Alexandra Kollontai


Aus dem amerikanischen Tagebuch 1915

(28. September 1915–21. Februar 1916)


Zusammen mit mehreren aus dieser Zeit stammenden Briefen Alexandra Kollontais an Lenin und Nadeschda Krupskaja zum ersten Mal 1962 in der Zeitschrift Istoritscheski Archiw, Nr. 1, veröffentlicht. Eine erneute Publikation der Amerikanischen Tagebücher erfolgte 1970 (Zeitschrift Inostrannaja Literatura, Nr. 1–2), als auch ein Teil der Tagebücher veröffentlicht wurde, die Alexandra Kollontai während ihrer zweiten Amerikareise Ende 1916, Anfang 1917 geschrieben hatte. Dem vorliegenden Abdruck liegt die Veröffentlichung in der Zeitschrift Istoritscheski Archiw mit einigen Kürzungen zugrunde. Nach Ich habe viele Leben gelebt, Berlin 1980, S. 248–289.
Kopiert mit Dank von der Webseite Sozialistische Klassiker 2.0.
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28. September. Bergen. Vor der Abreise nach Amerika.

Man darf nicht müßig herum sitzen, wenn man die Kraft besitzt, für unsere Sache zu kämpfen und unsere Ideen zu propagieren ...

Bis zum heutigen Tag habe ich nicht an Gefahr gedacht. Stärker beunruhigt mich der Gedanke, ob ich nicht vielleicht seekrank werde und ob ich dann noch genügend Kraft für die schwierige, drei Monate währende Arbeit habe.

Schwierig und ermüdend ist nicht die Agitation und der Nervenverschleiß dabei. Weitaus anstrengender sind die tausend kleinen, bei der Agitation unvermeidlichen „Missgeschicke“.

Diese zwei Tage muss ich viel Geld für das Zimmer bezahlen und friere trotzdem. Mir kommt es vor, als wäre ich schon unglaublich lange hier. Die Stunden schleichen dahin. Doch ich will sie auch nicht beschleunigen. Schließlich habe ich nur Unannehmlichkeiten vor mir – ein schlingerndes Schiff und das Zusammenleben mit drei fremden Frauen in einem kleinen Loch.

In Russland reifen die Ereignisse immer mehr heran. Streik in Moskau. [1] Was wohl werden mag? Die Arbeiterklasse hat die Schrecken des Krieges zu ertragen, sie trägt die Last der Streiks und des revolutionären Kampfes.

Bergen ist eine langweilige Stadt, Trondheim ist da viel origineller.

3. Oktober. Ozean. Bergensfjord.

Den fünften Tag schaukele ich nun auf den Wellen des Ozeans. Eine Menge Russen sind an Bord. Sie reisen im Auftrag der Regierung, in Geschäften. Von Russland erzählen sie zurückhaltend, doch in einem sind sie sich alle einig – der Zarismus ist erledigt. Keiner ist „kriegstrunken“, alle, selbst ein Fliegeroffizier, sagen offen, dass die Misserfolge vor allem daher rühren, dass bei unserem Mütterchen Russland alles so schlecht eingerichtet ist. Der Zar sei in der Armee ganz und gar nicht beliebt. Aber auch N. N. [2] habe sich in Misskredit gebracht – habe angefangen zu trinken und sich mit irgendeiner Fürstin Tschartoriskaja eingelassen. Überhaupt gingen neuerdings im Volk schlimme Gerüchte über ihn um: Er veranstalte nur noch Saufgelage und kümmere sich um nichts mehr. Mächtig geschimpft wird auch auf Januschkewitsch, der Zehntausende Juden und Polen ausgesiedelt, eine ganze Region evakuiert hat. Das sind keineswegs „Flüchtlinge“, sondern zwangsweise umgesiedelte Völker. Nun rückt diese hungrige, erbitterte Menge immer mehr auf Moskau zu. Und die Moskauer Geldsäcke fürchten sich, schlottern vor Angst und bekreuzigen sich. Sie fürchten die „Anarchie“, fürchten „neues Blutvergießen“, „Revolten und Gräuel“.

Der Streik der Straßenbahner [3] nach der Auflösung der Duma, der Streik in den Putilow-Werken [4] usw. haben wohl enormen Eindruck gemacht. Man wundert sich über die Organisiertheit. „Offensichtlich sind die unteren Schichten weitaus besser organisiert, als wir geglaubt haben.“

Mir ist, als sei ich vor langer, langer Zeit fortgefahren. Norwegen und der Holmenkollen sind ganz weit weg. Warum ist mir nur so traurig zumute?

Als ich aus Bergen abreiste, war ich eher niedergeschlagen als traurig, niedergeschlagen und merkwürdig gleichgültig. Gar nicht majestätisch, sondern unmerklich legte der Dampfer ab. Es gab keinen Abschied vom Festland, von Europa.

Wir kamen an felsigen, mondbeschienenen, ohne einen Laut daliegenden Schären vorüber. Lange legten wir uns nicht schlafen. Viele hatten Angst vor den Deutschen. Ich dachte an nichts und bewegte mich irgendwie gleichgültig auf dem fremden Dampfer.

In der Kajüte sind wir zu viert; ich mag die Enge nicht, das Bewusstsein, keinen „Winkel“ für mich zu haben. Dabei fand ich auf dem Dampfer sehr liebe Freundesgrüße vor, Veilchen von der guten Seele Dundas, der Büroangestellten aus Holmenkollen, ein Telegramm von Mischa und einen Brief von Alexander. Mir wurde richtig warm ums Herz. Ich bin ihnen so dankbar für die liebevollen Beweise ihrer Zuneigung.

Eigentlich müsste ich mich vorbereiten. Doch ich kann nicht, kann es einfach noch nicht.

Wie mir scheint, fährt auf dem Dampfer eine sehr unangenehme, verdächtige Person mit. Manchmal habe ich plötzlich den Eindruck, als erwarte mich etwas Schlimmes. Aber was? Erwartet es mich wirklich? Bin ich nicht selbst daran schuld, da ich mich doch mit dem Korrespondenten der Zeitung Russkoje Slowo“ [5] in ein Gespräch eingelassen habe?

7. Oktober.

Ich hasse diese satten, müßigen, von sich selbst eingenommenen Passagiere der ersten Klasse. Wie fremd sie mir sind! Ich hasse dieses sinnlose, untätige Leben, diese Esserei, mit der die Zeit totgeschlagen wird, das leere Geschwätz, die Maskenbälle, Konzerte ...

15. Oktober. Im Zug zwischen New York und Chicago.

Heute ist es eine Woche, dass ich in Amerika bin – eine Woche angespannter, verantwortungsvoller Arbeit. Doch ich bin froh, dass ich hier bin. Ich merke und erkenne, dass ich für die Sache, das heißt von unserem linken Flügel, von den Keimen der III. Internationale gebraucht werde! Hier findet ein erbitterter Kampf zwischen den „Sozialpatrioten“ und den Internationalisten statt. Solche, die ganz links stehen (Leninisten), gibt es nur wenige.

Ein großer Diplomat ist Hillquit – und ein niederträchtiger Revisionist. Er vertritt die Ansicht, die Entwicklung erfolge auf dem Weg der „Abschwächung“ des Kampfes zwischen den Großmächten mit Hilfe politischer (!) Truste. Hieraus leitet sich natürlich die bisherige Taktik ab! Da wir nicht in eine Etappe heftiger Konflikte zwischen den Mächten, in eine Etappe „imperialistischer Kriege“ einträten, brauche man sich auch nicht um Veränderung der Taktik zu kümmern und das Proletariat auf die Revolution vorzubereiten. Zimmerwald sei ein „grundlegender Irrtum“ gewesen. Diese „Sozialpatrioten“ haben schreckliche Angst, dass sie aus der Internationale ausgeschlossen werden. Doch ich bleibe dabei: Nicht wir werden sie ausschließen, sondern die Arbeitermassen werden, wenn sie den Standpunkt des Klassenkampfes vertreten, sie zur Verantwortung ziehen!

Ich darf meinen Gefühlen jetzt nicht freien Lauf lassen, darf mir nicht einmal den „Luxus“ der Sehnsucht nach Mischa, nach all meinen Lieben und Teuren erlauben.

Der Sache, der ich jetzt diene, muss ich all mein Denken, all mein Fühlen widmen, nur dann werde ich etwas tun, etwas erreichen, meine Mission erfüllen können ...

Es war ein Augenblick großer Freude, als auf einer Versammlung mit 1.000 bis 1.200 Teilnehmern unsere Resolution angenommen wurde! Wir haben sie durchgesetzt, obwohl dort auch „Sozialpatrioten“ waren und es Diskussionen gab.

Meine Reden kommen bisher gut an. Ich ernte Lob. Doch ich selbst finde, dass ich noch kein einziges Mal das Niveau erreicht, das gegeben habe, was ich zum Beispiel in Trondheim fertiggebracht habe. Mir ist noch nicht widerfahren, was ich so mag, dass mir nämlich plötzlich eine Art innere Stimme „vorsagt“, wie es am stärksten und klarsten zum Ausdruck zu bringen ist. Schuld daran ist zum Teil die Tatsache, dass ich mich noch nicht ein einziges Mal ordentlich vorbereiten konnte. Es hat immer Eile, geschieht dauernd nur flüchtig. Zum anderen liegt es auch an der rein physischen Ermüdung. Bin ich doch direkt vom Schiff aus an die Arbeit gegangen! Nach der Dampferfahrt hat noch drei Nächte lang alles geschwankt, und ich hatte Herzklopfen. Zudem verläuft das Leben hier alles andere als gemächlich. Das Hotel liegt im Zentrum von New York inmitten dieser phantastischen Riesenbauten ...

Unterwegs nach Chicago. Morgen spreche ich in Racine. Am Sonntag zwei Versammlungen zu verschiedenen Themen und in zwei Sprachen in Milwaukee. Dann fünf Tage Chicago. Anschließend Saint Louis, Denver (Colorado), San Francisco und Los Angeles (Kalifornien). Vor Ende November werde ich nicht nach New York zurückkehren.

Der Zug rast an einem riesigen Fluss, dem Hudson, an unbekannten Städten und Landschaften vorbei. Alles sehr schön, aber fremd. Seltsam, dass dies nun Amerika ist!

19. Oktober.

In Milwaukee bin ich russischen Genossen, Arbeitern, begegnet. Da war gleich wieder die übliche Kolonie mit ihrem Gezänk, ihren Bedürfnissen und Interessen zu spüren. Auch die Typen kenne ich; mir ist, als hätte ich sie schon viele Male gesehen und mit ihnen gesprochen. Verblüffend, wie sich die Klagen über die örtlichen Bedingungen des Parteilebens wiederholen. Gewiss, wenn man lange hier lebt, dann fallen einem die Schattenseiten auf, doch wie sehr gleichen sich all diese Klagen! Sollte man da nicht nach tiefliegenden, sich wiederholenden Gründen suchen, die eine solche Einstellung zur „fremdländischen“ Bewegung bewirken?

Beide Versammlungen – die deutsche und die englische – sind mit viel Schwung verlaufen. Ich habe etwa fünf Stunden am Tag gesprochen.

Jetzt fahre ich von Milwaukee nach Chicago. Milwaukee ist das Zentrum der Revisionisten. Was erwartet mich in Chicago?

29. Oktober. Staunton. Steinkohlenrevier.

An mein Tagebuch war nicht zu denken. Ich bin jetzt 21 Tage in Amerika und habe bereits 23 Versammlungen hinter mir!

New York 4 + 1, Racine 1, Milwaukee 3, Chicago 10, Saint Louis 4, Staunton 1 (23 + 1) = 24.

