformung einer Gesellschaft nicht durch irgendeine Regierung gelöst werden können, auch nicht durch die Diktatur des Proletariats. In Rußland stand die bolschewistische Diktatur nahezu zwei Jahre hilflos vor den ökonomischen Problemen: sie versuchte, ihre Unfähigkeit hinter einer Flut von Dekreten und Verordnungen zu verbergen, von denen die meisten sofort in der Bürokratie untergingen. Wenn die Welt durch Dekrete befreit werden könnte, würde es in Rußland schon lange keine Probleme mehr geben. In seinem fanatischen Machteifer zerstörte der Bolschewismus die wertvollsten Organe einer sozialistischen Ordnung: er unterdrückte die kooperativen Gemeinschaften, die Gewerkschaften brachte er unter staatliche Kontrolle, und die Sowjets (Räte) wurden von Anfang an ihrer Unabhängigkeit beraubt. So bahnte die „Diktatur des Proletariats“ nicht den Weg in eine sozialistische Gesellschaft, sondern für den primitivsten Typus eines bürokratischen Staatskapitalismus. Er brachte einen Rückfall in politischen Absolutismus, der in den meisten Ländern schon durch die bürgerliche Revolution abgeschafft worden war. In seiner Botschaft an die Arbeiter der westeuropäischen Länder sagte Kropotkin vollkommen richtig:

„An Rußland lernen wir, wie der Kommunismus nicht eingeführt werden kann, obwohl die Bevölkerung, die das alte Regime satt hat, dem Experiment der neuen Herrscher nicht aktiven Widerstand leistet. Die zuerst beim Revolutionsversuch von 1905 konzipierte und in der Februarrevolution 1917 unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Zarenregimes verwirklichte Idee der Sowjets, d.h. der das politische und ökonomische Leben des Landes kontrollierenden Arbeiter- und Bauernräte, ist eine großartige Idee ... Solange ein Land aber durch eine Parteidiktatur beherrscht wird, büßen die Arbeiter- und Bauernräte offensichtlich ihre Bedeutung ein. Sie spielen dann bloß noch die passive Rolle der ‚Generalstaaten‘ und Parlamente vergangener Zeiten, die der König einberief, damit sie gegen einen allmächtigen Kronrat opponierten.“
 

4. Der Kampf in Deutschland und Spanien

In Deutschland, wo der gemäßigte Flügel des politischen Sozialismus [15] die Macht errungen hatte, erstarrte der Sozialismus in den langen Jahren routinemäßiger parlamentarischer Tätigkeiten. Er war zu keiner schöpferischen Aktion mehr fähig. Sogar eine bürgerliche Zeitung wie die Frankfurter Zeitung stellte fest, daß die „Geschichte der europäischen Völker bisher keine Revolution hervorgebracht hat, die so arm an schöpferischen Vorstellungen war und so wenig revolutionäre Energie besaß“. Die bloße Tatsache, daß eine Partei mit einer größeren Mitgliederzahl als jede andere Arbeiterpartei der Welt, die viele Jahre lang die stärkste politische Kraft in Deutschland war, Hitler und seiner Bande das Feld ohne jeglichen Widerstand überlassen mußte, spricht für sich. Dieses Beispiel der Hilflosigkeit und Schwäche ist kaum mißzuverstehen.

Man muß nur die deutsche Situation jener Tage [16] mit der Haltung der anarchosyndikalistischen Arbeitervereinigungen in Spanien und besonders in Katalonien, wo ihr Einfluß am stärksten war, vergleichen, um den beträchtlichen Unterschied zwischen den Arbeiterbewegungen dieser beiden Länder festzustellen. Als die Verschwörung der faschistischen Militärs im Juli 1936 in eine offene Revolte umschlug, war es hauptsächlich der Widerstand der CNT (Nationale Föderation der Arbeit) und der FAI (Anarchistische Föderation Spaniens), der den faschistischen Aufstand in Katalonien in ein paar Tagen niederschlug. Dieser wichtige Teil Spaniens wurde vom Feind befreit und der ursprüngliche Plan der Verschwörer, Barcelona im Handstreich zu nehmen, vereitelt. Die Arbeiter wollten nicht auf halbem Wege stehenbleiben; so folgte die Kollektivierung des Bodens und die Übernahme der Fabriken durch die Arbeiter- und Bauernsyndikate. Diese Bewegung, die durch die Initiative von CNT/FAI in Gang gesetzt wurde, dehnte sich auf Aragonien, die Levante und andere Gebiete des Landes aus. Ein großer Teil der Sozialistischen Partei und der sozialistischen Gewerkschaft UGT (Allgemeine Union der Arbeit) konnte dieser revolutionären Bewegung nicht widerstehen.

