Karl Kautsky

Der politische Massenstreik


32. Der Jenaer Parteitag von 1913


a. Der Boden der Diskussion

Der Artikel Ecksteins erschien während einer neuen, der jüngsten Diskussion über den Massenstreik. Die Praxis des Massenstreiks hatte seit der russischen Revolution stark nachgelassen, aber doch nicht ganz aufgehört. Im September 19n proklamierte in Italien die Zentralkommission der Gewerkschaften ohne Mitwirkung des Parteivorstandes einen kurzen Demonstrationsstreik als Protest gegen die Banditenpolitik der italienischen Regierung in Tripolis. Mehr war nicht möglich. Ein Zwangsstreik, um die Einstellung des Kriegsabenteuers zu erzwingen, erschien von vornherein aussichtslos, aber selbst der Proteststreik nahm, trotz einzelner kraftvoller und heldenhafter Aktionen, nicht jene Ausdehnung an und wurde nicht zu jener fortreißenden „Initiative“, die man vielfach erhofft hatte.

Ganz anderer Art war der nächste und bisher letzte politische Massenstreik, der belgische vom 14.–24. April 1913. Veranlaßt wurde er durch den Mißerfolg der Partei bei den Wahlen vom 2. Juni 1912. Es erschien aussichtslos, die Wahlreform durch Wahlerfolge auf Grund des geltenden Wahlrechts erzwingen zu wollen. Empört erhoben sich in den Industriebezirken die Arbeiter zu sofortigem Massenstreik. Aber die Leiter der Partei und der Gewerkschaften hielten den Moment nicht für geeignet und veranlaßten eine Verschiebung des Streiks bis zu einer besseren Gelegenheit. Noch einmal wurden alle parlamentarischen Mittel versucht, und erst als diese erschöpft waren, schritt man zum Streik.

Er wurde eine machtvolle Kundgebung mit rund einer halben Million Teilnehmer. Geschlossen begann er, geschlossen wurde er beendet, ein glänzendes Zeugnis der Kampfbereitschaft und Disziplin des belgischen Proletariats. Als Demonstrations- und Proteststreik war er sicher gelungen. Ob er darüber hinaus auch direkt ein praktisches Resultat erzielte, läßt sich zur Zeit, wo diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht sagen. Mehr als die Aussicht auf „Erörterung“ der Wahlreform durch eine parlamentarische Kommission hat er zunächst nicht erreicht. Das kann viel sein, aber auch nichts. Was es wirklich ist, muß die Zukunft lehren.

Im Gegensatz zu den früheren Massenstreiks haben diese beiden letzten weder laute Kritiken noch auch überströmende Begeisterung hervorgerufen. Sie wurden mit sympathischem Interesse, ja mit hoher Bewunderung für die Kämpfenden aufgenommen, das Kampfmittel selbst wurde aber weder umstritten noch umjubelt.

Und doch gab der belgische Streik Veranlassung zu einer neuen Massenstreikdiskussion in Deutschland.

In Preußen hatten bald nach dem belgischen Streik Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus stattgefunden, am 16. Mai. Wie zu erwarten war, brachten sie der Sozialdemokratie einen Mandatsgewinn, im ganzen (nach den Stichwahlen) 10 Mandate gegen früher 6. Ein sehr ansehnlicher Fortschritt, aber natürlich keine Erschütterung des Dreiklassenwahlsystems.

Da war es der badische Abgeordnete Frank, der den Ruf nach einem preußischen Wahlrechtsstreik in einer Berliner Versammlung ertönen ließ und damit eine neue Erörterung dieses Kampfmittels veranlaßte. Aber unter ganz eigenartigen Umständen. Eine theoretische Diskutierung des politischen Streiks war nicht mehr nötig, nachdem ihn der Jenaer Parteitag 1905 bereits akzeptiert hatte. Seine praktische Diskutierung für einen besonderen konkreten Fall war noch nicht möglich, denn von vornherein war alle Welt einig, daß im Augenblick die Situation ihn ausschließe. Kein Mensch konnte aber voraussehen und voraussagen, wie beschaffen die Situation sein werde, die ihn möglich mache. Dabei sind, wie wir gesehen haben, die verschiedensten Auffassungen des Massenstreiks möglich. Diskutiert man also nicht über die Anwendung eines bestimmten Massenstreiks in einer bestimmten Situation, so ist es unvermeidlich, wenn man nicht theoretisch sehr scharf unterscheidet, daß jeder der Diskutierenden unter dem Massenstreik etwas anderes versteht, die Argumente aneinander vorbeischießen und so nicht einmal das eine Resultat erreicht wird, daß der Austausch der Meinungen zur Klärung der Begriffe beiträgt.

Und auch jenes Resultat konnte sie nicht erreichen, das vielen der Diskutierenden als Hauptzweck der Erörterung vorschwebte: die Anfeuerung und Ermutigung der Massen.