Dreyfus, der faktische Veranstalter der Reise, hat sich vorgenommen, aus mir jeden nur möglichen „Nutzen zu ziehen“. Deshalb habe ich nicht nur keine freien Tage, wie es ausgemacht war, sondern nicht einmal eine Stunde Zeit, um mich vor den Versammlungen ein bisschen auszuruhen. Ganz zu schweigen davon, dass ich mitunter zwei-, ja dreimal am Tag sprechen muss. Ich habe keinen einzigen Abend für mich allein. Und daran wird sich wohl bis Dezember nichts ändern. Das ist hart und unkameradschaftlich. Soll ich „rebellieren“? Das würde nur der Sache schaden, um derentwillen ich hier bin. Schuld ist Dreyfus, weil er bei der Reise so spart. Zum Beispiel fahre ich nach der anstrengenden Arbeit in Chicago – zehn Versammlungen innerhalb einer Woche – unmittelbar nach der letzten Versammlung die ganze Nacht hindurch mit dem Zug, und um sieben Uhr morgens werde ich dann in Saint Louis abgeholt. Die Genossen haben bereits über mich verfügt und zeigen mir die Stadt. Das strengt am meisten an! Ich möchte mich waschen, wieder zu mir kommen, ein bisschen lesen, nachdenken, mich einfach ausruhen. Nach der amerikanischen Eisenbahn und der mehr oder weniger schlaflosen Nacht ist mir schwindlig. Doch nichts da! 30 Meilen Autofahrt, um mir irgendeinen Berg und den Mississippi zu zeigen. Um sieben Uhr abends bin ich im Hotel. Schnell gewaschen, umgezogen und zur Versammlung. Am nächsten Tag habe ich zwei Versammlungen, nein, drei! Am Morgen darauf geht es weiter, nach Staunton. Hier spreche ich am Abend. Ich fahre noch heute weiter, und so geht es bis Sonntagnacht. Sonntag um Mitternacht bin ich wieder in Saint Louis, Montagmorgen geht mein Zug nach Denver. Die Fahrt dauert zwei Tage. Ich komme erst halb sieben abends an und muss um acht Uhr schon sprechen. Am nächsten Tag muss ich noch einmal sprechen! Am darauffolgenden Morgen bringt mich der Siebenuhrzug schon nach Los Angeles. Drei volle Tage unterwegs. Ich komme halb drei an, um drei ist die Versammlung. Einfach grausam ...

Dreyfus ist der typische „Geschäftsmann“. Hinzu kommen die ständig wechselnden Eindrücke, Menschen, Interviews usw. Und dann die angestrengte Arbeit auf den Versammlungen selbst. Dort gilt es, die Nationalisten und Sozialchauvinisten zu besiegen. Resolutionen müssen durchgesetzt werden und anderes mehr. Das verlangt Kraft! An Vorbereitung auf die Reden, an Auffrischung der Gedanken oder an Lektüre ist gar nicht zu denken! Dazu die Müdigkeit, die Fahrerei, die beinahe schlaflosen Nächte ...

Urteilt man anhand der Versammlungen, nimmt man den Beifall, die Urteile, die Tatsache, dass jede weitere Versammlung in einer Stadt immer mehr Zuhörer anzieht, könnte man meinen, der Erfolg sei groß, man sei mit mir zufrieden. Ich selbst jedoch fühle mich unbefriedigt von der Arbeit.

Gut gesprochen habe ich nur zweimal in Chicago. „Mit Niveau.“ Das aber war dem Umstand zu verdanken, dass ich mich einigermaßen ausruhen und vor dem Vortrag konzentrieren konnte. An jenem Tag war es mir gelungen, mir den ganzen Vormittag frei zu halten. Dann sprach ich auf zwei Versammlungen – einmal um drei englisch und dann um acht deutsch, wobei ich alles gab, wozu ich fähig bin. Alles war prägnant, logisch und „mit Schwung“.

Ich hasse es, wenn ich mit gekünstelter Begeisterung rede, das aber tue ich, wenn ich müde bin. Das Publikum spürt das und ermüdet selbst.

Ich habe ein paarmal die russischen Genossen in Chicago gesehen und mich wahnsinnig mit ihnen über Lenin gestritten. Wie viel bösen Hass die Menschewiki doch gegen ihn liegen! Aber je mehr sie ihn hassen (und wofür? – dafür, dass er recht hat!), um so deutlicher merke ich, dass ich auf der Seite der Leninisten stehe ...

Über zwei Stunden schon schlängelt sich der Zug durch die herbstlich öden, abgeräumten Felder des Staates Illinois. Zurückgeblieben die Weltstadt Chicago, verrußt und ewig von Lärm dröhnend, und das ordentliche, piekfeine und langweilige Saint Louis. Bevor steht Agitationsarbeit im Steinkohlenrevier.

Heute werde ich das historische Mount Olive sehen. Heute werde ich jenen Ort besuchen, wo sich Ende der neunziger Jahre eine lebensechte Tragödie abgespielt hat – der Kampf zwischen Arbeit und Kapital. Heute werde ich das Grab der bei dem großen Streik erschossenen Arbeiter aufsuchen.

Mit brennender Neugier blicke ich unverwandt aus dem Fenster. Doch vergebens suche ich die charakteristischen Farben der Neuen Welt. Ist das hier wirklich Amerika?

Es ist Oktober. Die Sonne scheint matt, durch einen grauen Dunstschleier hindurch. Der Wind wirbelt Staubwolken auf und treibt sie vor sich her; er dringt durch die Ritzen des Zuges und jagt auf den Stationen trockenes Laub auf uns zu. Trostlos und öde breiten sich die abgeernteten Felder aus; die braune Erde, ausgetrocknet und rissig, lechzt nach Regen. Ab und zu taucht eine Farm auf – ein Einzelgehöft. Graue, aus Brettern gezimmerte zweigeschossige Häuser ragen kahl mitten aus den Feldern empor, dahinter die Wirtschaftsgebäude, ein Brunnen oder ein Teich, vom Grün eines Gehölzes überschattet. Dann wieder Felder, nichts als Felder. Was ist daran eigentlich amerikanisch? Sowohl diese Felder, so weit das Auge reicht, als auch die grüne Weide am Teich und die grauen Holzhäuschen erinnern doch eher an Mittelrussland.

Wohl zweimal fuhr unser Zug durch eine kleine Ortschaft beziehungsweise „Stadt“, wie man hier sagt. Ein paar menschenleere Straßen mit niedrigen Häusern, vorwiegend aus Holz, dann der zentrale Platz, auf dem der Stolz der Stadt prangt – ein banales, geschmacklos-protziges Rathaus und ein geräumiges Schulgebäude mit vielen Fenstern, die Hauptstraße, natürlich eine Market Street, mit billigen kleinen Läden, und schon wieder monotone, öde herbstliche Felder. Nichts typisch Amerikanisches, dabei ist Illinois einer der zentralen Staaten. Wo beginnt denn nun das wirkliche Amerika?

Am deutlichsten wird mir wohl ein von „Schwarzen“ bewohnter Vorort von Saint Louis im Gedächtnis haftenbleiben. Aber erinnert nicht auch dies an die Vororte europäischer Städte, weniger der westeuropäischen als vielmehr gerade der russischen Städte, an Stadtviertel, in denen die Armen hausen? Staubige Straßen mit schlechten Gehwegen, schiefe Holzhäuser mit einer morschen Vortreppe; daneben ein geschmackloses neues Ziegelhaus für billige Mieter, viele „Saloons“, Schankwirtschaften sagen wir dazu, die keine „anständige Frau“ je betreten würde. Der einzige Unterschied ist der, dass auf den morschen Stufen der Vortreppen nicht unsere russischen Frauen mit ihren Kopftüchern, sondern stämmige Negerinnen mit ihrem schwarzen Kraushaar sitzen.

Zwei Nachbarinnen, die gerade beim Wäscheaufhängen sind, hört man klar und deutlich, aber eben in der etwas nachlässigen Sprechweise der Neger miteinander zanken; im Straßenstaub buddeln keine halbnackten weißen, sondern halbnackte bronzefarbene Knirpse, und aus der Schule kommen schließlich nicht blonde Schüler, sondern schwarzhaarige Krausköpfe, die Augen groß und glänzend wie reife Kirschen.

„Dürfen denn die Neger ihre Kinder nicht in die allgemeinen Schulen schicken?“ erkundige ich mich bei einem Pastor.

„Das hängt von der jeweiligen Gemeinde ab. In den meisten Fällen gibt es für die Negerkinder besondere Schulen. Sie stinken nämlich, und unsere Kinder weigern sich, neben ihnen zu sitzen“, erklärte mir der Pastor voller Überzeugung und Bestimmtheit.

„Und gibt es bei Ihnen auch besondere Kirchen für die Neger?“ frage ich nicht ohne Bosheit.

Der Pastor erläutert mir ganz ausführlich, dass die Neger auch ihre eigenen Kirchen haben beziehungsweise dass ihnen in der gemeinsamen Kirche besondere Plätze zugewiesen werden. Der Pastor ist so überzeugt von der Natürlichkeit solcher Zustände, dass ich nicht die geringste Lust verspüre, darüber noch weiter mit ihm zu sprechen.

Ob es wohl noch weit ist bis S. im Steinkohlenrevier, wo mich Genossen abholen sollen? Felder, Felder, nichts als Felder ... Die Wälder sind schon vor langer Zeit Opfer des Raubbaus geworden, so dass das einst so segensreiche, ausgeglichene, milde Klima von Illinois heute durch den schroffen Wechsel von glühend-heißem Sommer und strengem, schneelosem Winter eine Geißel für die Farmer ist.

„Gleich kommt Staunton“, meint der Pastor liebenswürdig und ist so gefällig, mir meinen Koffer hinauszutragen.

Ich steige aus. Ich schaue mich um und finde sofort denjenigen heraus, der mich abholen will: ein alter Mann, leicht gebeugt, mit fahlem Gesicht und einer Brille, für die Stadt angezogen, mit feiner Krawatte. Er kommt mir mit jenem langsamen, schweren Schritt schlurfend entgegen, wie er für die Bergleute so typisch ist. Wir haben uns beide nicht getäuscht, reichen einander die Hand.

„Zunächst einmal bringe ich Sie im Hotel unter. Sie können sich frisch machen von der Reise, dann können wir Tee trinken, wenn Sie möchten. Dann zeige ich Ihnen unsere Stadt. Abends ist die Kundgebung in Mount Olive.“

„Ich weiß. Doch können wir nicht schon ein bisschen früher dorthin fahren, noch bei Tageslicht? Ich wollte gern zu den Gräbern der Streikteilnehmer.“

„Zu den Gräbern? Hm ... Eigentlich gibt es dort kaum etwas zu sehen. Am Jahrestag der Erschießung, da war es wirklich ein Anblick, der lohnte. Aber jetzt ... Doch ganz wie Sie möchten.“

Ich schreibe jetzt in dem Bergarbeiterort. 30.000 Einwohner, alles Bergleute, andere gibt es nicht. Eigentlich ist es ein Dorf: hölzerne Einfamilienhäuser, wie man sie so oft im Kino sieht, mit Gärtchen, breite, chausseeartige Straßen, eine Schule aus Stein, das steinerne Gebäude des „Tempels der Arbeit“, eine Straße mit zweigeschossigen Gebäuden und mit Geschäften. Ich wohne in einem billigen Gasthaus, das bombastisch City Hotel heißt. Ein armseliges zweigeschossiges Holzhaus, dessen Zimmer an die finnischen Herbergen erinnern – hölzerne Betten, ein Waschbecken, ein Wasserkrug, die Schnauze abgeschlagen, ein Tisch und ein Stuhl –, alles von höchst zweifelhafter Sauberkeit. Dafür gibt es elektrisches Licht.

Das Wetter ist herrlich, es ist heiß. Ich schreibe, auf der hölzernen Vortreppe sitzend. Drei oder vier Fremde sitzen noch da, auf den Stufen und auf einer Schaukel, wie sie fast jedes Häuschen hier besitzt. Es sind Handlungsreisende. Von den Einheimischen ist kaum einer auf der Straße. Alle sind unter Tage.