Dieses Ereignis offenbarte, daß die anarchosyndikalistischen Arbeiter Spaniens nicht nur in der Lage waren zu kämpfen, sondern darüber hinaus konstruktive Vorstellungen besaßen, die in der Zeit einer realen Krise so eminent wichtig sind. Das ist das große Verdienst des libertären Sozialismus in Spanien, der die spanischen Arbeiter seit der Zeit der 1. Internationale in jenem Geist erzog, der Freiheit über alles andere stellt und die geistige Unabhängigkeit seiner Anhänger als die Basis seiner Existenz betrachtet. Es war die passive Haltung der organisierten Arbeiter in den anderen Ländern, die sich mit der Politik der Nicht-Intervention ihrer Regierungen abfanden, die zur Niederlage der spanischen Arbeiter und Bauern nach einem heroischen Kampf von mehr als zweieinhalb Jahren führte.
 

5. Der politische Kampf aus anarcho-syndikalistischer Sicht

Es ist dem Anarcho-Syndikalismus oftmals vorgeworfen worden, daß seine Anhänger kein Interesse an der politischen Struktur der verschiedenen Länder und konsequenterweise kein Interesse an den tagespolitischen Kämpfen besäßen. Diese Vorstellung ist gänzlich falsch und entspringt entweder völliger Ignoranz oder vorsätzlicher Verdrehung der Tatsachen. Es ist nicht der politische Kampf als solcher, der die Anarchosyndikalisten von den modernen Arbeiterparteien grundsätzlich und taktisch unterscheidet, sondern die Form des Kampfes und die Ziele, die er anstrebt. Anarchosyndikalisten verfolgen dieselbe Taktik in ihrem Kampf gegen politische Unterdrückung wie gegen ökonomische Ausbeutung. Aber sie sind überzeugt, daß mit dem System der Ausbeutung auch dessen politische Schutzeinrichtung, der Staat, verschwinden muß, um der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten auf der Basis der freien Vereinbarung Platz zu machen; dabei übersehen sie keinesfalls die Tatsache, daß die Anstrengungen der organisierten Arbeit innerhalb der existierenden politischen und sozialen Ordnung ständig gegen jedwede Attacke der Reaktion gerichtet sein müssen; sie übersehen ferner nicht, daß der Bereich dieser Rechte ständig erweitert werden muß, wo immer sich dazu die Gelegenheit bietet. Der Kampf der CNT gegen den Faschismus ist vielleicht der beste Beweis, daß die vermeintlich unpolitische Haltung des Anarcho-Syndikalismus nichts ist als leeres Gerede. Aber gemäß ihrer Auffassung wird der Zeitpunkt ihres Vorgehens im politischen Kampf nicht von der Legislative bestimmt, sondern von den Menschen selbst.

Politische Rechte entstehen nicht in den Parlamenten, sie sind außerhalb entstanden. Und sogar die Gesetzesfassung war lange Zeit keine Garantie für die Anwendung dieser Gesetze. Sie existieren nicht schon deshalb, weil sie legal niedergelegt sind, sondern erst dann, wenn sie zur gewachsenen Gewohnheit der Menschen geworden sind, und wenn jeder Versuch sie zu beeinträchtigen auf den heftigen Widerstand der Bevölkerung stoßen wird. Wo das nicht der Fall ist, helfen keine parlamentarische Opposition oder irgendwelche platonischen Appelle an die Verfassung. Man erzwingt Respekt vom Anderen, wenn man weiß, wie man seine Würde als menschliches Wesen verteidigt. Das trifft nicht nur für das Privatleben zu; es gilt auch im politischen Leben.

