Parvus
[Aleksandr Israel Helphand]

 

Franz Mehring und die Sozialdemokratie

(4. November 1903)


Parvus [Aleksandr Israel Helphand], Franz Mehring und die Sozialdemokratie, Leipziger Volkszeitung, 10. Jg., Nr. 255, 4. November 1903, Beilage 2; 1–2.
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Sozialistische Klassiker 2.0.
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Unter dieser Überschrift schreibt Parvus in seiner Parteikorrespondenz:

Franz Mehring begann seine literarische Laufbahn als Kritiker des untergehenden bürgerlichen Liberalismus, nicht als Feind der Bourgeoisie. Er trat in den literarischen Kreis ein, der das publizistische Epigonentum der deutschen Bourgeoisie umfasste.

Der bürgerliche Idealismus brach sich in Deutschland in der 1848er Bewegung das Genick, die Bourgeoisie trieb ihre eigenen Wortführer gegen sich. Man fragt, warum die revolutionäre Periode des deutschen Bürgertums nicht ihren Voltaire geliefert hat, – nun wohl, auch die deutsche Bourgeoisie Hatto ihren großen revolutionären Geist, und das war Karl Marx. Aber Karl Marx konnte sein Genie nur noch im Gegensatz zur Bourgeoisie entwickeln. Das bürgerliche Ideal war bereits, durch die ökonomische Entwicklung in England, durch die politische Entwicklung in Frankreich, stark ramponiert, die revolutionäre Energie der Bourgeoisie war durch den Mangel an Selbstvertrauen gebrochen, – ein starker, entschiedener Geist konnte sich in diesen Halbheiten nicht ausloben.

Die deutschen Publizisten der sechziger Jahre lebten von den Traditionen der Märzrevolution. Sie konnten es nicht fassen, dass der aufgewärmte Liberalismus der sechziger Jahre hinter dem Kalben Revolutionismus der Vormärzlichen Bourgeoisie zurückblieb, sie waren die Antreiber und Anpeitscher des Liberalismus. Der junge Mehring fand Männer mit stolzem Geist und edlem Sinn, die mit der ganzen Wucht ihrer Persönlichkeit für die Ideale des Liberalismus eintraten und doch selbst fühlten, dass ihnen der Boden unter den Füßen entgleitet. Ihre Sympathien schlängelten sich bald zum Proletariat hinüber, das durch die revolutionäre Energie seiner aufstrebenden Bewegung ihnen imponierte, bald schreckten sie in sich zusammen vor der Kluft, die sich zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie auftat. F. Lassalle hat die letzten politischen Verbindungsdrähte zwischen dem deutschen Proletariat und dem Liberalismus zerhauen, zugleich aber, indem er die sozialistische Bewegung auf den nationalen Boden stellte, euren geistigen Übergang geschaffen von der liberalen Ideologie, durch Einheit der Nation, zum demokratischen Sozialismus. Über diese Brücke kam auch Franz Mehring.