Ich erkundige mich nach dem historischen Streik, der zwar blutig, doch mit einem Sieg der Arbeiter endete.

Das ist schon 1898 gewesen. Die Gewerkschaft betrieb zu jener Zeit eine vom Geist her revolutionäre Agitation. Sie wollte erreichen, dass sich die eingeschüchterten, unterjochten, unter Tage schuftenden Sklaven gegen ihre Unterdrücker, die Bergwerksbesitzer, erhoben. Die Ausbeutung wurde immer zügelloser, die Arbeitsbedingungen immer unerträglicher. Zudem verstärkte sich der Zustrom ausländischer Arbeiter, die niemand in dieser Gegend kannte und die alle erdenklichen Zugeständnisse an die Grubenherren machten, nur um ihren Broterwerb nicht zu verlieren. Schwere Jahre waren das.

Früher war der Bergarbeiterberuf ein geachtetes Handwerk gewesen, das vom Vater auf den Sohn überging. Die Zechenherren kannten ihre Arbeiter mit Namen, sie wussten, wie viel Kinder sie hatten, und freuten sich, wenn ein Junge geboren wurde, denn das war jedes mal eine neue Arbeitskraft für die Grube. Nur selten wurden Arbeiter von anderswo eingestellt, die es im Übrigen auch kaum gab. Der Abbau unter Tage erfolgte planmäßig, ohne Hast. Zwar ging es den Arbeitern nicht gerade besonders gut, doch sie kamen immer irgendwie zurecht. Seit jedoch Ausländer, Deutsche, Polen und Tschechen, aufzutauchen begannen, änderte sich das völlig. Die Grubenherren bedrängten von da an auch ihre eigenen Arbeiter und verlangten von ihnen, dass sie sich mit den gleichen Arbeitsbedingungen abfänden wie die Ausländer. Dabei drohten sie mit Entlassung.

Was aber bedeutete Entlassung für die Arbeiter von Mount Olive? Das hieß für sie, Hab und Gut, das Häuschen auf dem Grund und Boden des Grubenbesitzers zu verlieren, das sie von ihren Vätern ererbt hatten, das bedeutete, die Familie an den Bettelstab zu bringen. So gaben sie anfangs nach. Vergebens versuchten Gewerkschaftsmitglieder, sie eines Besseren zu belehren, sie empörten sich, waren außer sich, verlangten von den Arbeitern, sich nicht unterkriegen zu lassen. Zur Strafe wurde sogar, wer verstockt war, aus der Gewerkschaft ausgeschlossen! Auch den Ausschluss nahmen sie in Kauf, an ihr Häuschen aber klammerten sie sich fest. Der Verdienst indessen wurde immer geringer, das Leben zudem teurer. Sie arbeiteten 13 bis 14 Stunden am Tag, um mit Hilfe von Überstunden die Einbuße wettzumachen. Doch nichts half! Da begann mit einem Mal die Gewerkschaft – damals war sie noch ganz unbedeutend und schwach, keineswegs das, was sie heute darstellt –, Agitation zu betreiben. Die Grubenherren zogen gegen die Gewerkschaft zu Felde. Der Kampf entbrannte. Die Gewerkschaft erhob eine Reihe ökonomischer Forderungen und stellte sich an die Spitze der Bewegung. Es kam zum Streik. Die Zechenherren drohten mit Aussiedlung aller Streikenden. Doch die Arbeiter gaben sich nicht geschlagen. Es streikten nicht nur die Organisierten. Dem Streik schlossen sich alle Arbeiter, selbst die ausländischen, an. Sie mussten hungern – aber sie hungerten alle gemeinsam, bewusst und standhaft. Da entschlossen sich die Grubenbesitzer, den unbeugsamen Willen der Streikenden zu brechen: Sie wandten sich an die Polizei um Hilfe bei der Aussiedlung der Streikenden.

Da nun kam es zu dem historischen blutigen Zusammenstoß zwischen den Streikenden und der bewaffneten Polizei. Es gab eine Menge Verwundete und drei Tote. Doch das Blut war nicht umsonst vergossen worden. Die Streikenden konnten letzten Endes einen Sieg erringen.

Der Friedhof ist groß, weiträumig, aber ganz verwildert und trostlos. Weder Bäume noch Blumen. Das Gras lässt sich vor lauter Staub nicht von den bescheidenen grauen Steinplatten unterscheiden – wo es sie überhaupt gibt. Viele Gräber sind einfach nur ein kleiner grüner Hügel.

Lange irren wir vergeblich auf dem Friedhof umher.

Mein Begleiter sagt zu seiner Entschuldigung, er habe die Gräber immer nur am Feiertag im Zug der Menge besucht, und da sei es vor lauter Menschen schwer gewesen, festzustellen, wo die historischen Grabstätten eigentlich liegen. Sie müssten aber etwas abseits sein, extra eingezäunt. Auf dem Friedhof gibt es weder Besucher noch einen Wächter, niemanden, den man fragen könnte. Zu dumm, wenn wir wieder gehen müssten, ohne die historischen Gräber gefunden zu haben.

Doch plötzlich zeigt mein Begleiter nach rechts und biegt eilig in einen Seitenpfad ein.

„Was bin ich doch vergesslich! Natürlich, man muss erst einmal rechts aus dem Friedhof hinaus und dort – sehen Sie das Gitter da? Dort sind auch die Gräber.“

Ein einfaches Eisengitter. Wir treten durch die Pforte, die nicht verschlossen ist, gehen über ein Stück Rasen, der mir hier grüner erscheint als sonst auf dem Friedhof, vielleicht weil diese Gräber weiter von der Chaussee weg sind. Drei graue Grabsteine, darauf die Namen eingemeißelt. An den Grabsteinen lehnen verwelkte Kränze, an einem davon eine verschossene rote Schleife. Schweigend schreiten wir die Gräber ab. Ich lese die Namen und versuche, mir ein Bild von diesen Opfern für die gemeinsame Sache zu machen.

„Haben Sie sie gekannt?“ frage ich meinen Begleiter. Nein, doch er kenne die Schwester eines der Toten, sie komme jedes Jahr zu der Feier, die zu Ehren der gefallenen Helden veranstaltet wird. „Warum ist es hier so öd? Keinerlei Blumen oder Bäume?“ „Der Kohlenstaub lässt sie eingehen.“ Wir stehen noch ein paar Minuten in Gedanken versunken. Vor die Sonne hat sich eine dunkle Wolke geschoben, dadurch wirkt das Bild noch beklemmender.

Aus irgendeinem Grunde hatte ich geglaubt, die historischen Gräber müssten sich in anderer Umgebung befinden. Hier ist alles zu trostlos, zu ungepflegt. Es ist zu merken, dass man sich dieser Gräber wirklich nur einmal im Jahr, während der Gedenkprozession, erinnert.

Ich bedaure, dass ich keine Blumen mitgebracht habe, um sie auf die Gräber zu legen. Seltsam traurig verlasse ich die Grabstätte. Irgend etwas tut mir leid, lässt mir keine Ruhe, als hätte ich selbst etwas Notwendiges unterlassen.

„Sie sehen, hier gibt es wenig Interessantes“, sagt mein Begleiter; es klingt wie eine Entschuldigung.

„Nein, nein, ich bin froh, dass ich die Gräber gesehen habe, dass ich sie aufgesucht habe. Schließlich sind jene doch für die gemeinsame Sache gestorben!“

30. Oktober. Staunton.

Mount Olive ist auch eine Bergarbeiterstadt. Alles Deutsche. Einst haben sie rebelliert, doch das ist lange her. Inzwischen haben sie fast alle ein Häuschen erworben und es mit der Geschmacklosigkeit des Spießers eingerichtet – es soll nach Luxus aussehen (jede Beamtenfrau in Russland würde sie um die Spiegelschränke, die zimmergroßen Teppiche und die Nippsachen, mit denen die Stube voll gestellt ist, beneiden). Der „Geist der Widerspenstigkeit“ hat die Leute in Mount Olive verlassen.

Alle sind organisiert. Doch was hat das für einen Nutzen? Die Sozialisten – sie sind nur eine Handvoll – bilden sich ein, Politik machen bedeute, für den Bürgermeister zu stimmen. „Wir müssen unsere Leute auf diesen Posten bringen, damit wir gute Gesetze haben.“ So sieht ihre Überzeugung aus. Vor Streiks haben sie Angst. „Gesetzliche Arbeit“ (Im Original deutsch. Die Red.) ... Und sie hassen die „Unruhestifter“ der IWW (Industriearbeiter der Welt) wegen ihrer „Unversöhnlichkeit“ und ihrer „Widerspenstigkeit“.

Das Leben in Mount Olive ist nicht gerade ein Honiglecken. Der Wochenlohn liegt bei 30 bis 36 Dollar, doch die Unternehmer holen das Letzte heraus. Häufig herrscht monatelang Arbeitslosigkeit. Wenn die Zechen stillliegen, sind die Bergleute sieben bis acht Monate im Jahr arbeitslos. Dafür kommt es dann zu verstärkter Antreiberei, es müssen Überstunden gemacht werden. Sobald die Gewerkschaften ein wenig mehr Nachdruck an den Tag legen, lassen die Zechenherren sie ihre Macht fühlen – die Gruben werden vorübergehend geschlossen. Die Gewerkschaft kann nichts dagegen unternehmen. In den Gewerkschaften wird nur „lokale“ Arbeit geleistet; würde der Kampf ein größeres Feld erfassen, sähe manches anders aus. Doch hier ist man gewohnt, mit den örtlichen Kräften zu kämpfen, „Sympathiestreiks“ sind selten, ja eigentlich überhaupt unbekannt.

Bei den Deutschen ist unbestreitbar heimlicher „Patriotismus“ zu spüren. Sie möchten, dass Deutschland siegt. Und ihre Kritik an der hiesigen Bewegung enthält viel deutsche Überheblichkeit.

Ich bin ihres kleinbürgerlichen Geistes, ihrer Selbstzufriedenheit und des Fehlens jedweder revolutionärer Bestrebungen überdrüssig. Sie beklagen sich: „Die Bergleute haben ausgespielt. Die Kohle wird durch die Wasserkraft verdrängt. Die Menschen in den Gruben werden durch Maschinen ersetzt. Die Gewerkschaften sind machtlos.“ Konsequenzen wollen sie indessen nicht ziehen; davor haben sie Angst. Alle reden vom Nutzen der „politischen Bewegung“, unter der sie aber nur eines verstehen – Wahlen und „Gesetze machen“.

Nein und abermals nein! Der Sozialismus bedarf einer Erneuerung. Die sozialdemokratische Bewegung ist in den Sumpf des Reformismus und des Parlamentarismus geraten.

Überall schimpft man auf die Pfaffen und die Kirche, gibt ihnen die Hauptschuld daran, dass die Arbeiter nicht zur Bewegung kommen, sich nicht der Organisation anschließen.

„Die Pfaffen gehen geschickt vor. Wir haben hier fünfzehn verschiedene Sekten. Die Kirchen lassen sich gar nicht zählen. Nun werden aber alle diese Kirchen von den Kirchgängern unterhalten, und jede Kirchengemeinde will ihre Kirche bessergestellt wissen als die der Nachbargemeinde. Sie müssten nur einmal sehen, was die Pfaffen hier für ein Leben führen! Welche Geschenke ihnen unsere Frauen machen! Alle arbeiten sie für die Pfaffen. Für den Geistlichen haben sie bestimmt Geld zu dessen Geburtstag, doch anderthalb Dollar im Vierteljahr für die Parteizeitung auszugeben, darum ist es ihnen leid! Wenn ein neuer Prediger kommt, ist die Kirche brechend voll, doch versuchen Sie mal, sie zu einer Kundgebung zu bekommen!“

Mich ärgert das richtig. Welch hoffnungslose Schicksalsergebenheit! Wie ist das möglich – im freien Amerika leben und nicht in der Lage sein, die Agitation so zu gestalten, dass die Partei mit jedem Jahr wächst und erstarkt, dass sie an erster Stelle im politischen Leben dieser Gegend steht? 30.000 Einwohner, alles Arbeiter – welch guter Boden für eine sozialistische Ernte!

