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Wenn wir Sozialdemokraten in der Gegenwart dann und wann über die Zukunft reden, so geschieht es in ganz anderm Sinne wie es früher üblich war und jetzt noch bei unsern Gegnern üblich ist.
Unsre Gegner nämlich glauben, unser Ziel sei, eine ganz bestimmte, im voraus entworfene Gesellschafts- und Staatsordnung einzuführen, die sie daher mit dem Namen „Zukunftsstaat“ getauft haben. Wir haben diesen Namen in unsern Sprachgebrauch aufgenommen, obgleich er von einer ganz törichten Entstellung unsrer Ansichten eingegeben worden ist und obgleich – oder auch wohl gerade weil – er spöttisch gemeint war. Früher, in der Zeit des utopischen Sozialismus, kannte man keine andre Art über die Zukunft zu reden, als dass man eben eine ganz bestimmte Gesellschaftsordnung ausgemalte und anzunehmen empfahl. Damals glaubte man, eine Gesellschaftsordnung sei von den Menschen nach ihrem Belieben zu konstruieren und zu rekonstruieren, und es gelte nur, die beste, zweckmäßigste und vernünftigste ausfindig zu machen und zu propagieren.
Mit dem wissenschaftlichen Sozialismus ist das ganz anders geworden. Wenn wir jetzt über die Zukunft reden – wie es auch in diesem Vortrag geschehen wird –, dann fragen wir nicht: Wie wollen wir die Zukunft gestalten? sondern: was wird in der Zukunft geschehen? Der wissenschaftliche Sozialismus ist die Lehre von der gesellschaftlichen Entwicklung. Er hat aus der Vergangenheit der Gesellschaft bestimmte Anschauungen gewonnen, bestimmte Gesetze und Regeln abgeleitet, und diese Regeln und Gesetze gestatten uns nun auch, über die Zukunft etwas vorherzusagen und unabhängig von unserm Wollen und Wünschen Schlüsse zu ziehen, wie die Gesellschaft dann sein wird.
Aber, wird man hier einwenden, der Sozialismus ist ja nicht allein wissenschaftliche Theorie; er ist ja auch praktische Arbeiterbewegung, und für den praktischen Sozialismus, wie er sich jetzt in den sozialdemokratischen Parteien verkörpert, gilt das doch nicht. Wir vertreten bestimmte Forderungen für die Zukunft, die eine bestimmte Gesellschaftsordnung schaffen sollen, steht doch im Programm jeder sozialdemokratischen Partei die Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel obenan. Ist hier also kein Widerspruch zwischen dem theoretischen und dem praktischen Sozialismus vorhanden?
Ein solcher Widerspruch ist in Wirklichkeit nicht vorhanden, und zwar deshalb nicht, weil es sich hier nicht um die Ideale und Wünsche einzelner Personen, sondern ganzer Klassen handelt. Wir wissen, dass die gesellschaftliche Entwicklung stattfindet, nicht trotz, sondern durch das Wollen und das Handeln der Menschen. Wenn die gesellschaftliche Entwicklung soweit vorgeschritten ist, dass eine Umwälzung der Produktionsverhältnisse notwendig erscheint, dann tritt das in solcher Gestalt zutage, dass den Menschen – wenn nicht der ganzen Menschheit, dann doch bestimmten Klassen – zum Bewusstsein kommt: jetzt fehlt etwas in gesellschaftlicher Hinsicht, jetzt ist die Ordnung nicht mehr gut, und eine andre Gesellschaftsordnung ist notwendig. Dann wächst also in dieser Klasse das Verlangen nach einer besseren Gesellschaft, die sie zu verwirklichen sucht, und eben die Kraft der gesellschaftlichen Entwicklung besteht darin, dass dieses Ideal in dieser Klasse auswächst; so ist der Gang der geschichtlichen Entwicklung. Der Wille der einzelnen Personen hängt von zufälligen, persönlichen Umständen ab und ist obendrein eine gleichgültige Sache, aber der Wille einer Klasse, die sich in ihrem gesellschaftlichen Ideal kundgibt, hängt von allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen ab und ist also vorherzusagen. Die Bedürfnisse des gesellschaftlichen Fortschritts spiegeln sich dann notwendig in den Idealen und Wünschen einer bestimmten Klasse ab. Man denke hier z. B. an das sozialistische Ideal der heutigen Proletarierklasse, in dem sich die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Fortschritts über den Kapitalismus hinaus verkörpert. Andre Beispiele kann man in der Geschichte finden, wobei zu bemerken ist, dass bisweilen die Ideale einer Klasse nicht mit der Richtung der Entwicklung zusammenfallen; dann sind sie nicht zu verwirklichen und die Klasse, die sie durchsetzen will, wird geschlagen. So ging es den Bauern zu Ende des Mittelalters (1) und so geht es jetzt dem Kleinbürgertum. Um Ideale zu verwirklichen, ist Macht nötig, und die findet sich nur bei den Klassen, deren Wünsche sich in der Richtung der notwendigen gesellschaftlichen Entwicklung bewegen.
Beschränken wir also unsre Betrachtung auf die fortschrittlichen Ideale, wie sie früher in der Bourgeoisie und jetzt im Proletariat herrschen, so können wir sagen, das gesellschaftliche Ideal einer sich emporkämpfenden Klasse zeige den nächsten Schritt in dem gesellschaftlichen Entwicklungsgang an; es sagt aus, wie die nachfolgende Produktionsform beschaffen fein wird. Daraus wird schon klar, dass ein solches Bild keineswegs das Ideal einer schlechthin tadellosen, besten Welt vorstellt, die es möglicherweise geben kann, wo aller Jammer aufgehört hat und alle Missstände aufgehoben sind. Ein solches Ideal ist immer nur relativ, es drückt nur die nächstbeste Weltordnung aus und stellt eine Gesellschaftsform vor, in der bestimmte Missstände, bestimmte Unzuträglichkeiten aufgehoben sind. Nicht alle Missstände sind ausgehoben, und es entsteht kein Paradies auf Erden, wo nur reinstes, ungetrübtes Glück herrscht, sondern bestimmte Missstände, die am stärksten nach Aufhebung schrien und am schwersten drückten, werden weggenommen, und die neue Ordnung ist eine relativ bessere, weiter fortgeschrittene.
Nun kann es sein, dass die Klasse, die dieses Ideal verficht, selbst glaubt, es stelle eine für alle Zeiten tadellose, vortreffliche Welt vor, mit dessen Erkämpfung dann selbstverständlich alle Weiterentwicklung aufhört. So ging es der Bourgeoisie, als sie in der französischen Revolution die letzten feudalen Fesseln abstreifte, welche die freie Entwicklung der Produktionskräfte verhinderten. Sie war sich dessen nicht klar bewusst, dass sie nur ein Hemmnis der Weiterentwicklung beseitigte, und dass ihr gesellschaftliches Ideal nur das Bild einer Gesellschaft mit freier, unbeschränkter Konkurrenz war – sie glaubte vielmehr, dass sie das Ideal einer besten, absolut vortrefflichen, endgültigen Weltordnung verfechte, in der für alle Menschen und alle Zeiten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit herrschen sollten. So kam es damals der emporstrebenden Bourgeoisie vor. Bei dem jetzigen Proletariat ist es deshalb anders,. weil uns unsre neue Einsicht die Relativität unsres Ideals zeigt.
Wir wissen, dass das, was wir verwirklichen wollen, nicht an sich eine vollkommene, tadellose Welt ist, mit der man für immer zufrieden sein wird, sondern dass es sich um den nächsten Schritt handelt, der in der gesellschaftlichen Entwicklung gemacht werden muss, aber keineswegs ihr letzter Schritt ist. Fragt man also uns Sozialdemokraten: Welcher Gesellschaftsordnung hängt ihr an? Von welcher Gesellschaftsordnung glaubt ihr, dass sie die bestes ist?, dann müssen wir antworten: Von gar keiner! Für uns gibt es nicht eine schlechthin beste Gesellschaftsordnung! Verschiedene Gesellschaftsordnungen waren zu ihrer Zeit, unter ihren bestimmten Umständen notwendig, also auch- gut. Aber wenn jene Umstände sich geändert haben, dann wird Vernunft zu Unsinn, Wohltat zur Plage, eine Ordnung, die zuvor gut war, schlecht und verderblich, und soll aufgehoben werden. Man redet ja auch nie von einer „sozialdemokratischen Gesellschaftsordnung“, sondern nach ihrer Einrichtung nur von einer sozialistischen, einer kommunistischen usw. Für uns besteht also keine „beste der Welten“; aber wir wissen, dass jetzt die gesellschaftliche Entwicklung die Beseitigung des Kapitalismus notwendig macht. Der Kapitalismus ist jetzt ein Hemmnis des Fortschritts; seine Übelstände werden für immer größere Menschenmassen immer unerträglicher, und deshalb setzen wir alles daran und kämpfen mit aller Macht, dafür, den nächsten Schritt zu tun, die Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum überzuführen, damit die Bahn zum Vorwärtsschreiten wieder offen wird. Das ist die historische Mission des jetzigen Geschlechts, der jetzigen revolutionären Klasse; wer seinen Geist einmal von dem phantastischen, überspannten Sehnen nach einer besten, absolut vollkommenen Welt befreit hat, wird einsehen, dass es kein größeres und herrlicheres Ziel geben kann.