Alle politische Rechte und Freiheiten, die die Menschen heute genießen, verdanken sie nicht dem guten Willen ihrer Regierungen, sondern ihrer eigenen Stärke. Regierungen haben immer versucht, alle ihre Machtmittel einzusetzen, um das Erreichen dieser Ziele zu verhindern. Große Massenbewegungen und ganze Revolutionen waren nötig, sie den herrschenden Klassen zu entreißen. Denn diese hätten sie niemals freiwillig zugestanden. Die gesamte Geschichte der letzten 300 Jahre ist dafür der Beweis. Wichtig ist nicht, daß Regierungen sich entschlossen haben, den Menschen gewisse Rechte zuzugestehen, sondern der Grund warum sie es tun mußten. Wenn man natürlich Lenins zynische Behauptung akzeptiert und die Freiheit als ein „bürgerliches Vorurteil“ bezeichnet, dann haben politische Rechte sicherlich keinen Wert für die Arbeiter. Aber dann haben die zahllosen Kämpfe der Vergangenheit, alle Revolten und Revolutionen, denen wir diese Rechte verdanken, ebenfalls keinen Wert. Um dieses Stück Weisheit zu verkünden, war es kaum nötig, den Zarismus zu stürzen, da sogar die Zensur von Nikolaus II. sicherlich keinen Einwand gegen die Bestimmung von Freiheit als einem „bürgerlichen Vorurteil“ gehabt hätte.

Wenn der Anarcho-Syndikalismus dennoch die Beteiligung an den gegenwärtigen nationalen Parlamenten ablehnt, begründet er es nicht mit dem Mangel an Sympathie für den politischen Kampf im allgemeinen. Aber seine Anhänger sind der Meinung, daß diese Form der Aktivität die schwächste und hilfloseste Form des politischen Kampfes für die Arbeiter ist. Für die besitzenden Klassen ist der Parlamentarismus sicherlich ein angemessenes Instrument für die Beilegung von aufkeimenden Konflikten, weil sie alle daran interessiert sind, die gegenwärtige ökonomische und soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Wo es gemeinsame Interessen gibt, ist die gegenseitige Zustimmung für alle Parteien möglich und nützlich, aber für die Arbeiter ist die Lage ganz anders. Für sie ist die herrschende ökonomische Ordnung die Ursache ihrer Ausbeutung und ihrer sozialen und politischen Unterdrückung. Auch die freieste Wahl kann den offenkundigen Unterschied zwischen besitzenden und nichtbesitzenden Klassen in der Gesellschaft nicht verwischen. Sie kann lediglich der Unterdrückung der arbeitenden Massen den Stempel der Legalität aufdrücken.

Immer wenn sozialistische Parteien entscheidende polilitische Reformen erreichen wollten, konnten sie es nicht auf parlamentarischem Weg, sondern sie waren gezwungen, sich ganz auf die ökonomische Kampfkraft der Arbeiter zu verlassen. Die politischen Generalstreiks in Belgien (Ende des 19. Jahrhunderts) und Schweden (1902) für die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts sind ein Beweis dafür. Und in Rußland war es der große Generalstreik von 1905, der den Zaren zwang, die neue Verfassung zu unterzeichnen. Diese Erkenntnis veranlaßte die Anarchosyndikalisten, ihre Aktivitäten auf die sozialistische Erziehung der Massen zu konzentrieren und sie auf den Gebrauch ihrer ökonomischen und sozialen Macht vorzubereiten. Ihre Methode ist die Direkte Aktion [17], die Verbindung von ökonomischem und politischem Kampf. Unter direkter Aktion wird der unmittelbare Kampf der Arbeiter gegen ökönomische und politische Unterdrückung verstanden. Unter diesen sind der Streik in allen seinen Abstufungen, vom einfachen Lohnkampf bis zum Generalstreik, der organisierte Boykott und all die anderen zahllosen Mittel, die die Arbeiter als Produzenten in ihren Händen haben, die herausragendsten.
 

