Johann Most

 

Kapital und Arbeit

Editorische Notiz

 

Die hier veröffentlichte, zweite Auflage von Mosts Auszug aus dem „Kapital“ wurde verbessert und stellenweise ganz neu verfasst von Karl Marx. Marx verlangte allerdings, daß seine Beteiligung an der verbesserten Auflage nicht erwähnt würde, weil er „sonst noch mehr daran hätte ändern müssen“ [1].

Zu Marx’ Veränderungen an der Mostschen Broschüre schreiben die Herausgeber Rolf Dlubek und Hannes Skambraks:

„Gesamtanlage und Gliederung der Schrift konnte Marx unverändert lassen. Dennoch ging seine Durchsicht nicht mit kleinen Korrekturen ab; „das über Wert, Geld, Arbeitslohn und manches andre habe ich ganz streichen und statt dessen eignes hineinsetzen müssen“, berichtete Marx selbst. [2] Ein Vergleich beider Auflagen bestätigt, daß Marx die wichtigen Abschnitte „Ware und Geld“ und „Der Arbeitslohn“ völlig zugeschrieben hat. Die Verwirrung der Begriffe, die Most gerade in der hier behandelten komplizierten Thematik angerichtet hatte, verschwand völlig. Die Darstellung von Marx machte auch dem weniger vorgebildeten Leser klar, wie sich in den Warenbeziehungen bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse äußern und wie der Arbeitslohn die Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten verschleiert; sie zeigte, „daß alle Staatsanwälte, Polizisten und Soldaten zusammengenommen der Gesellschaft keinen so großen Dienst leisten als diese Form - Arbeitslohn[3]. Diese beiden Abschnitte sind die einzigen für weiteste Leserkreise bestimmte Darlegung wichtiger Grundfragen der politischen Ökonomie aus Marx' Feder nach dem Erscheinen des „Kapitals“, und wie ähnliche Arbeiten von Marx aus früherer Zeit -“Lohnarbeit und Kapital“ und „Lohn, Preis und Profit“ - vereinigen sie mustergültig wissenschaftliche Prägnanz und Klarheit der Darstellung.

Auch alle anderen Abschnitte von Mosts Auszug aus dem „Kapital“ überarbeitete Marx, ja, er ließ kaum eine Seite ohne Verbesserungen. Marx mußte nicht nur sehr oft erst Verständlichkeit herbeiführen. Parteiliche Formulierungen traten an die Stelle verschwommener Ausdrücke, wissenschaftliche Erörterungen ersetzten moralisierende Argumentationen. Hier und da wurden in Rechenbeispielen die Zahlen präzisiert, und manche historische Darlegung gewann Exaktheit. Während Marx unnötige Fremdwörter ausmerzte, ersetzte er umgangssprachliche Ausdrücke durch wissenschaftliche Termini. Auf die richtige Verwendung der ökonomischen Kategorien verwandte Marx besondere Sorgfalt. Er korrigierte Verwechslungen von Wert und Tauschwert, Arbeit und Arbeitskraft, Wert und Preis der Arbeitskraft, Profit und Rente, Produktionsmittel und Arbeitsmittel, er unterschied zwischen Teilung der Arbeit in der Fabrik und gesellschaftlicher Arbeitsteilung usw. Auch die vereinzelten lassalleanischen und vulgärdemokratischen Phrasen ersetzte Marx durch wissenschaftliche Formulierungen.

Ein Beispiel für Marx' Präzisierungen sei hier angeführt, weil es die Bedeutung seiner Überarbeitung veranschaulicht und zugleich aktuelles theoretisches Interesse besitzt. Es betrifft den Arbeitstag im Sozialismus. Der betreffende Passus lautet in der Fassung von Most: „Der Arbeitstag wird zwar auch in einer höheren Gesellschaftsform von längerer Dauer sein als zur Erzeugung der notwendigsten Lebensbedürfnisse nötig wäre, aber er wird immerhin bedeutend kürzer sein als unter der kapitalistischen Produktionsweise, desto kürzer, je höher die Produktivität der Arbeit sich ausbildet, und das, was über das Nötigste hinaus erzeugt wird, wird eben zur Befriedigung höherer Bedürfnisse dienen, allgemeines Wohlleben, Pflege des Schönen, der Kunst und Wissenschaft ermöglichen usw.“ [4]

Demgegenüber heißt es in der Fassung von Marx: „Eine sozialistische Gesellschaftsform unterstellt höhere Lebensansprüche der Arbeiter, kann also auch den Arbeitstag nicht auf die zur Erzeugung der notwendigen Lebensmittel unentbehrliche Zeit beschränken. Aber es arbeiten die Produzenten hier nur für sich selbst, nicht für kapitalistische Grundeigentümer und vornehme Müßiggänger, und es wird der Arbeitstag ungleich kürzer sein als in der heutigen Gesellschaft, weil jeder Arbeitsfähige arbeitet, weil die in der kapitalistischen Wirtschaft unvermeidliche Kraftvergeudung wegfällt und weil mit der allseitigen Bildung des Arbeiters die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit einen bisher ungeahnten Aufschwung nimmt.“ [5] An einem Einzelproblem, dem Arbeitstag, klärte Marx hier den Unterschied zwischen der kapitalistischen Ausbeuterordnung und der sozialistischen Gesellschaft.“ (S. 91-92)

 

 

Anmerkungen

[1] Marx an Friedrich Adolph Sorge, 14. Juni 1876. In: MEW, Bd. 34, S. 183.

[2] Marx an Friedrich Adolph Sorge, 14. Juni 1876. In: MEW, Bd. 34, S. 183.

[3] Johann Most: Kapital und Arbeit. Ein populärer Auszug aus „Das Kapital" von Karl Marx. 2. verb. Aufl., Chemnitz [1876], S. 37. Siehe vorl. Band, S. 300.

[4] Johann Most: Kapital und Arbeit. Ein populärer Auszug aus „Das Kapital" von Karl Marx [,Chemnitz 1873], S. 24.

[5] Johann Most: Kapital und Arbeit. Ein populärer Auszug aus „Das Kapital" von Karl Marx. 2. verb. Aufl., Chemnitz [1876], S. 24. Siehe vorl. Band, S. 287.

 


Zuletzt aktualisiert am 4.1.2009