Nach diesen Ausführungen wird man verstehen, weshalb kein Widerspruch da ist zwischen dem theoretischen und dem praktischen Sozialismus, dass sie sogar in vollkommener Harmonie sind. Unsre Wissenschaft lässt uns zuerst die nächsten Schritte erkennen, die gemacht werden müssen; diese Erkenntnis wird ein Maßstab für unser praktisches Handeln; sie bestimmt die Forderungen, die wir in unserm Programm aufstellen, sie bestimmt auch unser „Endziel“. Unser Endziel gibt in allgemeiner Fassung an, was nach unsrer gegenwärtigen Erkenntnis demnächst in der gesellschaftlichen Entwicklung geschehen wird, und, weil es nur durch unser Handeln fertig werden kann, geschehen soll. Aber wir können noch weiter über die Zukunft reden, nämlich über das, was dann fernerhin geschehen wird, was nachher kommen wird. Hier gibt es kein „soll“, denn das zu verwirklichen ist die Sache unsrer Nachkommen, die viel besser und genauer als wir bestimmen können, was dann an der Welt noch abzuändern ist. Für uns hat also das Reden über die weitere Zukunft keinen praktischen Zweck; es kann unsre jetzigen Forderungen nicht beeinflussen; aber deshalb ist es noch nicht nutzlos. Es hat nur das theoretische Interesse der eignen Klarheit über das, was werden wird, aber das hat auch seinen Wert. Denn dadurch wird das Verständnis unsrer heutigen Ziele gründlicher; und besonders um allerhand Einwürfe und Beschwerden unsrer Gegner richtig einzuschätzen und allerhand Utopisterei zu verscheuchen, kann es seinen Nutzen haben. Nur soll man immer dies eine im Auge behalten: in jeder Vorhersagung sitzt ein Element der Unsicherheit. Selbstverständlich: je besser man die Vergangenheit kennt und die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung, desto weniger Gefahr läuft man, solche Fehler zu machen. Da man aber nicht alle Verhältnisse völlig kennt, wird die Vorhersage um so schwerer sein und um so mehr von der Wahrheit abweichen können, je weiter man sich in die Zukunft hinauswagt.
Wir fangen unsre Betrachtungen also an mit der sozialen Revolution, d. h. mit der sozialistischen Revolution; denn soziale Revolutionen hat es schon viele gegeben. Jede Revolution in der Geschichte war eine soziale, d. h. eine gesellschaftliche Umwälzung. Wenn wir aber so populär über „die soziale Revolution“ reden, so verstehen wir darunter die sozialistische Revolution, die dem Kapitalismus ein Ende bereiten wird. Man muss dabei unterscheiden zwischen politischer Form und ökonomischen Inhalt. Die politische Formen dieser Revolution sind sehr schwer im voraus zu bestimmen; sie hängen von zu vielen verschiedenen Umständen ab, die sich nicht alle voraussehen lassen; wir werden uns heute Abend damit auch nicht befassen. Unsere ganze Aufmerksamkeit werden wir auf den ökonomischen Inhalt dieser Revolution lenken. Ihr Wesen ist die Eroberung der politischen Macht im Staate durch die Arbeiterklasse. Diese Eroberung ist ein langwieriger Prozess, der sich vielleicht mit Auf- und Niedergängen auf mehrere Jahrzehnte erstreckt; wir können darüber jedoch nichts sagen und wollen sie als einen einzigen Akt betrachten, um dann ihren ökonomischen Folgen zu untersuchen. Wir tun also, als ob sie ein Akt sei, und denken uns, wir seien, wie Kautsky in dem Titel seiner bekannten Broschüre sagte, „am Tage nach der Revolution“. Die Arbeiter haben sich der Staatsgewalt bemächtigt, und die Frage ist jetzt: Was wird nun geschehen?
Es gibt Leute, die da denken und sagen: Nun, das versteht sich; man wird das Privateigentum abschaffen und vielleicht alles Kapital konfiszieren. Noch seltsamere Ansichten über das, was dann geschehen wird, kann man in Eugen Richters schönen Büchlein lesen. Unsere eignen Genossen haben darüber selbstverständlich vernünftigere Ansichten, denn in unserm Programm steht als Endziel unsres Strebens nur dies eine: die Überführung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum. Bei ihnen findet man vielfach die Ansicht, dass man dann durch bestimmte Maßnahmen, Gesetzeserlasse z. B. diese Vergesellschaftlichung der Arbeitsmittel zustande bringt. Dennoch ist diese Auffassung, wie wir glauben, unhaltbar; ihr haftet noch ein Stück des alten Utopismus an. Eine neue Produktionsweise lässt sich nicht durch ein Gesetz oder irgend eine politische Maßregel einführen: sie muss durch eine schnellere oder langsamere gesellschaftliche Entwicklung aufwachsen. Politische Einrichtungen können diese Entwicklung fördern oder hemmen, und das Ziel aller Revolutionen ist deshalb, durch Umgestaltung der politischen Verhältnisse die Hemmnisse der Entwicklung zu beseitigen: Das Ziel der sozialen Revolution ist also auch, die Hindernisse zu beseitigen, die jetzt der Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus aus der politischen Herrschaft der Bourgeoisie erwachsen, damit die natürliche: und notwendige Entwicklung eine freie Bahn findet.
Man wird also nicht auf einmal, durch ein Gesetz, die sozialistische Ordnung an Stelle der kapitalistischen setzen können, indem durch ein Dekret alle Produktionsmittel zu Staatseigentum erklärt werden. Aber man wird wohl sofort eine Reihe von Großbetrieben, die dazu reif sind, in Staatsbetriebe umwandeln; die Monopole, die Minen, die Trusts, die Eisenbahnen, jene Riesenbetriebe, wo die Produktionsmittel der eigentlichen Konsumgegenstände fabriziert werden, sie können sofort verstaatlicht werden. Aber wird dadurch ein neues, noch nicht dagewesenes Prinzip in die Welt gebracht? ein sozialistisches statt eines kapitalistischen? Nein! Eigentlich ist das nichts andres als die konsequente Weiterführung desjenigen, was jetzt schon geschieht und was jetzt nicht allein von sozialistischen, sondern auch von bürgerlichen Politikern gefordert wird. In England hat man auf großer Stufenleiter den Munizipalsozialismus, d. h. allerhand Großbetriebe sind in öffentlichen Dienst gebracht als Gemeindebetriebe: Leuchtgasfabriken, Straßenbahnen, –Elektrizitätswerke, Telefon – nicht aus Liebe zum Sozialismus, sondern weil das Bürgertum nicht von einigen Großkapitalisten ausgebeutet werden wollte. In vielen Ländern hat man Staatsbetriebe der Eisenbahnen. Staatsbetrieb der Minen wird jetzt in Deutschland von nichtsozialistischen Politikern angepriesen, während in Amerika Verstaatlichung der großen Trusts gleichfalls ein Programmpunkt bürgerlicher Politiker ist. Überall zeigt sich der Widersinn der Ausplünderung der großen Masse durch ein Handvoll Monopolisten zu klar, als dass man nicht auf diese Lösung verfallen sollte. Aber es blieb bei frommen Wünschen und bei ohnmächtigen Programmen; die große politische Macht der Trustherren und Monopolbesitzer verhinderte bis jetzt ihre Durchführung, und die bürgerlichen Parteien sind zum kräftigen Eingreifen unfähig, weil dadurch die „Heiligkeit des Eigentums“, d. h. die ganze Ausbeuterei im Prinzip gefährdet wird. Erst indem das Proletariat die politische Macht ergreift, hört dieses Hemmnis auf, denn es hat die Macht und den Willen durchzusetzen, was vernünftig erscheint, weil es die Konsequenz, den Zusammenbruch des ganzen Kapitalismus, mit Vergnügen akzeptiert. Die Verstaatlichung der Großbetriebe wird dann durchgesetzt, weil ihre Vernünftigkeit jetzt schon jedem klar ist; aber jetzt kann diese Vernunft noch nicht in die Praxis übersetzt werden, weil die Großkapitalisten die politische Macht in der Hand haben. Das neue Prinzip ist also nicht die Verstaatlichung bestimmter Betriebe, sondern die politische Herrschaft der Arbeiterklasse, die dann durchführen kann, was jetzt noch nicht möglich ist durchzuführen.
