MIA > Deutsch > Marxisten > Thalheimer > Um was geht es?
Genossen, nun will ich in einigen Worten positiv sagen, worin die Hauptzüge der wirklichen Geschichte der Partei bestehen und was das für die Zukunft sowie für unsere Aufgaben zu bedeuten hat. Genossen, betrachten wir die erste Periode der Herausbildung des Keimes einer Kommunistischen Partei innerhalb der alten Sozialdemokratie. Das ist die kritische Auseinandersetzung, die vom links-marxistischen Flügel begonnen und fortgeführt wird gegenüber dem Revisionismus und dann gegenüber dem Kautskyanischen Zentrismus. Dann eine zweite Periode, die wir bezeichnen können als die praktische und theoretische Erhebung der Kommunistischen Partei Deutschlands auf die Höhe des Standpunktes der russischen Revolution. Dieser Punkt, Genossen, der heute noch von seiten unserer russischen Genossen in Frage gestellt wird, ist historisch erreicht mit den November- und Dezember-Tagen von 10 Jahren.
Die dritte Periode, die sehr langsam vor sich geht und an deren Beginn wir erst stehen, ist die Übersetzung der russischen Revolutionserfahrungen, unserer eigenen und der internationalen Kampferfahrungen, ins Deutsche, Englische, Französische etc. etc. Es handelt sich um dasselbe, was in der russischen Parteientwicklung bezeichnet wurde als die Umsetzung der algebraischen Formel der Revolution in einen Ansatz mit bestimmten Zahlen. Wenn wir dieses Schema der Parteigeschichte etwas näher betrachten, dann ergeben sich die eigentlichen und tieferen Grundlagen dafür, daß wir in diesem Stadium in einen gewissen – und gewißlich nicht sehr milden – Gegensatz zu den russischen Parteigenossen geraten sind.
Ich fasse das Gesagte zusammen in einem kleinen Schema:
Es enthält demnach die erste Periode die bestimmte oder teilweise Verneinung des Reformismus nach seinen beiden Hauptmomenten, des Revisionismus und des Zentrismus. Die zweite Periode enthält die positiv allgemeine These der proletarischen Revolution. Die dritte Periode, die nähere Bestimmung oder Besonderung der allgemeinen revolutionären Erfahrung, die aus der russischen Erfahrung abgeleitet ist, enthält auch eine teilweise Verneinung der russischen Erfahrung.
Denn nach einem bekannten dialektischen Satz ist „jede Bestimmung zugleich eine Verneinung“. Das heißt, wir müssen bestimmte Züge der russischen Erfahrungen abstreichen und bestimmte Formen, die für die deutschen Verhältnisse nötig sind, herausbilden. So ist ein doppelter Gegensatz entstanden, ein prinzipieller und dauernder Gegensatz zur Sozialdemokratie, die prinzipiell auf einem anderen Boden steht als wir und ein taktischer, strategischer und vorübergehender Gegensatz zu dem, was heute in der Komintern besteht. Es handelt sich also um eine notwendige Synthese, um eine Zusammenfassung der Erfahrungen der deutschen Revolution mit denen der russischen Revolution. Uns mit der Sozialdemokratie „verwechseln“ heißt die Synthese mit der These „verwechseln“, heißt „vergessen“, daß in der Synthese die These Wie die Antithese gleichzeitig aufgehoben sind. Aber sie sind gleichzeitig in ihr – auf einer höheren Stufe – enthalten.
Wie – etwas von der Sozialdemokratie im Kommunismus enthalten? Für jeden, der auch nur die Anfänge dialektischen Denkens kennt, ist das selbstverständlich. Die Kommunistische Partei ist nicht nur die Aufhebung der Sozialdemokratie, sie ist zugleich ihre Fortsetzung: die Aufhebung ihres reformistisch-opportunistischen Bestandteil; der Fortsetzung ihres ehemaligen revolutionären Moments auf einer höheren Stufe. Wer richtig sehen will, muß beide Momente ins Auge fassen.
Aus dieser Situation erklärt sich auch, daß es gerade die alten Parteikader in unserer Partei sind, die in diesen Gegensatz geraten sind und dazu noch die jüngeren Elemente in der Partei, die mehr oder weniger ein Gefühl für die besonderen Bedingungen und Wege der proletarischen Revolution und ihrer Vorbereitung in Deutschland haben und andererseits wird uns auch die Gegnerschaft des anderen Lagers und seine Charakteristik begreiflich. Es ist im großen und ganzen, was auf der anderen Seite steht – ich rede hier nicht von Karrieristen, Strebern usw., sondern von denen, die überzeugt sind von der Richtigkeit der Position, die die Zentrale einnimmt – es ist im großen und ganzen gesehen das politisch jüngere, unerfahrenere Element, das unkritische Element, das erst anfängt, die allgemeine revolutionäre Formel sich anzueignen und noch nicht dazu gelangt ist, die Aufgaben der Besonderung, der näheren Bestimmung, der Weiterentwicklung zu sehen. Daher erklärt sich die Schärfe und Hartnäckigkeit des Gegensatzes. Denn obwohl es sich nicht um einen, prinzipiellen Gegensatz, sondern um einen taktischen Gegensatz handelt; hängt doch das Schicksal der Partei und der proletarischen Revolution in Deutschland von der Durchkämpfung dieses Gegensatzes ab.