Heute habe ich die Nacht in der Hütte eines Bergarbeiters verbracht. Ein wundervolles Publikum, es steht uns viel näher.

4. November.

Während meiner ganzen Reise habe ich nur ein einziges Mal richtige Freude empfunden – als auf einer Versammlung in New York die Resolution über den Anschluss an Zimmerwald angenommen wurde. Als ich mir die Resolution dann allerdings genau angesehen habe, war es aus mit der Freude. Sie war nicht eindeutig, nicht klar genug nicht das, was ich mir gedacht hatte. Das ist noch kein Anschluss an die neue, die III. Internationale!

Die Lebenserfahrung, die „Weisheit“ lehrt das Herz, nicht vor Freude zu jubeln – das Gefühl der Freude beruht so oft (wie auch bei jener Resolution) auf falschen Eindrücken. Solche Fälle sind lehrreich, doch sie können einen auch übervorsichtig und misstrauisch machen.

Darauf hinweisen, wie in einem sozialistischen Land, wenn erst einmal die materiellen Sorgen wegfallen, die Menschen sich endlich mit der Wissenschaft von der menschlichen Seele befassen werden. Und die „Gesetze“ schaffen werden, durch die sich ihre höchste Entwicklung erreichen lässt, die noch schlummernden Kräfte wecken lassen – all das, was für uns jetzt noch ein Buch mit sieben Siegeln ist.

Dann wird man sich vielleicht auch die Wissenschaft der hinduistischen Brahmanen zu eigen machen, die aus ihren Erfahrungen heraus, ohne Kenntnis der Gesetze der Psyche und ihrer logischen Begründung, einfach praktisch entdeckt haben, wozu der „Geist“ des Menschen fähig ist, was sein Nervensystem zu erreichen vermag, welche Macht es über den Körper und über alles Materielle besitzt.

Unwillkürlich drängt sich eine Analogie auf: Welche Farbenpracht, welche Formenvielfalt und welche Üppigkeit vermag heute ein erfahrener Gärtner einer unscheinbaren Feldblume zu verleihen, die nur das eine besitzt – die Potenz, sich zu entwickeln. Die zukünftige Menschheit wird sehen, wozu die menschliche Seele fähig ist, wenn sich ein erfahrener Gärtner – sprich Psychologe – mit ihr befasst, vor allem, wenn diese Sorge um die Psyche von Generation zu Generation weitergeht.

5. November. Im Zug von Denver nach Salt Lake City.

Es geht an den Rocky Mountains vorüber. Canons huschen vorbei. Wieder fällt einem die Kindheit, der Geographieunterricht ein.

Der Eisenbahnwagen ist voller Leute. Sie fahren zu einer Ausstellung, fahren, um die Aussicht zu genießen ...

Seltsam, wie sehr sich doch die Landstriche gleichen. Teilweise wurde ich auch an das Gouvernement Simferopol erinnert, an jene Gegend, wo man sich der Krim nähert. Doch inzwischen hat sich das Bild gewandelt, und ich finde es schade, dass die Dämmerung einsetzt und ich mir die Wüste nicht mehr ansehen kann.

Wenn ich einen weißhaarigen, würdevollen Greis mit feinen Händen wie bei meinem Vater sehe, krampft sich mir das Herz zusammen. Heute noch habe ich Sehnsucht nach meinem Vater, und mich überkommt dann immer Zärtlichkeit für das, was einmal war. Wenn mir ein junger Mann begegnet, der Mischa ähnlich sieht, freunde ich mich rasch mit ihm an. Drollig, dass all diese „Grünschnäbel“ etwas Gemeinsames an sich haben! Wann werde ich meinen lieben Struwwelkopf wiedersehen?

Seltsame Namen tragen die kleinen Bahnstationen ...

Gestern fuhren im Zug 40 Delegierte zum Kongress der American Federation of Labor [6] mit.

In Illinois geht es den Bergleuten weitaus besser als in Colorado. Die Bergarbeiter haben hier armselige kleine Häuschen ohne Garten, ringsum nichts als Kohlenstaub. Hier sind die Leute auch revolutionärer ...

Ich habe den ersten chinesischen Arbeiter gesehen. Er hatte einen blauen Arbeitsanzug an. Da spürt man gleich den Proletarier.

Was sind schon die chinesische Kultur, die chinesische Sprache, die chinesische Religion und die Merkmale der anderen Rasse, wenn sie sich in den Fängen der kapitalistischen Ausbeutung befinden?! Das Kapital nivelliert die ganze Menschheit!

Sieht man sich diese trade-unionistischen Gompersleute [7] an, kann einem schlecht werden. Man fühlt sich ganz deprimiert ...

Ich habe niemals geglaubt, dass ich mich in die Wüste verlieben würde! Doch was ich heute gesehen habe, hat alle meine Erwartungen übertroffen! Was für eine Luft, welche Schönheit, welche Vielfalt feinster, zarter Aquarelltöne! Es ist eine Sandwüste, aber von wilden Bergen durchzogen. Diese Berge der Wüste sind wunderschön, als wären sie mit Samt überzogen, mit Samt in zarten Farben – von Braun bis zur Farbe verwelkter Rosen, von mattem Grün bis zu heller Sandfarbe. Der Zug braust auf gerader Strecke inmitten des Sandes dahin, wie ein straffes, schmales Band, um sich plötzlich auf einer langen Pfahlbrücke über den Sand zu erheben, bis er festeren Boden erreicht und die bunten Sträucher jener duftenden Pflanze auftauchen (sie duftet nach Eukalyptus, Zypresse, nach Orient), die ich auch auf einer Station gepflückt habe. Dann auf einmal auch die Stationen. Wüste, Sand, dazu die majestätischen, drohenden und dennoch nicht toten Wüstenberge (die Farben verleihen ihnen Leben), und plötzlich sieht man Bäume vorüber huschen, kommt ein ganzer Hain riesiger südlicher Bäume mit herbstlichem Laub. Das bedeutet eine Oase, so dass die Bahnstation nicht mehr fern ist.

Die Stationen selbst bieten einen herrlichen Anblick – Gärten mit Palmen und Kakteen ...

Erst jetzt ist mir klar, dass ich mich nach dem leuchtenden Süden gesehnt habe. Ich möchte fast auf diesen Stationen bleiben und nicht in den Zug zurück, möchte als „Einsiedler“ in der Wüste bleiben. Hier ist man der Natur so nahe! Und die Sonne! Heiß und freundlich ...

Großartig die Station Casa del Deserta, wo ein Frühstück gereicht wird: Casaba, eine Zuckermelonensorte, alle möglichen leckeren originellen Speisen, sogar Linsenfladen!

Jetzt durchschneiden wir einen Sandberg. Ich schreibe auf der kleinen Plattform des Observation Car (Aussichtswagen. Die Red.).

Verliebt bin ich! Verliebt in die Wüste!

Plötzlich taucht inmitten der Sandweiten ein schwarzer Punkt auf, kommt näher und näher – ein Automobil!

22. November. Im Zug zwischen Seattle und Minneapolis.

Schnee, flockiger Schnee. Schneetreiben. Holzhäuschen in Dörfern und Städten. Kiefern. Ich glaube mich wieder nach Norwegen, in den vorjährigen Winter zurückversetzt. In meinen Gedanken und Empfindungen gerät die Zeit durcheinander. Bald sind die Wintertage auf dem Holmenkollen ganz nah, bald unendlich fern.

Dieser Tage habe ich den Krieg und seine Schrecken besonders deutlich empfunden. Ich habe gelesen, nachgedacht, den Krieg miterlebt. Er lastet auf einem, drückt einen nieder. Mich ärgern diese gelassenen, satten, zufriedenen Leute, die nicht wissen und nicht fühlen, was Krieg bedeutet.

Oftmals möchte ich, wenn ich zu einer Versammlung gehe, meine ganze Empörung mit Donnerstimme hinausschreien, um die Gemüter aufzuwühlen und zum Protest zu bewegen. Doch liegt es nun an meiner Unfähigkeit oder an der Gleichgültigkeit und der Ruhe der Zuhörer, die den Kampf nicht suchen, jedenfalls kommt es statt zur zornsprühenden Kampfrede, statt zum leidenschaftlichen, donnernden, drohenden Appell immer wieder zu jenem „Argumentieren“ gegen den Krieg und gegen die „Verteidigung des Vaterlandes“, das ich selbst schon satt habe. Das ist ganz und gar nicht das, was ich möchte! Und mögen die Zuhörer auch klatschen, mögen sie auch sagen, sie seien „ergriffen“, mögen sie mich danach auch umringen und mir die Hände drücken, trotzdem ist es nicht das richtige ...

Gestern bin ich auf der Straße einem Umzug begegnet – 300 bis 400 Arbeiter in Arbeitskitteln, mit „hungrigen“, bleichen Gesichtern und leuchtend roten Plaketten an der Brust, demonstrierten anlässlich der Erschießung des IWW-Mitglieds Hillstrom [8]. Wie ich sie so sah, verspürte ich den Wunsch, zu ihnen zu gehen, sie würden mich sicher verstehen. Vielleicht vermag ich wenigstens diese zu begeistern, um dann mit ihnen vorwärts zu schreiten – vorwärts! Jene „Anständigen“ in den Sälen, mit ihren Chemisetts und modischen Krawatten, lassen sich nicht entflammen! Bei ihnen wird man zum „gewandten“, geschulten Redner, das ist einfach nicht das Richtige. Als ich gestern sprach, hatte ich mich selbst in der Gewalt und hielt auch die Zuhörer in Bann. Aber nicht Worte braucht es jetzt, sondern Taten, immer wieder Taten!

Und wenn schon Worte, dann neue Worte, aber davor hat man ja hier eine Heidenangst und versteht sie zudem nicht ...

Leben die revolutionären Arbeiter im „freien“ Amerika sehr viel freier? Ob preußisches, russisches oder französisches Regime – da ist kein großer Unterschied. Das machen sich die Regierungen zunutze. Sie lassen die Deutschen Angst vor den Franzosen und die Franzosen Angst vor den Deutschen haben. Das muss anders werden. Und wird es auch werden! Ich habe die Rossija i Swoboda [9] von Alexinski, Plechanow und den revolutionären Sozialisten gelesen und war verblüfft, wie sehr ihre Argumentation die Klassenbasis eingebüßt hat. Nationale Interessen? Russland? Nicht einmal mehr die Verteidigung Belgiens oder des republikanischen Frankreich, nein – Russlands! Sie sind völlig blind! Wieso sehen, spüren, begreifen sie nicht, dass die Welt heute nicht in Nationen, sondern in Klassen geschieden ist, dass die gegenwärtige Wirtschaftsweise keine vertikale, sondern eine horizontale Teilung der Menschheit bewirkt hat. Das ist so klar und deutlich, wenn man reist, in der Welt herumkommt, wenn einem so verschiedenartige und doch zugleich ähnliche Typen aller Nationalitäten über den Weg laufen. Gewiss, es gibt auch nationale Merkmale, noch sind sie nicht verschwunden, aber die Menschen unterscheiden sich viel stärker von ihrem Beruf, von der sozialen Schicht, der sie angehören, als von der Nationalität her. Die Nationalität ist ein sekundäres Moment. Sitten und Gebräuche, all das wird durch den Kapitalismus gewissermaßen verwischt.

