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Die Börse ist der Markt für die Effekten. Darunter verstehen wir zunächst ganz allgemein „Wertpapiere“, die Geldsummen repräsentieren. Sie zerfallen in zwei Hauptgruppen: Geldanweisungen, die nichts anderes darstellen als Schuldscheine, also Kreditpapiere, die auf die Geldsumme lauten, auf die sie ausgestellt sind; deren Hauptrepräsentant ist der Wechsel. Die zweite Gruppe wird dargestellt von Papieren, die nicht die Geldsumme, sondern deren Ertrag repräsentieren; sie zerfallen wieder in zwei Unterabteilungen, in die festverzinslichen Papiere – Staatsschuldscheine und Obligationen – und in die Dividendenpapiere, Aktien. In der kapitalistischen Gesellschaft wird aber, wie wir bereits wissen, jeder regelmäßig (jährlich) wiederkehrende Ertrag als Revenue eines Kapitals anfgefaßt, dessen Größe gleich ist dem zu dem herrschenden Zinsfuß kapitalisierten Ertrag. So repräsentieren diese Wertpapiere gleichfalls Geldsummen. Der Unterschied gegenüber der früheren Gruppe ist jedoch der: bei den Kreditpapieren ist die Geldsumme das Primäre; Geld oder Wert von gleicher Größe ist wirklich verliehen worden und trägt nun Zinsen. Diese Papiere zirkulieren um eine bestimmte Zeit – sie finden ihr Ende, wenn das Kapital zurückbezahlt wird. Damit ist der Wechsel verfallen. Daß ständig Wechsel im Umlauf sind, hindert nicht, daß der einzelne Wechsel ständig verfällt und damit das ausgeliehene Kapital an den Ausleiher. Dieser hält dann die Geldsumme wieder in Händen und kann sie von neuem ausleihen. Der Verfall des Wechsels, also der ständige Rückfluß des Kapitals zu seinem Eigentümer, ist hier die Bedingung der ständigen Erneuerung des Prozesses.
Anders in der zweiten Gruppe: Hier ist das Geld definitiv weggegeben; bei den Staatspapieren kann es längst unproduktiv verzehrt sein, also gänzlich verschwunden sein, bei den Industriepapieren ist es im Ankauf von konstantem und variablem Kapital ausgegeben, es hat als Kaufmittel gedient, sein Wert ist nun vorhanden in den Elementen des produktiven Kapitals, die Geldsumme ist in den Händen der Verkäufer und kehrt nicht mehr zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Die Aktien können dieses Geld schon deshalb nicht mehr repräsentieren, weil dieses Geld in die Hände der Warenverkäufer (der Verkäufer der Elemente des produktiven Kapitals) übergegangen ist, deren Eigentum es damit wurde. Sie repräsentieren aber auch durchaus nicht das produktive Kapital selbst. Denn erstens haben die Aktienbesitzer keinen Anspruch auf irgendeinen Teil des produktiven Kapitals, sondern nur auf das Erträgnis, und zweitens repräsentiert die Aktie nicht irgendeinen konkreten Gebrauchswert nach Art der Warrants oder Ladescheine, wie es sein müßte, wenn die Aktie wirklich einen Anteil an dem produktive fungierenden Kapital darstellte, sondern sie gibt nur Anspruch auf eine Geldsumme. Daß sie das tut, macht ja die „Mobilisierung“ des industriellen Kapitals aus. Diese Geldsumme ist aber nichts anderes als der zum jeweiligen Zinsfuß kapitalisierte Ertrag. Hier ist also der Ertrag, die jährliche Revenue, der Ausgangspunkt für die Bewertung des Papieres, und erst nach dem Ertrag wird die Geldsumme berechnet.
Die festverzinslichen Papiere nähern sich der ersten Gruppe insofern, als jederzeit in einem bestimmten Moment einem festen Erträgnis eine bestimmte Geldsumme entspricht. Aber sie gehören zur zweiten Gruppe, weil das Geld, das sie ursprünglich repräsentierten, definitiv fortgegeben ist und nicht an den Ausgangspunkt zurückzukehren braucht, das Kapital, das sie darstellen, also fiktiv, seine Größe nur aus dem Ertrag berechnet ist. Der Unterschied der festverzinslichen Paniere von den anderen Ertragspapieren erscheint darin, daß, von den zufälligen Bestimmungsgründen abgesehen, ersxtere in ihren Preisen abhängen von dem Zinsfuß, letztere von diesem und der jeweiligen Höhe des Ertrages. Der Preis der ersteren wird somit verhältnismäßig nur geringen Schwankungen unterliegen, Schwankungen zudem, die allmählich vor sich gehen mit den leichter vorauszusehenden allgemeinen Schwankungen des Zinsfußes. Dagegen ist die Höhe des Ertrages bei der zweiten Gruppe unbestimmt, mannigfachen, nicht immer vorausberechenbaren Änderungen unterworfen, die starke Preisschwankungen dieser Papiere bewirken. Diese bilden damit das hauptsächliche Objekt der Spekulation.
Aus dem Bisherigen folgt bereits, daß die allgemein übliche Bezeichnung der Börse als „Kapitalmarkt“ ihr Wesen nicht trifft.
Die Papiere der ersten Gruppe sind Schuldscheine. Sie sind ihrer überwiegenden Mehrheit nach entstanden aus Akten der Zirkulation, aus Warenübertragung ohne Dazwischenkunft des Geldes, das hier nur als Zahlungsmittel fungiert hat. Sie haben als Kreditgeld das bare Geld ersetzt. Ihr Handel auf der Börse bedeutet nur die Übertragung der Kreditgewährung von dem einen auf den anderen. Die Zirkulation des Kreditgeldes hat aber, wie wir bereits wissen, zur Voraussetzung und zur Ergänzung die Zirkulation wirklichen Geldes. Da das Kreditgeld, das hier zirkuliert, nicht nur den inländischen, sondern auch den ausländischen Zahlungsverkehr vedrmittelt, so muß der Börse nicht nur das inländische Kreditgeld, sondern auch das ausländische Kreditgeld und Hartgeld zur Verfügung stehen. Als Ergänzung des Kreditgeldverkehrs findet daher auch der Handel in ausländischer Valuta und der Geldhandel auf der Börse sein Zentrum. Hier strömt das jederzeit verfügbare Geldkapital zusammen, um Anlage zu suchen und sie in den Kreditpapieren zu finden. In dieser Tätigkeit konkurriert die Börse mit den eigentlichen Kreditinstituten, den Banken. Der Unterschied ist aber sowohl quantitativ als qualitativ. Quantitativ, da hier nicht wie bei den Banken die Sammlung aus den verschiedensten kleinen Quellen eine Rolle spielt, sondern von vornherein große angesammelte Kapitalien nach Anlage suchen. Die Konzentration der Gelder, die bei den Banken eine so wichtige Funktion ausmacht, ist hier schon vollzogen. Qualitativ ist der Unterschied der, daß es sich nicht um verschiedene Arten der Kreditgewährung handelt, hier wird nur das Geld zur Verfügung gestellt, das zur Erhaltung der Kreditgeldzirkulation nötig ist. Das Geld wird angelegt in großen Beträgen, erstklassigen Wechseln. Sowohl bei der Nachfrage als bei dem Angebot handelt es sich um große Summen, Angebot und Nachfrage stehen sich konzentriert gegenüber. Hier ist es, wo der Marktpreis des Leihkapitals, der Zinsfuß, sich bildet. Es ist der reine Zins – befreit von jeder Risikoprämie –, handelt es sich doch um die besten Papiere, die in dieser schlechten kapitalistischen Welt zu haben sind, an deren Güte ein Zweifel weit unmöglicher ist al« ein Zweifel an der Güte des lieben Gottes. Der Zins auf diese feinsten Wechsel – fein natürlich nicht im Sinne des schnöden Gebrauchswerts, auch Primawechsel werden nicht auf Büttenpapier geschrieben – scheint unmittelbar aus dem bloßen Eigentum an Geldkapital herzurühren. Das Geld scheint gar nicht fortgegeben; denn es kann jeden Moment durch die stets mögliche Weiterbegebung des Wechsels realisiert werden. Auf alle Fälle wird es nur vorübergehend angelegt, stets bereit zu anderer Verfügung. Die Sicherheit und die kurze Fälligkeit bedingen die Niedrigkeit des Zinses für diese Anlagen, zu denen nur ganz große, oft nur momentan verfügbare Kapitalien geeignet sind. Es ist der Zins, der den Ausgangspunkt bildet für die Berechnung des Zinses für die anderen Anlagezweige. Seine Höhe bestimmt auch die Wanderungen der freien, schwebenden, flottierenden Geldkapitalien von und zu den verschiedenen Börsenplätzen. Diese Gelder treten in beständig wechselndem Umfang in die Zirkulation des Weltgeldes ein und aus. Die Börse bildet hier den Markt für den Geldverkehr der großen Banken und Großkapitalisten untereinander. Die Wechsel, um die es sich handelt, tragen die Unterschrift eines der ersten Bankhäuser. Die Banken des In- und Auslandes oder sonstige Großkapitalisten legen in diesen Wechseln flüssige Gelder zu zinstragender und absolut sicherer Verwendung an. Umgekehrt bringen die großen Kreditinstitute diese Wechsel an die Börse, um sich die nötigen Mittel zu verschaffen, wenn die an sie gestellten Ansprüche ihre verfügbaren Kapitalien überschreiten. [1]
Die Geldsummen, die dieser Verkehr erfordert, expandieren und kontrahieren sich, aber sie sind immer in einem gewissen Minimalumfang vorhanden. Mit ihnen werden die Wechsel gekauft, und die Gelder kehren zurück, wenn der Wechsel verfällt. Durch diese bebeständige Rückkehr des Geldes zu seinem Ausgangspunkt, durch seine Funktion als bloßer Vermittler des Kreditverkehrs, unterscheidet sich die Zirkulation des Geldes, das in dieser ersten Gruppe der Börsenpapiere angelegt wird, sofort von der Anlage des Geldes in der zweiten Gruppe, zum Beispiel von der Anlage in Aktien. Hier wird das Geld definitiv fortgegeben, in produktives Kapital verwandelt und wandert in die Hände der Warenverkäufer. Es kehrt nicht, wie im ersten Fall, zur Börse zurück. Statt des Geldes sind jetzt die kapitalisierten Zinstitel vorhanden. Hier wird wirklich dem Geldmarkt Geld entzogen.
