August Thalheimer

 

Einheitsfront und kommunistische Führung

Richtiges Ziel – Falscher Weg

(8. Januar 1932)


Gruppe Arbeiterpolitik (Hrg.): Faschismus in Deutschland. Analysen und Berichte der KPD-Opposition 1928-1933, Bd.1, 1981, S.249-251.
Kopiert mit Dank von der jetzt verschwundenen Webseite der Marxistischen Bibliothek
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Je brennender die faschistische Gefahr, je brutaler die Unternehmerangriffe auf die Lebenshaltung der Arbeiterschaft werden, und je klarer es wird, daß die von der SPD genährte Hoffnung auf die vermeintlichen bürgerlichen Bundesgenossen gegen den Faschismus ein Trug ist, um so mächtiger wird der Drang nach Herstellung einer geschlossenen proletarischen Klassenfront gegen den Faschismus. Der Verwirklichung stellen sich aber als stärkste Hemmnisse die Bürokratie der SPD und der KPD entgegen. Die der SPD, weil sie weiß, daß die einmal entfesselte Aktion der Massen den Rahmen der sozialdemokratischen Politik sprengen müßte und weil sie die revolutionäre Aktion haßt wie die Pest. Die Bürokratie der KPD tut dies aus anderen Gründen. Sie erklärt: eine Einheitsfront gegen den Faschismus ist nur unter kommunistischer Führung möglich. Und deshalb bedeutet für sie die Einheitsfront nur die Sammlung aller Arbeiter, die heute schon bereit sind, der Führung der KPD zu folgen. Das ist es, was unter dem Namen der „Roten Einheitsfront“ proklamiert wird. Die Tatsachen zeigen, daß die KPD auf diesem Wege nicht imstande ist, wirklich die ganze Arbeiterschaft, die bereit ist, gegen den Faschismus und den Unternehmerangriff zu kämpfen, zusammenzufassen. Es kommt so nichts weiter zustande, als die kommunistische Parteifront samt der Peripherie der mit der KPD Sympathisierenden. Demgegenüber baut die SPD ihre Parteifront auf, die „Eiserne Front“. Der Riß in der Arbeiterklasse aber bleibt. Die proletarische Klassenfront kommt nicht zustande. Ihr Zustandekommen ist aber so dringend, daß mehr und mehr die Arbeiter von unten auf über die Köpfe der Instanzen der KPD wie der SPD hinweg, ihrem gesunden Klassenkampf folgend, wenigstens in lokalem Rahmen die breite proletarische Klassenfront durch Zusammenfassung der bestehenden proletarischen Organisationen für den Kampf gegen den Faschismus zu verwirklichen beginnen. Dem aber treten nicht nur die Instanzen der SPD mit allerlei faulen Manövern, sondern auch die der KPD mit scheinrevolutionären Gründen gegenüber, um zu verhindern, daß diese gesunde Bewegung von unten weiter um sich greift. Das, was die Arbeiter tun, darunter mehr und mehr auch Mitglieder und untere Funktionäre der KPD, wird als „Opportunismus, Brandlerismus“ und was sonst noch bezeichnet, um abzuschrecken und zu verwirren. Deshalb ist es notwendig, die heillose Verwirrung, die eben die Instanzen der KPD in dieser Frage geschaffen haben, zu entwirren und zu zeigen, wo hier der grundlegende Fehler, der entscheidende Verstoß gegen eine wirklich kommunistische Taktik liegt.

Der Fehler liegt darin, daß zu einem richtigen Ziel ein falscher Weg eingeschlagen wird, ein Weg, der diesem Ziele nicht zuführt, sondern es verfehlen läßt. Was ist dieses richtige Ziel? Es ist die Führung der Mehrheit, das Gros der Arbeiterklasse, durch die Kommunistische Partei, was gleichbedeutend ist mit der Ausschaltung des reformistischen Einflusses in der Arbeiterklasse. Ohne kommunistische Fuhrung, ohne Vernichtung des reformistischen Einflusses kein Sieg der Arbeiterklasse, keine endgültige Niederwerfung des Faschismus, kein sozialistischer Ausweg aus der Wirtschaftskrise.