6. Der Generalstreik

Eine der effektivsten Formen der direkten Aktion ist der „soziale Streik“, der bisher am meisten in Spanien und teilweise in Frankreich angewendet wurde. Er hat bemerkenswerte und wachsende Verantwortlichkeit der Arbeiter gegenüber der Gesellschaft als ganzer gezeigt. Er beschäftigt sich weniger mit den unmittelbaren Interessen der Produzenten als vielmehr mit dem Schutz der Allgemeinheit vor den schädlichen Auswüchsen des herrschenden Systems. Der soziale Streik will den Unternehmern die Übernahme von gewissen Verantwortlichkeiten gegenüber der Öffentlichkeit aufzwingen. In erster Linie hat er den Schutz der Konsumenten zum Ziel, von denen die Arbeiter selbst den größten Teil bilden. Unter den gegenwärtigen Umständen entwürdigen sich die Arbeiter häufig selbst, indem sie unzählige Dinge tun, die ständig die gesamte Gemeinschaft um den Vorteil der Unternehmer willen beeinträchtigt. Sie sind gezwungen, von minderwertigem und oftmals schädlichem Material für die Herstellung ihrer Produkte Gebrauch machen, schäbige Wohnungen zu bauen, gesundheitsschädliche Lebensmittel zu konsumieren; unzählige Handlungen zu vollziehen, die dazu gedacht sind, den Konsumenten zu betrügen. Hier energisch einzugreifen, ist nach Meinung der Anarchosyndikalisten die große Aufgabe der Arbeitersyndikate. Ein Fortschritt in dieser Richtung würde zur selben Zeit die Stellung der Arbeiter in der Gesellschaft stärken, und auf längere Sicht ihre Position festigen.

Direkte Aktion durch organisierte Arbeit findet ihren stärksten Ausdruck im Generalstreik, in der Niederlegung der Arbeit in jedem Produktionszweig in Fällen, in denen andere Kampfmittel versagen. Er ist die mächtigste Waffe, die die Arbeiter zur Verfügung haben und vermittelt den umfassenden Ausdruck ihrer Stärke als sozialer Faktor. Der Generalstreik ist natürlich kein Mittel, das bei jeder Gelegenheit willkürlich angewandt werden kann. Es sind gewisse soziale Voraussetzungen nötig, um ihm die angemessene moralische Stärke zu verleihen und zu einer Willenserklärung der breiten Massen werden zu lassen. Die lächerliche Forderung, die so oft den Anarchosyndikalisten zugeschrieben wird, daß es nur der Ausrufung des Generalstreiks bedarf, um innerhalb weniger Tage eine sozialistische Gesellschaft zu etablieren, ist natürlich eine Erfindung von unwissenden Gegnern. Der Generalstreik kann verschiedenen Zwecken dienen. Er kann die letzte Stufe eines Sympathiestreiks sein, wie z.B. 1902 in Barcelona, oder 1903 in Bilbao, der die Minenarbeiter befähigte, das verhaßte Naturallohn-System abzuschaffen und die Unternehmer zwang, sanitäre Anlagen in den Minen einzurichten. Er kann auch ein Mittel sein, um einigen grundlegenden Forderungen Nachdruck zu verleihen, wie z.B. in dem versuchten Generalstreik in dem USA im Jahre 1886, als der Achtstundentag für alle Industriezweige gefordert wurde. Der große Generalstreik der englischen Arbeiter 1926 war die Antwort auf den Versuch der Unternehmer, den allgemeinen Lebensstandard der Arbeiter durch Lohnkürzung zu senken.

Aber der Generalstreik kann auch politische Ziele haben, wie z.B. der Kampf der spanischen Arbeiter 1904 für die Freilassung politischer Gefangener, oder der Generalstreik im Juli 1909 in Katalonien, der die Regierung zwingen sollte, den Krieg in Marokko zu beenden. Auch der Generalstreik der deutschen Arbeiter 1920, der nach dem sog. Kapp-Putsch durchgeführt wurde und die Regierung stürzte, die durch einen Militärputsch die Macht errungen hatte, gehört zu dieser Kategorie. In solch kritischen Situationen nimmt der Generalstreik den Platz ein, der früher den Barrikaden in den politischen Aufständen zukam. Für die Arbeiter ist der Generalstreik die logische Folge des modernen industriellen Systems, dessen Leidtragende sie heute sind; zugleich bietet er ihnen die stärkste Waffe im Kampf für ihre soziale Befreiung, vorausgesetzt sie erkennen ihre eigene Stärke und lernen, diese richtig anzuwenden.
 