Und mir kommt es komisch vor, wenn ein so feiner Kerl von revolutionärem Idealisten wie Nikolajew aus Sibirien „stolz auf mich“ ist, weil ich „Russin“ bin: „Ich höre, wie die Amerikaner toben, und denke mir: Was haben wir doch für Redner! Eine von uns – eine Russin!“ [10]

Ich fühle mich innerlich einfach allen Völkern verbunden, unter denen ich gelebt und gearbeitet habe. Jedes von ihnen mag ich auf besondere Weise. Ich hasse die sogenannten Patrioten. Zur Religion habe ich ein merkwürdiges Verhältnis: Sie existiert für mich nicht. Doch jemand, der religiös ist, ruft in mir keine solche Abneigung hervor wie ein Sozialchauvinist.

In diesen Tagen, seit San Francisco oder Frisco, wie sie es hier nennen, ist eine Unmenge von Eindrücken auf mich eingestürmt, doch ich habe weder Zeit noch Lust gehabt, sie zu verarbeiten.

Von Los Angeles, dem Land der Palmen, ging es über San Francisco ins Land des Obstes und des Gemüses, nach Oregon, von da nach Seattle (Staat Washington). Nach der reizvollen Pazifikküste mit ihrer grellen Sonne, den Eukalyptushainen, den Palmen, den Apfelsinen und der tropischen Natur war ich nun wieder im Land des Schnees und der „Big Potato“ (wörtlich: große Kartoffel; im übertragenen Sinn: große Geschäfte. Die Red.). Die Schönheit der kalifornischen Pazifikküste hatte verschwommene Wunschträume heraufbeschworen ...

In Frisco war ich spätabends angekommen. Abgeholt wurde ich von zwei deutschen Genossen, Arbeitern. Durch lärmerfüllte Straßen ging es mit der Straßenbahn ans andere Ende der Stadt. Als wir im Hotel, eigentlich einem Hotel garni (Hotel, das keine Beköstigung oder nur Frühstück gewährt. Die Red.), ankamen, stellte sich heraus, dass keine Zimmer frei waren. Weiter. Das nächste Hotel war zu schmutzig, da wollte ich nicht bleiben. Ich fragte, ob wir nicht ein etwas besseres Hotel suchen könnten. Das ginge nicht, da die guten Hotels in der Stadt lägen und wir weit fahren müssten, was hieße, noch einmal für die Straßenbahn zu bezahlen. Das leuchtete mir ein. Ich war zwar bereit, sogar für einen Wagen zu bezahlen, aber „herrschaftliche“ Allüren sind unangebracht bei der Agitation. Außerdem wäre es mir peinlich gewesen: Die Leute drehen jedes Zehn-Cent-Stück zweimal um, und ich will einen Wagen nehmen! So landete ich armes Ding in einem Nachtasyl für 50 Cent – ein Verschlag mit einem wenig vertrauenerweckenden Bett und einem schmutzigen Bettvorleger. Da musste ich nun bleiben. Es war kalt und feucht, roch muffig. Hinlegen? Die Bettwäsche war ganz verdreckt. Also blieb ich bis sechs Uhr morgens sitzen. Ich war hundemüde und hatte Kopfschmerzen. Nach der Bahnfahrt wollte ich mich eigentlich waschen, mich langlegen ...

Ich nahm meine Koffer und machte mich auf die Suche nach einem Zimmer in einem der nächsten Hotels. Es war noch Nacht, dunkel, die Stadt fremd. Die Koffer zerrten an den Armen. Mir war schwindlig. Ich fragte Passanten, wandte mich an Straßenbahnschaffner. Endlich ein Hotel, keines der besten, aber es ging. Ich nahm ein Zimmer mit Bad, wusch mich gründlich und legte mich hin. Schlafen konnte ich allerdings nicht. Der Gedanke, man sucht mich, ließ mir keine Ruhe. Ich sprang wieder auf und lief in die Redaktion zu den deutschen Genossen. Sie hatten bereits in einem anderen Hotel ein Zimmer gemietet und wollten nun meine Koffer aus dem Nachtasyl dorthin bringen. Ich brachte es nicht fertig, einzugestehen, dass ich aus dem Nachtasyl „geflohen“ war, schon gar nicht, nachdem einer von ihnen gesagt hatte: „Ich habe dort drei Wochen gewohnt. Es ist ganz ordentlich da. Nur teuer wird es, wenn man lange dort wohnt ... “ Ich schämte mich für meinen „Hochmut“, rannte in mein Hotel, ergriff meine Koffer und schlich durch die Straßen zu dem Hotel, wo mich ein „ordentliches Zimmer“ (von zweifelhafter Sauberkeit) erwartete. Doch immerhin besser als das Nachtasyl!

In Frisco habe ich viermal gesprochen. Am eindrucksvollsten auf der englischen Versammlung, dort war ich „in Hochform“. Und auf der russischen Versammlung – da habe ich ein „Stück Seele“ hingegeben. Es waren aber auch eine Menge prächtige Leute da.

Dabei kam alles ganz unerwartet. Mich suchte ein ehemaliger Zwangsarbeiter auf. Er war schon betagt, aus Sibirien geflohen, ein Intellektueller vom alten Schlag. Er lebte davon, dass er in Hotels den Kehricht aufsammelte und Restaurants ausfegte ... Man nannte ihn „Großvater“. Ich fühlte mich gleich zu ihm hingezogen. Wie vertrauenerweckend, wie schön, dass es noch solche gibt! Vor solchen Menschen verneige ich mich stets in tiefer, herzlicher Demut. Er bat mich, vor einer Gruppe Russen zu sprechen. „Gut, nur organisieren Sie eine kleine Versammlung.“ Ich ging hin wie zu einem Fest und habe mich nicht getäuscht. Der Saal war klein, doch überfüllt, alles prächtige russische Gesichter, Arbeiter. Und sie verstanden mich! Ich war überwältigt. Eine ganze Schar brachte mich dann zum Hotel, auf echt russische Art, mit lautem Hallo. Sie waren sehr herzlich zu mir, das tat mir richtig wohl. Abends kamen sie zu meinem englischen Referat. Anschließend zog die ganze Menge wieder mit mir durch die Stadt ans Meer. Es war kalt und windig, aber lustig! Mir war leicht ums Herz, froh zumute. Ich fühlte, ihnen hatte ich unseren Weg gezeigt, und das verband uns. Am nächsten Tag brachten sie mich zur Bahn und gaben mir noch eine Menge Obst mit.

Am besten von allen hat mir der „Großvater“ gefallen. Wie kommt es, dass es unter den einstigen Zwangsarbeitern so viele solcher Menschen gibt? Als er sagte: „Ja, Sie haben großes Talent zum Reden“, freute ich mich und begann wieder an meine Kräfte zu glauben. „Sie müssen richtig für Russland eingesetzt werden. Große Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern müsste man veranstalten und die Leute für die Revolution sammeln.“

Damals spürte ich mit einem Mal, was mir bei meiner Reise so sehr fehlte – die Bestätigung, dass ich etwas Nützliches tue und dass meine Kräfte gebraucht werden. Was die Deutschen aus dieser Reise gemacht haben – das ist keineswegs die maximale Ausnutzung aller Möglichkeiten ...

Es ist eine gewöhnliche Agitationsreise. Dabei hätte man doch ein Politikum daraus machen können: Eine Russin fährt auf Einladung deutscher Genossen nach Amerika, um gegen den imperialistischen Krieg zu kämpfen und die Arbeiterinternationale auf der Grundlage wirklichen revolutionären Geistes, des Kampfes gegen den Krieg und stärkerer revolutionärer internationaler Klassensolidarität wiederzubeleben. Nein, hier haben sie nicht das Richtige daraus gemacht ...

Seattle ist eine Stadt, die wie ein Pilz aus dem Boden geschossen ist – die Schwelle zu Alaska. Ihr Entstehen verdankt sie den Goldfeldern. Der Hafen – Richtung Japan, Richtung Sibirien. Ach, könnte ich doch einen Dampfer besteigen und nach Russland fahren! Die Stadt ist herrlich gelegen. Doch mein Gott, wie satt habe ich es, die Landschaft zu bewundern ...

Ich denke oft an die Kraft der Vorahnung. Ich weiß nicht, wieso und weshalb, aber ich „sehe“ oft voraus, was mich erwartet. Nicht als Phantasiegebilde, sondern mit einem besonderen Gespür habe ich mir schon vorher ausgemalt, wie diese Reise verlaufen würde, wo es interessant sein würde und wo nicht, und bisher ist auch alles so eingetroffen. Man müsste die Kraft des menschlichen Geistes eingehender untersuchen, diese unerforschte potentielle Energie.

Was für ein interessantes Leben, wenn sich die Menschheit erst mit der „Kultur“ des menschlichen Geistes befasst! Was wird man dann nicht alles erreichen!

Eines steht fest: Der gegenwärtige Krieg leitet eine Epoche ein, die der künftige Historiker als den Beginn der großen sozialistischen Revolution bezeichnen wird. Die Arbeiterklasse in allen entwickelten kapitalistischen Industrieländern muss schon jetzt das Banner des Aufstandes aufpflanzen, das Banner mit der Forderung: Diktatur des Proletariats und sozialistische Produktion. Die kapitalistische Ordnung wird einen Kampf auf Leben und Tod um ihre Selbsterhaltung führen. Doch steht außer Zweifel, dass jeder neue revolutionäre Angriff der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und für die Klassenherrschaft des Proletariats in den fortgeschrittenen Ländern die Stabilität des Kapitalismus untergraben und den Weg zur sozialistischen Ordnung bahnen wird ...

Die amerikanische sozialistische Literatur ist reichhaltiger und interessanter, als ich dachte.

10. Dezember. Im Zug zwischen Indianapolis und Louisville (Kentucky).

Nein, wirklich, ich bin so etwas wie ein „Hellseher“! Ich habe gewusst, dass dieser letzte Teil meiner Agitationsreise, der mich kreuz und quer durch kleine Städte führt, der schwierigste sein würde. Eine irre Hetzjagd durch Amerika. Die Orte liegen nahe beieinander, vier bis sieben Stunden Fahrt, gewöhnlich tagsüber oder in den kurzen Nachtstunden. Also keine Möglichkeit, sich zu konzentrieren, immer Leute um einen, ganze Scharen von Genossen und Veranstaltern der Vorträge.

Ich spreche fast jeden Tag. Inzwischen bin ich 62 Tage in Amerika und habe auf 53 Versammlungen gesprochen! Manchmal glaube ich, einfach nicht mehr sprechen zu können, und möchte flehen – lasst mich doch gehen!

Ich beobachte mich und stelle fest, dass ich, sobald ich in den Saal schaue, weiß, wie ich reden werde – ob gut oder schlecht. Ich mag es, wenn es mich heiß überläuft. Doch es kommt auch vor, dass ich den Saal betrete, die selbstzufriedenen Spießer sehe und am liebsten kehrtmachen und fortgehen möchte. In solchen Fällen suche ich im Publikum typische Proletariergesichter, Leute ohne gestärkte Hemdbrust, ohne diesen Ausdruck von unversöhnlicher Wut, von Misstrauen im Gesicht ...

Die amerikanischen Arbeiter, die zu meinen Vorträgen kommen, sind herzlicher als die Deutschen, verständnisbereiter. Sie reagieren auch mitten in der Rede auf meine Worte, und dies nicht nur, wenn ich ihnen einen plumpen, seichten Witz serviere, sondern auch bei geistreicheren Bemerkungen, bei einem zornigen Ausruf. Und nach der Rede kommen sie stets zu mir, finden sie immer ein herzliches Wort.