Auf dem Wechselmarkt konkurriert die Börse mit den Banken. Die Entwicklung der letzteren nimmt der Börse einen Teil der Wechsel; die Beziehungen zwischen den industriellen Kapitalisten und der Börse als Vermittlerin des Zahlungskredits, die in der Entstehungszeit der Börsen deren wichtigste Funktion war, werden von den Banken zum größten Teil ihr abgenommen. Es bleibt ihr nur die Vermittlung zwischen den Banken selbst und der Devisenhandel, der die ausländischen Zahlungen vermittelt und den Wechselkurs reguliert. Aber auch hier vollzieht sich ein großer Teil des Verkehr direkt durch die Banken, die zu diesem Zwecke ihre auswärtigen Filialen unterhalten. Die Entwicklung der Banken wirkt in doppelter Hinsicht auf die Einschränkung dieses Teiles des Börsenverkehrs. Zunächst direkt dadurch, daß die Banken ihre stets wachsenden Gelder in immer größerem Maße ohne Vermittlung der Börse in Wechseln anlegen. Sodann dadurch, daß durch die Entwicklung der Banken der Wechselkredit zum Teil durch andere Kreditformen ersetzt wird.
Der Wechsel ist Kredit, der von einem produktiven Kapitalisten (darunter wird jeder Kapitalist, der Profit macht, verstanden, also auch der Kaufmann) dem anderen an Zahlungs Statt gegeben wird. Der Kapitalist, der ihn empfängt, läßt ihn von der Bank diskontieren, die somit jetzt den Kredit gewährt. Haben beide Kapitalisten ein Depot oder einen offenen Bankkredit bei der Bank, so können sie statt des Wechsels mit einem Scheck auf die Bank oder durch Überschreibung in den Büchern der Bank ihre Zahlung regeln. Die Wechsel ist überflüssig geworden. An seine Stelle ist eine Transaktion in den Büchern der Bank getreten, die nach außen im Gegensatz zum Wechsel, der weiterbegeben werden kann, gar nicht in Erscheinung tritt. Dadurch, daß die Banken in immer größerem Maße die Zahlungen ihrer Kunden regeln, findet eine Einschränkung des Wechselverkehrs statt, von der auch der Börsenmarkt für Wechsel betroffen wird. Dazu kommt in Ländern mit Notenbankmonopol die beherrschende Stellung der Notenbank auf dem Devisenmarkt, eine Stellung, die nicht zugunsten der Börse, sondern nur zugunsten der Großbanken erschüttert wird. Eine spezifische Börsentätigkeit findet auf diesem Gebiete des Kreditgeldumsatzes nicht statt, mit Ausnahme der Valutaspekulation. Die Börse ist hier nur der zusammenfassende Markt für die Geldsummen, die dem Kreditgeldverkehr zur Verfügung gestellt werden.
Das Gebiet der eigentlichen Börsentätigkeit ist der Markt der Zinstitel oder des fiktiven Kapitals. Hier findet zunächst die Anlage des Geldes als Geldkapital statt, das in produktives umgewandelt werden soll. Das Geld wird definitiv im Ankauf der Zinstitel fortgegeben und kehrt nicht wieder zurück. Der Börse strömt nur alljährlich der erzielte Zins zurück, also anders als bei der Geldanlage für Kreditpapiere, wo das Kapital selbst gleichfalls zurückkehrt. Vielmehr ist für den Kauf und Verkauf der Zinstitel weiteres Geld nötig, das der Zirkulation an der Börse selbst dient. Diese Geldsummen sind im Verhältnis zu den umgesetzten Summen gering, Da die Zinstitel Geldanweisungen darstellen, so können sie unmittelbar miteinander kompensiert werden, und es ist stets nur eine kleine Bilanz auszugleichen; durch eigene Anstalten zur Abrechnung dieser Differenzen wird dafür gesorgt, daß tatsächlich nur der Betrag der Bilanz mit Bargeld beglichen werden muß. Absolut genommen sind aber die für Börsenzwecke erforderlichen Zirkulationsmittel namentlich in Zeiten starker Spekulation bedeutend, da gerade in erregten Spekulationszeiten die Spekulation meist einseitig gerichtet ist und daher die Bilanz, die auszugleichen bleibt, stark anwächst.
Es entsteht nun die Frage nach der Art der Börsentätigkeit und ihrer Funktion. Wir haben gesehen, daß die Börsentätigkeit auf dem Wechselmarkt mit der Tätigkeit der Banken übereinstimmt. Ebenso ist der Kauf von Wertpapieren zu Anlagezwecken keine spezifische Funktion der Börse. Die Wertpapiere können ebensogut auf der Bank gekauft werden wie auf der Börse und werden es auch in der Tat in immer höherem Maße. Die spezifische Börsentätigkeit ist vielmehr die Spekulation.
Die Spekulation erscheint zunächst als Kauf und Verkauf. Es ist aber nicht Kauf von Waren, sondern von Zinstiteln. Damit der produktive Kapitalist seinen Profit realisiert, muß sein Warenkapital in Geld verwandelt werden, also seine Ware verkauft sein. Nimmt ihm die Verkaufsfunktion ein anderer Kapitalist ab, so muß der Industrielle einen Teil seines Profites abtreten. Der ganze in der Ware steckende Profit wird erst beim Verkauf an den Konsumenten definitiv realisiert. Die Ware wird dabei vom Produzenten zum Konsumenten bewegt, wobei es natürlich unsinnig ist, dabei an die örtliche Bewegung zu denken (man denke nur an den Häuserkauf) und den Handel mit dem Transport zu verwechseln. Bei Kauf und Verkauf handelt es sich nicht um Lokalereignisse, sondern um ökonomische Vorgänge, Eigentumsübertragungen. Bei allen nicht intensiven Vorgängen handelt es sich auch um räumliche Veränderung. Aber wer sieht das Wesen des Theatervergnügens im Aufsuchen des Theaterraumes?
Dir Ware fällt schließlich der Konsumtion anheim und verschwindet damit vom Markt. Der Zinstitel ist dagegen seiner Natur nach ewig. Er fällt nie in dem Sinne aus der Zirkulation wie die Ware. Selbst wenn er zu Anlagezwecken dem Markt momentan entzogen ist, kann er doch jederzeit auf den Markt zurückkehren und kehrt tatsächlich nach längerer oder kürzerer Zeit in größerer oder geringerer Anzahl dorthin zurück. Für die Spekulation selbst ist aber die Entfernung des Zinstitels vom Markte und damit aus der Zirkulation weder Zweck noch Wirkung. Das eigentliche Spekulationspapier ist beständig auf der Börse in Zirkulation. Es ist ein Hin- und Herbewegen, ein Kreisen und keine Fortbewegung.