7. Der Anarcho-Syndikalismus seit dem ersten Weltkrieg

Nach dem 1. Weltkrieg sahen sich die Menschen in Europa vor eine neue politisch und sozio-ökonomische Situation gestellt. In Mitteleuropa war das alte monarchistische System zusammengebrochen. Rußland befand sich inmitten einer sozialen Revolution, deren Ende nicht abzusehen war. Die russische Revolution hatte die Arbeiter jedes Landes tief beeindruckt. Sie fühlten, daß Europa mitten in einer Krise steckte, und daß ihre Hoffnungen für viele Jahre zerschlagen würden, falls aus dieser Krise nicht entscheidende neue Anstöße kämen. Aus diesem Grund setzten sie die größten Hoffnungen in die russische Revolution und sahen in ihr den Beginn einer neuen Ära in der europäischen Geschichte.

1919 sandte die bolschewistische Partei, die die Macht in Rußland errungen hatte, einen Appell an alle revolutionären Arbeiterorganisationen und lud sie zu einem Kongreß für das folgende Jahr nach Moskau ein, um eine neue Internationale ins Leben zu rufen. Kommunistische Parteien existierten zu dieser Zeit nur in wenigen Ländern; auf der anderen Seite gab es in Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Holland, Schweden, Deutschland, England und den Ländern von Nord- und Südamerika syndikalistische Organisationen, von denen einige starken Einfluß ausübten. Aus diesem Grund war es das Anliegen von Lenin und seinen Anhängern, diese einzelnen Organisationen für ihre Vorstellungen zu gewinnen. So kam es, daß auf dem Gründungskongreß der 3. Internationale im Sommer 1920 fast alle syndikalistischen Organisationen Europas anwesend waren.

Aber der Eindruck, den die syndikalistischen Delegierten in Rußland gewannen, war nicht geeignet, ihnen eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten als möglich oder wünschenswert erscheinen zu lassen. Die Diktatur des Proletariats zeigte sich schon in ihrem wahren Licht: Die Gefängnisse waren mit Sozialisten der verschiedenen Richtungen gefüllt, unter ihnen viele Anarchisten und Syndikalisten. Aber vor allem wurde deutlich, daß die neue herrschende Kaste in keiner Weise in der Lage war, ein wirklich sozialistisches Leben zu gestalten. Die Gründung der 3. Internationale mit ihrem autoritären Apparat und dessen Bemühungen, die gesamte europäische Arbeiterbewegung zu einem Instrument der Außenpolitik Rußlands zu machen, verdeutlichte den Syndikalisten sehr schnell, daß es für sie keinen Platz in der 3. Internationale geben konnte. Aus diesem Grund beschloß der Kongreß in Moskau, neben der 3. Internationale eine eigenständige revolutionäre Allianz von revolutionären Gewerkschaften aufzubauen, in der die syndikalistischen Organisationen aller Schattierungen einen Platz finden sollten. Die syndikalistischen Delegierten stimmten diesem Plan zu. Als aber die Kommunisten forderten, daß diese neue Organisation der 3. Internationale unterstellt werden sollte, wurde dieses Verlangen von den Syndikalisten einmütig zurückgewiesen.

Im Dezember 1920 wurde eine internationale syndikalistische Konferenz nach Berlin einberufen, um über ihre Position gegenüber dem kommenden Kongreß der Roten Gewerkschaftsinternationale, der für 1921 in Moskau vorbereitet wurde, zu beschließen. Die Konferenz verständigte sich auf sieben Punkte, von deren Annahme der Eintritt der Syndikalisten in die Gewerkschaftsinternationale abhängig gemacht wurde. Die Bedeutung dieser sieben Punkte lag in der vollständigen Unabhängigkeit der Bewegung von allen politischen Parteien, und dem Beharren auf dem Standpunkt, daß der sozialistische Aufbau der Gesellschaft nur durch die ökonomischen Organisationen der produzierenden Klassen selbst durchgeführt werden kann.