Mehrings Schrift gegen Treitschke, obwohl in die Form einer sozialistischen Replik gekleidet, ist ihrem Inhalt nach doch nur eine liberale Antikritik. Es spricht aus ihr vor allem die Indignation des Unvoreingenommenen und freier Denkenden über die Sottisen und Gemeinheiten, mit denen eine anerkannte Leuchte der bürgerlichen Geschichtswissenschaft den Sozialismus zu bekämpfen glaubte. Ich weiß nicht, wie es war, doch möglich wäre es, dass gerade das Pamphlet Treitschkes Mehring erst veranlasste, sich zum Sozialismus zu bekennen. Die ungerechten Schmähungen wirkten den jungen Trotzkopf reizen, nicht nur mit seiner Feder, sondern auch mit seiner Person für die Verleumdeten einzutreten. Auch müsste der Klasseninstinkt des Polemisten ihm nahegelegt haben, dass eine Abfertigung aus der Mitte des halbbarbarischen Gesindels, als welches der preußische Historiograph die Sozialisten hinstellte, mehr Eindruck machen würde, als eine Polemik um den Sozialismus aus den Reihen der Intelligenz, denen der Herr Professor selbst angehörte. Prüft man aber die Broschüre auf ihren sozialistischen Gedankengehalt, so erhält man eine sehr geringe Ausbeute. Er lässt sich in die magere These zusammenfassen: die Arbeiterbewegung ist eine geschichtliche Notwendigkeit und bedeutet einen kulturellen Fortschritt. Vom sozialrevolutionären Charakter der Arbeiterbewegung, vom Klassenkampf, seinen Mitteln und Wegen fehlt jede Spur der Erkenntnis. Im Gegenteil, der Sozialismus will, nach der Meinung des Autors, „die unüberbrückbaren Klassenunterschiede zuschütten“ und er macht dem gelehrten Professor seine „fanatische Predigt der unüberbrückbaren Klassenunterschiede“ zum bitteren Vorwurf. Daneben erscheint ihm der „alte Fritz“ als Bettlerkönig und Kaiser Joseph als Opfer seines Eintretens für das arme Volk gegen die besitzenden Klassen. Es war ein Sozialismus, unter dem sich heutzutage ein Pfarrer Naumann unbedenklich unterschreiben würde und der nicht darüber hinausging, was auch damals schon Professor Schmöller dem Professor Treitschke entgegenhielt. Es war auch nicht Gefühlsozialismus im Sinne eines Schäffle. Der hervorstechende Zug des Anti-Treitschke ist nicht die Sympathie mit den Unterdrückten, sondern die Auflehnung gegen das Banausentum der Zunftgelehrten, der mit arroganter Süffisanz über Dinge aburteilt, die ihm weltfremd sind und zu deren Studium er sich nicht die geringste Mühe genommen hat.

Sentimentalität ist überhaupt nicht die literarische Art Mehrings. Es wirkt auch nicht auf das Temperament, sondern aus dem Verstand. Er gehört nicht zu denjenigen, die durch ihre Begeisterung hinreißen, sondern zu den anderen, die durch ihren ätzenden Spott vorwärtstreiben. Einmal den Gesichtspunkt gewonnen, bewegt sich sein Gedanke unaufhaltsam vorwärts und zaudert nicht vor der äußersten Konsequenz. Die sich zwischen den Gegensätzen sanft hinschlängelnde Wellenlinie die sich nach rechts und links bald nähert, bald entfernt, widerspricht seiner Natur. In jedem Streit ist er ganz bei der Sache. Bei jedem Streit sieht er nur das Streitobjekts dem er alles andere, was war, ist oder sein wird, unterordnet. Darum ist seine Kampfesdisposition stets einseitig. Der Blick des Politikers, der wägt und misst und den einzelnen Kampf einem allgemeinen Ziel unterordnet, fehlt ihm vollständig. Er kämpft, wie die Japaner zeichnen – ohne Perspektive, wodurch eine Unproportionalität der einzelnen Teile entsteht. Er ist ein vorzüglicher Parteigänger, aber kein Organisationsmensch, und es fehlen ihm alle Eigenschaften eines Führers. Darin liegen seine Tugenden und seine Schwächen.

Über Mehrings Angriffe auf die Sozialdemokratie ist viel moralisiert worden. Wie er einzelne Personen beschimpft, was er Schlechtes von der Partei gesagt hat, das ist weidlich breitgetreten worden. Worin aber sein sachlicher Gegensatz zur Partei bestand, das haben uns seine Angreifer verschwiegen. Und doch ist das die Hauptsache. Denn dass ein Mann wie Mehring, wenn er sich in Opposition befindet, vor nichts mehr zurückhält und am allerwenigsten vor Personen, das braucht man uns nicht erst aus seiner späten Vergangenheit nachzuweisen. Wollte man aber, dass wir zu Mehring wegen seines Gesinnungswechsels Misstrauen fassen, so müsste man erst den Nachweis führen, dass dieser Gesinnungswechsel eines logischen Zusammenhangs entbehre und folglich nur auf persönliche Motive zurückzuführen sei. Die sachliche Auseinandersetzung liegt aber nicht in der Methode des Opportunismus, die nur darauf hinausgeht, die Person zu verdächtigen, und zu diesem Zweck reiften die aus dem Zusammenhang gerissenen Kraftstellen und Schimpfworte gerade aus. So wollen wir denn selbst versuchen, uns klar zu machen, worin der Gesinnungswechsel Mehrings bestand.

