Mao Tse-Tung


Das Problem der „fünf Übertreibungen“ lösen

(19. März 1953)


Mao Tse-tung: Ausgewählte Werke, Band V, Peking 1978, S.96-99. [1]
Kopiert von der nicht mehr vorhandenen Webseite Marxistische Bibliothek.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


1. In unserer Arbeit auf dem Lande existieren Probleme, die sich in einer weitgehenden Loslösung unserer Partei- und Regierungsorgane von den Bauernmassen und in Verletzungen der Interessen der Bauern und Bauernaktivisten äußern. Diese Probleme sind als „fünf Übertreibungen“ bekannt. Es handelt sich dabei um zu viele Aufgaben, zu viele Sitzungen und Ausbildungskurse, zu viele amtliche Papiere, schriftliche Berichte und statistische Formulare, zu viele Organisationen und zu viele Nebenfunktionen für die Aktivisten. Diese Fragen sind seit langem akut; zu einigen hat das Zentralkomitee den Parteikomitees aller Ebenen Anweisungen gegeben, und es hat diese aufgefordert, sich ihnen zuzuwenden und Lösungen zu finden. Aber weit davon entfernt, gelöst worden zu sein, werden diese Probleme immer ernster. Der Grund dafür ist, daß die Sache niemals in einer systematischen Weise und in ihrem ganzen Umfang aufgeworfen wurde und daß, was noch wichtiger ist, niemals noch der Kampf gegen den Dezentralismus und den Bürokratismus in den leitenden Partei- und Regierungsorganen der fünf Ebenen Zentrale, Verwaltungsgroßregion, Provinz (Stadt), Bezirk und Kreis aufgenommen wurde. Allgemein gesagt, sind die „fünf Übertreibungen“ in Distrikten und Gemeinden kein lokales Produkt, sondern kommen von oben; sie sind Folge des schwerwiegenden Dezentralismus und Bürokratismus in den leitenden Partei- und Regierungsorganen auf Kreisebene und darüber; einige der „fünf Übertreibungen“ sind als Erbe aus der Periode des revolutionären Krieges und der Bodenreform bis heute unverändert erhalten geblieben. Daher müssen wir im Jahre 1953 bei der Durchführung der Weisung des Zentralkomitees über den Kampf gegen Bürokratismus, Kommandoallüren und Verletzungen von Gesetz und Disziplin Gewicht auf die Überwindung von Bürokratismus und Dezentralismus in den führenden Organen legen und jene Vorschriften und Praktiken ändern, die bereits überholt sind. Nur so können die Probleme gelöst werden. Was die Befugnis der Führungsorgane der verschiedenen Ebenen betrifft, Aufgaben zu stellen, Versammlungen einzuberufen und Leute zu Ausbildungskursen zu beordern, amtliche Papiere und statistische Formulare auszugeben oder Berichte von den ihnen unterstellten Einheiten anzufordern, die organisatorische Struktur der Distrikte und Gemeinden zu bestimmen sowie die Aktivisten in den Dörfern einzusetzen, so sind für all diese Dinge von nun an von den hauptverantwortlichen Genossen der Parteikomitees und der Lokalregierungen vom Kreis aufwärts entsprechend den Realitäten und den Möglichkeiten angemessene Grenzen zu ziehen; in manchen Fällen müssen das die Zentralbehörden für alle Betroffenen einheitlich tun. Bisher war es ja so, daß auf allen Ebenen viele Abteilungen der Partei- und Regierungsorgane sowie der Massenorganisationen jede für sich den unteren Instanzen Aufgaben zuteilten, nach Belieben ihnen Unterstellte und dörfliche Aktivisten zu Versammlungen oder Ausbildungskursen holten, eine wahre Flut von amtlichen Dokumenten und Erhebungsbögen losließen und gedankenlos Berichte von unteren Instanzen oder aus den Dörfern anforderten. Mit all diesen belastenden Vorschriften und Praktiken muß unbedingt aufgeräumt werden; sie müssen durch von der Leitung einheitlich festgelegte, den aktuellen Verhältnissen entsprechende Vorschriften und Praktiken ersetzt werden. Was die vielen verschiedenartigen Komitees in den Gemeinden und das Übermaß an Nebenfunktionen für die Aktivisten auf dem Lande betrifft, so muß auch hier – weil diese Praktiken die Produktion behindern und zu einer Loslösung von den Massen führen – entschieden für einen Wandel gesorgt werden, was aber schrittweise zu geschehen hat.