Dies ist die eine Hälfte der Aufgaben, an welche die neue Arbeiterregierung herantreten wird. Die andre besteht, gerade so wie diese, aus Maßregeln, die auch jetzt schon allgemein als notwendig anerkannt werden, aber an der politischen Herrschaft der Bourgeoisie scheitern; nämlich aus einer gründlichen Sozialreformarbeit. Unmittelbar nach der Revolution wird eine großartige Reformarbeit einsetzen, um die Lebenslage der Arbeiterklasse zu heben und alle gesellschaftlichen Zustände zu verbessern; dies wird die schwierige, aber herrliche Hauptarbeit der zur Herrschaft gelangten Arbeiterklasse sein. Es darf hier die Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, wie sehr diejenigen Leute unrecht haben, die da glauben, dass ein Gegensatz zwischen Revolution und Sozialreform bestehe. Im Gegenteil: die ganze Revolution ist, sobald sie zu praktischen Maßnahmen schreitet, nichts als ein gründliches, konsequent betriebenes Reformwerk. Aber wohl besteht ein großer Gegensatz zwischen dieser revolutionären, konsequenten Sozialreform und dem armseligen, zaghaften, trügerischen Zerrbild, das jetzt Sozialreform genannt wird. Dies erhellt schon aus einem Vergleich zwischen der jetzigen bürgerlichen Sozialreform und dem zweiten Teil unsres Erfurter Programms. Wir haben dort ein System von Forderungen zusammengestellt, die jetzt schon sehr gut durchgeführt werden könnten, wenn nur die Herrschenden es wollten, ein System, das zugleich einen großen Teil der kapitalistischen Missstände lindern und aufheben könnte. In dieser doppelten Eigenschaft liegt der große agitatorische Wert dieser Forderungen; sie vertragen sich mit dem Kapitalismus, aber sie bahnen zugleich den Weg zu einer friedlichen Weiterentwicklung der Gesellschaft in der Richtung des Sozialismus an.
Die zukünftige; Reformarbeit in der Zeit, wo die Arbeiterklasse den Besitz der Staatsgewalt ergriffen hat, kommt in ihrem Charakter sehr stark überein mit den Augenblicksforderungen unsers Programms. Sie unterscheidet sich von ihm nur darin, dass man dann die Rücksicht auf den Kapitalismus nicht mehr kennen wird; man wird kräftig eingreifen, unbekümmert darum, was aus dem Kapitalismus wird. Ihr unmittelbares Ziel ist aber in größerem Maßstäbe dasselbe wie bei unserm jetzigen Programm: Hebung und Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Volksmasse. Eine vortreffliche Erziehung aller Kinder, Verbesserung des Unterrichts, Sorge für die öffentliche Gesundheit, Verbesserung der Wohnverhältnisse, Schutz bei der Arbeit, Sorge für Kranke, Invalide, Greise, Beschränkung der Arbeitszeit, Verbot von allem, was die Arbeit gefährlich und abstoßend macht – das alles, was man allgemein als Sorge für die Hebung der Kultur bezeichnen kann, muss dazu dienen, aus dem niedergedrückten, geschundenen, geistig und körperlich misshandelten Menschengeschlecht, das der Kapitalismus überliefert hat, ein neues, kräftiges und entwickeltes Geschlecht zu bilden. Das ist ja das allererst notwendige. Man kann diese Reformarbeit auch die Aufhebung des Elends nennen, denn das gesellschaftliche Elend der Gegenwart ist die Grundlage aller widrigen Verhältnisse, in denen die Arbeiterklasse jetzt lebt, und aller Unkultur, unter der sie jetzt leidet.
Solcher Art wird die Arbeit sein, mit der sich die von den Arbeitern beherrschte Staatsgewalt befassen wird. Da mögen dann unsre jetzigen Gegner kommen, die immer schreien, dass wir gewaltsam die alt übernommenen Verhältnisse umstürzen und die ganze Welt in Unordnung bringen wollen. Da möchten wir ihnen wieder begegnen und sehen, welche Augen sie wohl machen werden, wenn sie uns da beschäftigt sehen mit einer großartigen friedlichen Kulturarbeit, deren Notwendigkeit jetzt schon jeder einsichtige Mensch anerkennen muss, während sie doch durch die Kapitalistenherrschaft verhindert wird.
Heute geht am Kapitalismus die Reformarbeit zugrunde; künftig wird umgekehrt an dieser Reformarbeit der Kapitalismus selbst zugrunde gehen. Die Aufhebung der Not verträgt sich eben nicht mit dem Kapitalismus; der Kapitalismus und das Elend der Arbeiterklasse sind so eng miteinander verbunden, dass man das eine nicht aufheben kann, ohne dem andern einen gewaltigen Stoß zu geben. Man denke nur an die nächstliegende Maßregel, mit der jede Arbeiterregierung ihre Arbeit anfangen wird und anfangen muss: an die ausgiebige Unterstützung der Arbeitslosen. Die Arbeitslosigkeit, d. h. die industrielle Reservearmee, ist ein Grundpfeiler des Kapitalismus, denn sie hält alle Löhne auf dem niedrigst möglichen Niveau. Wenn es keine Arbeitslosen mehr geben wird, die um Arbeit betteln müssen, wenn sie eine ausgiebige Unterstützung oder gutbezahlte produktive Arbeit als ein Recht erhalten, dann werden die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt sofort umgekehrt werden. Dann werden die Gewerkschaften riesenstark gegenüber den Kapitalisten und die Löhne schnellen gewaltig in die Höhe. Was wird die Folge davon sein? Wenn die Löhne so stark steigen, so wird das Geschäft für den Kapitalisten allzu unprofitabel; sie können dann keinen Mehrwert mehr herausschlagen, schließen ihre Bude und lassen lieber den Staat für die Produktion sorgen. Hier sieht man, wie Maßregeln, die nur zu dem Zwecke dienen, die schlimmste Geißel des Proletariats zu beseitigen, notwendig zu einer schnellen Umwälzung der ganzen Produktionsweise führen müssen. Zugleich sieht man aus diesem Beispiel – man lese darüber auch Kautskys Broschüre –, wie eine zur Herrschaft gekommene Arbeiterklasse, wenn sie ohne theoretisches Verständnis ihrer Ziele nur unmittelbare Interessenpolitik treibt, doch notwendig zum Sozialismus kommen wird.
Was wir machen werden „am Tage nach der Revolution“, ist also nicht eine gewaltsame Aufhebung aller Privatindustrie, sondern nur eine Aufhebung der Armut und des Elends, die Hebung der Kultur – und dann sagen wir: Alles, was sich mit diesem gehobenen Kulturzustand nicht verträgt, muss untergehen. Die Kapitalisten sagen: Eben weil unsre jetzige Produktionsordnung sich nicht mit der Aufhebung des Elends verträgt, deshalb darf das Elend nicht aufgehoben werden, deshalb müssen die Arbeiter arm und elend bleiben und deshalb darf nicht für eine ausgiebige Arbeitslosenunterstützung gesorgt werden. Für die herrschende Klasse ist der Kapitalismus die Hauptsache, und ihm opfern sie die Kultur. Wir sagen umgekehrt: Wenn der Kapitalismus sich mit der höheren Kultur nicht verträgt, so muss der Kapitalismus untergehen. Und er wird untergehen. Wenn durch die Beseitigung des unmittelbaren Elends die Lebensansprüche und die Löhne der Arbeiter gewaltig steigen, verschwindet die Möglichkeit, Mehrwert zu machen, also das Motiv, das jetzt die Kapitalbesitzer zur Produktion treibt. (2) An Stelle der elenden Privatausbeutung müssen dann technisch hoch entwickelte Betriebe treten – denn die Produktion darf nicht stillstehen –, die staatlich sein können, oder kommunal, oder genossenschaftlich, jedenfalls aber in irgendeiner Gestalt gesellschaftlich sein werden. Namentlich wird die kleine und mittlere Industrie, die auf der schlimmsten Ausbeutung der Arbeiter oder der Familienangehörigen des Eigentümers beruht, aufhören; die jetzt sich abquälenden Kleinbürger werden es vorziehen, als Arbeiter in den Großbetrieben eine gute Stellung einzunehmen, und der massenhafte Kleinbetrieb, der jetzt noch ein kümmerliches Dasein fristet, wird verschwinden. Der Grund dieses Verschwindens bedingt aber zugleich, dass das Handwerk, soweit es mit dem höheren Kulturniveau verträglich ist, bestehen bleiben kann. Niemand hat etwas dagegen, wenn einer lieber selbständig für sich arbeitet und Dinge produziert, die Wert für die Gesellschaft haben. Dies wird zweifelsohne und gar nicht selten vorkommen; Künstler werden auf diese Weise sich ganz nach dem Ideal des William Morris dem Anfertigen schöner und zweckmäßiger Gebrauchsgegenstände widmen können, und viele Bauern, die ihr Stückchen Grund selbst bewirtschaften, werden sich besonders im Anfange noch zähe daran festklammern. Das braucht keinem Sorge zu machen; durch die allgemeine Hebung des gesellschaftlichen Niveaus werden sie alle in soviel günstigere Verhältnisse kommen, dass sie nicht mehr Sklaven der Arbeit zu sein brauchen, wie jetzt; und die größere allgemeine Bildung wird die Wirkungen der ererbten Beschränktheit bald durch vernünftige Betriebsformen ersetzen.