Die neueste Massenstreikdebatte wurde wohl durch den belgischen Streik und den Ausfall der preußischen Landtagswahlen veranlaßt, ihr Gepräge erhielt sie aber dadurch, daß sie in eine Zeit der Erschlaffung des Parteilebens fiel, die sich durch eine Reihe beunruhigender Symptome bekundete – Stillstand der Organisation, Rückgang der Abonnentenzahlen der Parteiblätter sowie unserer Stimmenzahlen bei Nachwahlen. Auch die preußischen Landtagswah1en hatten eine gewisse Müdigkeit bekundet.

Das rührte nun nicht etwa daher, daß die Partei 1910 fast einmütig der Ansicht gewesen war, eine Zuspitzung der Straßendemonstrationen zu einem Massenstreik sei nicht zweckmäßig. Das Ergebnis dieser Auffassung war nichts weniger als ein „Zusammenbruch der Aktion“ gewesen, wenn man die Aktion der Partei stets in ihrer Gesamtheit betrachtet und nicht glaubt, sie sei verpflichtet, ununterbrochen eine Aktion für dieselbe Teilforderung ohne Rücksicht auf den Gesamterfolg zu betreiben. Wenn ein Feldherr seine Armee von dem Sturm auf eine Position, die im Moment nicht zu nehmen ist, nach einem anderen Schlachtfeld beordert, wo ihm die Möglichkeit winkt, einen glänzenden Sieg zu erringen, und er diesen Sieg auch wirklich davon trägt, wird niemand darin einen „Zusammenbruch“ seiner Aktion sehen.

So war es auch ein sonderbarer „Zusammenbruch“ unserer Aktion, der uns 110 Abgeordnete und über vier Millionen Stimmen eintrug.

Gleichzeitig mit den Reichstagswahlen brachte uns die historische Situation noch eine andere Aufgabe: Die Sicherung des Friedens, der zuerst durch den Streit um Marokko und dann durch den Balkankrieg aufs äußerste bedroht war.

Diese beiden großen Aufgaben erforderten unsere ganze Aufmerksamkeit und auf sie konzentrierten sich alle unsere Kräfte. Konzentration ist eine Hauptbedingung des Erfolgs. Wer im Kriege stets alle Positionen decken will, verliert sie leicht alle an einen Feind, der seine Kräfte auf eine Position konzentriert. Es wäre absurd gewesen, gleichzeitig mit der Reichstagswahlagitation und der Friedenspropaganda auch eine energische preußische Wahlrechtspropaganda betreiben zu wollen. Wenn die preußische Wahlrechtsbewegung seit 1910 zurücktrat, so war das in keiner Weise einem Rückgang der Kraft oder der Kampflust unserer Partei zuzuschreiben.

Als aber die beiden Objekte, die uns in den letzten beiden Jahren fast ausschließlich beschäftigt hatten, die Reichstagswahlen und die Sicherung des Friedens, aufhörten unser Interesse und unsere Kraft in Anspruch zu nehmen, da war eine neue Erscheinung aufgetaucht, die nur zu oft schon lähmend auf die Kampflust und Kampffähigkeit des Proletariats gewirkt hat – der Niedergang der Konjunktur, der stellenweise eine drückende Arbeitslosigkeit mit sich brachte.

Derselbe Rückgang der Prosperität vermehrt aber mit der wachsenden Notlage auch die Ungeduld der noch kampffähigen Elemente, schafft den fruchtbarsten Boden für die Illusion, das ganze Proletariat denke und empfinde wie sie, und bloß die falsche und feige Taktik der Führer lähme und entnerve es. Eine kühne Initiative genüge, es zu kraftvollem Tun fortzureißen.

Unter diesen Bedingungen ging die jüngste Massenstreikdebatte vor sich. Den sofortigen Massenstreik selbst gerade zur Zeit einer großen Arbeitslosigkeit zu propagieren, erschien freilich sogar den ungeduldigsten der Ungeduldigen als Wahnsinn. Aber wenigstens die Aussicht auf den Massenstreik wollten sie haben.

Die wirtschaftliche Krise ist international und so finden wir denn auch in den verschiedensten Ländern im Laufe des Jahres 1913 zeitweise die gleichen Erscheinungen, Rückgang der Zahl der Parteimitglieder oder der Parteistimmen, nicht nur bei uns, sondern auch in Frankreich, Holland, Amerika. Nicht überall jedoch verlangte die Ungeduld nach dem Massenstreik. In Oesterreich forderte sie die Obstruktion, in Holland schlug sie aus dem rebellischen ins staatsmännische über und entrüstete sich über die Partei, wenn diese keine Minister stellen wollte, in England und Amerika machte sie sich in syndikalistischen Phrasen und Ausbrüchen Lust.
 

b. Die beiden Resolutionen

Da es sich nicht mehr um das Ob des Massenstreiks überhaupt handelte, wie in Jena 1905, und noch nicht um das Ob und Wie eines bestimmten Massenstreiks unter bestimmten Bedingungen, sondern nur darum, ob es zweckmäßig sei, gerade jetzt den Massenstreik zu diskutieren, da die Debatte sich also wesentlich nur um die Diskussion der Diskussion des Massenstreiks drehte, konnten die Verhandlungen des jüngsten Parteitags darüber keinen Fortschritt der Erkenntnis bringen. Sie haben eher zur Verwischung als zur genaueren Unterscheidung der verschiedenen Anschauungen über den Massenstreik geführt.