Zunächst muss konstatiert werden, dass Mehring auch bei seiner Befehdung der Sozialdemokratie der Arbeiterbewegung durchaus wohlwollend gegenübersteht. Er ist weit davon entfernt, von dem, was er gegen Treitschke sagte, auch nur das Geringste zurückzunehmen. Im Gegenteil, er wendet sich auch in seiner neuen Schrift nicht minder scharf, als im Anti-Treitschke, gegen den Liberalismus wegen seiner schroffen Ablehnung der Arbeiterforderungen. Er höhnt über die Fortschrittspartei wegen dem „seltenen Ungeschick und Unglück, welches sie in Sachen der Arbeiterfrage von jeher betätigt hat und in aller Zukunft betätigen zu wollen scheint“, er wirft ihr vor, dass sie „in Fragen der Sozialreform ängstlicher, negativer und zurückhaltender sei, als es heute irgendeine politische Partei ist“, er spricht mit wahrer Begeisterung von F. A. Langes Arbeiterfrage und eignet sich dessen Urteil an: „In der Fortschrittspartei gelte es als eine Ketzerei ersten Ranges, zur sozialistischen Bewegung auch nur ein objektives Verhältnis einzunehmen.“ Über die politische Verfolgung der Sozialdemokratie urteilt er: „Die militärischen, polizeilichen und strafrechtlichen Prozeduren gegen die Führer der Eisenacher Fraktion gehören zu den beklagenswerten Ereignissen jener Zeit, beklagenswert nicht minder vom rechtlichen, wie vom politischen Standpunkt.“ Mehr als Wohlwollen und den Kampf um ein objektives Urteil enthielt aber auch Mehrings Anti-Treitschke nicht. Von einer Änderung der grundsätzlichen Überzeugung kann also nicht die Rede sein. Was Mehring in seiner damaligen Geschichte der Sozialdemokratie bekämpft, ist – der „revolutionäre Sozialismus“, der „Kommunismus“. Er bekämpft ihn nicht vom Standpunkt der Interessen der Bourgeoisie, sondern vom Gesichtspunkt der Einheit der Nation. Das ist wichtig. Zum Befürworter der ausbeutenden Klassen hat sich Mehring niemals erniedrigt. Man wird in allen seinen Schriften nicht ein Wort finden, das man in diesem Sinne deuten könnte. Er bekämpfte uns nicht als Bourgeois, sondern als bürgerlicher Demokrat.

Ich habe schon darauf hingewiesen, welche zweideutige Stellung die deutschen Demokraten der sechziger Jahre, deren publizistische Schule der junge Mehring durchgemacht hat, der Sozialdemokratie gegenüber eingenommen haben. Die Demokratie als selbständige politische Doktrin ist national. Darum nehmen selbst die Ideologen der Demokratie Anstoß an dem Klassenkampf – nicht weil dadurch die Interessen der Bourgeoisie gefährdet werden, sondern weil dadurch die Nation gespalten wird. So bekämpfte auch Mehring die Sozialdemokratie, nachdem er sich von der „Aufsaugung des nationalen Sozialismus durch den internationalen Kommunismus“ überzeugt hat. Er sah, dass die Sozialdemokratie alle politischen Begriffe zersetzt und zerfetzt, und die Uneinigkeit der Nation, Klassenhass und Klassenhader, die durch die Sozialdemokratie nur zum Politischen. Ausdruck gebracht worden waren, schrieb er auf Rechnung ihrer Agitation, wie er sie früher Treitschke zur Schuld machte wegen seines kapitalistischen Klassenstandpunkts. Sein Buch gegen die Sozialdemokratie schließt er mit den Worten: „Wie der innerste Kern der Sozialdemokratie Hass gegen das Vaterland ist, so ist unsere mächtigste Waffe gegen sie die Liebe zum Vaterland. Fester, tiefer, treuer müssen wir verwachsen mit dem nationalen Staat.“

Es bleibt uns noch übrig, die theoretischen Einwände Mehrings gegen den Sozialismus zu prüfen. Um es gleich vorweg zu nehmen: sie decken sich mit der Argumentation unseres modernen opportunistischen Revisionismus in einer Weise, dass es zum Lachen ist.