Hier ein Wort zu der Haltung der Versöhnler in dieser Situation. Die Versöhnler fühlen mehr oder weniger klar die Unzulänglichkeit der linken Positionen, aber sie sind nicht imstande, positive Lösungen zu finden. Sie haben auch nicht einmal eine klare Vorstellung der Fragen, die hier gestellt werden. Aus dieser ihrer Situation heraus erklären sich ihre Schwankungen, ihre Unsicherheit, ihre Zweideutigkeit. Theoretisch ist ihre Stellung die des Eklektizismus, d.h. des prinzipienlosen Schwankens zwischen verschiedenen taktischen Stellungen und praktisch läuft es meist auf Opportunismus hinaus.
Ich gehe dazu aber, nachdem ich die allgemeine Einstellung des Offenen Briefes, seine historische Bedeutung gekennzeichnet habe, die einzelnen Einstellungen und Entstellungen des Offenen Briefes durchzugehen.
Ich fange beim Anfang an. Das Schriftstück fängt an: „Seit der deutschen Revolution des Jahres 1923 ...“ Diese ersten Worte sind sehr charakteristisch, insofern, als sie nicht nur einen Zungenfehler oder Druckfehler darstellen, sondern die notwendig mit der ganzen Position verbundene Übertreibung sogar der Einstellung von Trotzki usw. zu den Fragen von 1923. Die Trotzkistische Vorstellung von 1923 besteht darin: 1923 sei eine genaue Kopie des russischen 1917. In Rußland hat man gesiegt 1917, weil Lenin an der Spitze war, in Deutschland hat man nicht gesiegt, weil Brandler und Thalheimer an der Spitze waren. Hätten wir einen Lenin an der Spitze gehabt, hätte man siegen können. – Das war die Position von Trotzki. Als Trotzki dazu überging, Sinowjew. und Kamenew diese Geschichte um die Ohren zu hauen und erklärte, daß Brandler und Thalheimer nicht das wichtigste sind, aber Sinowjew verantwortlich für diese Geschichte ist, begannen Bucharin und einige, etwas einzuschwenken. Es kamen aber nur Halbheiten heraus.
Dann ist die Rede von der „Kapitulation“ Brandlers vor der Bourgeoisie, von der Blockpolitik, die Brandler „ständig“ mit den Sozialdemokraten getrieben habe. Genossen, ich brauche nicht weiter auszuführen, daß wir einen solchen Standpunkt glatt ablehnen und abgelehnt haben. Ich will nur ein ge Tatsachen anführen, daß es gerade die sogenannten rechten Genossen gewesen sind, die gerade gegen die linke Sozialdemokratie die größten Erfolge erzielt haben. Offenbach ein Beispiel, Breslau ein zweites Beispiel, Solingen ein drittes Beispiel, Leipzig ein viertes Beispiel. Oder die einfache Tatsache dessen, was die Partei im Jahre 1923 gewesen ist. Die Tatsache ist doch nicht abzuleugnen, daß die Partei als Parteiorganisation gegenüber der Sozialdemokratie und auch in den Gewerkschaften den höchsten Stand der Zurückdrängung der Sozialdemokratie, rechter und linker, erreicht hat. Das ist eine Tatsache, von der keine Redensart etwas abbrechen kann.
Dann weiter, „die Produktionskontrolle im gegenwärtigen Augenblick“. Das sollen wir, vertreten. Das ist in Gänsefüßchen gesetzt im Offenen Brief. Keiner von uns hat diesen blödsinnigen Ausdruck je gebraucht. Wir haben davon gesprochen, daß jetzt, in der nicht akut-revolutionären Periode die Produktionskontrolle propagiert werden soll. Zu allem Überfluß hat Brandler auf dem 4. RGI-Kongreß deutlich gesagt, wann, wo, wie, unter welchen Umständen wir die Produktionskontrolle propagiert und wann, wo wie durchgeführt haben wollen, daß sich auch der Begriffstutzigste nicht darum drücken kann. Wir haben erklärt: Erstens, die Durchführung kann nur erfolgen in einer akut revolutionären Periode, d.h. während der Periode des Kampfes um die Macht. In einer nicht akut revolutionären Periode, aber in einer revolutionären Periode, in der wir jetzt leben, handelt es sich um die Propaganda der Produktionskontrolle. Dieser Vorwurf gegen uns ist besonders grell ausgearbeitet in dem Aufsatz, den Gusew in der Kommunistischen Internationale geschrieben hat. Der Sinn ist der: wir Rechten vertreten den Gedanken der Produktionskontrolle. Wir bilden uns angeblich ein, daß man die Produktionskontrolle ohne den Kampf um die Macht, ohne Revolution, ohne Diktatur des Proletariats, ohne bewaffnete Arbeiter, ohne Räte durchführen könne.