Zwei Resolutionen standen einander gegenüber, die des Parteivorstandes und die der Genossin Luxemburg.

Die des Parteivorstandes lautete:

„Nach dem vom Mannheimer Parteitag (1006) bestätigten Beschluß des Jenaer Parteitages (1905) ist die umfassendste Anwendung der Massenarbeitseinstellung gegebenenfalls als eines der wirksamsten Mittel zu betrachten, nicht nur um Angriffe auf bestehende Volksrechte abzuwehren, sondern um Volksrechte neu zu erobern.

Die Eroberung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu allen Vertretungskörpern ist eine der Vorbedingungen für den Befreiungskampf des Proletariats. Das Dreiklassenwahlrecht entrechtet die Besitzlosen nicht nur, sondern hemmt sie in allen ihren Bestrebungen auf Verbesserung ihrer Lebenshaltung, es macht die schlimmsten Feinde gewerkschaftlicher Betätigung und sozialen Fortschritts, die Junkerkaste, zum Beherrscher der Gesetzgebung.

Warum fordert der Parteitag die entrechteten Massen auf, im Kampfe gegen das Dreiklassenunrecht alle Kräfte anzuspannen in dem Bewußtsein, daß dieser Kampf ohne große Opfer nicht siegreich durchgeführt werden kann.

Indem der Parteitag den Massenstreik als unfehlbares jederzeit anwendbares Mittel zur Beseitigung sozialer Schäden im Sinne der anarchistischen Auffassung verwirft, spricht er zugleich die Ueberzeugung aus, daß die Arbeiterschaft für die Erringung der politischen Gleichberechtigung ihre ganze Kraft einsetzen muß. Der politische Massenstreik kann nur bei vollkommener Einigkeit aller Organe der Arbeiterbewegung von klassenbewußten, für die letzten Ziele des Sozialismus begeisterten und zu jedem Opfer bereiten Massen geführt werden. Der Parteitag macht es deshalb den Parteigenossen zur Pflicht, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zu wirken.“

Zu dieser Resolution, die der Parteivorstand entworfen hatte, stellten Rosa Luxemburg und Genossen den Antrag, die Absätze 2 und 3 in ersetzen durch folgendes:

„Die Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Gegensätze in Deutschland nötigt das Proletariat zur Entfaltung immer größerer Macht für die Verteidigung gegen heimtückische Anschlage der herrschenden Klassen, für die Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage und die Erweiterung seiner politischen Rechte. Im Kampf gegen die politische Entrechtung ist das Proletariat immer mehr gezwungen, die höchste Energie zu entfalten. Dieser Kampf gipfelt in dem Kampf um das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht zu allen Vertretungskörpern, dessen Eroberung eine Vorbedingung für den Befreiungskampf des Proletariats ist. Der jetzige Zustand der politischen Rechtlosigkeit des Proletariats, insbesondere in Preußen, der seinen deutlichsten Ausdruck im Dreiklassenwahlrecht findet, hemmt das Proletariat in allen seinen Bestrebungen auf Verbesserung seiner Lebenshaltung. Es macht die schlimmsten Feinde gewerkschaftlicher Betätigung und sozialen Fortschritts zum Beherrscher der Gesetzgebung, nicht nur in Preußen, sondern im ganzen Reiche. Dieses schändliche Wahlrecht kann nur einem Wahlrechtsturm der großen Massen weichen, wie ihn der preußische Parteitag vom Januar 1910 in Aussicht genommen hat.

Der Parteitag begrüßt das wiedererwachte Interesse weiter Parteikreise in der Frage des politischen Massenstreiks. Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines politischen Massenstreiks ist die möglichst vollkommene Organisation des Proletariats in politischer und wirtschaftlicher Beziehung und die Erfüllung dieser Organisationen mit revolutionärer Kampfbegeisterung und Opferbereitschaft. Der Parteitag macht es deshalb den Parteigenossen zur Pflicht, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen und für die Verbreitung der Partei- und Gewerkschaftspresse zu wirken. Der Massenstreik kann jedoch nicht auf Kommando von Partei. und Gewerkschaftsinstanzen künstlich herbeigeführt werden. Er kann sich nur als Steigerung einer bereits im Fluß befindlichen Massenaktion aus der Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Situation ergeben.