Wenn es soweit gekommen ist, so mag man fragen: Was hat sich denn eigentlich in der Welt geändert? Äußerlich selbstverständlich sehr viel; der Unterschied ist enorm. Das Elend und die Armut, die Not, welche die Menschen als Tiere gegeneinander hetzt, die Verzweiflung und das Verbrechen: sie sind alle verschwunden. Die Wohlfahrt aller Menschen ist zur Tatsache geworden. Der Gegensatz zwischen Himmel und Hölle, wie die alten Christen ihn ausmalten, kann kaum größer sein, als der Unterschied zwischen der neuen und der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung; so groß ist der Unterschied, dass wir, die wir noch so völlig in den Vorstellungen der Gegenwart befangen sind, uns eigentlich keine richtige Vorstellung davon machen können. Statt der gegenwärtigen eines Welt, wo kein Hunger bekannt ist, keine quälende Sorge; wo man weiß, dass die Kinder alle gut ernährt, versorgt und erzogen werden, und dass weder Greise noch Invalide zu darben brauchen; wo man mit Sicherheit 'weiß, dass man keine Angst für die Zukunft zu haben braucht – welch eine gewaltige Veränderung muss das in alles menschliche Denken und Fühlen bringen. Es wird dann sein, als ob eine Angst, eine Beklemmung, die seit Jahrhunderten auf die Menschengehirne gedrückt hat, auf einmal weggenommen wird, so dass die Menschen dann zuerst wirklich frei atmen können.
Fragen wir nun aber nach der ökonomischen Grundlage dieser neuen Welt, so mag es auf den ersten Blick erscheinen, dass darin nur sehr wenig geändert ist. Dem Anscheine nach ist die ökonomische Grundlage, abgesehen von Einzelheiten, die nämliche wie jetzt; und dieser Schein bildet den Angriffspunkt für die bürgerlichen und anarchistischen Gegner, wenn sie von dem Staatssozialismus, von dem Staatskapitalismus und der staatlichen Lohnsklaverei reden, die dann herrschen werden. Die Produktionsweise unterscheidet sich von der jetzigen offenbar darin, dass an Stelle einzelner Privatunternehmer der Staat getreten ist, dass also der Staat oder kleinere Regierungskörper die Rolle der jetzigen Kapitalisten übernommen haben. Der Staat ist der große, allgemeine Warenproduzent; er zahlt an alle Menschen, die in seinem Dienste arbeiten, Lohn oder Gehalt, oder wie man es nennen will; diese kaufen für ihren Lohn die Waren, die sie brauchen, gerade so wie jetzt, aber hier von dem einzigen Produzenten, der zugleich der einzige Verkäufer von Waren ist. Die Selbstwirtschafter, die selbst Waren verkaufen, mögen noch vorkommen, aber sie sind Ausnahmen. Den Produkten ist es gleichgültig, ob sie jetzt von einem Produzenten oder vorher von mehreren produziert werden; sie benehmen sich noch immer als Waren, haben einen bestimmten Wert und einen bestimmten Preis, für die sie gekauft werden. Es wird also wohl auch Geld da sein, gerade so wie jetzt, das zum Kaufen und Verkaufen benutzt wird, und es werden sogar als Überbleibsel aus früheren Zeiten Verschiedenheiten an Geldbesitz vorkommen. Die Idee früherer und späterer Utopisten, dass in einer sozialistischen Gesellschaft sofort das Geld abgeschafft werden soll, stammt offenbar aus der kleinbürgerlichen Ansicht, dass „das Geld“ die Quelle alles Übels ist – für den Kleinbürger ist das Geld, d. h. mehr Geld als er besitzt, das Großkapital, in der Tat die Quelle des Übels; wir Sozialdemokraten sind aber dem Gelde an sich nicht böse, sondern nur seiner Verwendung als Kapital, zur Ausbeutung. Diese ist aber jetzt nicht mehr möglich. Es gibt Leute unter unsern Gegnern, die da glauben, wenn in jener Gesellschaft Menschen mit viel Geld sind, so wird dieses Geld zum Kapital und es entsteht aufs neue eine kapitalistische Ausbeutung. Die Frage, weshalb dies unmöglich ist, wird jeder Hörer selbst beantworten können, sobald er bedenkt, dass der Kapitalismus eben durch einen natürlichen Entwicklungsgang verschwunden ist, ohne irgend ein gewaltsames Eingreifen, nur infolge der tüchtigen Sozialreform einer proletarischen Regierung.
Wenn wir also den ökonomischen Inhalt dieser Gesellschaft betrachten, dann müssen wir sagen: Scheinbar ist wenig geändert; es geht alles so wie jetzt; man arbeitet für Lohn und für Lohn kauft man Waren. Der einzige Unterschied ist nur, dass es statt einer großen Zahl nur einen einzigen Unternehmer gibt, der höher zahlt als die jetzigen Unternehmer. Aber für die ökonomische Struktur ist dieser Unterschied bedeutungslos. So scheint es; so sagen viele Gegner. Haben sie darin recht?
Nein; sie haben unrecht. Dass sie diesen Schein für Wirklichkeit nehmen, das beweist, dass sie von dem jetzigen Kapitalismus gar nichts verstehen und Unwesentliches für das Wesentliche halten. Das Wesentliche des heutigen Kapitalismus ist nicht, dass für Lohn im Dienste eines andern gearbeitet wird – das fand sich schon vor, bevor es einen Kapitalismus gab. Das Wesentliche ist erstens, dass diese Lohnarbeit einer großen Bevölkerungsklasse eines Quelle des Mehrwerts, ein Objekt der Ausbeutung für die andre Klasse bildet, und zweitens, dass die Produktion nicht dem Zweck des Konsums, d. h. der Befriedigung der Bedürfnisse dient, sondern nur dem Zweck der Mehrwertbildung, der Prositgier privater Personen dient, und deshalb kopflos und anarchisch stattfindet. Hier zeigt sich der ganz gewaltige Unterschied in der ökonomischen Grundlage der künftigen und der jetzigen Gesellschaft. Die scheinbar äußerliche quantitative Verschiedenheit des Lohns bedingt den qualitativen – Unterschied, der zwischen Ausbeutung und Nichtausbeutung besteht. Und die scheinbar äußerliche Reduktion der Produzentenzahl auf einige Körperschaften, die zugleich das ganze Volk repräsentieren, bewirkt den scharfen Gegensatz zwischen einer kopflosen und einer bewusst geregelten Produktion. In der neuen Gesellschaft dient die Arbeit – mag ihr auch der äußerliche Schein der Lohnarbeit anhasten – nicht als Quelle des Mehrwerts; sie hat also mit der jetzigen Lohnarbeit nur einen oberflächlichen Schein gemeinsam. Und dazu wird sie bewusst geregelt und dem Bedürfnis angepasst, so dass weder Vergeudung noch Armut mehr möglich sind. Die ganze Gesellschaft produziert nach bewusstem Plan zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Die Produktion in der neuen Gesellschaft ist in der Tat eine wirklich sozialistische Produktion.
Marx hat im ersten Kapitel seines Hauptwerkes „Das Kapital“ die ökonomischen Grundlagen verschiedener Produktionsweisen verglichen, und kommt dort, nach der Betrachtung Robinson Crusoes auf seiner Insel, von der mittelalterlichen Fronarbeit und der modernen Warenproduktion mit den folgenden Sätzen auf eine sozialistische Produktion zu reden: „Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen. Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich, statt individuell. Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließliches persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein andrer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten“ (S. 45). Wir haben einen Gesellschaftszustand skizziert, der unmittelbar aus der kapitalistischen hervorgegangen ist; wir finden hier allerhand Einrichtungen, die dem äußeren Scheine nach an das kapitalistische Zeitalter erinnern. Dem Wesen nach bilden diese Einrichtungen nur das System, nach dem der ganze, zum Konsum bestimmte Teil des gesellschaftlichen Produkts unter die Mitglieder verteilt wird.
In der hier betrachteten gesellschaftlichen Umwälzung findet man dasselbe allgemeine Gesetz, das auch die früheren geschichtlichen Umwälzungen bestimmte. Die neue Produktionsordnung kann nicht fertig vom Himmel fallen; sie wird nicht aufgebaut aus den „Ruinen“ – wie ein früher beliebter Ausdruck es nannte – des Kapitalismus, nachdem die Revolution alles Frühere weggeschwemmt und reinen Tisch gemacht hat. Es findet im Gegenteil eine wenn auch rasche, so doch allmähliche Umbildung statt, in der Weise, dass es dem oberflächlichem Beschauer zuerst erscheint, als sei nur Nebensächliches geändert und die Grundlage dieselbe geblieben, während in Wirklichkeit im stillen, ohne dass man eine scharfe Trennung angeben kann, die Grundlage völlig umgestaltet wurde. Diese „dialektische“ Natur der gesellschaftlichen Umwälzungen macht deren Verständnis für das bürgerliche, undialektische Denken so schwer. Hier hat man dem Scheine nach die ausfallendsten Einrichtungen unsrer jetzigen Gesellschaft beibehalten: Kauf und Verkauf der Produkte und Lohnzahlung für Lohnarbeit; und trotzdem ist es eine echte sozialistische Gesellschaft, die wir haben, wo diese aus dem Kapitalismus übernommenen Institutionen nur das besondere Hilfsmittel, den zeitweiligen Mechanismus darstellen, durch den die Produkte unter die Mitglieder der Gesellschaft verteilt werden.