2. Im Hinblick auf die betreffenden Abteilungen von Partei, Regierung und Massenorganisationen auf zentraler Ebene betraut das Zentralkomitee die verantwortlichen Genossen der Organisationsabteilung beim ZK, des Verwaltungsrates der Zentralen Volksregierung sowie der diesem unterstehenden Komitees für Finanzen und Wirtschaft, für Kultur und Bildungswesen und für Politik und Justizwesen mit der Aufgabe, alle Praktiken, die zu den „fünf Übertreibungen“ geführt haben, rasch auszumerzen, geeignete Regeln und Verfahren auszuarbeiten und dem Zentralkomitee darüber zu berichten.

3. In den Verwaltungsgroßregionen, Provinzen und Städten sind die verantwortlichen Genossen der Regionalbüros und der Zweigregionalbüros des Zentralkomitees, der Provinz- und Stadtparteikomitees sowie der administrativen Organe der entsprechenden Ebenen gehalten, das Problem der „fünf Übertreibungen“ anzugehen, Methoden für seine Lösung auszuarbeiten und dem Zentralkomitee zu berichten. Um das zu erreichen, werden die Regionalbüros und Zweigregionalbüros des Zentralkomitees, die Provinz- und Stadtparteikomitees ersucht, jeweils eine Untersuchungsgruppe auszusenden, eigens zu dem Zweck, sich mit diesem Problem der „fünf Übertreibungen“ vertraut zu machen und die Lage in ein oder zwei Distrikten und Gemeinden (bzw. ein oder zwei Bezirken und Wohnvierteln in den Städten) unter ihrer Verwaltung zu studieren, um so Informationen zu sammeln, die der Lösung des Problems dienen.

4. Die Provinzparteikomitees sind für die Anleitung der Bezirke und Kreise bei der Lösung des Problems der „fünf Übertreibungen“ verantwortlich.

5. Die Agrarproduktion ist die bei weitem wichtigste Aufgabe auf dem Land; alle anderen Aufgaben sind ihr untergeordnet und haben ihr zu dienen. Aufgabenstellungen und Arbeitsmethoden, die die Bauern bei der Produktion behindern, sind zu vermeiden. Unsere Landwirtschaft ist heute im großen und ganzen immer noch eine zersplitterte Kleinbauernwirtschaft mit veralteten Geräten, sie unterscheidet sich sehr von der mechanisierten Kollektivwirtschaft der Sowjetunion. Daher können wir in der gegenwärtigen Übergangsperiode noch nicht mit einer einheitlichen und planmäßigen landwirtschaftlichen Produktion beginnen (wenn man von den Staatsgütern absieht), und wir dürfen uns nicht zu sehr in die Angelegenheiten der Bauern einmischen. Was wir lediglich tun können, ist, mit Hilfe der Preispolitik sowie der notwendigen und durchführbaren ökonomischen und politischen Maßnahmen die Agrarproduktion anzuleiten und sie mit der Industrieproduktion zu koordinieren, so daß sie in den Wirtschaftsplan des Staates einbezogen werden kann. Jeder darüber hinausgehende Landwirtschafts-„Plan“, jede darüber hinausgehende „Aufgabenstellung“ für die ländlichen Gebiete ist zur Undurchführbarkeit verurteilt, wird unausbleiblich den Widerstand der Bauern hervorrufen und zur Entfremdung unserer Partei von den Bauernmassen führen, die mehr als 8o Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas ausmachen. Das wäre sehr gefährlich. Das Problem der „fünf Übertreibungen“ in unserer Arbeit in den Distrikten und Gemeinden kommt in hohem Maße aus dieser übermäßigen Einmischung in die Angelegenheiten der Bauern (und in einem geringeren Maße ist es aus ererbten Praktiken entstanden, die im revolutionären Krieg und während der Bodenreform notwendig waren). Die Bauern sind unzufrieden, also muß damit aufgeräumt werden.


Anmerkung

1. Von Genossen Mao Tsetung für das ZK der KP Chinas verfaßte parteiinterne Direktive.


Zuletzt aktualisiert am 11.8.2008