Genossen, Positives ist dazu zu sagen: wenn wir aussprechen, die Durchführung der Produktionskontrolle erfolgt in der Periode des Machtkampfes, dann heißt es, daß in dieser Periode um die Macht gekämpft wird. Um . aber um die Macht zu kämpfen, muß man nach meiner bisherigen Vorstellung Waffen haben. Und weiter: dazu sind nötig die breitesten Klassenorgane der Arbeiter, die Räte. Hier aber ist für den Genossen Gusew etwas sehr Interessantes. Er hat uns auch im Ruhrkampf die Vorstellung unterschoben, wir seien der Meinung, wenn eine Mehrheit von Arbeitern sich findet für die Übergangslosung „Zahlung der Löhne durch den Staat auf Kosten der Unternehmer“, dann sei die proletarische Diktatur schon, da, ohne Kampf. Es steckt hier dasselbe dahinter, was die Versöhnler ausgewalzt haben, nämlich daß Gusew nicht begreift, nicht sieht, daß es so etwas wie eine besondere Periode des Kampfes um die Macht gibt. Wir sagen, es gibt eine Periode zwischen den Tageskämpfen, wo es sich noch nicht um den Machtkampf dreht und der faktisch eroberten Macht, nämlich die Periode, wo tatsächlich um die Macht gekämpft wird. Wir sind der Ansicht – und alle Voraussetzungen, die in Deutschland vorhanden sind, ermächtigen uns dazu daß das kein einmaliger Akt von 24 Stunden sein wird, sondern eine verwickelte und längere Periode mit einer ganzen Reihe verwickelter und heute nicht vorauszusehender Erscheinungen. Gerade diese Periode sehen, verstehen, daß eine ganze Reihe Dinge politisch eintreten wird, die wir im Detail noch nicht voraussehen, gerade das gehört dazu, um die besonderen Züge der proletarischen Revolution in Deutschland herauszuarbeiten.
Genossen, hier komme ich auch zur Frage der Räte, wobei der Offene Brief uns vorwirft, wir wollen den Gedanken der Räte fallen lassen. Faktisch führe ich hier qn, daß es gerade die offizielle Parteileitung ist, die jede günstige Gelegenheit versäumt hat, züm Beispiel kurz nach den Wahlen, wo die Frage der Demokratie oder Diktatür von der Sozialdemokratischen Partei aufgeworfen worden ist Man sieht nichts von einer Propaganda der Räte in unserer Partei und gerade ein sogenannter „Rechter“ mußte es sein, der die Rote Fahne darauf aufmerksam machte, die dann aber den Artikel hübsch in den Papierkorb geworfen hat.
Genossen, mit der Frage der Räte hängt aufs engste zusammen die Frage, daß der Kampf um die Macht eine bestimmte Periode ausfüllt Das kommt am klarsten in der Frage der Arbeiter- und Bauernregierung zum Ausdruck. Der Offene Brief wirft uns vor, wir fassen die Arbeiter- und Bauernregierung auf als ein Zwischenglied zwischen bürgerlicher und proletarischer Diktatur oder wie Ruth Fischer sagte, als ein Zwischenglied zwischen Mensch und Affe. Selbst dieser Unsinn ist besonders dumm formuliert. Aber sehen wir von der besonders dummen Formulierung ab und stellen wir unsere wirkliche Meinung fest und die, die von Sinowjew vertreten wurde. Die Sinowjewsche Formel, die offiziell festgelegt ist und die heute jeder offiziell nachbetet, lautet: Die Arbeiter- und Bauernregierung ist das Synonym (gleichbedeutend mit) der Diktatur des Proletariats. Ich will mich nicht länger darüber aufhalten, daß man ein gleichbedeutendes Wort für, ein und dasselbe Ding nicht braucht. Die proletarische Diktatur oder die Räterepublik ist allerdings ein Fremdwort, aber die Arbeiter haben es sehr gut verstanden sie brauchten es nicht erst übersetzen. Aber, dem liegt etwas anderes zugrunde. Eben die Vorstellung, die vorher schon erwähnt wurde: Es gibt keine Periode des Kampfes um die Macht. Die proletarische Diktatur wird fix und fertig vom Himmel fallen, wie auch die Räte fix und fertig vom Himmel fallen werden.