Darin liegt ein innerer Widerspruch; Widersprüche einer Gesellschaftsordnung sind aber immer die Anstöße, an denen sie zugrunde geht, –d. h. sich zu höheren Formen entwickelt. So wird auch diese Gesellschaftsordnung, deren Entstehung wir bisher betrachtet haben, aufgehoben werden, sobald die in ihr liegenden Widersprüche den Menschen zu Bewusstsein kommen und von ihnen empfunden werden als etwas, das nicht in Ordnung ist. Die hier vorliegenden Widersprüche, die wir jetzt betrachten wollen, treten hervor, wenn die geistige Umwälzung, die die große gesellschaftliche Umwälzung begleitet, sich ganz vollzogen hat, mit andern Worten wenn es jedem klar zum Bewusstsein gekommen und völlig in all sein Fühlen übergegangen ist, dass die Gesellschaft eine sozialistische geworden ist. Denn dann tritt der Gegensatz zwischen den dem Kapitalismus entnommenen Formen und dem sozialistischen Wesen als Widerspruch hervor.
Der erste dieser Widersprüche liegt in dem Lohnverhältnis. In der kapitalistischen Gesellschaft war die Lohnzahlung die Methode, der Arbeiterklasse ihren winzigen Anteil an der Totalmasse der Konsummittel zu übergeben; mit der kapitalistischen Entwicklung bekommen immer mehr Leute, sogar Kapitalisten und Direktoren selbst, in dieser juristischen Gestalt ihren Anteil, so dass Lohn und Dividende immer mehr die ausschließlichen Formen des Einkommens werden. In die neue Gesellschaft geht diese Lohnform als allgemeine Einkommensform über; man gestaltet sie besser, und statt der vielen privaten Lohnzahler tritt die Gesellschaft selbst in ihren verschiedenen Vertretungskörpern als einzige Lohnzahlerin auf. Inzwischen hat sich damit aber das Wesen der Lohnarbeit völlig umgeändert und schließlich muss es jedem einzelnen zum Bewusstsein kommen, dass er sein Verhältnis zur Gesellschaft nicht .mehr auffassen kann wie früher der Lohnarbeiter sein Verhältnis zum Kapitalisten. Er fühlt, dass er nicht ein Lohndiener, sondern ein Mitglied der Gesellschaft ist; die neue Wirtschaft ist nicht eine riesige Privatwirtschaft, wo jeder im Dienste eines ihm fremden Eigentümers und Herrn ist, sondern wirklich eine Zusammenarbeit aller Menschen für ein gemeinsames Ziel. Dann wird man die Lohnform nicht mehr verstehen und sie unzulänglich finden.
Namentlich wird man die Verschiedenheiten des Lohns nicht mehr verstehen. Bei dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus treten die Menschen in die neue Gesellschaft ein mit sehr verschiedener Ausbildung und Leistungsfähigkeit, was weniger eine Folge verschiedener Anlage, als der verschiedenen Vorbildung ist. Da es dann nicht gilt, gewisse abstrakte Gleichheitsideen in die Praxis zu übersetzen, sondern die gewaltigen Aufgaben zu lösen, welche die Neuordnung der Produktion den Menschen stellt, wird man es als selbstverständlich erachten, dass diejenigen, die mit der allgemeinen Leitung und mit der schwierigsten Organisationsarbeit betraut werden, wie die Direktoren, die Ingenieure, die Gelehrten, einen höheren Anspruch haben als die gewöhnlichen Lohnarbeiter. Man wird dabei geleitet durch die Überlieferung der jetzigen Gesellschaft und es deshalb als vernünftig erachten. Wenn aber neue Generationen heranwachsen, die den Kapitalismus nicht mehr gekannt haben und für die die kapitalistischen Verhältnisse nur grauenhafte Überlieferungen aus barbarischer Vergangenheit sind, so werden diese nicht mehr verstehen, weshalb der eine Mensch mehr erhalten soll als der andre, wenn beide in gleichem Maße ihr Bestes tun. Es kommt hinzu, dass die großen Verschiedenheiten der Leistungsfähigkeit, die jetzt als Folge des verschiedenen Unterrichts z. B. zwischen den Arbeiterkindern und den Bourgeoiskindern bestehen, dann infolge der allgemeinen Hebung alles Unterrichts verschwunden sein werden, gerade so wie auch der schroffe Gegensatz zwischen geistiger und körperlicher Arbeit. Nur persönliche Verschiedenheiten der Anlage werden bestehen bleiben; wenn aber der eine besser oder schlechter veranlagt ist als der andre, so ist das weder seine Schuld noch sein Verdienst. In Anlehnung an die kapitalistische Ordnung, wo jeder sich selbst einen Lebensunterhalt suchen und schaffen muss, wird zuerst in der neuen Gesellschaft jedem der ihm zufallende Anteil der Konsummittel als eine Vergütung für seine Arbeit, als eine rechtmäßige Belohnung seiner Dienste erscheinen. Diese Auffassung, nach der für sich selbst verantwortliche Privatpersonen durch ein vernünftiges Zusammenarbeiten einander ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen, wird nach und nach der sozialistischen Auffassung weichen, dass die Gesellschaft durch die Arbeit ihrer Mitglieder für den Unterhalt aller ihrer Mitglieder sorgt, und dass also jeder Mensch, eben weil er Mensch ist, ein Anrecht auf das Leben und auf Lebensmittel hat. Auf solche Weise werden dem wachsenden sozialistischen Bewusstsein die von dem Kapitalismus übernommenen äußeren Formen und das auf ihnen beruhende Verteilungssystem der Produkte nach und nach unpassend vorkommen. Vielleicht wird man dann auf diese Weise den neuen Anschauungen gerecht zu werden versuchen, dass man jedem Mitglied den gleichen Anspruch zuerkennt und jedem ein gleiches Teil der Produkte gibt. Dabei bleibt aber der Widerspruch bestehen, der in der ökonomischen Grundlage dieser Gesellschaft selbst liegt und den wir jetzt betrachten müssen.
Dieser Widerspruch liegt darin, dass die Erzeugnisse der Arbeit gekauft und verkauft werden, also als Waren behandelt werden, während sie gar keine Waren mehr sind. In der jetzigen Gesellschaft sind die Arbeitsprodukte Waren, weil sie Produkte von Privatarbeiten sind, die selbst nur Teile eines gesellschaftlichen Produktionsprozesses sind. Unsre jetzige Produktion ist eine gesellschaftliche, denn die Menschen produzieren die Konsummittel füreinander und nicht für sich selbst. Aber zugleich ist sie eine Privatproduktion; jeder produziert selbständig als Teil des Ganzen; er muss seine Produkte austauschen gegen die Produkte andrer, und in diesem Austausch tritt als der gemeinsame Wert der Produkte die Tatsache hervor, dass diese Privatarbeiten sich einander als gleichartige Teile eines Ganzen gleichsetzen und sich aufeinander beziehen. Dieser Wert scheint eine Eigenschaft zu sein, die zur Natur der Dinge gehört; er ist aber eine Beziehung zwischen Personen, die nur als Eigenschaft der Dinge erscheint, weil diese Personen als unabhängige Privatproduzenten erscheinen.
Sobald die Produktion unmittelbar gesellschaftlich ist, hört dieser Schein auf; die Produkte sind nicht mehr Waren und haben auch nicht mehr einen Wert. Der Austausch zwischen Privatprodukten, wo sonst der Wert als Austauschverhältnis ans Licht trat, ist verschwunden; das „Kaufen“ der Produkte durch die Gesellschafts-mitglieder hat mit einem Tauschverkehr nichts gemein. Obgleich der Wert bestimmt wird durch die gesellschaftliche Arbeitszeit, ist er doch nur dann Ausdruck dieser Arbeitszeit, wenn sie in den verschiedenen Arbeitsprodukten verschiedener Personen steckt. Deshalb war es ein utopischer Wahn älterer Schriftsteller – der von Marx gründlich verhöhnt wurde –, dass man bei einer gesellschaftlichen Regelung der Arbeit durch sorgfältige Buchführung nur die Anzahl Stunden zu messen brauchte, die jedes Produkt bei seiner Anfertigung kostete, um seinen richtigen Wert zu bekommen. Praktisch könnte man selbstverständlich auf jeden Gegenstand einen Zettel kleben, auf dem eine gewisse Markenzahl oder – was auf dasselbe hinauskommt – eine gewisse – Stundenzahl geschrieben steht; aber mit einem Warenwert, der in einer Waren produzierenden Gesellschaft durch innerliche Wirkungen, ohne Spielraum für die Willkür der Menschen, wie durch einen Naturprozess festgestellt wird, haben diese Zahlen nichts zu tun. Zu Anfang der neuen Gesellschaft wird man, anknüpfend an die Praxis des kapitalistischen Produzenten, die Preise der Produkte auf diese Weise festsetzen, weil dann dem Scheine nach die Produktion nur eine Umbildung der kapitalistischen ist. Je mehr aber die Produktion jedem erscheint, wie sie ist, d. h. unmittelbar gesellschaftlich, um so mehr wird die Künstlichkeit dieser Preisbestimmung als ein Produkt konventioneller Willkür, der nichts Wesenhaftes zugrunde liegt, empfunden werden. Aber diese künstlichen „Preise“ erfüllen eine wichtige Funktion als Maßstab für die Verteilung der gemeinschaftlich produzierten Güter unter die Mitglieder. Wenn dieser Maßstab hinfällig wird, muss ein andrer gesucht werden.