In diesen letzten beiden Wochen habe ich einige interessante Begegnungen gehabt: Ich habe Debs gesehen und gehört und Haywood wiedergetroffen. [11] Debs ist tatsächlich ein großer Mann – mit dem Herzen eines Kindes und dem Mut eines Löwen, eine Kämpfernatur. Allein schon seine Augen sind unvergleichlich – sie lassen die Seele erkennen. Er wäre mir fast um den Hals gefallen. Mir war froh zumute. Allerdings kamen mir dann Zweifel, ob dies nicht einfach die „übliche“ Art eines großen und freigebigen Herzens ist – die Menschen freundlich zu behandeln und zu umhegen. Auf jeden Fall sei ihm Dank! Er ist ein guter, origineller Redner. Und vor allem eine Persönlichkeit voller Charme.

Dann Haywood. Wir küssten uns wie alte Genossen. Er ist eine wahre „Säule“. Ein Schwärmer, ein Romantiker, doch aufrichtig, ein „Rebell“. Und seine IWW – die einen kommen aus dem Gefängnis, die anderen vom Streik her. „Rebellen“ eben!

Nein! Die sozialdemokratische Bewegung wird mir zu wohlanständig. Und wenn sie immer nur „Stimmen“ bei Wahlen zählen und dem reinen Parlamentarismus das Wort reden wird, dann verpasst sie noch alles. Es ist bedrückend mit ihnen! Eine neue Internationale muss aufgebaut werden!

Der Krieg geht immer noch weiter. Ein Ende ist nicht abzusehen. Hier wird die Welle der „Preparedness“ (Bereitschaft für den Krieg. Die Red.) immer mächtiger. Wilsons Reden sind voll davon. Sie, die Kapitalisten, möchten Amerika gar zu gern in den Krieg hineinziehen! Doch die Massen begreifen dies überhaupt nicht. Das eben ist tragisch.

Von Mischa ist ein Brief gekommen. Ich trage ihn bei mir, freue mich. Doch es wird mir noch schwerer, so abgeschnitten zu sein. Von Soja ist nichts zu hören. Ich habe Heimweh, zuweilen heftig, zuweilen als dumpfes Gefühl. Und ich kann es gar nicht erwarten, aus Amerika wegzukommen, näher bei den Meinen zu sein. Wenigstens Briefe bekommen!

11. Dezember. Wieder im Zug.

Mitunter scheint es mir, dass ich nicht mehr die Kraft habe aufzustehen. Der Kopf ist mir schwer. Zudem bin ich auch noch erkältet, habe Husten, Halsschmerzen und Fieber. Doch ich muss immer weiter fahren, ohne Atempause, ohne mich ausruhen zu können. Ich habe dieses endlose Rattern des Wagens, die Züge, die heiße, trockene und staubige Luft satt.

Was für ein trister Winter jetzt hier ist! Ohne Schnee. Ein langer, kahler, trübseliger, grauer, nasser Herbst! Ich möchte mich im Kissen vergraben und weinen, immerzu weinen!

Es quält mich, dass ich von Soja keine Nachricht habe. Von niemandem! Wie geht es Lenin? Was macht die Partei? Hier weiß man überhaupt nichts. Ich möchte zurück, nach Europa, nach Europa. Nicht etwa, weil mir Amerika nicht gefiele, sondern weil ich hier in eiserner Umklammerung, nicht „frei“, nicht ungebunden bin. Ich bin von Dreyfus „gemietet“.

In Chicago war eine große russische Versammlung, an die 600 Leute. Ich habe nicht schlecht gesprochen, doch hat etwas gefehlt. Für die Zuhörer war es meiner Meinung nach „unbefriedigend“. Vor allem hat man von mir eine „Sensation“ und nervenkitzelnde Debatten mit den Opponenten erwartet.

Ich habe eben mehr Talent zum „Appellieren“. Erwiderungen fallen mir erst später ein, nachts, am nächsten Tag. Aus diesem Grunde glaube ich nicht daran, dass ich ein guter Redner bin. Ich bin einfach ein „Prediger“. Vielleicht besitze ich eine „künstlerische Ader“, die mir beim Sprechen hilft. Doch ein Redner bin ich eigentlich nicht. Und dennoch ...

Ich ging mir Debs anhören, wusste ihn durchaus zu schätzen. Doch bei dieser Gelegenheit, auf dieser Versammlung, hätte ich gar zu gern auch selbst gesprochen. Ich fühlte, dass ich mich neben ihm nicht blamiert, sondern etwas Eigenes gegeben hätte ...

12. Dezember. Cincinnati.

Soeben bin ich von einer typischen von deutschen Genossen organisierten Versammlung zurückgekehrt. Der große Saal war gestopft voll. Kein Wunder auch, hatten doch die Sozialisten eine „deutsche Versammlung“ angekündigt, ohne zu sagen, dass eine Russin sprechen würde, noch dazu eine internationalistisch eingestellte Sozialistin! Alle möglichen Leute waren gekommen, eine Menge Spießer, brave deutsche Bürger. Auf ein paar Hundert kamen ein, zwei Dutzend Frauen.

Nach der Versammlung ist alles ganz anders als bei den amerikanischen Kundgebungen. Dort kommt man zu mir, sagt mir in herzlichem Ton: „Eine glänzende Rede. Gerade das haben wir uns gewünscht: mehr revolutionären Geist in der Bewegung.“ Gewöhnlich kommen Proletarier mit sympathischen, ehrlichen Gesichtern; sie schimpfen auf die führenden Leute, sind voller Enthusiasmus und Glauben an die Massenbewegung.

„Die amerikanischen Arbeiter vermögen keine Opfer zu bringen“, beklagen sich die Deutschen über sie. „Da haben sie gerade erst eine Gewerkschaft organisiert, doch statt zunächst durch ordentliche Beitragszahlungen die Kasse zu stärken, zetteln sie gleich einen Streik an.“

Eine typisch deutsche Argumentation: Die Organisation ist Selbstzweck.

Ich habe mir heute bis zum Überdruss all die bekannten Geschichten anhören müssen, wie verteufelt schwierig es sei, die Deutschen hier zu organisieren. Zu Hause seien sie alle Sozialisten gewesen, hier aber brächten sie keine zehn Pferde in die Organisation. Zum hundertsten Male bekam ich zu hören, wie zu Beginn des Krieges alle geglaubt hatten, Liebknecht sei erschossen worden, und wie sich die „Patrioten“ und die Internationalisten dazu verhalten hatten. Wieder die Klagen über die Gläubigkeit der Amerikaner und darüber, dass die Amerikaner, wenn es hier Krieg gäbe, noch schlimmer als die Deutschen, noch „patriotischer“ sein würden. Es ist schmerzlich, diesen Antagonismus zwischen amerikanischen und deutschen Arbeitern zu sehen, diesen unbewussten, tief innen sitzenden Nationalismus auf beiden Seiten, diese Geringschätzung der anderen Nation und ihrer Bewegung.

Eines ist gut und unbestreitbar: Überall, an jedem Ort, gibt es zwei oder drei bewusste Genossen, die Internationalisten sind. Einer von ihnen hat die Situation heute sogar ganz im Leninschen Sinne erklärt: Der Verrat der Sozialisten ist das Ergebnis des Revisionismus.

22. Dezember. Im Zug von Toledo nach New York.

Der erste Teil meiner Reise durch Amerika ist beendet. Ich fahre für zwölf Tage nach New York, um mich zu erholen.

Die letzte Woche hatte ich die verschiedenartigsten Eindrücke ...

Ende Dezember. New York.

Ich war den ganzen Tag unter Menschen: Interviews, ein Frühstück mit amerikanischen Journalistinnen, ein Spaziergang mit deutschen Genossen und Briefe, viele Briefe von den Meinen – von Mischa, von Sanja und Soja, von Lenin [12] und von anderen. Das hat mich aus der Fassung gebracht, mich aus dem Gleis geworfen. Für den Abend reichten dann die Kräfte nicht mehr.

Ein guter Brief von Lenin. Die Briefe von Soja und Mischa sind älteren Datums.

In 73 Tagen habe ich 65 mal gesprochen und fast 17 volle Tage auf der Bahn zugebracht. Jetzt kann ich mich bis zum 5. Januar ausruhen, dann geht es weiter! Alle scheinen mit den Ergebnissen meiner Reise zufrieden zu sein. Wenn sie es nur wirklich wären!

In diesen Tagen spüre ich erneut die Macht des Krieges. Es ist Weihnachten. Doch es wird einem bewusst, dass dies für Europa nur eine Verschärfung der alltäglichen Leiden bedeutet. Wie viel Blut wird vergossen, wie viele Verbrechen werden täglich, ja stündlich begangen ... Und der Krieg beherrscht alle. Unsichtbar waltet er über unser aller Geschick. Ihm gegenüber ist der Wille des einzelnen machtlos. Gerade dieses Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Krieg – auch während des Krieges – ist bezeichnend für die allgemeine Stimmung, für den Gemütszustand. Es ist jenes Unabwendbare, Unbezwingbare, das ich, noch in Berlin, schon in den ersten Tagen des Krieges empfunden habe ...

Wie eine schwere Gewitterwolke macht der Krieg die Atmosphäre drückend, so dass man kaum Luft bekommt. Wäre jetzt der Krieg zu Ende, hieße es, es sei Frieden, so gäbe es, glaube ich, Freudentränen. Wie viele würden vor Glück einfach losheulen! Doch man wagt nicht einmal zu hoffen, dass dieser Schrecken irgendwann ein Ende haben wird. Die Regierungen kennen alle kein Maß mehr. Es geht immer mehr bergab mit ihnen. Möge das doch zu revolutionären Auseinandersetzungen in den einzelnen Ländern, zum Bürgerkrieg führen!

Wir werden euch mit unserem Krieg antworten. Wir nutzen die Situation für einen Bürgerkrieg! Es gilt, die gesamte Taktik in diese Bahn zu lenken, die gesamte Arbeit der Sozialisten auf die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg für die Befreiung der Arbeiterklasse, in einen Bürgerkrieg zu konzentrieren!

1916 23. Januar.

Gestern passierte auf einer Versammlung etwas Typisches. Ich hatte vorgeschlagen, Liebknecht wegen seines Ausschlusses aus der Fraktion eine Grußbotschaft zu senden. Da sprang Spargo plötzlich auf, begann Einwände zu machen, zu protestieren: Warum? Wozu? Vielleicht sei er gar nicht ausgeschlossen worden? Sollte man nicht lieber abwarten? Und so weiter. Natürlich fiel ich mit aller Leidenschaft über ihn, diesen Feigling, her – er habe Angst, sich offen auf die Seite der Internationale zu stellen.

25. Januar.

Vor freudiger Aufregung konnte ich nicht schlafen: Ich habe Nachricht erhalten, dass Mischa wahrscheinlich hierherkommt. Ich hätte weinen können vor Freude. Dann die Hoffnung, Mischa zu sehen. Gewiss, noch ist mein Gefühl zwiespältig – die Sehnsucht nach dem stillen Norwegen, nach dem Holmenkollen! Doch das Gefühl der Freude, mit Mischa zusammen leben zu können, sein liebes Gesicht zu sehen, überwältigt mich, gewinnt die Oberhand. Es hat mich gefreut, dass Mischa darum gebeten hat, ihm Arbeit mit Automobilen und nicht bei der Herstellung von Geschossen zu beschaffen. Freilich, viel hat das nicht zu bedeuten, auch die Automobile werden ja für das blutige Werk eingesetzt, und dennoch ... Hier hat sich das „Herz“ meines Mischulja gezeigt! Sein liebes, weiches Herz!