Wir fassen die Arbeiter- und Bauernregierung auf als eine Entwicklungsstufe nicht von der bürgerlichen Diktatur zur proletarischen, sondern als eine Entwicklungsstufe der proletarischen Diktatur. Das ist der grundlegende Unterschied, der eben darin beruht, daß wir nicht die Phantasie hegen, die Räte werden fix und fertig vom Himmel fallen, werden nicht innerhalb 24 Stunden die Macht haben, sondern wir sind der Ansicht, daß, entsprechend allen bisherigen Erfahrungen und Voraussetzungen, die Räte eine lange Periode der Kämpfe und ihrer eigenen inneren Entwicklung durchzumachen haben werden, ehe sie die voll entwickelten Räte sind, und die Macht innehaben. Und Genossen, damit ist auch verbunden, daß die Rätediktatur, und die Diktatur der Kommunistischen Partei ebensowenig vom Himmel fallen wird, wie sie in Rußland vom Himmel gefallen ist. Die Rätediktatur in Rußland hat eine Phase durchgemacht, wo neben den Räten – wenn auch nur für 24 Stunden – die Konstituante gestanden hat. Man hat dieser dann einen Tritt gegeben. Aber dann noch eine Erscheinung. In diesen Räten saß nicht nur die Kommunistische Partei, sondern saßen auch die linken Sozialrevolutionäre, in einer gewissen Etappe. Ihre Heranziehung war für eine bestimmte Zeit ein sehr wichtiges Moment bei der Gewinnung eines Teiles der Bauernschaft für die proletarische Diktatur, denn die linken Sozialrevolutionäre vertraten bestimmte revolutionär gestimmte Teile der Bauernschaft und führten sie der Rätediktatur zu. Daraus geht hervor, daß der Zusammenbruch der alten Parteien mit proletarischem kleinbürgerlichem Anhang sich nicht so glatt vollzieht, wie sich das mancher Genosse vorstellt, nicht so, daß eines schönen Tages die Arbeiter, die heute in der Sozialdemokratischen, Zentrums- oder einer anderen Partei sind, einsehen, nun sind wir Kommunisten und marschieren in geschlossener Front ab. Wir müssen uns das vorstellen als einen sehr verwickelten und in seinen Einzelheiten nicht vorauszusehenden Prozeß, bei dem es zu Differenzierungen in der Sozialdemokratie, bei den Demokraten, beim Zentrum kommen wird. Das ist es eben, was wir meinen, wenn wir von der Arbeiter- und Bauernregierung als einer Entwicklungsstufe, die im einzelnen noch nicht zu bezeichnen ist, der proletarischen Diktatur sprechen. Die Möglichkeit. daß gewisse Teile von Arbeitern, die heute noch in der Sozialdemokratie sind, noch mit ihr alten Organisationseierschalen behaftet, zum Kommunismus kommen, diese Möglichkeit fassen wir ins Auge. Wenn man sich konkret und nicht nach irgendeinem Schema den Gang der proletarischen Revolution vorstellen will, kann man das in großen Zügen nicht anders tue;
Genossen, was wir korrigieren müssen an unseren früheren Anschauungen, wir können das ganz offen tun, ist die Vorstellung, die wir nicht selber erfunden haben, sondern die wir eine Zeitlang übernommen haben aus dem, was der IV. Kongreß der Komintern sehr Konfuses und Widersprechendes über die Arbeiter- und Bauernregierung geredet hat. Wenn Sie heute die Frage der Arbeiter- und Bauernregierung an Hand des Protokolls des IV. Komintern-Kongresses durchsehen, werden Sie sehen, daß hier mindestens zwei durchaus entgegengesetzte Standpunkte durcheinander gehen. Einer von Radek, einer von Sinowjew und ein dritter, den Bucharin vertreten hat. Vorherrschend war hier ein Standpunkt, der eben noch ein Zwischenglied zwischen bürgerlicher Demokratie und proletarischer Diktatur voraussetzt. Wenn Sie weiter die Dokumente prüfen, werden Sie sehen, daß wir auf Grund unserer eigenen Erfahrung die Ausmerzung dieser Zweideutigkeit nicht erst im September, sondern bereits im August 1923 in der Roten Fahne vollzogen haben, daß wir ganz klar die Arbeiter. und Bauernregierung als eine Entwicklungsstufe der proletarischen Diktatur, mit allen Einzelheiten, die damals möglich waren, gekennzeichnet haben. Und was wir weiter heute unterstreichen müssen, worin es Irrtümer gab, ist, daß wir keine Möglichkeit ins Auge fassen einer Beteiligung der Kommunistischen Partei an der Macht, wo die Kommunistische Partei nicht dominiert, wo sie nicht die Mehrheit in der Arbeitermasse hat und natürlich auch nicht in der Regierung. Wir müssen ferner unterstreichen, daß eine Arbeiter- und Bauernregierung sich auf Klassenorgane des Proletariats stützen, und von vornherein diktatorisch auftreten muß. Man schlägt uns immer noch das sächsische Experiment um die Ohren. Hier will ich sagen: es wird Euch bekannt sein, daß der Eintritt in die sächsische Regierung gegen den heftigsten Widerstand Brandlers erfolgte, daß unsere russischen Genossen darauf drängten und sogar die Disziplinfrage stellten. Wenn diese Geschichte gemacht wurde, eins falscher Schritt von einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten aus, so wurde er gemacht im Widerspruch zu der theoretischen und taktischen Stellung, die wir bereits im August erreicht hatten. Die sächsische Regierung ist nicht eine Konsequenz des sogenannten „Brandlerismus“, sondern steht im Widerspruch dazu. Das müssen wir klar und deutlich sagen.
Ein weiterer Punkt, der uns vorgeworfen wird, ist, wir geben die Leninistische Einheitsfronttaktik auf.
Dazu brauche ich nicht sehr viel zu sagen. Es ist eine einfache und ziemlich kindliche Retourkutsche. Wir werfen mit Recht dem ZK und der Komintern vor, daß sie praktisch die Einheitsfront unter dem Titel „Einheitsfront von unten“ aufheben. Sie antworten damit, daß wir diejenigen sind, die die Leninistische Einheitsfronttaktik aufheben wollen. Der springende Punkt in dieser Geschichte ist, daß wir in dem Verlassen der Einheitsfront zwei Abweichungen entgegengesetzten Charakters haben. Die eine Abweichung, die linke, die so propagiert: 15 Pf. Lohnerhöhung und Diktatur des Proletariats. Ich brauche das nicht weiter formulieren. Das ist so die Praxis, wie sie besonders unsere „linken“ Genossen herausgebildet haben. Dann die andere Form, für die unsere Versöhnler die Spezialisten sind, die theoretisch entwickelt haben: Übergangslosungen haben erst einen Sinn, sie dürfen erst propagiert werden, wenn der Kampf um die Macht schon begonnen hat. Man braucht sie nicht hineintragen in die Tageskämpfe von heute. Diese Politik läuft darauf hinaus, daß sie sich auf die Tagesforderungen beschränken muß, d.h. auf eine rein opportunistische Stellung.