Der Warenkauf und -verkauf ist ein gesellschaftlich notwendiger Vorgang. Durch ihn erfüllt sich in der kapitalistischen Wirtschaft die Lebensbedingung der Gesellschaft, er ist eine Conditio sine qun non dieser Gesellschaft. Die Spekulation ist dies keineswegs in gleicher Weise. Sie betrifft nicht das kapitalistische Unternehmen, weder den Betrieb noch sein Produkt. Der Besitzwechsel, die stete Zirkulation, ist für das einmal gegründete Unternehmen ohne Einfluß. Die Produktion und ihr Ertrag wird nicht dadurch berührt, daß die Anweisungen auf den Ertrag die Hände wechseln; ebensowenig wird der Wert des Ertrages geändert durch die Preisänderungen der Aktien. Umgekehrt ist es caet. par. der Wert des Ertrages, der diese Preisänderungen bestimmt. Der Kauf und Verkauf dieser Zinsanweisungen ist also ein rein wirtschaftliches Phänomen, eine reine Verschiebung in der privaten Eigentumsverteilung, ohne jede Einwirkung auf die Produktion oder die Realisierung des Profits (wie beim Warenverkauf). Die Gewinne oder Verluste der Spekulation entstehen also nur aus den Differenzen der jeweiligen Bewertungen der Zinstitel. Sie sind nicht Profit, nicht Anteil am Mehrwert, sondern entspringen nur aus Schwankungen der Bewertungen des Mehrwertanteiles, der aus dem Unternehmen auf die Aktienbesitzer entfällt, Schwankungen, die, wie wir noch sehen werden, durchaus nicht aus Veränderung im wirklich realisierten Profit zu entstehen brauchen. Es sind reine Differenzgewinne. [2] Während die Kapitalistenklasse als solche sich einen Teil der Arbeit des Proletariats ohne Äquivalent aneignet und so ihren Profit erzielt, gewinnen die Spekulanten nur voneinander. Der Verlust des einen ist der Gewinn des anderen. Les affaires, c’est l’argent des autres.
Die Spekulation besteht in der Ausnützung der Preisänderung. Aber nicht in der Ausnützung der Preisänderung der Waren. Dem Spekulanten ist es im Gegensatz zum produktiven Kapitalisten gleichgültig, ob die Preise sinken oder steigen. Ihm handelt es sich nicht um Warenpreise. Diese kommen für ihn nicht in Betracht, sondern nur die Preise seiner Zinstitel. Diese hängen aber ab von der Größe des Profits, einer Größe, die steigen oder fallen kann, bei gleichbleibenden, sinkenden oder steigenden Preisen. Denn für den Profit entscheidend ist nicht die absolute Preishöhe der produzierten Ware, sondern das Verhältnis ihres Kost- zu ihrem Verkaufspreis. Aber es ist dem Spekulanten auch nicht wesentlich, ob der Profit steigtoder ob er fällt; es kommt ihm nur auf die Veränderung an und darauf, diese vorauszusehen. Sein Interesse ist durchaus ein anderes als das des produktiven Kapitalisten sowohl, als auch des Geldkapitalisten, der einen möglichst stabilen, sich womöglich stets erhöhenden Ertrag wünscht. Die Warenpreiserhöhungen haben nur dann Einfluß auf die Spekulation, wenn sie Index eines erhöhten Profits sind. Es sind die Veränderungen im Profit, die vorausgehen müssen, respektive erwartet werden, die die Spekulation bestimmen. Der Profit aber, der da produziert wurde, wird verteilt ohne Rücksicht auf die Spekulation. Der Profit verteilt sich ja auf die Eigentümer des produktiven Kapitals oder auf die Eigentümer der Profittitel. Der Spekulant aber als solcher zieht seinen Gewinn durchaus nicht aus dem erhöhten Profit; er kann ebenso gewinnen durch einen Fall des Profits; er rechnet überhaupt nicht auf die Profiterhöhung, sondern nur auf die Preisveränderungen der Profittitel infolge der Profitsteigerung oder -senkung. Er behält nicht die Profittitel in der Hoffnung, erhöhte Profite einzustecken – das tut der Anlagekapitalist –, sondern er sucht zu gewinnen durch Kauf und Verkauf seiner Profittitel. Sein Gewinn besteht aber nicht in irgendeiner Anteilnahme am Profit – er gewinnt ja eventuell auch bei fallendem Profit –, sondern an der Preisveränderung, daran, daß er in einem gegebenen Zeitpunkt billiger kaufen kann, als er früher verkauft, oder teurer verkaufen, als er früher gekauft hat. Würden alle Teilnehmer der Spekulation in gleicher Richtung handeln, würden also alle gleichzeitig die Profittitel höher oder niedriger bewerten [3], so könnten überhaupt keine Spekulationsgewinne entstehen. Sie entstehen nur dadurch, daß entgegengesetzte Bewertungen sich bilden, von denen nur eine sich als richtig herausstellen kann. Die Differenz, die zwischen den Bewertungen der Profittitel zu einem gegebenen Zeitpunkt zwischen Käufern und Verkäufern entsteht, bildet den Spekulationsgewinn des einen, den Spekulationsverlust des ändern. Der Gewinn des einen ist hier der Verlust des ändern, ganz im Gegensatz zum Profit des produktiven Kapitalisten; denn der Profit der Kapitalistenklasse ist kein Verlust der Arbeiterklasse, die unter normalen kapitalistischen Verhältnissen nicht mehr als den Wert ihrer Arbeitskraft zu erhalten hat.
Es sind nun die Momente zu untersuchen, die die Spekulation bei ihren Operationen berücksichtigt. Das Hauptobjekt der Spekulation sind die nicht festverzinslichen Papiere. Hier hängen die Preisveränderungen im wesentlichen von zwei Faktoren ab. Von der Höhe des Profits und von der Höhe des Zinsfußes. Der Profit ist zwar im allgemeinen theoretisch gegeben durch die Durchschnittsprofitrate. Aber diese ist nur der Ausdruck einer unzähligen Reihe von Einzelprofiten, deren Höhe von dem Durchschnittsniveau durchaus abweichen kann. Die Höhe des individuellen Profits ist aber für den Außenstehenden völlig unerkennbar. Neben den allgemeinen Bestimmgründen der Profitrate: Größe des Mehrwerts und Größe des vorgeschossenen Kapitals, spielen hier alle Zufälligkeiten der Variationen der Marktpreise, der Ausnützung der Konjunktur durch individuelles Geschick der Unternehmer eine entscheidende Rolle. Nach außen tritt nur der Marktpreis der Ware in Erscheinung; das entscheidende Moment, das Verhältnis des Marktpreises zum Kostpreis, bleibt nach außen unerkennbar, ist oft den Unternehmern selbst erst am Schluß einer Umschlagsepoche nach genauer Berechnung bekannt. Abgesehen von der wirklichen Größe des Profits, spielen eine Reihe von mehr oder weniger willkürlichen Momenten eine Rolle, die auf den Ertrag einwirken, der wirklich zur Verteilung auf die Zinstitel gelangt: Höhe der Abschreibungen, der Tantiemen, Bemessung der Reserven usw. Die letzteren Momente geben zugleich der Leitung des Unternehmens ihr Macht, die Höhe des Ertrages bis zu einem gewissen Umfang willkürlich festsetzen zu können und so die Kurse zu beeinflussen. Aber jedenfalls ist der eine Faktor der Preisbestimmung und der in praxi entscheidende für die Masse der Spekulanten durchaus unberechenbar. Bei den geringfügigen Preisdifferenzen, um die es sich manchmal handelt, und bei der Größe des Ausschlages, den eine Veränderung des Profits durch seine Kapitalisierung im Kurse bewirkt, ist mit einer allgemeinen, mehr oder weniger oberflächlichen Kenntnis des Unternehmens noch sehr wenig getan. Umgekehrt gibt die intime Kenntnis den Eingeweihten eine große Sicherheit und die Befähigung, ihre Kenntnis fast risikolos zu Spekulationsgewinnen auszunützen.
Anders steht es mit dem zweiten Preisbestimmungsgrund, dem Zinsfuß. Wir haben gesehen, daß zur Betätigungsmöglichkeit der Zirkulation eine Divergenz der Meinungen über die voraussichtliche Kursgestaltung bestehen muß, wie sie sich etwa aus der Ungewißheit über den künftigen Profit ergibt. Der Zinsfuß ist dagegen ähnlich wie der Marktpreis der Ware in jedem gegebenen Moment eine gegebene Größe, also allen Spekulanten gleich bekannt. Aber auch seine Veränderung läßt sich in ihrer Richtung wenigstens mit annähernder Wahrscheinlichkeit vorausbestimmen, abgesehen von plötzlichen, mehr oder weniger starken Perturbationen, wie sie außerordentliche, direkt auf den Geldbedarf einwirkende Ereignisse, Kriegs- oder Revolutionsausbruch, kosmische Katastrophen, mit sich bringen. Zudem tritt die Intensität der Wirkung von Zinsfußveränderungen auf die Kurse zurück; niedriger Zinsfuß herrscht gewöhnlich in Zeiten der Depression, wo die Spekulation matt, das Vertrauen gering ist und das Kursniveau der Industriepapiere trotz des niedrigen Zinsfußes tief steht. Umgekehrt wird zur Zeit der Hochkonjunktur und der entfesselten Spekulation der hohe Zinsfuß durch die Erwartung gesteigerter Kursgewinne überwunden. Ist somit der Zinsfuß und seine Gestaltung ein sichereres Moment als die Vorausberechnung des Profits, so ist es im Wesen die Gestaltung des letzteren, die die Richtung der Spekulation angibt und ihre Intensität bestimmt. Es ist also gerade das unsichere, unberechenbare Moment, das die Spekulanten in Rechnung ziehen sollen. Mit anderen Worten: irgendeine sichere Voraussicht ist der Spekulation unmöglich, sie tappt bei ihren Operationen im Dunkeln. Die Börsenspekulation hat den Charakter von Spiel und Wette. Aber diese Wette wird zur Wette à coup sûr für die Eingeweihten.