Aber wie kann die Kommunistische Partei diese Führung erobern? Das ist die Frage, die die Instanzen der KPD in katastrophal falscher Weise beantworten. In einer Weise, die nicht neu ist. Die Ruth Fischer-Maslow glauben, es genüge, jeden Tag unablässig zu rufen: Die KPD ist die einzige Arbeiterpartei. Aber das genügt nicht. Es ist Kinderei, es damit schaffen zu wollen. Die KPD wird die Führung nur dann gewinnen, wenn sie sich im alltäglichen Kampf der Arbeiter als Führung wirklich bewährt, d.h. ebenso mutig wie klug ihr Klasseninteresse vertritt. Das sprach der „Offene Brief“, mit dem die Exekutive der KPD das bankrott gewordene ultralinke Regiment der Maslow-Ruth Fischer beendete, unumwunden aus.

Wie steht es heute? Die KPD-Instanzen erklären: unterstellt euch der kommunistischen Führung, so seid ihr willkommen in der „roten Einheitsfront“. Die kommunistische „Führung“ kommt so scheinbar zustande, in Wirklichkeit aber nicht, denn es kommt so keine Vereinigung von kommunistischen oder mit dem Kommunismus bereits sympathisierenden mit noch nicht kommunistischen Arbeitern zustande. Die kommunistische Führung führt die Kommunisten und ihren Umkreis, sonst aber nichts! Kommunistische Führung bleibt auf der einen, die Masse der Arbeiterklasse auf der anderen Seite.

Und so kommt es auch nicht zu wirklichen Massenaktionen, die kommunistisch geführt werden, sondern zu ohnmächtigen Parteiaktionen, die künstlich aufgebauscht werden müssen, um als etwas zu erscheinen, deren wirkliche Ohnmacht aber bewiesen wird durch das unablässig fortschreitende Wachstum des Klassenfeindes, des Faschismus.

Wollt ihr den Kampf gegen den Faschismus nur dann führen, wenn die Mehrzahl der Arbeiter kommunistisch ist oder sich von vornherein kommunistischer Führung unterstellt, so kommt ihr nicht nur zu spät – ihr werdet auf diesem Wege niemals ans Ziel kommen.

Wenn die Mehrheit der Arbeiter schon bereit wäre, der kommunistischen Fahne zu folgen, sich für den Kommunismus zu erklären, so brauchte es keiner „Einheitsfront“ mehr – weder einer „roten“ noch einer andersfarbigen.

Die Einheitsfront ist eben deswegen notwendig, weil die KPD erst eine Minderheit der Arbeiterklasse beeinflußt, zum Kampf gegen den Faschismus aber auch große Massen von Arbeitern bereit sind, die noch organisatorisch mit dem Reformismus verbunden sind und sicher zum Teil auch noch reformistische Auffassungen haben.

Aber wie kommt so die kommunistische Führung zustande? Sie kann nicht am Anfang stehen, sondern am Ende. Sie wird zustande kommen, wenn die Aktionen breiter Massen überhaupt erst einmal in Gang gebracht sind und wenn in diesen Aktionen allein die Kommunisten sich als die wirklichen, aufrichtigen, entschlossenen und erfahrenen Führer bewähren. Kurz: das Vertrauen zur kommunistischer Führung wird nicht erworben, indem es beansprucht wird, sondern indem es in der Aktion erworben wird. Das Vertrauen zur kommunistischen Führung kann keine Voraussetzung der Massenaktion sein – denn so wird es nicht zur Massenaktion kommen – es wird Begleiterscheinung und Folge der Massenakton sein – wenn die kommunistische Partei richtig zu führen versteht.

Wenn „Rote Einheitsfront“ bedeutet eine kommunistisch geführte Einheitsfront, so wird sie nur auf diesem, von der kommunistischen Opposition seit Jahr und Tag vertretenen Wege zustande kommen. Auf dem Wege, den die Instanzen der KPD bisher eingeschlagen haben und den sie jetzt gegen die sich mehrende bessere Einsicht der Mitglieder mit scheinkommunistischen Gründen verteidigen, kommt überhaupt keine Einheitsfront zustande, daher auch keine „Rote Einheitsfront“, sondern nur ein falscher, trügerischer Schein davon.

Und setzen die kommunistischen Parteimitglieder nicht alles daran, um den schon morschen Unsinn, der von ober her mit aller Gewalt festgehalten werden soll, bald und vollständig abzudrehen, so kann das Ergebnis nur die Niederlage der KPD und der deutschen Arbeiterbewegung sein.


Zuletzt aktualisiert am 18.7.2008