Diese Schwierigkeit wird gelöst werden durch eine neue Kraft, durch die Entwicklung der Produktivität der Arbeit, auf die wir jetzt unsre Aufmerksamkeit richten werden. Bekanntlich ist es eins der bedeutendsten Argumente in 1msrer Propaganda für den Sozialismus, dass wir sagen: die jetzige Produktionsweise ist nicht produktiv genug, um alle Menschen ausreichend leben zu lassen; erst unter dem Sozialismus können sich die Produktivkräfte besser entfalten und wird die Arbeit ertragreicher sein. Zuerst ist also die Frage zu behandeln, worin die größere Produktivität der sozialistischen Gesellschaft, unmittelbar nach der Revolution, im Vergleich zur kapitalistischen besteht.
Sie besteht darin, dass die Produktion zweckmäßiger, d. h. dem Zweck der Befriedigung der Bedürfnisse besser angepasst wird. Unter dem Kapitalismus ist nicht diese Befriedigung, sondern der Profit Zweck der Produktion; deshalb herrscht hier eine gewaltige Vergeudung von Material und Arbeitskraft, die unter dem Sozialismus vermieden wird. Jetzt werden so zahllose wie nutzlose Exportsachen produziert, die dann schließlich allerhand Leuten aufgedrängt werden müssen, die ihrer gar nicht bedürfen, während zugleich die armen Volksklassen die notwendigsten Lebensmittel entbehren müssen. Die kapitalistische Produktion ist im großen Maße eine Produktion von Schundwaren; vieles davon muss noch dazu zwecklos verderben, bevor es einen Abnehmer findet. Die zahllosen zersplitterten Kleinbetriebe, die weder eine zweckmäßige Einrichtung haben noch die technischen Fortschritte anwenden können, stellen auch eine enorme Vergeudung von Arbeitskraft und Material vor. Auf der andern Seite hemmen die Trusts den Fortschritt der Technik, weil sie kein Interesse an besseren Arbeitsmethoden haben, denn ihr Monopol schützt sie vor der Konkurrenz. Durch alle diese Umstände wirtschaftet der Kapitalismus äußerst unproduktiv, und was sonst sein Verdienst war, nämlich dass durch seinen Antrieb die Arbeitstechnik sich stets höher entwickelte, geht in seiner höchsten Entwicklungsform, dem Trust, sogar wieder verloren.
Alle diese Ursachen eines geringen Arbeitsertrages bei erdrückender Arbeitslast hören unter dem Sozialismus aus. Die Überlegenheit einer sozialistischen über die kapitalistische Produktion bei derselben Entwicklungshöhe der Technik liegt in der Organisation der Arbeit. Indem die Kraftvergeudung der rückständigen Kleinbetriebe aufgehoben und alle menschliche Arbeitskraft mit den technisch vollkommensten Hilfsmitteln ausgestattet wird, vergrößert sich die Erträglichkeit der Arbeit enorm. Indem dazu die Produktion ganz dem Bedürfnis angepasst wird, braucht weder Arbeitskraft noch Material zwecklos verausgabt zu werden. Diese Organisation der Produktion wird deshalb das Mittel sein, wodurch bei mäßiger Arbeitsmühe nach Absonderung von dem, was für allgemein gesellschaftliche Zwecke nötig ist, jedem eine ausreichende Existenz gewährt werden kann.
Der Hauptgrund für die Notwendigkeit des Sozialismus liegt aber nicht in dieser Tatsache, sondern darin, dass er durch die Beseitigung des kapitalistischen Hemmnisses eine ungestörte freie Weiterentwicklung für die Produktivkräfte ermöglicht. Mag er eine höhere Produktivität als die jetzige sofort verwirklichen, so bringt er zugleich die Kraft hervor, die eine noch viel größere, unaufhaltsame Steigerung dieser Produktivität bewirkt. Diese Kraft bildet der riesenhafte Fortschritt der Wissenschaft und der Technik. Unter dem Sozialismus werden die allgemeine wissenschaftliche Bildung und die Kenntnisse, die jetzt das Besitztum einer beschränkten Menschenzahl sind, Gemeingut für alle werden; mehr als jetzt wird die Beschäftigung mit ihnen durch die. gute Vorbildung und durch die frischkräftigen Mußestunden, die die organisierte Arbeit gestattet, eine Freude für viele sein. Jetzt sind die geistige Vorbildung und der praktische Umgang mit den Maschinen vielfach geschieden, und das bildet ein Hemmnis für Verbesserungen der Technik; die Wiedervereinigung beider wird der Technik einen gewaltigen Aufschwung geben. Der wissenschaftlichen Forschung, die jetzt das Monopol einer kleinen Forschergruppe ist, werden sich dann zahllose urkräftige, frische Gehirne zuwenden, die jetzt zum größten Teil durch materielle Not zerdrückt werden. Es kommt hinzu, dass dann der Naturforscher, der neue Naturkräfte kennen lehrt, der Erfinder, der ihnen eine praktische Anwendung gibt, nicht mehr wie jetzt für die Wissbegierde einer kleinen Gelehrtenzunft und für die Bereicherung einiger Großkapitalisten arbeiten, sondern die Sicherheit haben werden, dass jede ihrer Arbeiten unmittelbar das Glück aller ihrer Mitmenschen erhöht, ihre Arbeitslast verringert und ihr Leben reicher gestaltet. Dies wird dem Forschen und dem Erfinden einen starken Antrieb geben.
Das Ergebnis jener technischen und wissenschaftlichen Fortschritte, mit denen verglichen das vielgerühmte neunzehnte Jahrhundert nur als ein dürftiger Anlauf erscheint, gibt sich kund in einer gewaltigen Steigerung der Produktivität der Arbeit. Und namentlich wird eine rationelle Anwendung der Wissenschaft auf den am meisten rückständigen, aber wichtigen Betrieb der Landwirtschaft deren Ertrag stark steigern können. Diese Erhöhung der Produktivität der Arbeit bedeutet aber nichts andres als einen großen Überfluss an allen Produkten, die man braucht. Mau wird dann nicht mehr nötig haben, durch genaue Buchführung und Regelung in Einzelheiten des Produktionsprozesses für einen ausreichenden Ersatz bei mäßiger Arbeitszeit zu sorgen. Die Arbeit für die Gemeinschaft, die zuerst als Pflicht jedem auferlegt werden musste, wird nach einigen Generationen, die die jetzige Arbeitsqual nicht mehr gekannt haben, als eine Freude und ein Bedürfnis betrachtet werden. Man braucht dann ebensowenig mehr jedem einen bestimmten „gerechten“ Anteil an den ganzen Vorrat der produzierten Konsummittel zuzumessen. Wo Überfluss herrscht, kann nur das Bedürfnis des einzelnen Menschen das Maß für seinen Anteil sein. Vielleicht wird einer sagen: Ja, aber dann hat jeder in der Hand, mehr zu nehmen als er braucht! Aber wozu wird er mehr nehmen? Um es zu vergeuden? Das hat keinen Zweck – unter dem Kapitalismus hat Vergeudung wohl einen Zweck, und deshalb kommt sie vor –. Oder um es aufzubewahren für kommende Zeiten? Das hat auch keinen Zweck, denn die Gesellschaft verbürgt auch für die Zukunft Überfluss. Unter solchen Umständen wird es nicht vorkommen, dass der eine dem andern deswegen missgünstig gesinnt ist, weil dieser mehr braucht als er selbst. Man stelle sich eine Menschengruppe vor, die Hunger leidet und der nur wenige Lebensmittel zur Verfügung stehen. Wie misstrauisch sieht jeder dort die andern an und achtet darauf, dass dieser nicht zuviel nimmt. Man bringe aber diese selben Menschen an einen reichlich gefüllten Festtisch, und keiner kümmert sich darum, wieviel ein andrer nimmt, denn er weiß, es ist Überfluss für alle da.
Wenn also in der Entwicklung der Gesellschaft unter dem Sozialismus die Produktivität der Arbeit einen so hohen Grad erreicht hat, dass Überfluss für alle da ist, dann werden auch die gesellschaftlichen Institutionen so umgewälzt sein, dass die Verteilung der Produkte nach dem Bedürfnis erfolgt. Es wird jetzt oft darüber gestritten, ob in ferner Zukunft das Privateigentum ganz vom gesellschaftlichen Eigentum ersetzt, oder ob wenigstens das Brot, das ich esse, und der Rock, den ich trage, immer als mein Privateigentum angesehen werden wird. Eine kurze Betrachtung der ökonomischen Grundlage dieser entferntesten Zukunftsgesellschaft kann die Nichtigkeit dieses ganzen Streites dartun; wenn die Gesellschaft einen unbeschränkten Überfluss produziert, und jeder davon nimmt was und soviel er braucht, so wird der ganze Begriff des Eigentums verschwinden.
Es bleibt jetzt noch übrig, einen Blick zu werfen auf die Umwälzungen der geistigen und politischen Erscheinungen, die sich auf diesen ökonomischen Grundlagen erheben werden. Zum Teil sind sie im vorhergehenden schon mitbehandelt worden; unsre Auffassung, dass die Produktionsweise des materiellen Lebens die politischen, juridischen und geistigen Erscheinungen überhaupt bestimmt, ist immer so zu verstehen, dass diese nicht zufällig und willkürlich sind, sondern gerade so, wie es für das Bestehen dieser Produktionsweise notwendig ist; es ist dabei also selbstverständliche Voraussetzung, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf die Produktionsweise ausüben. Politische Formen werden umgestaltet eben ihrer hemmenden oder fördernden Wirkung auf die Entwicklung der Wirtschaft wegen. Deshalb mussten wir vorher bei der Umgestaltung der kapitalistischen zu einer sozialistischen Produktionsweise mit einer Umwälzung der politischen Macht und der politischen Institutionen anfangen.