Als Antwort auf die Uebergriffe der Reaktion wie als erste Voraussetzung erfolgreicher Massenaktionen ist eine offensive, entschlossene und konsequente Taktik der Partei auf allen Gebieten erforderlich. Nur eine solche Taktik, die den Schwerpunkt des Kampfes bewußt in die Aktion der Massen verlegt, ist geeignet, in den Reihen der Organisierten die Kampfenergie und den Idealismus wach zu halten, sowie die Unorganisierten in wichtigen Augenblicken mitzureißen und für die gewerkschaftliche und politische Organisation dauernd zu gewinnen.

Der Parteitag fordert die Parteigenossen und die Parteiinstanzen auf, alle Maßregeln zu ergreifen, damit das deutsche Proletariat bei den kommenden Kämpfen für alle Fälle gerüstet dasteht.“

Diese Resolution war nicht die radikalste unter jenen, die dem Parteitag vorlagen. Eine Resolution aus Halle verlangte die Propagierung des Massenstreiks; und eine Niederbarnimer Resolution, die sich in vielem mit der Jenaer Resolution Luxemburg deckte und offenbar als deren Vorbild diente, verlangte eine „scharfe revolutionäre Taktik, die den Schwerpunkt des Kampfes bewußt in die Aktion der Massen verlegt und vor keiner Konsequenz zurückschreckt“.

Von alledem ist in der Jenaer Resolution keine Rede mehr. Dafür enthält sie einen Gedanken, der der Niederbarnimer Resolution fehlt, den Satz: „Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung des politischen Massenstreiks ist die möglichst vollkommene Organisation des Proletariats.“ Dieser Satz steht in vollem Widerspruch all dem russischen Vorbild, das uns die Genossin Luxemburg 1906 vorhielt, steht auch im Widerspruch zu den hohen Erwartungen, die sie noch kürzlich in die unorganisierten im Gegensatz zu den Organisierten setzte, denen sie mit großem Mißtrauen gegenüberstand. Schrieb sie doch in der Leipziger Volkszeitung vom 27. Juni 1913:

Je mehr unsere Organisationen wachsen, Hunderttausende und Millionen umfassen, um so mehr wächst notgedrungen der Zentralismus. Damit geht aber auch das geringe Maß an geistigem und politischem Inhalt, an Initiative und Entschluß, das im alltäglichen Leben der Partei von den Organisationen aufgebracht wird, gänzlich auf die kleinen Kollegien an der Spitze: auf Vereinsvorstände, Bezirksvorstände und Parlamentarier über. Was für die große Masse der Mitglieder übrig bleibt, sind die Pflichten zum Beitragzahlen, zum Flugblätteraustragen, zum Wählen und zu Wahlschlepperdiensten, zur Hausagitation für das Zeitungsabonnement und dergleichen. Das Musterbeispiel in dieser Hinsicht ist die Berliner Organisation, in der so ziemlich alles Wichtige an Leitung und Entschluß von dem Zentralvorstand erledigt wird, und wo die Initiative von unten sich gewöhnlich an dem Gitterwerk der zahllosen Instanzen wie au einem Stacheldrahtzaun ohnmächtig bricht ...

Die großen Massen müssen sich in einer ihnen eigenen Weise betätigen, ihre Massenenergie, ihre Tatkraft entfalten können, sie müssen sich selbst als Masse rühren, handeln, Leidenschaft, Mut und Entschlossenheit entwickeln. Da aber unser alltäglicher Organisationsapparat unmöglich ein solches Leben bieten kann – gehören doch auch geschichtliche Situationen dazu, die sich nicht künstlich schaffen lassen – da in unserer Organisation umgekehrt selbst das mögliche Minimum an geistigem Leben der Masse durch den Zentralismus erstickt wird, so muß man sich ein für allemal von dem Wahn freimachen, als ob es uns je gelingen würde, die ganze gewaltige Masse des arbeitenden Volkes in beitragzahlende Mitglieder der Wahlvereine zu verwandeln.

Das ist als Vorbedingung für große Massenaktionen weder möglich noch auch notwendig. Was notwendig, ist nur eine kühne Initiative und Aktion der Partei, mit der sie sich an die Spitze der Massen stellt, jedesmal, wo die politische Situation du erfordert. Die unorganisierten Massen, ja die gegnerisch organisierten Schichten werden ihr dann begeistert Heerbann leisten. Als Beweis diene dasselbe belgische Beispiel, das vielfach von verkehrter Seite auf unsere Genossen so faszinierend wirkt. Das Wichtigste, was sich als positive Lehre aus dem belgischen Experiment ergibt, ist gerade die Tatsache, daß die unorganisierten Massen in wichtigen Momenten nie versagen und daß jede ernste Aktion der Sozialdemokratie ohne diese Massen ganz undenkbar wäre. In Belgien lassen die gewerkschaftlichen wie die politischen Organisationen so ziemlich alles zu wünschen übrig. Auf jeden Fall können sie sich mit den deutschen nicht entfernt messen. Und doch kommt seit zwanzig Jahren ein imposanter Wahlrechtsstreik nach dem anderen zustande.