Auf dem Kongreß in Moskau im folgenden Jahr waren die syndikalistischen Organisationen in der Minderheit. Der Zentralrat der russischen Gewerkschaften beherrschte die ganze Situation und setzte seine sämtlichen Resolutionen durch. Daraufhin wurde im Oktober 1921 in Düsseldorf eine internationale syndikalistische Konferenz durchgeführt, auf der beschlossen wurde, für das folgende Jahr einen internationalen Kongreß einzuberufen. Dieser Kongreß fand vom 25.12.1922 bis zum 2. 1. 1923 (in Berlin) statt. Folgende Organisationen waren durch Delegierte vertreten: Argentinien durch die „Federacion Obrera Regional Argentina“ mit 200.000 Mitgliedern; Chile durch die „Industrial Workers of the World“ mit 20.000 Mitgliedern; Dänemark durch die „Union for Syndicalist Propaganda“ mit 600 Mitgliedern; Deutschland durch die „Freie Arbeiter Union“ mit 120.000 Mitgliedern; Holland durch das „National Arbeids Sekretariat“ mit 22.500 Mitgliedern; Mexiko durch die „Confederacion General des Trabajadores“; Norwegen durch die „Norsk Syndicalisk Federasjon“ mit 20.000 Mitgliedern; Portugal durch die „Confederacao Geral do Trabalho“ mit 150.000 Mitgliedern; Schweden durch die „Sveriges Arbetares Centralorganisation“ mit 32.000 Mitgliedern. Die spanische CNT war zu dieser Zeit in einen fürchterlichen Kampf gegen die Diktatur Primo de Riveras verwickelt und hatte keine Delegierten gesandt, aber sie versicherte ihre Übereinstimmung auf dem illegalen Kongreß in Saragossa im Oktober 1923. In Frankreich, wo nach dem Krieg eine Spaltung innerhalb der CGT zur Gründung der CGTU führte, schloß sich letztere Moskau an. Aber es gab eine Minderheit in der Organisation, die sich zusammenschloß, um das „Revolutionäre Syndikalistische Verteidigungkomitee“ zu gründen, das ungefähr 100.000 Arbeiter umfaßte und an den Beratungen des Berliner Kongresses teilnahm. Aus Paris waren weiterhin die „Föderation der Bauarbeiter“ und die „Föderation der Jugend der Seine“ anwesend. Zwei Delegierte repräsentierten die syndikalistische Minorität der russischen Arbeiter.

Der Kongreß beschloß einstimmig die Gründung einer internationalen Allianz aller syndikalistischen Organisationen unter dem Namen Internationale Arbeiter Assoziation (IAA). Er nahm eine Prinzipienerklärung an, die ein ausgesprochenes Bekenntnis zum Anarcho-Syndikalismus darstellt. Der zweite Punkt in dieser Erklärung lautet wie folgt:

„Die Syndikalisten, in klarer Erkenntnis der oben festgestellten Tatsachen, sind prinzipielle Gegner jeder Monopolwirtschaft. Sie erstreben die Vergesellschaftung des Bodens, der Arbeitsinstrumente, der Rohstoffe und aller sozialen Reichtümer; die Reorganisation des gesamten Wirtschaftslebens auf der Basis des freien, d.h. des staatenlosen Kommunismus, der in der Devise: ‚Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!‘ seinen Ausdruck findet.

Ausgehend von dieser Erkenntnis, daß der Sozialismus letzten Endes eine Kulturfrage ist und als solche nur von unten nach oben durch die schöpferische Tätigkeit des Volkes gelöst werden kann, verwerfen die Syndikalisten jedes Mittel einer sogenannten Verstaatlichung, das nur zur schlimmsten Form der Ausbeutung, zum Staatskapitalismus, nie aber zum Sozialismus führen kann.“

Damit war der Bruch mit dem Bolschewismus und seinen Anhängern in den verschiedenen Ländern eindeutig. Die IAA ging von da ab ihren eigenen Weg, hielt ihre eigenen internationalen Kongresse ab, gab ihre eigenen Bulletins heraus und regulierte die Beziehungen zwischen den syndikalistischen Organisationen in den verschiedenen Ländern.

Die mächtigste und einflußreichste Organisation in der IAA war die spanische CNT, Initiatorin vieler Arbeitskämpfe in Spanien und später das Rückgrat des Widerstandes gegen den Faschismus und der Sozialen Revolution. Vor dem Sieg Francos hatte die CNT ungefähr 2 Millionen Mitglieder, Industriearbeiter, Bauern und Intellektuelle. Sie besaß 36 Tageszeitungen, darunter die Solidaridad Obrera in Barcelona, die größte Zeitung Spaniens und Castilla Libre, die die meistgelesene Zeitung in Madrid war. Die CNT hat Bücher und Millionen von Broschüren herausgegeben und mehr als jede andere Bewegung in Spanien zur Erziehung der Volksmassen beigetragen.