Dann wird uns vorgeworfen, es zeige sich Übereinstimmung zwischen uns und der SPD in der Frage der Organisierten und Unorganisterten. Hier will ich nur einige Hauptgesichtspunkte herausheben, wo wir uns unterscheiden von unseren russischen Genossen, von ihrer Stellung, wie sie sie jetzt einnehmen und auch von ihren Nachbetern hier in Deutschland. Unsere russischen Genossen verstehen offenbar nicht oder nicht mehr, daß in Deutschland der Hebel, um die Unorganisierten in Bewegung zu setzen In Tageskämpfen und auch weiterhin für den revolutionären Kampf, daß dieser Hebel der organisierte Arbeiter ist. Die. Stellung der „Linken“ und unserer russischen Freunde besteht im Umgekehrten: sie glauben, man könne von den Unorganisierten aus die Organisierten und die gesamte Arbeiterschaft in Bewegung setzen. Die Praxis bei der Ruhraussperrung und andere Fälle haben das Unsinnige dieser Geschichte gezeigt. Aber auch hier wollen wir kurz sagen, wodurch ein solcher Unsinn bei unseren russischen Genossen entstehen konnte. Weil sie die Frage der praktischen Bedeutung der Gewerkschaften, ihre Rolle im Klassenkampf nicht kennen. Sie hatten keine erheblichen Gewerkschaften vor 1917, sie haben keine Gewerkschaften als Kampforgane nach Eroberung der Macht, sie haben kein Gefühl und Verständnis für diese Dinge, die jeder einfache Arbeiter in Deutschland versteht. Die Hauptgesichtspunkte, die hier in Frage kommen, sind folgende:
Dann Genossen – die Liste ist sehr lang – wird uns ins Unterbewußtsein vorgeschoben, Brandler und Thalheimer beabsichtigen die Gründung eines neuen Spartakusbundes. Dazu kann man sagen, es ist eine vollkommene Verkennung dessen, was möglich ist und was notwendig ist. Es ist auch das wohl eine bürokratische Einstellung, die sich vorstellt, ein alter Vorgang, der mal in den Akten ist muß wiederholt werden. Ich brauche nicht sagen, daß niemand daran denkt. Warum ist kein Wiederholen, kein zweiter Spartakusbund möglich? Der Spartakusbund ist historisch überholt. Keine Kraft der Welt kann, was vor zehn Jahren zeitgemäß war, in dieser Form wiederholen. Wer das tun wollte, wäre ein Utopist, ein Reaktionär. Es handelt sich nicht darum, das Alte wiederherzustellen, sondern alle die Schichten, die sich seit der Bildung des Spartakusbundes gesammelt haben, weiterzuführen zu etwas Höherem und Neuerem, was dem Wesen nach kein zweiter Spartakusbund sein kann.
Denn, Genossen, sind wir wohl alle der Meinung, daß jetzt von der Bildung einer neuen Partei überhaupt nicht die Rede sein kann. Was not tut, und was wir wollen, das ist, eine organisierte Richtung innerhalb der Partei zu bilden, eine Richtung, die sich die Aufgabe setzt, die Partei zu erobern, sie umzubilden und zugleich mit. ihr die Komintern umzuwandeln. Dieses Ziel bis zu Ende durchzuführen, das ist das, was jetzt notwendig ist, und von diesem Gesichtspunkt aus treffen wir auch unsere organisatorischen Maßregeln, finden wir die organisierte Antwort auf das, was an organisatorischen Maßregeln im Offenen Brief steht.
Genossen, die Frage der Disziplin und der Fraktionsbildung: Wir haben also die Disziplin gebrochen und Fraktionen gebildet Ich will natürlich nicht lange auf die Euch allen bekannte Tatsache eingehen, daß Fraktionen in der deutschen Partei so alt sind wie fast die Partei selber, daß es gegenwärtig nicht nur 2 und 3 Fraktionen gibt, sondern vielleicht noch mehr, daß es also pure Heuchelei ist, wenn man die Bildung einer rechten Fraktion als Sünde und Schande heraushebt. Aber, Genossen, zu glauben, man könne das Fraktionswesen in der Partei mit mechanischen Maßregeln ausrotten, das ist die denkbar größte bürokratische Beschränktheit, die man sich vorstellen kann. Diese Frage ist eine politische und keine organisatorische Frage und sie wird nicht gelöst werden. können, ehe die Aufgaben der Partei klargestellt sein werden.
Dann, Genossen, zur Frage des demokratischen Zentralismus, der merkwürdigerweise am Schluß des Offenen Briefes figuriert, der uns gerade in dem Moment versprochen wird, wo man die sogenannten „Rechten“ herauswirft. Die Verkündung der Selbstkritik und des demokratischen Zentralismus in einem solchen Moment ist besonders eindrucksvoll und glaubwürdig.
