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Wir haben im 1. Kapitel des 1. Abschnitts die Unterscheidung kennen gelernt, die Marx zuerst gemacht, des Doppelcharakters der Waaren erzeugenden Arbeit: einerseits als bestimmter Form nützlicher, Gebrauchswerthe erzeugender Arbeit und andererseits als allgemein menschlicher einfacher Durchschnittsarbeit, die Waarenwerthe bildet. Diesem Doppelcharakter entsprechend ist auch der Produktionsprozeß unter der Herrschaft der Waarenproduktion ein zwieschlächtiger, ist er Einheit von Arbeitsprozeß und Werthbildungsprozeß, und als kapitalistischer Produktionsprozeß Einheit von Arbeitsprozeß und Verwerthungsprozeß. Wir haben im letzten Kapitel die beiden Elemente des Arbeitsprozesses kennen gelernt: Produktionsmittel und Arbeitskraft; wir haben aber auch die verschiedenen Rollen kennen gelernt, die diese beiden Elemente als Theile des Kapitals im Verwerthungsprozeß spielen. Wir haben gesehen, daß die Produktionsmittel in ganz anderer Weise an der Bildung des Produktenwerthes Antheil nehmen, als die Arbeitskraft.
Wir haben gefunden, daß der Werth der verzehrten Produktionsmittel im Werth des Produkts wieder erscheint. Die Uebertragung dieses Werthes geschieht im Arbeitsprozeß durch die Arbeit. Wie ist das aber möglich? Die Arbeit muß gleichzeitig Doppeltes vorbringen, neuen Werth schaffen und alten Werth übertragen. Es ist dies nur erklärlich durch den Doppelcharakteer der Arbeit, an den wir eben erinnert. In ihrer Eigenschaft als werthbildende allgemein menschliche Arbeit schafft sie neuen Werth; in ihrer Eigenschaft als Gebrauchswerthe erzeugende besondere Form nützlicher Arbeit überträgt sie den Werth der Produktionsmittel auf das Produkt.
Nur durch die besondere Form der Spinnarbeit kann der Werth von Baumwolle und Spindel auf das Garn übertragen werden; der Spinner dagegen kann denselben Werth, den er als Spinner schafft, auch durch andere Arbeit schaffen, wenn er z. B. Tischler wird; dann macht er aber kein Garn, überträgt nicht Baumwollenwerth auf Garn.
Der zwieschlächtige Charakter der Arbeit als werthbildender und werthübertragender Arbeit erhellt deutlich, wenn man den Einfluß eines Wechsels der Produktivität der Arbeit auf die Werthbildung und die Werthübertragung betrachtet. Die Größe des Werthes, der in einer Arbeitsstunde erzeugt wird, ändert sich nicht, wenn, unter sonst gleichen Umständen, die Produktivität der Arbeit wächst oder abnimmt. Die Menge der in einem bestimmten Zeitraum produzirten Gebrauchswerthe wächst oder nimmt dagegen ab mit der Produktivität der Arbeit. In demselben Maße also wächst oder vermindert sich die werthübertragende Fähigkeit der Arbeit.
Nehmen wir z. B. an, eine Erfindung verdopple die Produktivität der Spinnarbeit, indeß die Produktivität der Arbeit der Baumwollpflanzer die gleiche bleibe. In 1 Pfund Baumwolle seien 2 Arbeitsstunden enthalten, es koste, wenn wir bei unserer obigen Annahme bleiben, 1 Mark. Früher wurden in einer Stunde 2 Pfund Baumwolle versponnen, jetzt 4 Pfund. Derselbe Neuwerth, der früher den 2 Pfund durch die Arbeit einer Stunde zugesetzt wurde, wird jetzt den 4 Pfund zugesetzt, nach unserer Annahme 50 Pfennige. Aber der doppelte Werth wird jetzt in einer Stunde auf das Garn durch die Spinnarbeit übertragen: früher 2 Mark, jetzt 4 Mark.
Man sieht, die Werth erhaltende oder übertragende Kraft der Arbeit beruht auf einer anderen Eigenschaft derselben als ihre Werth bildende Kraft.
Da kein Produziren ohne Produktionsmittel möglich, ist jede Waaren produzirende Arbeit nicht nur Werth bildend, sondern auch Werth erhaltend, und zwar nicht nur in dem Sinne, daß sie die Werthe der verbrauchten Produktionsmittel auf das Produkt überträgt, sondern auch in dem Sinne, daß sie den Werth der ersteren vor dem Untergang bewahrt. Alles Irdische ist vergänglich, und so gehen auch die Produktionsmittel früher oder später zu Grunde, selbst wenn sie unbenutzt bleiben. Manche von ihnen, z. B. verschiedene Maschinen, verderben sogar schneller, wenn sie stehen bleiben, als wenn sie in Gang gehalten werden. Mit dem Gebrauchswerth der Produktionsmittel schwindet auch ihr Waarenwerth. Geschieht die Abnutzung normaler Weise im Produktionsprozeß, dann erscheint der Werth, den das Produktionsmittel verloren, im Werth des Produkts wieder. Verschleißt das Produktionsmittel, ohne im Produktionsprozeß verwendet zu werden, dann verschwindet sein Werth auf Nimmerwiedersehen. Der Kapitalist übersieht gewöhnlich diese Seite der Arbeit, sie kommt ihm aber sehr empfindllch zum Bewußtsein, wenn er, etwa in Folge einer Krise, gezwungen ist, den Produktionsprozeß zu unterbrechen. Marx führt das Beispiel eines englischen Baumwollspinners an, der 1862 die jährlichen Stillstandskosten seiner Fabrik in Folge der Baumwollenkrise auf 120.000 Mark veranschlagte, darunter 24.000 Mark für Verschlechterung der Maschinerie.