Er bestreitet nicht die Wissenschaftlichkeit des Sozialismus, nur findet er, dass diese Wissenschaft noch in ihren „ersten Anfängen“ sei und selbst der Begriff noch „schwankend und unklar“ sei. Vergleiche Bernstein „Über die Wissenschaftlichkeit des Sozialismus“. Die abstrakte Möglichkeit des Sozialismus will er nicht leugnen, nur meint er: „je weiter seine Ideen und Systeme greifen, umso längerer Entwicklung bedürfen sie, einer Entwicklung, die sich nicht nach Jahrzehnten, sondern nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden bemisst und dem praktischen Politiker die vollste Seelenruhe noch nicht zu trüben vermag“. Vergleiche Bernstein: „Das Ziel ist mir nichts, die Bewegung alles“. Der Sozialistenfresser Mehring ist überhaupt in die Praxis und positive Arbeit nicht minder vernarrt, als unsere opportunistischen Praktiker. Er entdeckt einen inneren Widerspruch bei Marx und Lassalle, zwischen Realpolitik und Revolutionismus.

„Diese Schüler Hegels, die in ihren theoretischen Untersuchungen nichts so eindringlich und unaufhörlich betonen, als die vernünftigen Grundgedanken, welche, so wenig aufzuhalten, wie zu beschleunigen, in aller Geschichte mit der Gewalt von Naturgesetzen ihrer Erfüllung zu drängten; die mit dem literarischen Hohn der Tribunen spotten, welche Revolutionen Hervorrufen wollten und eher mit dem Atem ihres Mundes den Sturm auf dem Meere zu entfesseln vermöchten, sie beschwören als praktische Agitatoren den Sturm auf dem Meere, die Revolution unter den Völkern. Seltsamer und fast unbegreiflicher Widerspruch!“

Man könnte glauben, wenn man diese Stelle liest, Mohring habe Bernstein plagiiert, wenn nicht dieser erst ein Vierteljahrhundert später auf die Idee gekommen wäre, in dem Spalt zwischen Realpolitik und Revolutionisinus sich eine Hütte zu bauen. Ich müsste ganze Seiten vollschreiben, wollte ich die Ideengemeinschaft zwischen der Mehringschen und der opportunistischen Kritik des revolutionären Marxismus in allen Details nachweisen. Es ist genau die gleiche Methode. Mehring leugnet z. B. nicht das „schnelle Anwachsen des Kapitalreichtums“, aber er meint, bis zu einer extremen Klassenscheidung seien, noch weite Wege: „überblicken wir die reiche Mannigfaltigkeit unseres nationalen Lebens, so erkennen wir deutlich, eine wie unendliche Strecke Wegs uns von den extremen Missgebilden der großen Industrie trennt.“ Auch die Berufung auf die Sonderheit der Agrarverhältnisse fehlt nicht. Er findet und legt Wert darauf, dass der landwirtschaftliche Mittelbetrieb zugunsten des Parzellenbetriebs und nicht des Grundbetriebs zurückgeht. Andererseits konstatiert er eine „steigende Entwicklung der Arbeiterklasse“, ohne zu verkennen, dass dieser Prozess „langsam und mühevoll sich vollzieht“. Das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit sei ein schwankendes, wobei „bald das Kapital der Arbeit, bald die Arbeit dem Kapital die Bedingungen der gegenseitigen Beziehungen diktieren kann“. Das Heil der Arbeiter erblickt er in der Sicherung des Koalitionsrechts und in der Sozialreform

Wenn die opportunistischen Angreifer Mehrings in alledem nicht ein Programm des Sozialismus, sondern zur Bekämpfung des Sozialismus erblicken, so sollen sie unsere Zustimmung haben, — dann mögen sie aber gefälligst dieses Urteil auch auf ihre eignen Ansichten übertragen.