Zur Frage des demokratischen Zentralismus selbst möchte ich sagen: Der demokratische Zentralismus hat erstens zwei Seiten, eine, die von oben nach unten geht, das Kommandieren, das ist der Zentralismus und eine, die von unten nach oben geht, das ist das Demokratische daran. Der demokratische Zentralismus wird von unseren verehrten Genossen und Führern heute halbiert. Sie sehen nur die eine Hälfte, das Kommandieren, sie sehen aber die andere Seite nicht Zweitens aber ist der demokratische Zentralismus natürlich kein Ding außer Zeit und Raum, sondern er bedarf auch einer besonderen Anpassung je nach den verschiedenen Stadien der Klassenkämpfe, noch den verschiedenen lokalen Verhältnissen in den einzelnen Ländern. Wir haben sehr verschiedene Methoden des Parteiregimes gehabt im Spartakusbund, der Kommunistischen Partei, in der russischen Partei usw. Aber, Genossen, einen solchen Aberwitz, wie er Jetzt existiert, den haben wir nie gehabt, daß man nämlich versucht, die disziplinarischen und organisatorischen Methoden einer Kommunistischen Partei, die die herrschende Partei im Staate ist, zu übertragen auf eine Partei, die leider noch nicht an der Macht ist und die als Kommunistische Partei ihr eigenes Gesicht erst herausbilden muß. Aus einer solchen mechanischen Übertragung können letzten Endes nur Scherben herauskommen. Auch hier wollen wir die Dinge nicht abstrakt nehmen, sondern es müssen organisatorische und disziplinarische Methoden, die den Bedürfnissen der Bewegung hier angepaßt sein müssen, angewendet werden. Das muß im einzelnen noch ausgearbeitet werden. Z.B. gehören hier herein die Fragen der Betriebszellenorganisation. Ich habe schon vorhin erwähnt, daß wir die Betriebszellenorganisation im Prinzip für richtig und für einen Fortschritt gegenüber der sozialdemokratischen Organisation halten. Aber auch dem muß dem Körper, der diese Organisationsform tragen soll, angemessen werden. Es darf nicht bloß aufgeflickt sein.
Dann eine andere Sache, die Methode der Ideologischen Kampagne, wie man sie jetzt führt. Ich bin der bescheidenen Meinung, daß man das anders machen kann. Ich halte die deutschen Arbeiter nicht für so tiefstehend, daß sie unbedingt mit der Methode des Nürnberger Trichters bearbeitet werden müssen. Ich glaube, die Erfahrung – unsere eigene und die in der Sozialdemokratie – hat gezeigt, daß Gedanken nicht schaden.
Denn, Genossen, komme ich zu den konkreten Schritten, die wir zur Beantwortung des Offenen Briefes zu unternehmen haben. Ich will das ganz kurz umrissen aufzählen:
Erstens: die Organisierung einer möglichst breiten Protestkampagne.
Zweitens: Was die Ausgeschlossenen anbetrifft, ihre Verbindung mit irgendeiner Parteikörperschaft, das heißt, daß der oder jener Ausgeschlossene sich einer Zelle oder Ortsgruppe anschließt, die noch innerhalb der Partei ist und daß diese Zelle oder Ortsgruppe erklärt, daß sie diesen Genossen als ein Parteimitglied weiterhin betrachtet. Diese Zellen oder Ortsgruppen sind die alte Partei. Sie sind es nicht nur formal, sondern auch dem Inhalt nach.
Dann bedarf es einer gewissen fraktionellen Zusammenfassung aller Kräfte, die auf unserem Boden stehen. Über die Einzelheiten will ich mich nicht auslassen, das ist mehr technischer Art.
Genossen, der wichtigste Punkt für uns ist, daß wir wie nicht auf den innerparteilichen Kampf beschränken. Wenn wir auch der Meinung sind, daß wir nicht weiter zu gehen haben wir zur Organisierung einer festen Richtung innerhalb der Partei, so müssen wir uns doch klar sein, eine politische Richtung kann, nicht bestehen ohne politische Wirksamkeit, ohne politisches Auftreten nach außen ...
Das heißt, wir haben nicht nur die innerparteilichen Dinge durchzukauen, sondern wir haben Politik zu machen. Wir haben in allen wichtigen politischen Fragen nach außen, in der Arbeiterschaft, in der Arbeiteröffentlichkeit Stellung zu nehmen. Das scheinen mir die Hauptpunkte der Antwort zu sein, die wir auf den Offenen Brief praktisch zu geben haben.