Wie bei allen Preisen kann man auch bei den Kursen neben den eigentlichen Bestimmgründen des Preises jene gelegentlichen unterscheiden, die im veränderten Verhältnis von Nachfrage und Angebot zum Ausdruck kommen. Für die Spekulation, der es nur auf die Preisänderung und nicht auf deren Gründe ankommt, sind diese natürlich gleichgültig. Anderseits liegt es im Wesen der Spekulation, mit ihren stets wechselnden Stimmungen und Erwartungen – ein Wechsel, der aus ihrer Unsicherheit notwendig sich ergibt – selbst ein stets wechselndes Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu schaffen, das wieder preisändernd wirkt; jede Preisänderung aber ist auf diesem Gebiet wieder der Anstoß für neue Spekulationen, neue Engagements und Positionsänderungen, mit neuem Wechsel für Nachfrage und Angebot. So schafft die Spekulation in den Papieren, deren sie sich bemächtigt, einen stets aufnahmebereiten Markt, gibt so die Möglichkeit für andere kapitalistische Kreise, ihr fiktives Kapital in wirkliches zu verwandeln, schafft also den Markt für den Umsatz des fiktiven Kapitals und damit die Möglichkeit des steten Wechsels der Anlagen im fiktiven Kapital und seiner steten Rückverwandlung in Geldkapital.
Die Unsicherheit der Spekulation schafft aber auch ein andere« Phänomen, die Möglichkeit der Beeinflussung der Spekulationsrichtung, des „Mitnehmens“ der kleinen Spekulanten durch die großen. Da der Spekulant nichts weiß (oft im allgemeinen, aber jedenfalls nichts im besonderen) [4], so folgt er äußeren Anzeichen, der Stimmung, der allgemeinen Strömung des Marktes. Diese Stimmung kann aber erzeugt werden und wird in der Tat erzeugt von den großen Spekulanten, die zudem mit mehr oder minderem Recht als eingeweiht gelten. Ihre Spekulationen werden von den Kleinen nachgemacht. Sie befestigen durch umfangreiche Käufe den Markt und erhöhen das Kursniveau, indem ihre gesteigerte Nachfrage die Preise hinauftreibt. Ist die Bewegung im Gange, so steigert sich die Nachfrage durch die Käufe aller jener, welche in ihrem Gefolge zu spekulieren glauben, und die Preise erhöhen sich weiter, obwohl die Beteiligung der Großen bereits aufgehört hat. Diese können jetzt je nach ihrem Zweck ihren Gewinn allmählich realisieren oder das erhöhte Kursniveau mehr oder minder lang behaupten. Hier erzeugt die Verfügung über das größere Kapital unmittelbar die Überlegenheit auf dem Markt, da die Marktrichtung selbst durch die Anwendungsart dieses Kapitals bestimmt wird. Während auf dem Gebiet der Produktion der Vorteil des größeren Kapitals in der billigeren Produktion, also in der Senkung des Preises besteht, wird hier die Preisänderung direkt durch die Einwirkung des Kapitals hervorgerufen. Diesen Umstand können die Großhändler in Effekten, die Banken, benützen, um die Spekulation in eine bestimmte Richtung zu drängen. Sie geben ihrer zahlreichen Klientel Winke für Kauf und Verkauf bestimmter Wertpapiere und erzielen somit gewöhnlich eine ihnen im voraus bekannte Verschiebung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage, was für sie, wie ein jedes Vorauswissen der Spekulationsrichtung, gewinnbringend ist. Zugleich aber zeigt sich die Wichtigkeit dieser Mitgeher, der Außenseiter oder des Publikums. Für die berufsmäßige Spekulation mögen sich Gewinne und Verluste gegenseitig aufheben; das große Publikum aber, das nur der Richtung folgt, die die großen Spekulanten anzeigen, und in dieser Richtung verharrt, wenn sich jene bereits mit ihrem realisierten Gewinn zurückgezogen haben, diese Naiven, die glauben, daß für sie jetzt der Moment gekommen sei, um teilzunehmen an den Früchten der Hochkonjunktur, sie sind es, die die Verluste zu tragen haben und bei jedem Umschlag der Konjunktur oder auch nur bei jedem Umschlag der Börsenstimmung die Differenzen zahlen müssen, deren Einsackung die „produktive Tätigkeit“ der Spekulation ausmacht.
Aber daß die Spekulation unproduktiv ist, daß sie den Charakter von Spiel und Wette trägt und in der Volksmeinung ganz richtig so eingeschätzt wird, dies alles sagt nichts gegen die Notwendigkeit der Spekulation auf Basis der kapitalistischen Gesellschaft oder zum mindesten in einer bestimmten Epoche der kapitalistischen Entwicklung. Es ist überhaupt ein apologetischer Kniff, alles, was in der kapitalistischen Gesellschaft notwendig ist, als produktiv auszugeben; vielmehr schließt die kapitalistische Produktion infolge ihrer Anarchie, infolge des Antagonismus zwischen den Eigentümern der Produktionsmittel und ihren Anwendern, in der Art ihrer Distribution von vornherein eine große Summe von Ausgaben und Aufwendungen ein, die keine Erhöhung des Reichtums bedeuten, in einer organisierten Gesellschaft in Wegfall kommen und in diesem Sinne unproduktiv [5] sind. Ihre Notwendigkeit in der kapitalistischen Gesellschaft zeugt nicht für ihre Produktivität, sondern nur gegen die Organisation dieser Gesellschaft.
Die Spekulation ist aber notwendig für die Erfüllung der Funktionen der Börse, die nun näher zu betrachten sind.
Die Funktion der Börse ändert sich im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung. In ihren Anfängen diente die Börse dem Umsatz von Geldsorten und Wechseln. Dazu war nur nötig die Ansammlung freier Geldkapitalien, die in diesen Wechseln angelegt werden. Später wird sie zum Markt des fiktiven Kapitals. Dieses entwickelt sich zuerst mit der Entwicklung des Staatskredits. Die Börse wird zum Markt der Staatsanleihen. Aber umwälzend wirkt erst die Verwandlung von industriellem Kapital in fiktives Kapital, also das immer stärkere Eindringen der Aktiengesellschaft in die Industrie. Einerseits dehnt sich damit das der Börse zur Verfügung stehende Material rasch und unbegrenzt aus, anderseits ist das Vorhandensein der Börse als stets aufnahmebereiter Markt die Voraussetzung für die Verwandlung von industriellem in fiktives Kapital und der Deduktion der Dividende auf Zins.