Ich gebe mir Mühe, mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass es mir nicht gelingen wird, aus Amerika wegzukommen. Schließlich habe ich es „vorausgeahnt“; innerlich war ich nicht überzeugt, dass ich von hier wegfahre. Was tut’s! So soll es eben sein! Das Leben errichtet etwas, türmt etwas auf! Ach, ich will ja alles ertragen, wenn ich nur die Gewissheit haben könnte, dass ich mein Leben nicht vergebens gelebt habe, dass meine Erfahrungen jemandem von Nutzen sein werden. Aber können eigentlich die Erfahrungen eines Menschen nützlich sein, der in einer solchen historischen Übergangszeit lebt? Mir scheint, dass wir in einer Epoche leben, die an die Reformation, an die Epoche der Religionskriege erinnert, in einer Epoche wie der, in der neue Entwicklungsstufen deutlich wurden und der moderne Kapitalismus entstand. Jetzt steht die Menschheit abermals vor einer Wende. Was mag sie erwarten? Der Imperialismus? Endlose blutige Zusammenstöße? Ein Jahrhundert der Schrecken, des Blutvergießens zwischen den Nationen? Und dann schließlich als Gipfelpunkt das qualvolle und leidensreiche Absterben der kapitalistischen Welt und die Geburt eines neuen Zeitalters, die ersten Keime der sozialistischen Ordnung, die ersten Versuche, einen sozialistischen Umschwung herbeizuführen?

Auf jeden Fall wächst etwas Neues, wird etwas Neues erschaffen, das erstarkt. Die Grundpfeiler der kapitalistischen bürgerlichen Ordnung sind ins Wanken geraten. Der Historiker wird sicher sagen, die Menschen haben in der Epoche des Großen Krieges gelebt und nicht erkannt, dass eine welthistorische Veränderung bevorsteht, dass dies der Beginn einer neuen Ära ist. Mehr denn je bin ich vom wissenschaftlichen Wert des historischen Materialismus überzeugt. Wie sehr hilft einem doch der wissenschaftliche Sozialismus, über die Ereignisse Klarheit zu gewinnen und in die ferne Zukunft vorauszuschauen, in ihr, in den weiten Horizonten künftiger historischer Epochen den Schlüssel für das Verständnis der Gegenwart zu finden.

Und dennoch! Der Alptraum des Krieges lässt sich nicht abschütteln. Man lebt, isst, trinkt und arbeitet, doch das Herz ist wie versteinert. Mitunter ist mir, als hielte mein Herz die Qualen, die Sorgen um alle nicht aus ... Nachts verfolgen mich Bilder des Krieges, als wäre ich selbst an der Front gewesen. Heute habe ich ganz deutlich von verschneiten Feldern geträumt, die mit Toten und Verwundeten übersät waren. Es wimmelte von ihnen, sie stöhnten und krochen umher. Bilder von Wereschtschagin! Aber nachts sind sie einfach grauenvoll! Dabei gibt es sie doch, ja, es gibt sie! Wie soll man das fassen?

Ich bin aufgewacht – hatte Herzklopfen und bekam keine Luft. Unwillkürlich dachte ich bei mir: Wenn Mischa hier herkommt, wenn es ihm gelingt, auf diese Weise dem Krieg aus dem Wege zu gehen, dann ist das Leben noch gnädig mit mir gewesen. Aber dann, ja gerade dann möchte ich mich um der anderen leidenden Mütter willen in den Kampf stürzen ...

Ich spreche Tag für Tag in der Umgebung von New York. Am 7. Februar bei Hillquit ein „Abend mir zu Ehren“ (!). Doch Hillquit ist nicht Debs! Noch jener Alte aus San Francisco, der „Großvater“! Ich mag gescheite Leute. Ohne sie ist es so langweilig! In Philadelphia bin ich prächtigen Studenten (Bolschewiki) begegnet – Wolodarski und dem Sohn Gurwitschs. Und sie kennen Ljolja Stassowa. Komisch, so über Ljolja Stassowa, über die fernen Petersburger Freunde zu reden! Fast möchte man es nicht glauben, dass es hier jemanden gibt, der die Petersburger kennt. Wenn man hier schon etwas Europäisches „spürt“, so ist es der Krieg!

27. Januar.

Kaum hat sich mein Befinden wieder gebessert, kaum habe ich den Wunsch abzureisen in mir unterdrückt und mich darauf eingerichtet, für lange Zeit in Amerika zu bleiben, kaum habe ich damit begonnen, meine Gedanken und Gefühle diesem Umstand anzupassen und Pläne für in eine Arbeit zu schmieden, da erhalte ich ein Telegramm: „Ich bleibe in Petrograd. Mischa.“

Und wieder werden meine Pläne, Gedanken und Gefühle völlig auf den Kopf gestellt. Wieder muss ich mich seelisch umstellen, muss meine Hoffnungen und Arbeitspläne ändern!

28. Januar. Im Zug nach Boston.

Gestern Abend hatte ich ganz unerwartet eine angenehme Stunde – eine Sozialistinnenversammlung. Ich war ungern hingegangen, hatte gehört, bei ihnen gebe es Streitigkeiten. Doch ich fand Arbeiterinnen vor, amerikanische Arbeiterinnen, so sympathisch und vertraut; abgearbeitet, haben sie doch ein Ziel, kämpfen wie überall. Mir klopfte richtig das Herz. Wie beim Stelldichein mit dem Liebsten! Kein Zweifel, die Arbeiterinnen, die Frauen stehen mir näher! Sie wirken tatkräftig gegen den Krieg, die Partei (das heißt das Zentralkomitee) aber findet, dass dies keineswegs Frauensache sei, dass sich die Frauensektion da nicht hineinmischen solle, dass das Zentralorgan selbst gegen den Militarismus kämpfen werde. Dabei kämpft es gar nicht! Weshalb lässt man die Arbeiterinnen dann nicht?

Ich habe nicht nur vom Krieg gesprochen, sondern auch von der Organisation der Arbeiterinnen. Ich legte meine Ansichten dar, und wie mir scheint, haben sie mich begriffen.

Gestern bekam ich auch aus Russland mein Buch Gesellschaft und Mutterschaft. Es ist dick, gleicht einem Nachschlagewerk.

Heute waren Genossen bei mir, Arbeiter von der Zeitung Nowy Mir [13]. Sie waren mit dem Vorschlag gekommen, ich solle hierbleiben und die Zeitung redigieren. Gegenwärtig ist sie ganz in den Händen der „Sozialpatrioten“. Eine verlockende Arbeit, aber nichts für mich. Mir fehlt die Erfahrung. Ich hätte eingewilligt, wenn bereits eine Gruppe von internationalistisch eingestellten Mitarbeitern zu erkennen wäre, doch woher soll man sie in Amerika nehmen?

Ich bemühe mich um die Herausgabe von Lenins Broschüre über den Krieg in englischer Sprache. [14] Die Verhandlungen kommen nur schleppend voran, es fehlt an Geld und an einem Verleger. Vor allem aber, so meine ich, hat man noch nicht begriffen, wie nötig dieses Buch gebraucht wird. Die Tendenz zur neuen Internationale macht nur geringe, sehr geringe Fortschritte.

29. Januar.

Alte Freunde und Bekannte – in Boston die Dermans, in Pittsburgh die Ostroumows. Die beiden Dermans liebe und achte ich. Sie sind feinfühlig und warmherzig. Und mutig. Er ist ein ganz ehrlicher russischer Revolutionär. Nur hat ihn die Zwangsarbeit kaputtgemacht. Er ist übernervös und wird nicht mit dem Leben fertig. Schrecklich, einfach schrecklich, dass die Zwangsarbeit die Menschen so zerbricht! Wie furchtbar und empörend, dass auch heute noch welche von uns dort schmachten. Für mich war es eine Freude, mit Henriette Derman zusammen zu sein, mit ihr wird einem warm ums Herz, wir sind wie uralte Bekannte. Dabei haben wir eigentlich nur die „deutsche Gefangenschaft“ gemeinsam durchgemacht. Wir sprachen von Göhre und Fuchs, erinnerten uns an ihren Plan, die „russischen Revolutionäre“ aus Deutschland herauszubringen ...

Soeben musste ich quer durch Boston von einem Bahnhof zum anderen fahren. Trübes Wetter, Ruß, schmutzige Fahrdämme. Angespannte, unfreundliche Gesichter. Und das ermüdende Schleppen der Koffer. Inzwischen sitze ich nun wieder im Zug, wieder stickige Luft, Ruß, ein überfüllter Wagen und die bereits bekannten Bilder, deren ich schon überdrüssig bin – Industriestädte, hölzerne Einfamilienhäuser, schnurgerade Straßen mit Vorgärten, endlos sich kreuzende Eisenbahnlinien. Der Ruß und die schwere Luft der Industriestädte sind für ganz Ostamerika bis hin nach Pennsylvania typisch. Ich habe es satt, mich auf das Reisen „einzustellen“, hastig die Zahnbürsten einzupacken, schnell einen Kaffee hinter zugießen und zum Zug zu eilen. Satt habe ich die lärmerfüllten, finsteren amerikanischen Bahnhöfe der Provinzstädte. Ich habe genug vom aufdringlichen Tuten der Rangierlokomotiven. Und die untätigen Stunden des Wartens auf den Bahnhöfen widern mich an.

2. Februar. New Jersey.

Jemand aus der Alten Welt, der Amerika nur aus Büchern kennt, stellt sich immer noch vor, Amerika sei wirklich die Neue Welt!

Den einen schweben bedeutende technische Leistungen vor, in denen sie das Werk der großen Republik, ihrer demokratischen Ordnung sehen. Auf andere wirkt Amerika als ein Land, in dem das „Business“ im Vordergrund steht, wo der Dollar über alles geht und wo es keinen Raum für die Entwicklung des lebendigen Geistes gegeben hat, abstoßend. Wieder andere zieht es durch seine „Möglichkeiten“, durch die weiten Perspektiven an, die sich angeblich im Leben eines jeden bieten. Die einen stellen sich Amerika als Land der steinernen Wolkenkratzer vor, andere haben die Bilder vor Augen, die aus absurden Filmszenen stammen, in denen immer noch malerische Cowboys über die unberührte Prärie reiten und beim geringsten Anlass den Revolver ziehen.

Welches Bild der Neuankömmling auch immer von Amerika haben mag, in einem sind sich alle einig – in Amerika ist alles anders, ob besser oder schlechter als in Europa, sei dahingestellt, auf jeden Fall anders.

Nichts ist falscher als diese Vorstellung. Die Eigentümlichkeit Amerikas ist ebenso überlebte Legende wie das Märchen von der großen amerikanischen „Freiheit“. Diesen Unterschied hat es einst gegeben, doch mittlerweile ist er unwiederbringlich verlorengegangen; ihn gab es, als nicht die internationalen Bankfirmen und nicht die Könige der nationalen Trusts den Ton im Leben der Vereinigten Staaten angaben, sondern jene „freien Farmer“, deren letztes Aufbäumen im Kampf um ihre Existenz in dem aufsehenerregenden Roman The Octopus [15] geschildert wird. Die Eigentümlichkeit, die Originalität der Vereinigten Staaten auf politischem und kulturellem Gebiet und sogar in der Sphäre des Alltags hat es zu jener Zeit gegeben, als die „Liga der Freunde der Industrie“ zum Schutz der schwachen Ansätze der einheimischen Industrie Agitatoren durchs Land schicken sowie Flugschriften und Broschüren herausgeben musste, in denen sie den im Lande herrschenden Kurs der Wirtschaftspolitik widerlegte, demzufolge die Zukunft der Vereinigten Staaten in der kontinuierlichen Entwicklung ihrer Landwirtschaft liegen sollte. Eine eigene Prägung besaß Amerika in jenen Tagen, als „seine großen Männer“ die ersten bedeutenden Industriebetriebe bereisten und über die von Amerika erzielten Erfolge staunten. Besonderheiten hatte Amerika aufzuweisen, als die Regierung und die kommunalen Behörden die Kinderarbeit in den Fabriken zum Zwecke der „Industrialisierung“ in jeder Weise förderten, als die ehrenwerten Farmer in den vierziger Jahren ihre Kinder wie auf eine Art „Universität“ zur Arbeit in die Textilmanufakturen der Staaten Neuenglands schickten und Hamilton den hartnäckigen Widerstand der konservativen Farmer brechen musste, um das Land auf den Weg des industriellen Fortschritts zu führen ...