Die verschiedenen Produktionsmittel verhalten sich aber verschieden in Bezug auf die Art und Weise der Werthübertragung. Die einen verlieren im Arbeitsprozeß ihre selbständige Gestalt, so Rohmaterial und Hilfsstoffe. Andere bewahren ihre Gestalt im Arbeitsprozeß. Die Baumwolle, die versponnen wird, verliert ihre Gestalt, die Spindel, die spinnt, jedoch nicht. Die ersteren geben in jedem Produktionsprozeß ihren ganzen Werth an das Produkt ab, die letzteren nur Bruchtheile davon. Wenn eine Maschine 1000 Mark werth ist, und sich unter normalen Verhältnissen in 1000 Tagen abnutzt, so giebt sie in jedem Arbeitstag den Werth einer Mark an das in dieser Zeit mit ihrer Hilfe hergestellte Produkt ab.
Auch hier tritt uns der zwieschlächtige Charakter des Produktionsprozesses entgegen. Wie kann die Maschine 1/1000 ihres Werthes an ein bestimmtes Produkt abgeben? Bei dessen Herstellung ist ja nicht 1/1000 der Maschine, sondern die ganze Maschine in Thätigkeit. Dieser Einwand ist wirklich erhoben worden. Zu antworten ist, daß die ganze Maschine in den Produktionsprozeß eingeht, soweit er Arbeitsprozeß; dagegen nur ein entsprechender Bruchtheil derselben, soweit er Verwerthungsprozeß. Als Gebrauchswerth geht die ganze Maschine in jeden Produktionsprozeß ein; als Werth nur ein Bruchtheil von ihr.
Umgekehrt kann der ganze Werth eines Produktionsmittels in das Produkt übergehen, und doch nur ein Theil seines Körpers. Nehmen wir an, daß, um 100 Pfund Garn zu erzeugen, 115 Pfund Baumwolle unter normalen Verhältnissen erforderlich sind, daß die Menge der unverwendbaren Abfälle in diesem Falle 15 Pfund beträgt, so werden nur 100 Pfund Baumwolle in 100 Pfund Garn eingehen, aber in den Werth der 100 Pfund Garn wird der Werth von 115 Pfund Baumwolle übergegangen sein.
Die Produktionsinittel übertragen während des Arbeitsprozesses so viel Werth auf das Produkt, als sie während desselben selbst verlieren. Sie können ihm nie mehr Werth zusetzen, als sie selbst besitzen, wie groß auch ihr Gebrauchswerth sein mag. Es ist also gänzlich haltlos, wenn die Vulgärokonomie den Mehrwerth und seine verwandelten Formen, Zins, Prosit, Grundrente, aus dem Gebrauchswerth der Produktionsmittel ableiten will, aus ihren „Diensten.“
Der Werth der im Produktionsprozeß verbrauchten Produktionsmittel erscheint unverändert wieder im Werth des Produkts.
Die Arbeit erhält aber nicht nur Werth, sie bildet auch Neuwerth. Bis zu einem gewissen Zeitpuukt ersetzt die neuen Werth schaffende Arbeit nur den vom Kapitalisten im Kauf der Arbeitskraft verausgabten Werth. Dauert die Arbeit über diesen Punkt hinaus, so bildet sie überschüssigen Werth, Mehrwerth.
„Der Theil des Kapitals also,“ sagt Marx, „der sich in Produktionsmittel, d. h. in Rohmaterial, Hilfsstoffe und Arbeitsmittel umsetzt, verändert seine Werthgröße nicht im Produktionsprozeß. Ich nenne ihn daher konstanten (unveränderlichen, ständigen) Kapitaltheil, oder kürzer: konstantes Kapital.
„Der in Arbeitskraft umgesetzte Theil des Kapitals verändert dagegen seinen Werth im Produktionsprozeß. Er produzirt sein eigenes Aequivalent und einen Ueberschuß darüber, Mehrwerth, der selbst wechseln, größer oder kleiner sein kann. Aus einer konstanten Größe verwandelt sich dieser Theil des Kapitals fortwährend in eine variable (ihre Größe wechselnde). Ich nenne ihn daher variablen Kapitaltheil, oder kürzer: variables Kapital. Dieselben Kapitalbestandtheile, die sich vom Standpunkte des Arbeitsprozesses als objektive und subjektive Faktoren, als Produktionsmittel und Arbeitskraft unterscheiden, unterscheiden sich vom Standpunkt des Verwerthungsprozesses als konstantes Kapital und variables Kapital.“
Die Werthgröße des konstanten Kapitals ist natürlich nur in Bezug auf den Verwerthungsprozeß als beständige Größe aufzufassen. Durch den Produktionsprozeß, in welchem es angewandt wird, wird die Werthgröße des konstanten Kapitals nicht geändert, wohl aber kann dies durch andere Faktoren bewirkt werden. Auch das Verhältniß zwischen konstantem und variablem Kapital kann wechseln. Wir kommen darauf später noch zurück.
Zuletzt aktualisiert am 14.1.2011