Die weitere Perspektive. Zwei Perspektiven sehe ich vor mir, in diesem Falle also in Übereinstimmung mit Sinowjew, der auch immer zwei Perspektiven konstruiert. Die eine Möglichkeit, daß es gelingt, die Partei von innen und außen zu erobern und umzuwandeln. Die zweit< Möglichkeit, daß es nicht gelingt. Ob diese oder die andere Möglichkeit eintritt, das ist keine Sache der Spekulation. Ich werde mich keine Minute damit aufhalten, darüber zu spekulieren ob es gelingt oder nicht. Man kann hier nur das eine sagen: der Pudding wird beim Essen erprobt. Was als die Aufgabe jetzt vor uns steht, ist der Versuch, die Partei von innen und von außen zu erobern. Gelingt es, gut; gelingt es nicht, werden wir einen Schritt weitergehen. Nur der wirkliche Kampf um die Eroberung der Partei kann uns die wirkliche Perspektive zeigen. Diese Perspektive hängt ja auch nicht nur vom eigenen Willen ab, sondern auch von dem Verhalten der Brüder von der andern Fakultät. Nur die Erfahrung des Kampfes kann uns zeigen, ob auf der andern Seite etwas Hoffnungsloses vorliegt. Sollte der Versuch scheitern, muß man weiter gehen. Aber um das durchzusetzen, um dieses Experiment durchzuführen, sauber und rein, wie es ein Physiker durchführt, dafür gibt es nur ein Mittel: wir müssen eine Macht wer den, stark werden, Bataillone kriegen. Dann, wird sich auch zeigen, nicht nur in Deutschland, sondern auch bei unseren russischen Genossen, wie weit, sie entwicklungsfähig sind und wie weit nicht, wie weit sie Gründen, hinter denen Bataillone stehen, zugänglich sind oder nicht. Ich bin der Meinung, daß Gründe eist durch starke Truppen wirksam gemacht, werden. In jedem Falle bin ich der Meinung, daß wir uns zü betrachten haben und aufzuführen als diejenige Richtung, die die lebendige Richtung in der Partei ist, die die Dinge weiterentwickelt, die das Neue und seine Erfordernisse in der Partei sieht.
Nun, Genossen, wir können und müssen die Zuversicht haben, daß wir die Parteimitglieder gewinnen können, auf welchem Wege auch immer, denn das, was hier auszuarbeiten ist, der Weg der proletarischen Revolution in Deutschland ist etwas historisch Unvermeidliches, Unumgängliches. Zur Frage der Aufnahme neuer Mitglieder. Ich glaube, daß dort, wo – wie das in Offenbach und teilweise in Breslau bereits der Fall ist – ganze Zellen und Ortsgruppen ausgeschlossen oder von der Partei abgedrängt werden, wir nicht aus irgendwelcher mystischen Einstellung heraus verzichten, sollen, neue Mitglieder aufzunehmen. Das hieße die kommunistische Bewegung künstlich, schwächen. Wir müssen, um mit Aussicht auf Erfolg für die Rettung der Partei zu wirken, bestrebt sein zu wachsen, zu einer realen Macht zu werden.
Noch ein Wort über die Möglichkeit zur Eroberung der Partei. Was die „linke“ Führung anbelangt, die Thälmann, Neumann usw., so können wir sie heute, ich glaube mit voller Sicherheit als ausgebrannte Schlacke betrachten, als etwas, was nicht weiter zu entwickeln ist: Etwas anderes ist es mit den Arbeitern, soweit sie ehrlich und überzeugt hinter dieser Führung hergeben. Hier denselben Maßstab anzulegen, anzunehmen, daß sie nicht zu gewinnen sind, das halte ich für durchaus falsch. Wir müssen und können annehmen, daß auch diese Arbeiter zu gewinnen sind. Und die künftige Führung der Partei? Da zerbricht sich schon mancher den Kopf, manche stellen sich das vor: Wiederherstellung der alten Zentrale usw. Ich habe mir noch- nicht. den Kopf zerbrochen, wie die Führung im Jahre 1932 oder 33 aussehen wird. Das weiß ich nicht Eins kann ich hier sagen: es wird auch nicht bloß das Alte sein, sondern sehr viel Neues und Junges hinzukommen und hinzukommen müssen.
Dann noch ein Wort über das Verhältnis zu unteren russischen Genossen. Es hat sich jetzt durch den Offenen Brief ein scharfer Gegensatz herausgebildet. Er beruht auf sachlichen Gründen. Nicht aus Laune oder Taktik greifen wir Stalin, Bucharin oder irgendwen an. Dieser Gegensatz ist kein endgültiger, kein dauernder, aber die Beiseiteschaffung dieses Gegensatzes hängt von einem einzigen Punkt ab: daß wir uns in der KPD, in der deutschen Arbeiterbewegung durchsetzen. Ein Wiedertreffen mit unseren russischen Genossen, das muß auf einer anderen Grundlage erfolgen, als es heute ist Genossen, es kann keine Rede davon sein, daß wir etwa wie die Maslow-Leute auftreten und jeden Tag erklären: Bitte, nehmt uns wieder in die Kommunistische Partei auf. Davon ist gar keine Rede, sondern diese Wiedervereinigung, wenn sie der Partei von Nutzen sein soll, muß erfolgen auf Grund der Durchsetzung der Auffassung, um die wir kämpfen. Das ist das Entscheidende in dieser Sache.