So war Mehring als Gegner der Sozialdemokratie. Er wollte alle demokratischen Elemente, alle Patrioten, denen das Wohl der Nation teuer ist, aufrütteln, um durch demokratische Reformen, durch sozialpolitische Gesetzgebung dem revolutionären Sozialismus die Bahn zu verlegen. Die kommende Entwicklung mußte Mehring eines andern belehren. Die Bourgeoisie feig, niederträchtig, in einem engherzigen Ausbeuteregoismus befangen, die Regierung borniert und brutal, die Sozialreform ein schäbiges Almosen, das man den Arbeitern hinwarf und dabei noch verlangte, dass sie die Hand küssen, die sie züchtigte. Wir wissen, dass Mehring sich bald genug belehren ließ und mit demselben Eifer, mit dem er uns bekämpfte, aber mit besseren Waffen, gegen unsere Feinde focht. Von seiner publizistischen Tätigkeit in den Reihen der Bourgeoisie konnte er sich jedoch nicht trennen. Es will mir scheinen, dass nicht allein seine Schrift gegen unsere Partei ihm dabei im Wege stand. Das wäre überwunden, wollte er sich offen zu unserer Partei bekennen. Aber das konnte er nichts. Er kritisierte die Bourgeoisie, höhnte den Liberalismus, denunzierte ihn vor dem Proletariat, er schuf sich Feinde, ohne sich neuer Freunde zu versichern, er konnte sich auf keine Partei stützen, er war schließlich nur noch ein verlorener Posten der alten großzügigen, deutschen Publizistik, aber er hielt getreulich aus, vielleicht auch im Gefühl, dass er ein geistiges Erbe zu verwahren hatte, die Traditionen der deutschen politischen Literatur, dass mit ihm der letzten nationale Publizist Deutschlands vor den Zeitungsschmierern der Bourgeoisie das Feld räumen würde. Aber was er nicht über sich zu gewinnen vermochte, wurde ihm schließlich aufgezwungen. Es bildete sich bekanntlich gegen ihn eine Koalition der bürgerlichen Presse, der Verleger und der Redakteure, der Arbeitgeber und der Knechte, und diese Koalition drängte ihn aus den Reihen der bürgerlichen Journalistik heraus. Die Bourgeoisie konnte diesen Mann nicht vertragen: er besaß große Gesichtspunkte, einen kühnen Geist, er hatte Kenntnisse und war unbestechlich. So kam er denn zu uns.

In den Reihen der Sozialdemokratie fand Mehring einen weiten Wirkungskreis. In den zwölf Jahren, die er unter uns weilt, hat er mehr geschaffen, als in seinem ganzen Vorleben, und größeres, als jemals – Werke von bleibendem wissenschaftlichem und literarischem Wert. Seine publizistische Tätigkeit fand einen Resonanzboden in den Massen. Und da begreifen es die kleinen Ehrgeizigen, die er in ihren revisionistischen Flohsprüngen stört, nicht, dass Mehring der Todesfeind der bürgerlichen Demokratie ist, dass er die liberalen Lügen schonungslos aufdeckt, dass er uns vor Bündnissen warnt mit den bürgerlichen Politikmachern, deren Hohlheit und Feigheit und brutalen Klassenegoismus er von Grund aus kennen gelernt hat, dass er die opportunistischen Illusionen, von deren Nichtigkeit er durch lange Kämpfe sich überzeugt hat, in alle Winde zerstreut, dass er auf der Wacht steht der sozialrevolutionären Grundsätze, die er sich durch ein Studium wie keiner und durch ein ganzes Leben angeeignet hat! In dieser Konsequenz, seines Lebens sehen sie einen Widerspruch. Und sie begreifen es nicht, dass sich in der Partei ein Entrüstungssturm erhoben hat, als der Versuch gemacht worden war, dieser glänzenden literarischen und politischen Tätigkeit durch ein ebenso kleinliches wie schmutziges Intrigenspiel ein Ende zu machen!

Ich fasse mein Urteil über Mehring zusammen: Er arbeitete an der geistigen Entwicklung seiner Nation und er kam zum proletarischen Sozialismus, der die nationalen Schranken sprengt, weil er keine andere Möglichkeit sah, die deutsche Nation vor Marasmus, die deutsche Kultur vor dem Untergang zu retten. Das deutsche Proletariat kann stolz darauf sein, dass der letzte deutsche Publizist in seiner Mitte Rettung suchte und einen Wirkungskreis fand.

 


Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2025