Allerdings können die Massen nur dann Erfolge erzielen, wenn die Führung der Partei konsequent, entschlossen und durchsichtig klar ist. Wird auf zwei Schritte vorwärts stets ein Schritt zurückgemacht, dann werden schließlich auch die Massenaktionen verpuffen. In jedem Fall versagt aber dann,wenn ein politischer Feldzug scheitert, nicht die unorganisierte Masse, sondern die organisierte Partei und ihre Führung.

Hier wird die zentralisierte Massenorganisation direkt als Fessel der freien Bewegung der Massen hingestellt. Die energischsten revolutionären Kämpfer stellen daher die unorganisierten Massen. Sie versagen nie. Wenn eine Aktion mißlingt, sind stets nur die Organisierten daran schuld. Dies offenbar der Gedankengang der obigen Ausführungen.

Die dem Parteitag vorgelegte Resolution Luxemburg, die die möglichst große Ausdehnung der proletarischen Organisationen zur Voraussetzung eines jeden Massenstreiks erklärte, weder die Propagierung des Massenstreiks noch Aktionen ohne Rücksicht auf die Konsequenzen forderte, war offenbar eine Kompromißresolution. Als solche erhielt sie 142 stimmen.

Es bedurfte in der Tat eines scharfen Auges, um in ihr noch Andeutungen jener Gedanken zu entdecken, die die Genossin Luremburg 1906 entwickelt hatte. Doch genügten sie, 333 Genossen zu veranlassen, dagegen zu stimmen. Diese Zahl wäre vielleicht noch größer geworden, wenn nicht die der Resolution Luxemburg gegenüberstehende Resolution des Parteivorstandes ebenso wie jene das Werk eines Kompromisses dargestellt hätte, eines Uebereinkommens zwischen mehreren Faktoren.

Wenn der Resolution Luxemburg durch ihre „Dämpfung“, um mit Frank zu sprechen, eine Reihe Genossen zugeführt wurde, die es entschieden abgelehnt hätten, ihre Anschauungen vom deutschen Massenstreik nach dem russischen Muster von 1905 zu bilden, so stieß die Dämpfung der Parteivorstandsresolution eine Reihe von Delegierten ab, die mit dem Vorstand die gleiche Auffassung vom Massenstreik hegten und ihm nur deshalb entgegentraten, weil sie die Diskutierung des Massenstreiks im gegenwärtigen Moment für notwendig hielten und beim Parteivorstand dabei nicht die gewünschte Gegenliebe fanden. Sie hatten die Diskussion gewünscht, nicht um neue Einsichten zu verbreiten, das war unmöglich, oder neue Beschlüsse zu fassen, die über die von Jena und Mannheim hinausgingen, sondern um dem augenblicklich stagnierenden Parteileben eine neue Anregung und neuen Schwung zu verleihen. Und da stieß sie die nüchterne und farblose Resolution des Vorstandes ab.

Man darf wohl annehmen, daß sie lebhafter ausgefallen wäre, wenn der Parteivorstand allein an ihr beteiligt war. Aber auch eine schwunghaftere Resolution hätte an der Stimmung der Massen nichts geändert. Die augenblickliche Stagnation war zu tief in der wirtschaftlichen Situation begründet, als daß ein paar feurige Worte einer Resolution genügt hätten, sie zu bannen.
 

c. Die Bedingungen des Massenstreiks

Man hat aus der Resolution, die der letzte Jenaer Parteitag akzeptierte, ein Begräbnis der Idee des Massenstreiks oder seine Hinausschiebung ins Endlose herausgelesen. Man irrte aber sehr, wenn man bei der Mehrheit des Parteitages eine solche Absicht suchte. Sie bekräftigte 1913 nur, was schon die Parteitage von 1906, 1907 und 1910 ausgesprochen hatten.

Man bemängelte namentlich den Satz:

„Der politische Massenstreik kann nur bei vollkommener Einigkeit aller Organe der Arbeiterbewegung ... geführt werden.“

Dieser Satz steht in vollem Einklang zu den bisherigen Erfahrungen mit dem Massenstreik.

Von all den politischen Massenstreiks, die seit zwei Jahrzehnten in den verschiedensten Ländern Europas ausgebrochen sind, gab es keinen, der nicht unter vollster Einigkeit aller Organe der Arbeiterbewegung geführt wurde. Sie haben sich nicht immer alle in gleicher Weise leitend an ihm beteiligt, sie haben ihm aber immer energisch ans vollem Herzen zugestimmt. Und nur in dieser Weise ist ein Massenstreik möglich.