In Portugal war die 1911 gegründete „Confederacao Geral do Trabalho“ die mächtigste Arbeiterorganisation des Landes und basierte auf denselben Prinzipien wie die CNT in Spanien. Nachdem sich in Portugal die Dikatur Salazars (1933) durchgesetzt hatte, wurde der CGT jegliches öffentliches Auftreten untersagt, und sie mußte in den Untergrund gehen. In Italien verließ unter dem Einfluß der Ideen des französischen Syndikalismus der syndikalistische Flügel der „Confederazione del Lavoro“ diese Organisation wegen deren Abhängigkeit von der Sozialistischen Partei und gründete die „Unione Sindicale Italiana“. Diese Gewerkschaft war der Motor vieler harter Arbeitskämpfe und spielte eine herausragende Rolle in den Ereignissen der sog. „Roten Woche“ im Juni 1914 und später bei den Fabrikbesetzungen in Mailand und anderen Städten in Norditalien. [18] Nach der Machtübernahme durch die Faschisten verschwand die gesamte italienische Arbeiterbewegung. In Frankreich verließen die Anarchosyndikalisten die CGTU, nachdem die Organisation vollständig unter den Einfluß der Bolschewisten geraten war, und gründeten die „Confederation Generale du Travail Syndicaliste Revolutionaire“, die sich der IAA anschloß.

In Deutschland existierten schon lange vor dem 1. Weltkrieg die sog. „Lokalisten“, die sich in der 1897 gegründeten „Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ organisierten. Diese Organisation war ursprünglich von sozialdemokratischem Gedankengut beeinflußt, aber sie bekämpfte die zentralistischen Tendenzen in der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Das Wiederaufleben des französischen Syndikalismus beeinflußte diese Vereinigung stark und führte zur Übernahme von rein syndikalistischen Prinzipien. Auf ihrem Kongreß 1920 in Düsseldorf änderte die Organisation ihren Namen in „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“. Diese Organisation leistete einen großen Dienst durch die unermüdliche Arbeit ihres aktiven Verlagshauses in Berlin, das eine große Anzahl wertvoller Arbeiten herausgab. Nach Hitlers Machtergreifung verschwand die „Freie Arbeiter-Union“. Ein großer Teil ihrer Anhänger verschwand in den Konzentrationslagern oder mußte ins Exil gehen.

In Schweden existiert noch eine sehr aktive syndikalistische Bewegung, die „Sveriges Arbetaren Centralorganisation“, die einzige syndikalistische Organisation in Europa, die der Reaktion des Faschismus und der deutschen Invasion während des Krieges entgangen war. Die schwedischen Syndikalisten nahmen an allen großen Arbeitskämpfen in ihrem Land teil und setzten das Werk der sozialistischen und libertären Schulung fort. In Holland konzentrierte sich die syndikalistische Bewegung im „Nationale Arbeids Secretariat“, aber als diese Organisation mehr und mehr unter den Einfluß der Kommunisten geriet, spaltete sich fast die Hälfte ihrer Mitglieder ab und gründete den „Nederlandisch Syndicalistisch Vakverbond“, der sich der IAA anschloß. Außer diesen Organisation gab es noch anarchosyndikalistische Propagandagruppen in Norwegen, Polen und Bulgarien, die sich der IAA anschlossen. Die japanische „Jiyu Rengo Dantai Zenkoku Kaigi“ schloß sich ebenfalls der IAA an.

In Argentinien war die 1891 gegründete „Federacion Obrera Regional Argentina“ lange Jahre Organisator der größten Arbeitskämpfe dieses Landes. Ihre Geschichte ist eines der stürmischsten Kapitel in den Annalen der Arbeiterbewegung. Die Bewegung gab länger als 25 Jahre die Tageszeitung La Protesta heraus. Ferner eine große Zahl Wochenschriften im ganzen Land. Nach dem Staatsstreich von General Uriburu wurde die Federacion unterdrückt, aber sie führte ihre Tätigkeit im Untergrund fort, auch unter dem Diktator Peron.