Diese Durchkämpfung, die wir vor uns haben, das wird, wie ich voraussehe, keine sehr kurzatmige Sache sein. Auch h!er kann man vier- leicht einiges entnehmen aus den historischen Maßstäben, die uns gegeben sind. Die russische Partei hat zu ihrer Herausbildung etwa 30 Jahre gebraucht. Ich will nicht sagen, daß diese Zeit nun obligatorisch ist für alle anderen Parteien. Durchaus nicht. Uns aber braucht diese Frist nicht zu schrecken. Wir haben hinter uns, wenn wir von 1914 ab rechnen, bereits die ziemlich erhebliche Zeit von 14 Jahren, und wenn wir – was, wie ich glaube, historisch richtig ist – vom Jahre 1908 ab rechnen, also von der ersten Herausbildung des Gegensatzes zwischen der marxistischen Linken und dem Zentrum, haben wir schon 20 Jahre. Wir leben schneller und ich hoffe, daß wir schneller zu Ende kommen. Aber ich glaube nicht, daß das eine Sache von Wochen und Monaten ist Ich will hier nur die Größenordnung angeben. Ich glaube, daß der vollkommene Sieg, den wir erreichen müssen, eine Sache ist, die nach Jahren gemessen werden muß. Um diesen Sieg durchzusetzen, brauchen wir den Willen zur Macht in jedem einzelnen von uns und auch die nötige Festigkeit und Ausdauer. Eine feste Siegeszuversicht, aber keine Hurra-Stimmung.
Genossen, es ist noch ein Punkt, der hier erwähnt werden muß. Manche, die uns sachlich recht geben, scheuen vor uns noch zurück, da sie sich eine allzu einfache Vorstellung von der Entwicklung einer Kommunistischen Partei gemacht haben. Die wirkliche Entwicklung zeigt, daß die Dinge viel komplizierter sind, daß hier zeitweilige und längere Spaltungen, Wiedervereinigungen, Überraschungen aller Art an der Tagesordnung sind. Die deutschen Arbeiter sind etwas verwöhnt, weil hier eine einige deutsche Sozialdemokratie bestanden hat seit dem Gothaer Parteitag und weil – von Wachstumskrisen am Anfang abgesehen – in Deutschland eine einige Kommunistische Partei seit 10 Jahren bestanden hat. Die Einigkeit war jedoch mehr scheinbar als wirklich. – Sie vergessen einmal, daß wir selber zur Bildung der Kommunistischen Partei durch eine Reihe verschiedener organisatorischer Formwandlungen durchgegangen sind und zweitens auch, daß es in der älteren Geschichte der Arbeiterbewegung z.B. so etwas gegeben hat wie Lassallaner und Eiaenacher.
Genossen, ich denke – und damit will Ich zum Schluß kommen – das, was sich in uns verkörpert, ist eine historisch notwendige Sache und deshalb bin ich fest überzeugt davon, daß der Sieg dieser Sache unvermeidlich ist. Auch wenn wir sehen, welche Voraussetzungen wir zum Sieg haben, glaube ich, daß wir zuversichtlich sein, können. Die Situation ist für uns günstig, da die gegenwärtigen Klassenkämpfe in Deutschland einer objektiv revolutionären Situation entspringen. Sie ist für uns günstig, da wir die Erfahrungen von 10 oder 14 Jahren im eigenen Lande hinter uns haben, da wir uns die russischen Erfahrungen schon seit geraumer Zeit angeeignet haben. Wir haben dazu eine zwar fernliegende, aber nicht uninteressante revolutionäre Erfahrung in China und Indien. Wir haben jetzt in der Partei einen 5jährigen Kampf, der uns allerhand gelehrt und uns auch das Fell ein bißchen gegerbt hat, so daß wir allerhand vertragen können. Dann kämpfen wir auf einem Boden, den wir einigermaßen kennen, auf dem der deutschen Arbeiterbewegung.
Das, was wir in den wenigen Monaten, wo der Kampf sich zugespitzt hat, innerhalb der Partei, im ganzen Reiche gesammelt haben, damit wollen wir zwar nicht prahlen, aber, Genossen, Ich muß meinerseits gestehen, es ist mehr, als ich erwartet habe. Es ist nicht unbeträchtlich. Es ist ein gediegener Ansatzpunkt, um größere Massen darum zu sammeln. Es ist auch qualitativ etwas, worum man Anhänger scharen kann. Es sind, wo nun hinschaut, die Besten aus den alten Kadern und die Besten der jüngeren Kader. Es sind diejenigen, die mit dem bloßen Tagesgeschwätz, mit dem einfachen Treiben vor dem Wind nicht Zufrieden sind. Und Genossen, wir haben noch einen ausgezeichneten Helfer, das ist ein Gegner, der uns äußerlich stark imponierend gegenübersteht, die Komintern, mit ihren Sektionen usw. Soviel ich weiß, haben wir nur sehr wenige kleine Organisationen in der Komintern, die auf unserem Boden stehen. Also eine äußerlich sehr starke Macht. Diese Macht ist aber innerlich schwach, hohl, angefressen von der gedankenlosen Routine, vom Bürokratismus. (Was wir hier in Deutschland davon vor Augen haben, gibt uns ein genügendes Bild.) – Ich sage, eine solche äußerlich starke, aber innerlich schwache Macht, das ist gerade der Gegner im Kampf, an dem wir innerlich und äußerlich stark werden können. Der Gegner, mit dem wir vorhaben, zu kämpfen, wird uns nötigen, selber stärker zu werden und bedeutend mehr zu leisten, als wir bisher geleistet haben. Also vorwärts und aufwärts! Es gilt kein Geringerem, als die wirkliche und gründliche Vorbereitung des Sieges der nächsten und für das Ganze wahrscheinlich entscheidenden Etappe der Weltrevolution!
Zuletzt aktualisiert am 18.7.2008