Jetzt bleibt also nur übrig, diese Umwälzung mehr für sich und in Einzelheiten zu betrachten. Wir fangen wieder an mit der Eroberung der politischen Gewalt durch die Arbeiterklasse und wiederholen hier noch einmal die Gründe, weshalb dies für den gesellschaftlichen Fortschritt notwendig ist. Wir müssen die politische Macht der Bourgeoisie brechen, weil diese ein Hemmnis bildet für die Durchsetzung der Reformen, die für die Arbeiterklasse notwendig sind. Wir brauchen selbst die staatliche Gewalt, um an die schon genannten positiven Aufgaben gehen zu können: die große Reformarbeit, die zur Wiedergeburt der Menschheit und zur Hebung der Kultur nötig ist, durchzuführen, und dann, als Folge davon, die Organisation der gesellschaftlichen Produktion in die Hand zu nehmen.
Sehen wir uns nun jene neue Staatsform nach ihrer politischen Seite an, so werden wir etwas ähnliches finden, wie vorher bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Struktur der Gesellschaft. Dem Anscheine nach hat sich in der politischen Form nur wenig oder nur Nebensächliches geändert. Das politische System, das dann herrschen wird, kann man am besten eine vollendete, konsequent durchgeführte Demokratie nennen. Selbstverständlich muss man dabei nicht an das denken, was jetzt Demokratie heißt. Es besteht im Gegenteil ein großer Gegensatz zwischen der jetzigen bürgerlichen Demokratie, die eine Scheindemokratie ist und nur ein Mittel, die Arbeiterklasse zu betören, und jener wirklichen, echten Arbeiterdemokratie, die dann die Staatsform bestimmt. Ein Beispiel dieser Demokratie liefern die jetzigen Kampfesorganisationen der Arbeiterklasse, die im kleinen schon verwirklichen, was dann im großen herrschen wird. In diesen Arbeiterorganisationen herrscht die demokratische Regel, dass jeder einzelne dasselbe Recht hat, aber die Mehrheit hat immer recht über die Minderheit, so dass die Beschlüsse der Mehrheit, die als Beschlüsse des Ganzen gelten, ausgeführt werden. Es wird dabei jedem einzelnen soviel wie möglich seine Freiheit gelassen, und nur soviel wie notwendig ist für das einmütige Zusammenarbeiten, wird Unterwerfung des einzelnen unter die Gesamtheit gefordert. Diese Prinzipien, die jetzt in der Arbeiterbewegung allgemein anerkannt und durchgeführt sind, werden selbstverständlich auch für den zukünftigen Staat gelten. Dies bildet den Unterschied zu den jetzigen Staatsformen, von denen keine wirklich demokratisch ist. Übrigens jedoch ist die Übereinstimmung sehr groß, wenigstens dem Scheine nach. Mau wird von Verwaltung und Regierung reden, man wird Verwaltungskörper und Ausschüsse für allerhand Zwecke haben, es werden Gesetze erlassen werden und wahrscheinlich Abgeordnete für ein Parlament und für Gemeinderäte gewählt werden. Also alles Namen und Einrichtungen, die man jetzt auch hat, und es wird den Anschein haben, als ob jener Staat, der dann die äußerliche Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet, im Grunde – also abgesehen von seiner Demokratie – sehr wenig von dem jetzigen Staate verschieden ist. Wie bei der Betrachtung der Wirtschaftsordnung muss auch hier wieder bemerkt werden, dass dies einen Angriffspunkt bietet für unsre Gegner, die von einer Staatsallmacht und von ihrer Furcht vor Staatssklaverei reden.
Leute, die so reden, lassen sich durch den oberflächlichen Schein täuschen, denn in Wirklichkeit, in dem Wesen, sind jener zukünftige und der jetzige Staat grundverschieden. Jetzt ist die Staatsgewalt ein Organ der bestehenden Klasse, also einer Minderheit, um die Mehrheit des Volkes zu beherrschen und zu unterdrücken. Dann aber wird der Staat ein Institut der Mehrheit sein einer klassenlosen Gesellschaft, die also nichts zum Unterdrücken und zum Beherrschen hat. Jetzt ist der Staat ein rein politisches Institut zur Herrschaftsausübung; dann wird er eine Körperschaft mit ökonomischen Funktionen sein, die keine eigentliche Herrschaft mehr auszuüben braucht. Engels hat es einmal im Anti-Dühring so treffend ausgedrückt, als er sagte: „Mit jener. Verwandlung tritt an Stelle einer Regierung über Personen eine Verwaltung von Sachen.“
Man wird jetzt den großen Gegensatz verstehen zwischen dem Staate von heute und dem Staate von morgen, ungeachtet der scheinbaren Übereinstimmung in Formen und Äußerlichkeiten. Während im jetzigen Klassenstaat die Gesetze die Herrschaft einer regierenden Klasse über die unterdrückte Klasse ausdrücken, werden dann, in der klassenlosen Gesellschaft, Gesetze nur Arbeitsregelungen sein. Man wird jetzt verstehen, weshalb so viele Leute, die nur auf den äußerlichen Schein achten, mit gewissem Rechte von einer Staatsallmacht reden können, weil der Staat dann unmittelbar die ganze Produktion regelt, während Engels, mit noch größerem Rechte, weil er das innere Wesen, die wirkliche Funktion des jetzigen Staates hervorhob, sagen konnte, dass mit der Umwandlung des Kapitalismus im Sozialismus der Staat abstirbt.
Es versteht sich, dass, wie überall unter demokratischen Institutionen, ein gewisses Maß von Zwang unmöglich vermieden werden kann. Diejenigen, die für eine absolute Freiheit schwärmen, mögen bedenken, dass überall, wo die Menschen zu ihrem Lebensunterhalt gesellschaftlich zusammenarbeiten müssen, der einzelne sich der Gesamtheit unterzuordnen hat. Aber die Art und Weise, in der dieser, nicht von menschlicher Willkür erfundene, sondern durch natürliche und gesellschaftliche Umstände notwendig bedingte Zwang sich durchsetzt, ist nach diesen besonderen Umständen verschieden. Sie wird in der künftigen Arbeiterdemokratie ganz anders beschaffen sein als in dem jetzigen kapitalistischen Klassenstaat. Eine Minderheit braucht zur Behauptung ihrer Herrschaft physische Gewaltmittel, Polizei, Justiz, Armee, Gefängnisse usw. Damit eine Minderheit sich in einer klassenlosen Gesellschaft, wo keine tiefgreifenden Klassengegensätze bestehen, den Beschlüssen der Mehrheit fügt, sind keine physischen Zwangsmittel nötig. Eine Mehrheit herrscht da durch ihre moralische Macht; wie das vor sich geht, dafür hat man wieder ein Beispiel an den jetzigen Arbeiterorganisationen, wo es auch tagtäglich vorkommt, dass die Minderheit sich ohne äußerliche Zwangsmaßregel der Mehrheit fügt.
An die innere Organisation und das innere Leben unsrer jetzigen Arbeitervereine soll man immer denken, wenn man sich einen Begriff der politischen Ordnung „am Tage nach der Revolution“ bilden will – mit der Einschränkung, dass diese Vereine jetzt Kampfesorganisationen sind gegen einen übermächtigen Feind, und deshalb aus diesem zeitweiligen Grunde auf eine strammere Disziplin halten müssen. Aber immerhin können sie uns wichtige Aufschlüsse geben über die moralischen Mittel, über die man verfügt zur Unterwerfung einer Minderheit, damit den Zwecken der Allgemeinheit am besten gedient wird. Was ist das moralische Mittel, das der jetzigen Arbeiterbewegung ihren Zusammenhalt und ihre einheitliche Kraft gibt? Es ist die freiwillige Disziplin. Diese freiwillige Unterordnung des einzelnen unter die Gesamtheit, diese Überwindung des eigenen Egoismus und der eigenen Neigungen, sie bildet das moralische Zement der Arbeiterorganisationen in der Gegenwart. Sie wird jetzt im Kampfe entwickelt und eingeübt, weil jede Erfahrung uns tagtäglich zeigt, dass nur auf diese Weise ein Erfolg möglich ist; so wird sie immer stärker und sie wird auch das moralische Zement der künftigen sozialistischen Ordnung sein.
Was also unmittelbar nach dem Sturze des Kapitalismus die neue Gesellschaft zusammenhält, ist die durch vernünftige Einsicht ihrer Notwendigkeit geleitete 1md immer mehr zur Gewohnheit werdende Überwindung eines sehr kräftigen Triebes, des Egoismus. Der Egoismus ist ein Trieb, der unter dem Kapitalismus oder, genauer gesagt, unter der ganzen Privatwirtschaft großgezogen worden ist. Er ist deshalb. in jenem Zeitalter so stark geworden, weil er in ihm eine notwendige Eigenschaft im Kampfe ums Dasein bildet; wer in der kapitalistischen Gesellschaft zu wenig Egoismus besitzt, wer sich durch Rücksichten der Menschlichkeit, der Brüderlichkeit, des Mitleids in seinen Angelegenheiten bestimmen lässt, der hat alle Aussicht, als selbständiger Produzent unterzugehen. Um emporzukommen und über seine Konkurrenten zu siegen, ist ein gewaltiges Maß von Egoismus nötig, und alle menschlichen Regungen, die sich dem widersetzen, müssen mit Kraft zurückgedrängt und überwunden werden. Weil dem so ist, deshalb ist der Egoismus ein Trieb, der jetzt so fest und so tief in den Menschen unsres Zeitalters wurzelt, dass er wie ein von Ewigkeit her bestehender Naturtrieb erscheint.