Ein Massenstreik, der mit einer Kriegserklärung der Partei an die Gewerkschaften oder mit einer Durchbrechung der Disziplin in Partei oder Gewerkschaft, also mit der Zerreißung einer dieser Organisationen beginnen müßte, ein politischer Streik, der nicht die begeisterte Zustimmung aller Organe des proletarischen Klassenkampfes fände, trüge von vornherein den Keim des Mißlingens und des Zusammenbruchs in sich.

Ebensowenig wie die erste erheischt die zweite Bedingung des politischen Massenstreiks, von der in der letzten Jenaer Resolution die Rede ist, eine pessimistische Auslegung:

„Der Massenstreik kann nur ... von klassenbewußten, für die letzten Ziele des Sozialismus begeisterten und zu jedem Opfer bereiten Massen geführt werden.“

Das könnte übertrieben sein, wenn es allgemein gelten sollte; es ist sicher richtig für Deutschland, gilt aber auch fair alle anderen Länder wenigstens so weit, als es sich um Wahlrechtsstreiks handelt. Das, was der Parlamentarismus heute im allgemeinen leistet, selbst dort, wo allgemeines, gleiches und geheimes Wahlrecht herrscht, ist nicht so verführerisch, die Massen zu drängen, daß sie für seine Eroberung oder Behauptung alles aufs Spiel setzen. Das werden sie nur dort tun, wo sie hinter der heutigen Gestalt des Parlamentarismus alle seine kommenden Möglichkeiten sehen, die ihm das erstarkende Proletariat durch das allgemeine Wahlrecht verleihen und aufdrängen kann: wo sie hinter dem Parlamentarismus, der ein Organ der Nasführung der Volksmassen ist, jenen anderen Parlamentarismus sehen, der ein Organ ihrer Befreiung wird. Das ist aber nur dort möglich, wo die Masse für die letzten Ziele des Sozialismus begeistert sind.

Gilt dies für jeden Wahlrchtskampf, der so erbittert geführt wird, daß er ohne Massenstreik kaum zu einem Abschluß zu bringen ist, so namentlich für den preußischen. Hier wisssen die herrschenden Klassen ganz genau, daß sie das stärkste Bollwerk ihres Besitzes verteidigen, daß die Eröffnung eines breiten Zugangs in diese Zitadelle für das Proletariat die Eröffnung einer breiten Straße für den Vormarsch zum Sozialismus, also zur Expropriation der Expropriateure bedeutet. Den verzweifelten Widerstand der Expropriateure, der durch die Angst vor dem Sozialismus aufs höchste gesteigert ist, kann nur eine Begeisterung der Massen für den Sozialismus, die aufs höchste gesteigert ist, besiegen. Schon in den bloßen Wahlrechtskampf können wir nur Massen bringen, die an uns, an unsere Ziele, an unsere Kraft glauben, und nur solche werden mit uns in den Massenstreik eintreten.

Heißt die Anerkennung der beiden Bedingungen des Massenstreiks aber nicht ihn bis zum St. Nimmerleinstag verschieben, ihn praktisch abschwören? Werden nicht die Gewerkschafter stets dem Massenstreik widerstreben, und werden wir nicht immer Christliche und Gelbe und Indifferente unter uns habem?

Wer das glaubt, der leugnet die Möglichkeit eines Massenstreiks, aber auch die Möglichkeit einer Revolution. Richtig ist daran soviel, daß, solange sich die gegebenen Verhältnisse nicht ändern, ein Massenstreik in Deutschland nicht möglich ist. Aber die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen, und diese Aenderung ist es, auf die wir bauen dürfen.

Wenn Verhältnisse eintreten, die das gesamte Proletariat aufs tiefste erregen, in denen es entweder ungeheuer viel zu verlieren oder zu gewinnen hat, in denen es sich besonders stark und die Regierung besonders kopflos sieht – da ändert sich mit einem Male das Denken und Empfinden auch der Gleichgültigen und Furchtsamen. Dann drängen sie nach Taten, dann erfaßt die revolutionäre Ungeduld, die sonst nur einige Heißsporne beseelt, die ganze Masse, dann scharen sich alle, auch solche, die bisher Indifferente, Gelbe, Christliche gewesen, um uns, und das verleiht den Leitern der Partei wie der Gewerkschaften jene Entschlossenheit und Kühnheit, die erheischt ist, daß sie vorangehen und alles wagen.

Solche Situationen sind revolutionäre Situationen – noch nicht die Revolution, aber die Möglichkeit der Revolution. Wir brauchen nicht so weit zu gehen wie Rosa Luxemburg, die sagt:

„In Wirklichkeit produziert nicht der Massenstreik die Revolution, sondern die Revolution produziert den Massenstreik.“ (Massenstreik usw., S. 32)

Wohl aber dürfen wir für Deutschland sagen: Die Möglichkeit der Revolution produziert den politischen Massenstreik. Und dieser kann dann eine wirkliche Revolution produzieren – natürlich nicht sofort die soziale Revolution, die ein langer Prozeß ist, sondern eine politische Revolution, den Umsturz eines Regierungssystems, der zum Ausgangspunkt einer solchen Revolution werden muß.