Zu jener Zeit bewahrte Amerika das Vermächtnis und die Traditionen, die aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges auf das Land überkommen waren, noch wie ein Heiligtum. Zu jener Zeit konnte der Ankömmling aus Europa von der Eigenständigkeit der Neuen Welt sprechen, konnte er fühlen, dass er auf einen anderen Kontinent geraten war. Was ist heute nun von dem einstigen Amerika übriggeblieben? Wenn etwas den Europäer, der nach Amerika kommt, in Erstaunen versetzt, so ist es nicht die Originalität der Vereinigten Staaten, sondern der Umstand, dass es diese nicht gibt, dass jenes Spezifische, Neue, Originelle, Unerwartete, wodurch sich in der Vorstellung der Europäer die Neue Welt von dem toll gewordenen alten Europa unterscheiden soll, fehlt. Blickt man auf Amerika, sieht man sich einmal die hier stattfindenden Prozesse näher an, so wundert man sich über eines – wie gleichartig und einförmig die Welt doch geworden ist! Die gleichen Tendenzen im gesellschaftlichen Leben, die gleiche Lebensweise in den Familien, der gleiche Kurs in der Politik der herrschenden Kreise, der gleiche Kampf der sich sozial feindlich gegenüberstehenden Gruppen, die gleichen Typen, die gleichen Charaktereigenschaften und Züge der Menschen, die nicht von der Nation, nicht vom Land, nicht vom Kontinent, auf dem man geboren ist, geprägt werden, sondern von der gesellschaftlichen Klasse, der man angehört.

Mit schwindelerregender Schnelligkeit führt der Kapitalismus sein Werk der Nivellierung der Länder und Völkerschaften aus; mit erbarmungsloser Gleichgültigkeit tilgt, vernichtet, würgt er alle die Wesenszüge des Lebens, all die nationalen Eigenschaften, all die Traditionen des Volkes ab, die nicht seinen Zielen entsprechen. Der Kapitalismus schert alle Völker und Länder über einen Kamm und bringt damit in seinem gegenwärtigen, höchsten Entwicklungsstadium endgültig alle Vorstellungen von nationalen und rassebedingten Besonderheiten und Grenzen durcheinander, setzt an die Stelle der Sitten und Gebräuche der Völker eilig kosmopolitische Verhaltensmaßregeln, verdrängt die nationale Kultur durch eine „ Weltkultur“ und verwischt nach und nach das „nationale Antlitz“ der Völker.

21. Februar. 6 Uhr abends.

Soeben haben wir die letzten Festungswerke von New York passiert. Vor uns der Ozean, hinter mir das lärmerfüllte, mit Arbeit angefüllte Leben dieser viereinhalb Monate in Amerika. Wieder fahre ich mit der Bergensfjord, die ich nun schon kenne. Sogar zwei oder drei jener Passagiere, mit denen ich bereits nach New York gereist bin, sind wieder mit dabei.

Meine Stimmung ist jedoch anders. Ich habe meinem Leben eine weitere Seite abgewonnen, hinter mir liegt eine Zeit voller Arbeit und Verantwortung.

Kein Bedauern, dass ich Amerika verlasse. Eher Freude. Was erwartet mich? Wem werde ich begegnen? Gibt es doch auch dort Einsamkeit. Aber ich werde allen, die ich liebe, näher sein.

Ich werde etwas von Mimotschka hören.

Wie schön es jetzt ist, in der Dämmerung! Das Meer ist vorerst ruhig, von bilderbuchhafter Stille, der Abendhimmel spiegelt sich in ihm wider. Blickt man auf diese spiegelglatte Fläche, will man gar nicht glauben, dass es uns sicher noch ganz schön schaukeln wird. Ich fühle mich eher körperlich als moralisch müde. Bis zum letzten Tag habe ich gearbeitet. Heute habe ich fast nicht geschlafen – habe einen Artikel zum Frauentag [16] geschrieben.

Am Fenster ziehen Leuchttürme und Dampfer mit hellen Lichtern vorüber. Bald wird es nur noch den Ozean geben, und wir werden uns seinem majestätischen und drohenden Antlitz gegenübersehen.

Leb wohl, Amerika!

Ich blicke unverwandt aus dem Fenster, kann mich kaum losreißen. Welch erhabene Schönheit! Wie sie einem das Herz erfreut und nach dem Lärmen und der Hast von New York beruhigt ...

*

Anmerkungen

1. Gemeint ist der Streik, der im September 1915 in Moskau bei den Straßenbahnern, in den Werken „Dynamo“ und „Gnom“ sowie in anderen Betrieben ausbrach. Der Streik wurde hartnäckig und über längere Zeit geführt.

2. Gemeint ist der Oberkommandierende der russischen Armee, Großfürst Nikolai Nikolajewitsch.

3. Im September 1915 rollte in Verbindung mit der Auflösung der Reichsduma eine Welle politischer Massenstreiks durch Russland. Hier geht es um einen drei Tage währenden Streik in Moskau, der spontan ausgebrochen war und dann von der bolschewistischen Organisation aus Protest gegen die allgemeine Politik der Selbstherrschaft unterstützt wurde. Am 14. September wurden auf dem Strastnaja-Platz Barrikaden errichtet. Die Polizei schoss auf die Arbeiter.

4. Der Protest gegen die Auflösung der Duma ging mit einem Aufschwung der Streikbewegung und wachsender politischer Aktivität des Proletariats einher. Vom 2. bis 5. September 1915 streikten in Petrograd bis zu 70 Betriebe mit insgesamt etwa 83.000 Arbeitern. Am Streik beteiligten sich vorwiegend Arbeiter aus metallverarbeitenden Betrieben – aus dem Putilow-Werk, der Putilow-Werft, dem Petrograder Metallwerk, drei Betrieben der Russischen Gesellschaft für die Herstellung von Geschossen und Munition, dem alten und dem neuen Leßner-Werk und anderen.

5. Russkoje Slowo (Das Russische Wort) – Tageszeitung, erschien ab 1895 in Moskau. Sie war formal nicht parteigebunden, verteidigte aber in Wirklichkeit die Interessen der russischen Bourgeoisie vom gemäßigt liberalen Standpunkt aus. Im November 1917 wurde die Redaktion wegen verleumderischer antisowjetischer Veröffentlichungen geschlossen.

6. American Federation of Labor – Amerikanische Föderation der Arbeit (AFL) – Gewerkschaftsvereinigung der USA, 1881 gegründet und durch Reformismus und die engstirnige Beschränkung auf Berufsinteressen geprägt. Im Jahre 1955 schloss sich die AFL mit einer anderen Gewerkschaftsvereinigung – dem Kongress der Industrieorganisationen (CIO), der 1935 gegründet worden war – zusammen. Die neue Vereinigung trägt den Namen Amerikanische Föderation der Arbeit – Kongress der Industrieorganisationen (AFL-CIO).

7. Gompersleute – Mitglieder der Amerikanischen Föderation der Arbeit, die unter der Leitung von S. Gompers stand. Gompers propagierte die „Harmonie der Klasseninteressen“ und bekämpfte revolutionäre Tendenzen im Proletariat. Während des Krieges unterstützte er aktiv die imperialistische Politik der USA-Regierung, wobei er sich auf die rechten Elemente in der Arbeiterbewegung stützte.

8. Gemeint ist die Vollstreckung des Urteils, das die amerikanische „Rechtsprechung“ über das Mitglied der IWW Joseph Hillstrom (Joe Hill) verhängt hatte, der am 19. November 1915 auf Grund einer unwahren Denunziation im Staat Utah hingerichtet wurde. Hillstrom war schwedischer Emigrant, Arbeiter und gleichzeitig revolutionärer Dichter. Der Leichnam Joseph Hillstroms wurde von der IWW nach Chicago übergeführt, wo das Begräbnis Anlass für Arbeitermanifestationen war.

9. Rossija i Swoboda (Russland und die Freiheit) – Wochenschrift, die in der zweiten Jahreshälfte 1915 von G. A. Alexinski in Paris herausgegeben wurde. Insgesamt sind vier Nummern erschienen. Die Zeitschrift war der Vorläufer der auf die „Vaterlandsverteidigung“ ausgerichteten Zeitschrift Prisyw“(Der Ruf), die von Oktober 1915 bis März 1917 in Paris herausgegeben wurde.

10. Der Kollontai-Fonds des Zentralen Parteiarchivs des IML Moskau enthält einen Brief, den B. Nikolajew, ein in Amerika lebender russischer Emigrant, an Alexandra Kollontai geschrieben hat. Darin spricht Nikolajew von dem Eindruck, den ihre Rede auf ihn gemacht hat. Er schreibt:

„Nun sind Sie abgereist, Schwesterchen, und haben auch die frohen Stunden mit sich entführt. Für uns haben wieder die trüben, trostlosen Tage des Verbannten begonnen ... Mit Ihrer Ankunft hatten Sie Leben in das monotone Dasein gebracht, die in Vergessenheit geratenen Bilder eines anderen Lebens, eines anderen Strebens im Herzen wieder zum Leben erweckt ... Das vergisst sich nicht so schnell ... Geliebte Schwester! Sie verstehen, wie wichtig jetzt der Kontakt zu allem Organisierten dort in Russland ist. Führen Sie also Ihr Werk zu Ende, und helfen Sie, diesen Kontakt zu knüpfen ...“ (IML, ZPA, Moskau, F. 134.)

11. Debs, Eugene (1855–1926) – amerikanischer Sozialist, Führer des linken Flügels der Sozialistischen Partei Amerikas und einer der populärsten Führer des Proletariats der USA. Während des Krieges trat er als dessen entschiedener Gegner auf, weswegen er zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Aus Protest stellte die Sozialistische Partei ihn als Kandidaten für das Amt des Präsidenten auf. Bei den Wahlen 1920 vereinigte er über 900.000 Stimmen auf sich.

Haywood, William (1869–1928) – namhafter Funktionär der Arbeiterbewegung der USA, gehörte zu den Führern des linken Flügels der Sozialistischen Partei und den Begründern der Gewerkschaftsorganisation IWW. Während des ersten Weltkrieges verurteilte er Militarismus und imperialistischen Krieg und kämpfte gegen den Eintritt der USA in den Krieg.

12. Es lässt sich kaum genau sagen, um welchen Brief Lenins es sich handelt. Es kann sowohl der Brief vom 9. als auch der vom 22. November 1915 sein. (Siehe W. I. Lenin: An A. M. Kollontai. In: Briefe, Bd. IV, S. 158–160 und 162/163.)

13. Nowy Mir (Neue Welt) – sozialdemokratische Zeitung, die von einer Gruppe russischer Emigranten in New York herausgegeben wurde. Sie erschien ab 1911. Ihr erster Redakteur war L. Deutsch. Von 1912 bis 1916 nahm J. Ellert (N. Nakorjakow) die Redaktion wahr.

14. Lenins Broschüre Sozialismus und Krieg (Die Stellung der SDAPR zum Krieg) stand in Zusammenhang mit der Vorbereitung der I. Internationalen Sozialistischen Konferenz in Zimmerwald.

15. Gemeint ist der von dem amerikanischen Schriftsteller Frank Norris geschriebene Roman Der Oktopus.

16. Es handelt sich offenbar um den von Alexandra Kollontai geschriebenen Artikel, den das Komitee der Föderation der russischen Sektionen der Sozialistischen Partei Amerikas in den USA als Flugblatt herausgebracht hat und der die Überschrift trug „Kein Leben, sondern Zwangsarbeit“. Das Flugblatt ist unter der Losung Arbeiterfrauen, vereinigt euch! erschienen.


Zuletzt aktualisiert am 16. Juli 2020