Mit der Entstehung dieses Marktes des fiktiven Kapitals ist die Möglichkeit der Spekulation gegeben. Anderseits ist die Spekulation nötig, um diesen Markt stets aufnahmebereit zu machen und dadurch erst dem Geldkapital als Geldkapital die Möglichkeit zu j;eben, sich stets in fiktives Kapital und aus fiktivem Kapital wieder in Geldkapital zu verwandeln. Denn dadurch, daß durch Kaufen und Verkaufen Differenzgewinne gemacht werden können, ist der fortwährende Anreiz zum Kaufen und Verkaufen gegeben, ist also das beständige Dasein eines aufnahmebereiten Marktes verbürgt. Es ist die wesentliche Funktion der Börse, diesen Markt für die Anlage des Geldkapitals herzustellen. Denn dadurch wird die Anlagemöglichkeit des Kapitals als Geldkapital erst in weitem Umfang gegeben. Denn damit Kapital als Geldkapital fungieren kann, muß es erstens eine ständige Revenue – Zins – abwerfen, zweitens muß die Hauptsumme selbst zurückfließen oder, falls sie nicht tatsächlich zurückfließt, doch jederzeit gegen Verkauf der Zinsforderung zurückfließbar gemacht werden können. Die Börse erst hat die Mobilisierung des Kapitals möglich gemacht. Diese Mobilisierung ist juristisch nichts anderes als eine Umwandlung und zugleich eine Verdoppelung des Eigentumsrechts. [6] Das Eigentum an den wirklichen Produktionsmitteln geht über von den Einzelpersonen an eine juristische Gesellschaft, die zwar aus der Gesamtheit dieser Einzelpersonen besteht, in der aber die Einzelperson als solche durchaus nicht mehr das Eigentumsrecht an deren Vermögen hat. Die Einzelperson hat vielmehr nur einen Anspruch auf den Ertrag; ihr Eigentum, das einst tatsächliche, unumschränkte Verfügung über die Produktionsmittel und damit die Leitung der Produktion bedeutete, ist jetzt in einen bloßen Ertragstitel umgewandelt und ihr die Verfügung über die Produktion genommen. Ökonomisch aber besteht die Mobilisierung in der Möglichkeit für den Kapitalisten, sein angelegtes Kapital jederzeit in der Form von Geld zurückziehen und auf andere Sphären übertragen zu können. Je höher die organische Zusammensetzung des Kapitals wurde, desto weniger konnte dieser Wechsel sich durch tatsächliche Veränderungen der Anlage des produktiven Kapitals in seinen stofflichen Elementen vollziehen. Die Tendenz zur Ausgleichung der Profitrate findet in stets höherem Maße Widerstand an der steigenden Unmöglichkeit, das produktive Kapital, dessen Hauptbestandteil vom fixen Kapital gebildet wird, aus einem Produktionszweig zurückzuziehen. Die tatsächliche Bewegung der Ausgleichung vollzieht sich nur langsam, allmählich und annähernd, hauptsächlich durch die Anlage des neu zu akkumulierenden Mehrwerts in den Anlagesphären mit höherer Profitrate und der Unterlassung von Neuanlagen in solchen mit niedrigerer Rate. Umgekehrt ist die Zinsrate im Gegensatz zur Profitrate in jedem gegebenen Moment gleich und allgemein. Die Gleichheit alles Kapitals – und diese besteht für den individuellen Kapitalisten nicht in der Gleichheit der Wertsumme, sondern in der Gleichheit des Ertrages gleich großer Werte – findet ihren adäquaten Ausdruck erst in der Allgemeinheit und Gleichheit der Zinsrate. Die Gleichgültigkeit des Kapitalisten gegen den Gebrauchswert, gegen die jeweilige konkrete Anlagesphäre seines Kapitals, die Tatsache, daß das Kapital nichts ist als Mehrwert heckender Wert, nur in diesem Quantitätsverhältnis in Betracht kommt, nur Profittitel ist, führt bei tatsächlicher Verschiedenheit des Ertrages (Profits) zu einer verschiedenen Bewertung der gleichen Kapitalwerte. Von zwei Kapitalien vom Wert 100, von denen das eine 10, das andere 5 Profit abwirft, wird das erste doppelt so hoch bewertet als das zweite. Die Verschiedenheit des Profits, den das individuelle Kapital abwirft, führt einerseits durch das Streben des individuellen Kapitalisten nach möglichst hohem Profit für sein Kapital zur Konkurrenz der Kapitalien um die Anlagesphären und damit zur Tendenz der Ausgleichung der Profitraten (und vorher der Mehrwertraten) und zur Herstellung der allgemeinen Durchschnittsprofitrate, und anderseits, da diese Ungleichheit der individuellen Profitraten ständig sich neu erzeugt und ständig die Bewegung der Kapitalien hervorruft, wird diese Ungleichheit ständig für den individuellen Kapitalisten überwunden durch die Bewertung seines Kapitals nach dem zum Zinsfuß kapitalisierten Ertrag. Damit diese Bewertung praktisch wird, die Kapitalisten qua Kapitalisten wirklich gleich sind, die Gleichheit alles dessen, was Profit trägt, endlich verwirklicht werde, muß dieses Kapital auch jederzeit nach diesem Bewertungsmaßstab realisiert werden können, und zwar realisiert werden in der gesellschaftlich gültigen Form – als Geld. Erst dann ist die Gleichheit der Profitrate für jeden individuellen Kapitalisten verwirklicht. Diese Verwirklichung ist zugleich die Umkehrung des tatsächlichen Verhältnisses. Das Kapital erscheint nicht mehr als bestimmte Größe und diese als entscheidend über diu Größe des Profits. Vielmehr erscheint der Profit als bestimmte Größe fixiert und danach die Größe des Kapitals bestimmt; eine Bestimmung, die bei der Gründung der Aktiengesellschaft praktisch wird, die Erzielung des Gründungsgewinnes ermöglicht und dessen Höhe bestimmt. Die wirklichen Verhältnisse erscheinen auf den Kopf gestellt. Was Wunder, daß jenen Ökonomen, die die ökonomischen Verhältnisse mit Börseaneraugen ansehen, umgekehrt die Darstellung der wirklichen Verhältnisse als Verkehrtheit erscheint!
Die Gleichheit alles Kapitals realisiert sich so in seiner Bewertung nach seinem Ertrag. Realisiert aber und damit wirklich werden diese so bewerteten Kapitalien eben auf der Börse, dem Markte der kapitalisierten Zinstitel, des fiktiven Kapitals. Treibt so die innere Gesetzmäßigkeit des Kapitalismus, sein Bedürfnis, alle in der Gesellschaft vorhandenen Werte als Kapital in den Dienst der Kapitalistenklasse zu stellen und für jeden Kapitalsteil den gleichen Ertrag zu erhalten, zur Mobilisierung des Kapitals und damit zu seiner Bewertung als bloßes zinstragendes Kapital, so erfüllt die Börse die Funktion, diese Mobilisierung zu ermöglichen, indem sie den Ort für die Übertragung und den Mechanismus derselben schafft.
Die Mobilisierung des Kapitals verwandelt in steigendem Maße das kapitalistische Eigentum in Ertragsanweisungen und macht dadurch den kapitalistischen Produktionsprozeß in wachsendem Umfang unabhängig von der Bewegung des kapitalistischen Eigentums. Denn der Handel mit diesen Ertragstiteln, der auf der Börse vor sich geht, bedeutet eine Eigentumsbewegung. Diese Eigentumsübertragung kann aber jetzt unabhängig von der Bewegung der Produktion und ohne Einfluß auf diese vor sich gehen. Die Eigentumsbewegung ist jetzt verselbständigt und wird nicht mehr durch Produktionsvorgänge bestimmt. Während früher Eigentumsbewegung zugleich Übertragung der kapitalistischen Unternehmerfunktion bedeutete und anderseits Wechsel der Unternehmerfunktion Wechsel des Eigentums bedingte, ist das jetzt nicht mehr der Fall. Und während früher der Hauptgrund zur Änderung der Eigentumsverteilung geänderte Produktionsergebnisse waren, die Eigentumsverteilung ein Produkt der industriellen Konkurrenz, treten zu diesen fortwirkenden Ursachen andere, die aus dem Mechanismus der Zirkulation der Zinstitel fließen und Eigentumsbewegungen hervorrufen können, die ohne jeden Einfluß auf die Produktion bleiben, wie sie ohne Änderung in den Produktionsverhältnissen entstanden sind.
In der Warenzirkulation gehen Güterübertragung und Eigentumsübertragung Hand in Hand. In der einfachen Warenproduktion erscheint die Güterübertragung als das Wesentliche, als der Antrieb des Prozesses der Eigentumsübertragung, diese nur als das Mittel, jene zu vollziehen. Denn bestimmendes Motiv der Produktion ist noch der Gebrauchswert, die Bedarfsdeckung. In der kapitalistischen Warenzirkulation bedeutet die Güterzirkulation zudem die Realisierung des Profits, der in der Produktion entstanden ist und Trieb des ökonomischen Handelns bildet. Innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft bedeutet zugleich die Übertragung der Ware Arbeitskraft auf den Kapitalisten Vermehrung des kapitalistischen Eigentums durch Mehrwerterzeugung. Bei der Zirkulation der Effekten aber handelt es sich um Eigentumsübertragung, Zirkulation bloßer Eigentumstitel ohne gleichzeitige Güterübertragung. Der Eigentumsbewegung findet hier statt ohne gleichzeitige Güterbewegung. Hier hat das kapitalistische Eigentum jeden unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebrauchswert verloren. Der Markt für diese Zirkulation des Eigentums an sich ist die Börse.
Die Mobilisierung selbst, die Schaffung des fiktiven Kapitals, ist an und für sich bereits eine wichtige Ursache der Entstehung kapitalistischen Eigentums außerhalb des Produktionsprozesses. Entstand früher kapitalistisches Eigentum wesentlich durch Akkumulation von Profit, so gibt jetzt die Schaffung des fiktiven Kapitals die Möglichkeit des Gründungsgewinnes. Damit wird der Profit zu einem großen Teil in die Hände der konzentrierten Geldmächte geleitet, die allein imstande sind, dem industriellen Kapital die Form von fiktivem Kapital zu verleihen. Dieser Profit fließt ihnen aber nicht, wie die Dividende der Aktionäre, als jährliche, zersplitterte Revenue zu, sondern kapitalisiert als Gründungsgewinn, als eine relativ und absolut betrachtet große Summe, die in Geldform sofort als neues Kapital fungieren kann. Ein jedes neue Unternehmen zahlt so von vornherein einen Tribut an seine Gründer, die nichts dafür getan haben und nie etwas mit ihm zu tun haben brauchen. Es ist ein Vorgang, der in der Hand der großen Geldmächte aufs neue große Geldsummen konzentriert.
