Bismarck u. Lassalle: Briefwechsel

 

Anlage B

Lassalle an Polizeipräsident von Bernuth

(Abschrift)

 

Berlin, den 15. November 1863.

Ew. Hochwohlgeboren

haben mich ohne alle Bescheidung auf meine Eingabe vom 3. November gelassen. Auf einen solchen Bescheid muß ich aber um so mehr dringen, als mir erst durch eine abschlägige Antwort das Recht eines Verfolgens meiner Beschwerde in der höhern Instanz erwachsen würde und, mir dieses Recht nicht verkümmert werden kann.

Darauf zu dringen habe ich aber um so mehr Veranlassung, als mir eine Art von Bescheid allerdings bisher geworden ist, eine tatsächliche Bescheidung. Diese besteht darin, daß während ich darauf antrug, die Polizeibeamten dahin anzuweisen, die Vorsteher des Vereins in der Aufrechterhaltung der Ruhe gegen einzelne Tumtaltuanten zu unterstützen, die Polizeibeamten seitdem, vielleicht um dem zu entgehen, gar nicht mehr in der Sitzung des Vereins erscheinen.

Zu dem heutigen ersten öffentlichen Vortrag, den ich krankheitshalber nicht halten konnte, hatten sich, wie mir berichtet worden, über 1.500 Personen eingefunden.

Nach meiner Ankündigung sollte der Eintritt nur solchen zustehen, die sich Eintrittskarten verschafft hatten.

Da aber keine Polizei anwesend war, um die Ordner des Vereins zu unterstützen, drangen auch zwischen 100 und 200 Personen ohne Eintrittskarten hinein, die in Masse anstürmten und daher von den durch keine Beamten der Polizei unterstützten Ordnern nicht zurückgehalten werden konnten.

Dies ist höchst ordnungswidrig!

Ich habe offenbar dasselbe Recht, das jeder beliebige Theater- und Konzertunternehmer hat, nur Leute einzulassen, die sich mit Eintrittskarten versehen haben, und hierin von der Polizei unterstützt zu werden.

Ich mache diesen Gegenstand daher hierdurch zum Objekt einer neuen und besonderen Beschwerde mit dem hinweis, daß am nächsten Sonntag der öffentliche Vortrag stattfinden wird.

Bis dahin müßte also Remedur gegen eine Wiederholung solcher Vorgänge getroffen sein.

Die Folgen derselben sind nicht ausgeblieben.

Der bevollmächtigte des Vereins eröffnete die Versammlung, teilte ihr mit, daß ich durch Krankheit zu erscheinen verhindert sei und erklärte darauf die Versammlung für geschlossen.

Nach dem Vereinsgesetz mußte sie jetzt auseinandergehen. Eine jede jetzt noch weiter stattfindende Versammlung war eine unangezeigte im Sinne des § 1 desselben und folglich jeder Redner in derselben strafbar (§ 12).

Da inzwischen keine Polizei zur Stelle war, um hierauf zu halten, setzten hauptsächlich jene ohne Karten eingedrungenen Individuen die Versammlung fort, hielten tumultuarisdie Reden aller Art, bis denn endlich aus dem Schoße der Versammlung selbst auf das Büro des Revierleutnants geschickt wurde.

Indem ich um schleunigste Bescheidung auf diese, wie auf die vorherige Eingabe bitte, um erforderlichenfalls noch vor Sonntag Remedur ergreifen zu können, zeichne ich

Hochachtungsvoll
F. Lassalle.

 


Zuletzt aktualisiert am 18.2.2002