Es kann deshalb auch nicht wundernehmen, dass große und geistvolle Denker den Egoismus für einen Trieb halten, der mit der menschlichen Natur für immer verknüpft sei. Diese gelehrten Leute und ihre Nachplapperer verlachen uns, wenn wir sagen, dass in der Zukunft, in einer sozialistischen Gesellschaft, dieser Trieb abnehmen und sogar verschwinden wird, denn das dünkt ihnen ein unwissenschaftlicher, haltloser, utopischer Wahn. Und dennoch ist unsre Ansicht viel begründeter und wissenschaftlicher als die ihrige. Gerade weil der Egoismus jetzt so überwältigend stark ist, dürfen wir sein Verschwinden vorhersagen. Denn dass ein Trieb, der doch von keinem als Tugend angepriesen wird, die aus dem alten kommunistischen Zusammenleben übererbten Gefühle von Brüderlichkeit und Gemeinsinn so völlig niederschmettern und unwirksam machen konnte, das zeugt von der unwiderstehlichen Macht der ökonomischen Notwendigkeit: Deshalb kann man auch mit Sicherheit schließen, dass in einer andern Gesellschaftsordnung, wo andre Triebe notwendig sind, auch andre Triebe den jetzigen Egoismus beseitigen werden.
Wir sehen jetzt schon in der Arbeiterbewegung, wie dieser starke Trieb in sehr vielen Fällen von der freiwilligen Disziplin überwunden wird, und das wird in der künftigen Arbeiterdemokratie noch stärker sein. In beiden Fällen kommen die nämlichen Wirkungen aus den nämlichen Ursachen: aus der Notwendigkeit, jetzt für die Erkämpfung, dann für die Erhaltung der neuen Ordnung. Immerhin bedeutet Disziplin die Überwindung, durch vernünftige Einsicht, eines lebendigen Triebes, des aus dem Kapitalismus ererbten Egoismus. Wenn aber die sozialistische Produktion einmal besteht, wird der Egoismus keine Betätigung mehr finden. Jetzt wird dieser Trieb immer neu gezüchtet, weil er wirtschaftlich notwendig ist, aber dann ist er nirgends mehr nötig. Er bringt den Menschen keinen Vorteil mehr; wo er sich bisweilen zeigen mag, schadet er dem Gemeinwesen und allen seinen Mitgliedern; er kann in jenem Zusammenarbeiten von Menschen nicht mehr angewandt werden, und deshalb muss er nach und nach verkümmern. Ein andrer Trieb ist dann notwendig zur Erhaltung der Gesellschaft und aller ihrer Mitglieder – der Gemeinsinn und die Brüderlichkeit der Menschen. Deshalb wird unter der Herrschaft der sozialistischen Produktion der Egoismus immer mehr absterben und an seiner Stelle der Gemeinsinn zu dem alles beherrschenden, dann allein „natürlich“ erscheinenden Trieb werden.
Wenn einmal die Welt soweit ist, dass sich als Folge des neuen Produktionssystems ein solches Maß von Gemeinsinn und Brüderlichkeit unter den Menschen entwickelt hat, dann wird es auch nicht mehr nötig sein, dass eine äußere Autorität als Vertreterin der Mehrheit auftritt. Dann wird auch die letzte Spur und der letzte Schein einer wenn auch noch so demokratischen Regierung unnötig sein und verschwinden. Dann braucht die Organisation der Arbeit als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens keine äußeren Mittel mehr, keine moralisch zwingenden absichtlichen Regelungen; dann wird die Organisation, der Zusammenhalt bewirkt durch den inneren Trieb, der im Menschen selbst liegt und viel stärkere Bande schafft. Dieser Zustand wird also ungefähr verwirklichen, was in der ganzen Geschichte schon vielen Denkern und Schwärmern als höchstes zu erreichendes Ziel gegolten hat: das Ideal einer vollkommenen Freiheit. Man soll dabei nicht allein und an erster Stelle an die anarchistische Losung denken, die sich nur in Gegensatz zu der jetzigen gebietenden Staatsgewalt stellt und darüber die ökonomischen Grundlagen übersieht. Der Mensch war von Anfang an unfrei, nicht weil er eine Staatsgewalt über sich hatte, sondern weil er Sklave der Natur, Sklave seiner leiblichen Bedürfnisse war. In diesem Sinne sagte Dietzgen einmal, dass die Einführung der Sklaverei ein Fortschritt auf der Bahn der Freiheit war. Nach und nach gelang es der Menschheit, die Natur zu beherrschen und durch Entwicklung der Produktion ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Dies war nicht möglich, ohne dass aus diesem Gesellschaftsleben, aus dem Zwange der bestimmten jeweiligen Produktionsverhältnisse, eine neue Herrschaft und eine neue Sklaverei hervorging, welche die Freiheit einschränkte. Trotzdem war diese Entwicklung ein Aufstieg zu immer größerer Freiheit. Ihr Ziel findet diese Entwicklung erst, wenn unter dem Sozialismus die völlige Beherrschung der Naturkräfte, die mühelose Befriedigung aller Bedürfnisse die materielle Grundlage einer ·Gesellschaftsordn1mg abgibt, wo kein gesellschaftlicher Zwang mehr nötig ist.
Hiermit sind wir am Ende unsrer Betrachtungen angekommen; das will sagen, wir müssen unsre Betrachtungen einstellen, weil wir nicht weiter in die Zukunft blicken können. Deshalb kann es so scheinen, als ob in einer Gesellschaftsordnung, wie wir sie geschildert haben, ein Zustand eintrete, an dem nichts mehr zu ändern wäre. Das ist ein Schein; denn es versteht sich, dass damit der ganzen Entwicklung der Menschheit kein Ziel gesetzt ist und dass dann keineswegs eine Zeit der starren, unveränderlichen Ruhe eingetreten wäre. Das wäre eine Illusion von derselben Art, wie wenn man von einem hohen Berggipfel den Weg in die Ferne zu verfolgen sucht. In der näheren Entfernung erkennt man noch die Unterschiede der Landschaft, aber in der weitesten Ferne schrumpft alles zusammen zu einer einzigen Linie am Horizonte. Trotzdem wissen wir, dass dort auch der Weg durch eine immer verschiedene Landschaft weitergeht. Derselbe Schein täuscht uns hier; weil wir nicht weiter Verschiedenheiten erblicken, dünkt uns, dass alle Entwicklung und Verschiedenheit dort aufhört. In der Tat wird die Entwicklung, wie uns eine vernünftige Überlegung sagt, nicht aufhören, sondern sie wird Formen annehmen, von denen wir jetzt keine Ahnung haben können. Für das Verständnis der Entwicklungsformen einer Menschengesellschaft, die sich ganz frei gemacht hat von der Sklaverei ihrer Bedürfnisse und als wirkliche Herrin über die Erde gebietet, sind wir zu roh und zu barbarisch und zu sehr in barbarischen Verhältnissen aufgewachsen. Unsre großen Vorkämpfer Marx und Engels sagten in ihrer kräftigen, charaktervollen Art über diese Zukunft: „Mit der Umwandlung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum schließt die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab. Damit scheidet der Mensch endgültig aus dem Tierreich.“ Also betrachteten sie die ganze Geschichte der Menschheit bis zum Anfange des Sozialismus nur als Vorgeschichte, als tierisches Zeitalter der Menschheit. Weit entfernt davon also, als solle mit dem Sozialismus die Entwicklung der Gesellschaft aufhören, darf man im Gegenteil sagen, dass damit die echte, wirkliche Geschichte der Menschheit erst anfängt.
(1) Ähnlich ging es den Rittern, die unter Führung des Franz von Sickingen sich ein reaktionäres Ideal der feudalen deutschen Reichseinheit ausgemalt hatten.
(2) Die dann einsetzende Entwertung der kapitalistischen Betriebe bildet die „Expropriation der Expropriateure“. Die Expropriation im ökonomischen Sinne, wie die Kapitalisten sie heute ausüben, besteht nicht darin, daß sie ihre Konkurrenten gewaltsam enteignen, ihnen jedoch den vollen Wert als Entschädigung zahlen – wie die staatliche, juristische Enteignung es macht – sondern sie besteht in einer Entwertung ihres Besitztums. Ob der Staat also die entwerteten kapitalistischen Geschäfte nachher noch kauft, ist für die künftige Expropriation nebensächlich. (Vergleiche über den Unterschied zwischen juristischer und ökonomischer Expropriation die treffliche Studie Joseph Karners „Die soziale Funktion der Rechtsinstitute“.)
Zuletzt aktualisiert am 30. September 2019