Und ein Konzentrationsprozeß des Eigentums, unabhängig von dem Konzentrationsprozeß in der Industrie, geht auch an der Börse vor sich. Es sind die großen Kapitalisten, die die Kenntnis besitzen von den Vorgängen in den Aktiengesellschaften, die die Gestaltung der Geschäftsergebnisse übersehen und daher die Richtung der Kursentwicklung vorauswissen können. Ihnen erlaubt es auch ihre große Kapitalsmacht, durch entsprechende Käufe und Verkäufe die Kursgestaltung selbst zu beeinflussen und daraus den entsprechenden Gewinn zu ziehen. Ferner gestattet ihnen ihre Kapitalsmacht die Interventionen, wofür sie sich noch so preisen lassen, die Aufnahme der Papiere zu Zeiten einer Krisis oder einer Panik, die sie dann, sobald normale Verhältnisse wieder eingetreten sind, mit Gewinn verkaufen können. [7] Kurz, sie sind es, die Bescheid wissen, und „alle Schwankungen des Geschäfts sind vorteilhaft für den, der Bescheid weiß“, wie schon der schlaue Bankier Samuel Gurney dem Komitee des Oberhauses versicherte. [8]
Für die Funktion der Börse, dem industriellen Kapital durch Verwandlung in fiktives Kapital für den individuellen Kapitalisten den Charakter von Geldkapital zu verleihen, ist die Größe des Marktes wesentlich, da ja der Geldkapitalcharakter davon abhängt, daß die Aktien und Obligationen jederzeit wirklich und ohne größeren Kursverlust verkauft werden können. Daher die Tendenz zur möglichst großen Konzentration aller Geschäfte an einem einzigen Markt; so werden die Bank- und Börsengeschäfte immer mehr im Zentralpunkt des wirtschaftlichen Lebens, in der Hauptstadt, konzentriert, während die Provinzbörsen immer mehr an Bedeutung verlieren. In Deutschland überragt die Berliner Börse weit alle anderen. Neben Berlin kommen nur noch die Börsen in Hamburg und Frankfurt in Betracht, deren Bedeutung aber im Rückgang befindlich ist.
Während nach der kleinbürgerlichen Theorie die Aktien die „Demokratisierung des Kapitals“ bedeuten sollen, sucht die kleinbürgerliche Praxis – immer noch vernünftiger – den Aktienbesitz auf die Kapitalisten zu beschränken. Die Vertreter der großkapitalistischen Praxis schließen sich bereitwilligst diesen Warnungen an, in dem angenehmen Bewußtsein, daß sie nicht allzuviel nützen werden. „Wer festen Zins zum Leben braucht“, meint der Sachverständige Arnhold, „der darf keine Aktien kaufen.“ [9] Die schwankenden Erträgnisse einer Aktie, wird dann im folgenden ausgeführt, sind für den, der seine Zinsen zum Leben braucht, nur eine Quelle von Kapitalverlusten, weil ihn hohe Dividenden meist zu einer Erhöhung seines Etats veranlassen; er benützt hohe Kurse nicht zum Verkauf, sondern tut das in der Regel erst dann, wenn er durch kleine Dividenden und niedrige Kurse ängstlich geworden ist (und das wird er immer, weil er keinen Einblick in die wirkliche Lage des Geschäftes hat und daher dem Kurs, dem „Urteil“ der Börse, glauben muß) oder aus sonstwelchen Anlässen verkaufen muß.
Börsengeschäfte sind Kauf- und Verkaufgeschäfte, die sich von anderen essentiell unterscheiden durch die Ware, mit der, und nicht durch die Weise, in der gehandelt wird. Nicht die Technik der Geschäfte, sondern ihr Inhalt ist ökonomisch entscheidend, und die Beschreibung dieser technischen Einzelheiten gehört in ein Handbuch für praktische Kaufleute mehr als in eine theoretische Abhandlung. Nur insofern die Art der Abwicklung der Geschäfte gewisse Resultate erleichtert, die aus dem Inhalt der Geschäfte sich ergeben, wird sie auch allgemein von Wichtigkeit und Interesse.
Die eigenartigen Bestimmungen über die Abwicklung der Börsengeschäfte – die Börsenusancen – verfolgen vor allem die Ermöglichung weitestgehender Kreditbenützung, der Begrenzung des Risikos und der größten Beschleunigung der Umsätze.
Die Kreditbenützung ist im weitesten Maße schon ermöglicht durch die Natur der „Waren“, mit denen gehandelt wird. Diese sind im vorhinein Geldanweisungen entweder direkt wie die Wechsel usw. oder indirekt wie die kapitalistischen Profitanweisungen. Als solche Geldanweisungen sind die Börsenwerte einander gleich, fungibel, nur quantitativ verschieden. Auch sogenannte qualitative Unterschiede der Börsenpapiere, wie die zwischen festverzinslichen Papieren und den Aktien, ebenso wie Unterschiede in der Sicherheit der Papiere, werden durch den Börsenhandel stets in quantitative Unterschiede verwandelt und können auch gar nicht anders als in Verschiedenheiten der Bewertung zum Ausdruck kommen. Nur daß hier die Verschiedenheit des Preises nicht wie bei verschiedener Qualität derselben Ware sich in erster Linie aus der Verschiedenheit der Produktionskosten erklärt, sondern ausschließlich zustande kommt durch ein verschiedenes Verhältnis von Nachfrage und Angebot. Wenn meinethalben eine Zuckeraktie und eine Eisenbahnaktie gleichen Ertrag liefern, so mag der Kurs der Eisenbahnaktie höher sein, weil mehr Leute die Eisenbahnaktie kaufen wollen, die nach ihrer Meinung größere Stabilität in ihrem Erträgnis versprechen mag. Der qualitative Unterschied der Sicherheit des Ertrages ist in der Verschiedenheit des Kurses quantitativ ausgedrückt. Diese Fungibilität der Börsenwerte läßt nun die Möglichkeit zu, daß die Kauf- und Verkaufgeschäfte durch gegenseitige Kompensation zum größten Teil erledigt werden und nur ein geringer Teil durch Bezahlung der Differenzen beglichen zu werden braucht. Mit dem Abschluß des Geschäftes ist so zugleich Kreditgewährung verbunden, das Geld fungiert nur als Rechengeld, und nur ein geringer Betrag ist dann zur Barzahlung nötig. Damit aber diese Zahlungen auf das geringste Maß reduziert werden können, sind eigene Anstalten zur Kompensation der aus den Kauf- und Verkaufgeschäften resultierenden Forderungen vorhanden. [10] Dazu ist aber nötig, daß die Preise, zu denen die Börsengeschäfte abgeschlossen werden, bekannt sind; die Kursfestsetzung ist daher öffentlich. Zugleich wird durch diese öffentliche Kursfestsetzung erst die Funktion der Börse erfüllt, der Markt zu sein, wo jederzeit zu einem bekannten Preis diese Börsenwerte gehandelt werden können. Da so der jederzeit realisierbare Preis festgesetzt wird, ist auch die andere Form der Kreditgewährung, die eigentliche Belehnung im Gegensatz zur früheren Form der Zahlungskompensation wesentlich erleichtert, da der Kreditgeber genau den Preis des Objekts, das er belehnt, kennt. Der Spekulant verpfändet dem Geldgeber die Papiere, die er mit dem geliehenen Geld bezahlt. Zugleich entsteht so eine neue und sichere Art der zinstragenden Verwendung von Geldkapital in der Lombardierung der Börsenpapiere.
Die Kreditgewährung gestattet dem Spekulanten, schon geringfügige Preisschwankungen auszunützen, indem er so seine Operationen weit über sein eigenes Vermögen ausdehnen kann und damit auch kleine Preisschwankungen durch den Umfang seiner Geschäfte lukrativ macht. Umgekehrt wieder dadurch, daß der Spekulation durch den Kredit gestattet wird, ihre Geschäfte auszudehnen, jederzeit die Marktlage auszunützen, bewirkt sie, da die spekulativen Operationen stets von Gegenoperationen begleitet werden, eine Verringerung der Preisschwankungen. Die Kreditausnützung steigert gleichzeitig die Überlegenheit des großen Spekulanten; die Wucht seines Vermögens wird ums Vielfache vermehrt durch die Ausnützung des Kredits, der viel rascher wächst als das Vermögen.
Eine weitere Eigentümlichkeit der Börsengeschäfte ist die Schnelligkeit, mit der sie geschlossen werden, die eine gewisse Formlosigkeit des Geschäftsabschlusses bedingt. Diese Schnelligkeit entspringt wesentlich aus dem Bedürfnis der Spekulation, geringe, kurz dauernde Preisschwankungen ausnützen zu können. Bei dem schnellen Wechsel des Verhältnisses von Nachfrage und Angebot und der Schnelligkeit der Kursvariationen ist diese möglichste Beschleunigung des Geschäftsabschlusses von großer Wichtigkeit. Denn für die Spekulation bedeutet jeder neue Umschlag eine neue Verwertungsmöglichkeit, neuen Kursgewinn; deshalb wird jede zeitraubende Formalität perhorresziert, denn hier gilt tatsächlich für viele das Wort: Zeit ist Geld. Daher auch die Abneigung gegen jede gesetzliche Fristbestimmung, gegen jede gesetzliche Intervention überhaupt, die stets mit Zeitverlust verbunden ist.
