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Berlin, 19. November 1863.
Excellenz!
Aus sicherer Quelle erfahre ich soeben, daß der Staatsanwalt von Schelling nichts geringeres beabsichtigt, als mir wegen meiner Ihnen bekannten Rede: Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag einen Hochverratsprozeß [1] zu machen und meine Verhaftung zu beantragen.
Was ich in jener Rede gegen die Verfassung sage, soll nämlich nach ihm die Absicht eines Umsturzes derselben darstellen und meine gesammte Agitation soll den Tatbestand dazu bilden.
Alle Prozesse, die mir Herr von Schelling machen mag. welcher sich rastlos dafür an mir zu rächen sucht, daß ich ihn neben seinen Vater gestellt und dadurch getötet habe, sind mir unaussprechlich gleichgültig.
Dagegen ist es mir keineswegs einerlei, im Laufe der Untersuchung verhaftet zu sein. Einmal verhaftet, weiß ich hinreichend aus Erfahrung wie lange es dauert, bis man sich den Händen der Justiz wieder entwindet. Und meine Zeit ist zu kostbar und alle Interessen, die ich vertrete, würden einen zu tötlichen Schlag erleiden, um auf viele Monate ins Gefängnis zu gehen, lediglich Herrn von Schelling zu gefallen. der, nachdem ich die beiden, Freiheitsstrafen verhängenden Urteile in den höheren Instanzen zur Aufhebung gebracht habe, nun auf dem bequemeren Wege der Vorhaft seinen persönlichen Zorn an mir befriedigen will.
Ein ernster und strenger Befehl des Justizministers würde natürlich diesen Verhaftungsgelüsten des Staatsanwaltes ein Ende machen.
Ich bringe daher die Sache hierdurch zur Kenntnis Ew. Excellenz. Wollen Ew. Excellenz in derselben etwas tun, so bemerke ich, daß keine Stunde Zeit zu verlieren ist.
Ruhe werde ich übrigens in Berlin nicht bekommen, bis Herr von Schelling versetzt ist. [2]
Mit vorzüglicher Hochachtung
F. Lassalle.
1. Was kursiv dargestellt wird, hat Lassalle unterstrichen.
2. Schelling wurde bald darauf als Apellationsgerichtspräsident nach Glogau versetzt.
Zuletzt aktualisiert am 16.10.2004