Die Vorstandsresolution ist also ganz richtig, nur hätte sie ebenso gut sagen können: Der Massenstreik kann in Deutschland nur das Produkt einer revolutionären Situation sein.

Das sagten die Genossen mit der rebellischen Ungeduld auch, nur unterscheiden sie sich dadurch von uns, daß sie die Forderung der „kühnen Initiative“ aufstellen und glauben, durch kühnes Vorgehen revolutionäre Situationen schaffen zu können. Wir dagegen sind der Ueberzeugung, daß jene fieberhafte Erregung der Massen und jene Haltlosigkeit der Regierung, die eine politische Situation zu einer revolutionären gestalten, nur durch gewaltige Ereignisse hervorgerufen werden können, die weit über das Bereich unserer Partei hinaus die ganze Bevölkerung aufwühlen und in wildeste Bewegung versetzen.

Jeder Versuch, eine solche Erregung und Bewegung durch bloße Aktionen der Parteiorganisationen ohne derartige Ereignisse hervorzurufen, muß scheitern, muß zu einer Niederlage führen, die die Massen von uns abschreckt, nicht uns zuführt, die den Tag des Sieges hinausschiebt, nicht näher bringt. Und gerade deshalb, weil wir alle so ungeduldig sind, diesen Tag zu sehen, weil wir ihn aufs heißeste herbeisehnen, müssen wir uns vor jener rebellischen Ungeduld hüten, die die Revolution erzwingen will, statt ihr Kommen einfach vorzubereiten durch unermüdliches Arbeiten an jener gewerkschaftlichen und politischen „Schulung“ und Kräftigung der arbeitenden Massen, deren Mangel die russische Revolution zusammenbrechen ließ, und deren hohe Entwicklung uns allein die Gewähr leisten kann, daß das deutsche Proletariat, wenn es einmal den Sieg erringt, ihn auch festzuhalten vermag.

Freilich, ob solche Ereignisse eintreten, die den politischen Massenstreik in Deutschland möglich machen, kann niemand mit Sicherheit voraussagen. Aber der Massenstreik ist ja auch nicht Selbstzweck und auch nicht ein unerläßliches Erfordernis unseres Lebens und Aufsteigens. Er ist nur ein Kampfmittel unter vielen, eines, das am seltensten und schwierigsten anzuwenden ist. Erfordern die gegebenen Bedingungen andere Kampfmittel, wenden wir natürlich andere an. Der Massenstreik kann ein Mittel unseres Sieges werden, aber unser Sieg erheischt nicht unbedingt den Massenstreik. Es sind Situationen denkbar, in denen der Sieg durch andere Mittel errungen wird. Wohl bedeutet unseres Erachtens unter deutschen Verhältnissen der politische Massenstreik, wenn er gelingt, eine politische Revolution; aber die Revolution ist keineswegs gleichbedeutend mit dem Massenstreik, und man tut Unrecht, sie einander gleichzusetzen, wie das hin und wieder geschieht.

Ist aber der Massenstreik nicht ein Ereignis, dessen Eintritt in der Zukunft unvermeidlich wird, so ist er doch eines, dessen Wahrscheinlichkeit immer näher rückt. Nichts irriger, als zu glauben, die in der Vorstandsresolution ausgesprochenen Bedingungen des Massenstreiks seien in absehbarer Zeit ausgeschlossen. Schon im Laufe des letzten Jahrzehnts standen wir zweimal einer revolutionären Situation sehr nahe: Das eine Mal zur Zeit der russischen Revolution. Wäre diese im Dezember 1905 weiter gegangen, hätte sie unsere Erwartungen erfüllt und ein demokratisches Regime in Rußland begründet, dann mußte das entweder die preußische Regierung so einschüchtern, daß sie, ebenso wie die östererichische, freiwillig das Wahlrecht zum Landtag zu einem gleichen und geheimen machte und vielleicht noch einige Konzessionen dazu gab, oder es mußte sie antreiben, jede proletarische Bewegung zu Hause niederzustampfen und das demokratische Rußland im Kriege niederzuwerfen. Daß sich daraus ein Kampf auf Leben und Tod entspann, in dem der Massenstreik eine unbedingte Notwendigkeit werden konnte, und daß ihn unter den gegebenen Umständen das gesamte deutsche Proletariat mit größter Begeisterung, Energie und Zähigkeit bis aufs äußerste durchgeführt hätte, und daß dessen Sieg uns noch weit mehr gebracht hätte als eine Reform des Wahlrechts, unterliegt für mich keinem Zweifel. Indes wurde der Siegeslauf der russischen Revolution zu früh unterbrochen, als daß jene Eventualitäten hätten eintreten können.