Die Vorteile des Kredits werden am besten ausgenützt durch den Terminhandel. Das Termingeschäft verlegt die Erfüllung aller Geschäfte auf den gleichen Zeitpunkt. Da diese Geschäfte vor allem von der Spekulation gemacht werden, stehen sich Kauf- und Verkaufgeschäfte gegenüber, die sich zum größten Teil gegenseitig kompensieren. Geld ist nur nötig zum Ausgleich der Differenzen (und auch diese Zahlungen finden statt zum großen Teil durch Kreditgeld oder Überschreibungen in den Büchern der Banken) oder zur Begleichung einseitiger Käufe und Verkäufe, die aber der großen Menge der sich kompensierenden Geschäfte gegenüber relativ gering sind. Auch hier entfaltet der Kredit seine markterweiternde Wirkung. Der Terminhandel erlaubt eine große Ausdehnung der Operationen; die Papiere, die auf Termin gehandelt werden, finden jederzeit ihren Markt; es ist daher jederzeit möglich, durch Kauf oder Verkauf seine Spekulation zu beendigen, seinen Gewinn zu realisieren oder seinen Verlust zu begrenzen, außer im Zeitpunkt katastrophenartiger Erschütterungen des Marktes. Da es ferner bei der Terminspekulation nicht auf den Besitz der Papiere ankommt, sondern auf die Erzielung des Differenzgewinns, und die Papiere jederzeit verkauft werden können, so ist die Größe des Engagements begrenzt nicht durch den Preis der Papiere, sondern nur durch die Summe der Differenzen, die aus der Spekulation entstehen können. Zugleich sind die wirklich existierenden, am Markte vorhandenen Papiere nur nötig, soweit sich die Spekulationsgeschäfte – Kauf und Verkauf – nicht gegenseitig aufheben. Die Größe des eingegangenen Engagements ist also auch unabhängig von der Größe der Preissumme der wirklich vorhandenen Papiere und kann diese um das Vielfache übertreffen. Zugleich ist durch die typische Beschaffenheit der Schlußbedingungen für die Schnelligkeit der Geschäftsabwicklung in vollkommenster Weise gesorgt.
Die größere Vereinfachung auf dem Terminmarkt, die erhöhte Möglichkeit der Kompensation verringert das Kapital, das für das Eingehen der Spekulation nötig ist. Es erweitert damit den Kreis der Personen, die sich an der Spekulation beteiligen können, und vergrößert den Umfang der einzelnen Engagements. Der Terminmarkt wird gegenüber dem Kassenmarkt erweitert. Zugleich aber absorbiert er weniger Mittel zur Aufrechterhaltung und Fortführung der Spekulation und wirkt dadurch weniger intensiv auf den Zins des der Spekulation zur Verfügung gestellten Kapitals. Da aber stets ein großer Teil der Spekulation mit geliehenem Kapital gemacht wird, für die Weiterführung der Spekulation der Zins auf dieses Kapital bestimmend einwirkt, wird der Terminmarkt im allgemeinen die Tendenz zur stetigeren Fortführung der Spekulation haben. Aus dieser größeren Stetigkeit folgt wieder eine geringere Variation im Verhältnis von Nachfrage und Angebot und damit ein geringerer Ausschlag der Kursschwankungen. Zugleich genügen bei dem größeren Umfang der Transaktionen auch viel geringere Schwankungen, um die Spekulanten zu ihren Aktionen zu veranlassen. In gleicher Richtung wirkt der Umstand, daß durch den Terminhandel auch der Verkauf der Papiere zu Spekulationszwecken ermöglicht ist und dadurch einem einseitigen Zunehmen des Angebots besser entgegengewirkt werden kann als auf dem Kassenmarkt. [11]
Der Terminhandel gibt die Möglichkeit, erst später fällige Kapitalien schon früher zu vorher feststehenden Kursen anzulegen oder die erst später benötigten Kapitalien sich zu günstigen Umständen vorher zu beschaffen. Dazu kommt die bereits erwähnte Erweiterung des Marktes, die der Terminhandel durch die Leichtigkeit der Kreditgewährung und des Geschäftsabschlusses überhaupt gewährt. Er ist aufnahmefähiger als der Kassenmarkt. Er erleichtert so das Emissionsgeschäft, indem die Emissionshäuser ihre Bestände allmählich und ohne Kursrückgang veräußern können. [12] Der Terminhandel ist auch für die Funktion der Arbitrage, des Ausgleiches von Kursdifferenzen an verschiedenen Börsenplätzen die gegebene Form.
Die Spekulation verlangt einen gewissen Vorrat von Papieren, der für ihre Zwecke zur Verfügung gestellt ist. Ist ein Papier überwiegend in „festen“ Händen, das heißt, ist es als Anlagepapier dem Markt dauernd entzogen, so ist es für die Spekulation ungeeignet. Ebenso sind Papiere, deren Gesamtbetrag gering ist, ungeeignete Objekte der Spekulation. Kleine Käufe und Verkäufe können das Kursniveau sehr stark beeinflussen und geben einigen wenigen Kapitalisten die Möglichkeit, durch Aufkäufen des gesamten „Materials“ ihren Gegenspekulanten Monopolpreise diktieren zu können. Die Spekulation setzt eben einen großen, nicht allzu leicht zu beherrschenden Markt voraus; das Monopol ist der Tod der Spekulation.
Mit den Spekulationsgeschäften sind, wie wir gesehen haben, immer auch Kreditgeschäfte verbunden. Bei der Spekulation steht ja nicht die Gesamtsumme des Kurswertes der angekauften Papiere in Frage, sondern nur die Größe der möglichen Kursvariationen. Der Kreditgeber wird bei Verpfändung des Papiers bis zu einem solchen Betrag mit der Kreditgewährung gehen können, daß er gegen Kursveränderungen gedeckt ist. Ist der Kurs eines Papiers, in dem verhältnismäßig geringe Schwankungen Vorkommen, 110, so wird beispielsweise der Spekulant jederzeit gegen Verpfändung des Papiers 90 erhalten können und braucht daher nur 20 selbst vorzuschießen.
Diese Form der Kreditgewährung ist die gewöhnlichste Art, in der Börsenkommissionsgeschäfte, Bankiers und Banken ihren Kunden die Beteiligung an den Börsengeschäften ermöglichen. Die Entziehung oder Erschwerung dieses Kredits ist ein beliebtes Mittel, diese Kunden „aus ihren Engagements zu werfen“, den Fortgang ihrer Spekulationen unmöglich zu machen, sie zu zwingen, zu jedem Preis ihre Papiere loszuschlagen und so durch dieses plötzliche Angebot die Kurse zu werfen, zugleich ein Mittel für die Kreditgeber, diese Papiere zu billigen Preisen sich zu verschaffen. Auch hier ist die Kreditgewährung ein Mittel zur Expropriation der kleinen Schuldner.
Anders ist die Kreditgewährung für die eigentliche große Spekulation geregelt. Hier verschaffen sich die Spekulanten die nötigen Gelder auf dem Wege des Reports. Formell besteht das Reportgeschäft in einem Kauf- und Verkaufgeschäft. Will der Haussespekulant seine Papiere über den Ultimo hinaus halten bis zum nächsten Termin, weil er hofft, daß in der Zwischenzeit die Papiere weiter steigen werden, so verkauft er diese Papiere an einen Geldkapitalisten und kauft sie für den nächsten Termin zurück. In dem Unterschied des Verkauf- und Kaufpreises ist für den Geldgeber die Verzinsung seines Geldes enthalten. Das ist aber nur nominell, in Wirklichkeit hat einfach der Geldgeber für diese bestimmte Zeit das Papier aufgenommen und ist an Stelle des Spekulanten getreten; er unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß er kein Risiko übernimmt, auch keinen Spekulationsgewinn machen will, sondern sein Geld für diese Zeit angelegt hat und dafür den Zins realisiert. Es ist aber hier die Form, in welcher dieser Vorschuß geleistet wird, von Wichtigkeit. Denn dadurch, daß hier das Kreditgeschäft die Form eines Kaufgeschäftes hat, geht in der Zwischenzeit das Eigentum an den Papieren auf den Kreditgeber über. Dies ermöglicht ihm, in der Zwischenzeit die Papiere nach Gutdünken zu benützen. Dies kann wichtig werden, sobald es sich um industrielle Aktien handelt. Es kann sich bei einer Bank darum handeln, sich zur Zeit einer Generalversammlung durch großen Aktienbesitz entscheidenden Einfluß auf deren Beschlüsse zu sichern. Durch den Report ist sie imstande, sich vorübergehend in den Besitz der Aktien zu setzen und damit die Aktiengesellschaft zu beherrschen. Indem eine Bank die Reportierung durch Herabsetzung des Reportsatzes erleichtert, wird es ihr ein leichtes, von der Spekulation diese Papiere zu erhalten. Die Banken pflegen dabei sich oft gegenseitig zu unterstützen, indem sie die Konkurrenz um die Reportierung bei einem bestimmten Papier in einem gegebenen Zeitraum ausschalten. [13] Dadurch gewinnen die Aktien gleichsam doppelte Funktion. Sie dienen einerseits als Objekt der Spekulation und Unterlage für ihre Differenzgewinne. Gleichzeitig dienen sie auch den Banken in ihrem Bestreben, sich in den Aktiengesellschaften beherrschenden Einfluß zu verschaffen und ihren Willen in den Generalversammlungen zur Geltung zu bringen, ohne dabei genötigt zu sein, dauernd ihre Gelder in den betreffenden Aktien festlegen zu müssen. [14]
Die Größe der Börsenspekulationen ist unter sonst gleichen Umständen wesentlich abhängig von der Größe des den Spekulanten zur Verfügung stehenden Geldes. Denn wie oft die Papiere umgesetzt werden – und jeder dieser Umsätze bringt Differenzgewinne –, ist von der Zahl der vorhandenen Papiere natürlich unabhängig. Daher der Einfluß der Banken auf die Börsenspekulation, die durch Gewährung oder Versagen des Kredits den Umfang der Spekulation in hohem Maße beeinflussen können. Die größte Inanspruchnahme des Kredits erfolgt nun auf dem Wege des Reportgeschäftes. In diesem werden meistens bedeutende flottante Kapitalien angelegt [15], und diese Anlagen sind von Einfluß auf die Bildung der Sätze für tägliches Geld und – in Zeiten geringerer Geldflüssigkeit – auf die Diskontsätze und damit auf die Goldbewegung. Durch die Einschränkung der Kreditgewährung können daher die Banken unmittelbaren Einfluß auf die Höhe des Zinses nehmen. Es ist dies möglich, weil hier die Kreditgewährung in ganz anderem Maße in dem Belieben der Banken steht. Es handelt sich hier um rein finanzielle Transaktionen, die wegfallen können, ohne auf den Gang der Volkswirtschaft von entscheidendem Einfluß zu sein. Anders bei der Kreditgewährung an die Kommerziellen und Industriellen, wo eine plötzliche und übertriebene Kreditentziehung zum Zusammenbruch und zur akutesten Krise führen muß.