Im Mai 1929 rief die Federacion einen Kongreß aller südamerikanischen Länder nach Buenos Aires ein. Auf diesem Kongreß waren neben der Veranstalterin noch Gewerkschaften folgender Länder vertreten: Paraguay durch das „Centro Obrero del Paraguay“; Bolivien durch die „Federacion Local de la Paz“, „La Antorcha“ und „Luz y Libertad“; Mexiko durch die „Confederacion de Trabajo“; Guatemala durch das „Comite pro Accion Sindical“; Uruguay durch die „Federacion Regional Uruguaya“. Brasilien wurde durch die Gewerkschaften der sieben verfassungsgebenden Staaten vertreten. Costa Rica wurde durch die Organisation „Hacia la Libertad“ repräsentiert. Auf diesem Kongreß wurde die „Kontinentale Amerikanische Arbeiter-Assoziation“ ins Leben gerufen, die die amerikanische Gliederung der IAA darstellte. Der Sitz dieser Organisation war zuerst in Buenos Aires, wurde aber später, wegen der Diktatur, nach Uruguay verlegt.

Dies waren die Kräfte, die der Anarcho-Syndikalismus vor der Herrschaft des Faschismus und dem Ausbruch des 2. Weltkriegs in den verschiedenen Ländern zur Verfügung hatte.

 

 

Anmerkungen

12. Cafiero, ital. Anarchist, war ursprünglich wichtiger Vertrauensmann von Marx/Engels in Italien. Er wandte sich jedoch, aus der Überzeugung, daß Bakunins Analyse der italienischen Situation richtiger sei, bald dem libertären Flügel der 1. Internationale zu.

13. Rocker bezieht sich hier vor allem auf die revolutionären Unruhen in Italien und Spanien 1873-1874. In Italien führten die Spannungen, die sich aus dem Kampf um die nationale Einheit, dem Kampf gegen die österreichischen Besatzer ergaben, zu erheblichem wirtschaftlichen Elend. Die Hoffnungen, die die Bauern, landlosen Arbeiter und Handwerker in die neue Regierung gesetzt hatten, konnte diese nicht erfüllen. Diese Situation führte zu sozialen Unruhen, vor allem unter Führung der Anarchisten (Malatesta, Costa, Cafiero). Sie brachten jedoch keine wesentliche Linderung der mißlichen sozialen Lage. In Spanien kam es 1868-1874, bedingt durch die Abdankung der Königin Isabel, zu zahlreichen sozialen Auseinandersetzungen, an der die Vertreter des libertären Flügels der 1. Internationale großen Anteil hatten. Die 1873 gebildete liberale Spanische Republik hatte nur eine kurze Lebensdauer Ihre Ende 1874 bedeutete gleichzeitig die Restauration der Monarchie. Die Anarchisten waren nun zur Illegalität gezwungen. (Vgl. Brenan, Gerald: Die Geschichte Spaniens, Berlin 1978)

14. Sombart (1863-1941) war ein bedeutender Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker. Verfasser des zweibändigen Standardwerks Der moderne Kapitalismus. Zunächst stark vom Marxismus beeinflußt, vollzog er im Laufe seines politischen Werdegangs eine weitgehende Abkehr von seinen ursprünglichen Überzeugungen. Wird vielfach als „Kathedersozialist“ bezeichnet.

15. Sorel (1847-1922): angeblich „Theoretiker des Syndikalismus“. Besaß jedoch keinen Einfluß auf die Arbeitermassen. Beeinflußte in nicht unerheblichem Maße Mussolini. Starb als Bewunderer Lenins.

16. Rocker meint hier die sog. „Dezimal-Sozialdemokraten“, d.h. den Flügel des politischen Sozialismus, der über den parlamentarischen Weg die Macht anstrebte, und jedes Plus hinter dem Komma als einen Sieg der Arbeiterklasse feierte.

17. Rocker vergleicht hier die Haltung der deutschen Arbeiterklasse bei der Machtergreifung Hitlers mit derjenigen der spanischen Arbeiter beim Putsch Francos am 19. Juli 1936. Während die spanischen Arbeiter vom ersten Tag an entschlossen Widerstand leisteten, wartete die deutsche Arbeiterklasse auf Direktiven ihrer Führung und war unfähig, selbständig zu reagieren.

18. Vgl. Roller, Arnold: Direkte Aktion, Bremen 1977; vgl. zu einer neueren Bestimmung des Begriffs „Direkte Aktion“: Carter, April: „Direkte Aktion“. Leitfaden für den Gewaltfreien Widerstand, Berlin 1979.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.10.2004