Die zweite Möglichkeit einer revolutionären Situation trat ein, als zuerst der Marokkokonflikt und dann der Balkankrieg die Möglichkeit eines Weltkrieges auftauchen ließ. Gelang es der Internationale nicht, die erwachende Kriegsstimmung in breiten Volksschichten zu dämpfen, und vermochte die Furcht vor der Revolution den Krieg nicht hintanzuhalten, wurde er zur Wirklichkeit, dann war es aber auch unvermeidlich, daß er wenigstens in einigen der beteiligten Staaten zu einer Situation führte, die mit der Rußlands von 1905 die größte Aehnlichkeit hatte und auch ähnliche revolutionäre Vorkommnisse nach sich ziehen mußte – freilich mit dem Unterschied, daß in Westeuropa ein organisiertes und geschultes Proletariat sowie die Mittel parlamentarischen Kampfes in Aktion traten.

Auch diese Gefahr ist vorübergegangen – aber wer möchte in den heutigen Zeitläuften für dauernden Frieden bürgen! Jeder Moment kann neue internationale Verwicklungen bringen, etwa über die Abgrenzung der „Einflußsphären“ in der Türkei oder in China einen Zwist herbeiführen, der internationales Morden und als Gegenwirkung die Revolution entfesselt.

Indes bedarf es nicht so furchtbarer Ereignisse, um den Boden für einen erfolgreichen Massenstreik zu schaffen. Ich habe auf die möglichen Folgen einer siegreichen russischen Revolution und eines Weltkrieges nur deshalb hingewiesen, weil sie tatsächlich nahe vor der Türe standen und uns zeigen, mit welchen riesenhaften Umwälzungen unsere Zeit schwanger geht, wie leicht sie revolutionäre Situationen gebären kann. Ich möchte damit jedoch nicht den Glauben erwecken, daß bei uns ein Massenstreik notwendigerweise so kolossale Ereignisse wie eine russische Revolution oder einen Weltkrieg zur Vorbedingung habe.

Die Lage des Proletariats ist heute eine so verzweifelte, daß weit geringere Anlässe genügen, es in seiner Gesamtheit in wildeste Empörung zu versetzen und jene Bedingungen zu schaffen, die in der Resolution des Parteivorstandes genannt sind. Gerade die hochgradige Gespanntheit auch der inneren Verhältnisse macht Anlässe wahrscheinlich, die die Gesamtheit des Proletariats aufs tiefste in seinen Existenzbedingungen bedrohen und die Sozialdemokratie auch den bisher bürgerlich gegängelten oder indifferenten Arbeitermassen als einzigen Vertreter ihrer Interessen aufs klarste zeigen – oder andererseits Anlässe, die die Regierung in eine böse Klemme bringen, sie jedes Rückhalts in der Masse der Bevölkerung, auch der nichtproletarischen, wenigstens vorübergehend berauben und dadurch in der Masse der klassenbewußten Proletarier ihr Kraftbewußtsein gegenüber der Regierung und ihren Kampfesmut aufs höchste anstacheln. Das wird so eher der Fall sein, je mehr wir unsere Schuldigkeit tun in den inneren Kämpfen des Staates. Das ist ja selbstverständlich, muß aber doch betont werden, weil die Warnung vor der „kühnen Initiative“ und der Hinweis auf die „Ermattungsstrategie“ mitunter so aufgefaßt werden, als sollten sie eine Warnung vor jedem Kampf bedeuten. Wir können nicht bestimmt wissen, ob äußere oder innere Konflikte den Boden für einen Massenstreik bereiten, ob ein solcher durch Ereignisse des Auslandes bei uns entzündet wird, ob er dem Wahlrechtskampf entspringt, dem Kampf gegen die Agrarzölle, dem Kampf gegen neue Steuern, dem Kampf ums Koalitionsrecht, dem Kampf gegen militaristische Willkür. Aber das wissen wir mit Bestimmtheit, und darin ist die gesamte Sozialdemokratie einig, daß sie alle Kämpfe für proletarische Rechte und Interessen mit allen zweckdienlichen Mitteln und mit der größten Energie und Ausdauer zu führen hat und führen wird, und daß der Boden für den Massenstreik nur geschaffen werden kann durch Kampf, unermüdlichen und steten Kampf.

Doch liegt darin nicht eine besondere Vorbereitung des Massenstreiks. Darin liegt das Wesen unserer Partei von Anbeginn an. Die Waffen, die sie anwendet, wechseln mit ihrer Macht, mit ihren jeweiligen Aufgaben, mit ihren Kampfbedingungen. Auf keine Waffe legt sie sich fest.

Bei allem Wechsel in den Waffen bleibt sie aber stets die Partei des proletarischen Klassenkampfes. Ihn unter allen Umständen aufs intensivste zu führen, dann sind wir alle einig, trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßigkeit bestimmter Waffen unter bestimmten Bedingungen.


Zuletzt aktualisiert am: 10.9.2011