Mit der Entwicklung des Bankwesens geht eine Änderung in der Struktur des Handels in Wertpapieren vor sich. Anfangs ist der Bankier nur Kommissionär, der für den Kunden das Geschäft besorgt. Je mehr aber die Kapitalskraft und das Interesse der Bank an den Aktienkursen wächst, desto mehr geht sie zum Eigenhandel über. Ein großer Teil der Umsätze wird jetzt nicht mehr auf der Börse vollzogen, sondern die Bank gleicht die von ihren Kunden an sie gelangenden Aufträge untereinander aus, und nur der Betrag, der sich nicht ausgleicht, wird auf der Börse besorgt oder aus den eigenen Beständen der Bank gedeckt. Es steht also bis zu einem gewissen Grade im Belieben der Bank, welche Summen sie auf der Börse zum Kauf oder Verkauf bringt; die Bank hat darin ein Mittel, die Kursentwicklung zu beeinflussen. So hört die Bank auf, bloße Vermittlerin des Effektenhandels zu sein, und treibt Eigenhandel.
„Das Bankgeschäft ist heute tatsächlich kein Kommissionsgeschäft mehr, es ist das Geschäft des Eigenhandels geworden.“ [16]
Zugleich entzieht die Großbank der Börse einen Teil ihrer Funktion und wird selbst zum Markt für die Effekten; der Börse bleibt nur ein Restbetrag übrig, der bei den Banken nicht zum Ausgleich kommt. [17]
„Eine Großbank stellt in sich ein Quantum von Angebot und Nachfrage dar, wie es früher ein bedeutender Börsenplatz allein repräsentierte.“ [18]
Mit der fortschreitenden Konzentration des Bankwesens wächst die Macht der Großbanken über die Börse außerordentlich, besonders in den Zeiten, wo die Beteiligung des großen Publikums an der Börsenspekulation geringer ist.
„Wie sich die Verhältnisse an der Börse entwickelt haben, muß man ja heute, statt von einer Tendenz der Börse, viel eher von einer Tendenz der Großbanken reden, weil diese die Börse immer mehr zu ihrem abhängigen Werkzeug gemacht haben und deren Bewegungen nach ihrem eigenen Belieben lenken. Wie im vergangenen Frühjahr die viel erörterte ungünstige Konjunkturprognose einer Großbank den äußeren Anstoß zu dem damaligen plötzlichen Kursrückgang gegeben hatte, dessen innere Ursachen allerdings natürlich viel tiefer lagen, so sind es in dieser Woche umgekehrt Stimulationen und Beruhigungsversuche der Haute-banque gewesen, die die Stimmung der Börse ausgewechselt und sie, die bisher nur für die ungünstigen Momente Aufmerksamkeit hatte, jetzt auch für die günstigen empfänglich gemacht haben.“ [19]
Zu diesem starken Einfluß auf die Kursentwicklung kommt aber hinzu, daß die Banken durch ihre zunehmende Verbindung mit der Industrie die Verhältnisse der einzelnen Unternehmungen genau kennen, die Ergebnisse voraussehen, eventuell unter Umständen deren Höhe nach ihren Wünschen beeinflussen können, alles Momente, die den Banken gestatten, bei ihren Spekulationen mit großer Sicherheit zu operieren.
Mit dieser Entwicklung der Großbanken ist natürlich ein Rückgang in der Bedeutung der Börsen verbunden. [20]
Auf der Börse erscheint das kapitalistische Eigentum in seiner reinen Form als Ertragstitel, in den das Ausbeutungsverhältnis, die Aneignung der Mehrarbeit, begriffslos verwandelt ist. Das Eigentum hört auf, irgendein bestimmtes Produktionsverhältnis auszudrücken, und wird eine Ertragsanweisung, die ganz unabhängig erscheint von irgendeiner Tätigkeit. Das Eigentum ist losgelöst von jeder Beziehung zur Produktion, zum Gebrauchswert. Der Wert jedes Eigentums erscheint bestimmt vom Wert des Ertrages, eine rein quantitative Beziehung. Die Zahl ist alles und die Sache nichts. Die Zahl allein ist das Wirkliche, und da das Wirkliche keine Zahl ist, so ist der Zusammenhang mystischer als der Glaube der Pythagoräer. Alles Eigentum ist Kapital und Nichteigentum, Schulden sind, wie jede Staatsanleihe beweist, ebenso Kapital, und alles Kapital ist gleich und verkörpert sich in den bedruckten Papierzetteln, die auf der Börse hoch- und niedergehen. Die wirkliche Wertbildung ist ein Vorgang, der ganz der Sphäre der Eigentümer entrückt bleibt und auf völlig rätselhafte Weise ihr Eigentum bestimmt.
Die Größe des Eigentums scheint nichts zu tun zu haben mit der Arbeit; ist schon in der Profitrate der unmittelbare Zusammenhang von Arbeit und Kapitalertrag verhüllt, so vollends in der Zinsrate. Die scheinbare Verwandlung edles Kapitals in zinstragendes Kapital, das die Form des fiktiven Kapitals mit sich bringt, löscht vollends jede Einsicht in den Zusammenhang aus. Es erscheint absurd, den Zins, der stets wechselt und in der Tat unabhängig von den unmittelbaren Vorgängen in der Produktion wechseln kann, in Zusammenhang mit der Arbeit zu bringen. Er erscheint als Folge des Kapitaleigentums als solchen, als τόϰος, Frucht des mit Produktivität begabten Kapitals. Er ist wechselnd, unbestimmt, und mit ihm wechselt der „Wert des Eigentums“, eine verrückte Kategorie. Dieser Wert erscheint ebenso rätselhaft, unbestimmt, wie die Zukunft. Der bloße Zeitablauf scheint Zinsen zu bringen, und Böhm-Bawerk macht aus diesem Schein seine Theorie des Kapitalzinses.
1. Vergleiche die instruktive Schrift von W. Prion, Das deutsche Wechseldiskontgeschäft, Leipzig 1907.
2. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier durchaus nicht von den sogenannten Differenzgeschäften, wobei die tatsächliche Lieferung der Effekten nicht erfolgt und die Spekulation durch Zahlung der Kursdifferenzen abgeschlossen wird. Vielmehr ist jeder Spekulationsgewinn Differenzgewinn in ökonomischem Sinne. Die Technik des zugrunde liegenden Börsengeschäfts ist dafür gleichgültig wie der Umstand, daß den Kapitalisten und zum Teil auch den Ökonomen aller kapitalistische Gewinn als Differenz erscheint, ganz gleich, ob es sich um industriellen oder kommerziellen Profit, Grundrente, Zins oder Spekulationsgewinn handelt.
3. Und nicht nur in gleicher Richtung, sondern auch in gleicher Zeit und gleichem Grade. Denn Spekulationsgewinn entsteht auch dann, wenn einer ein Papier zu einem höheren Preise in einem späteren Zeitpunkt kauft, zu dem ein anderer verkauft, oder wenn einer einen höheren Preis gibt als ein zweiter, der zu diesem Preise schon verkauft.
4. Dafür nur ein schlagendes Beispiel: „Dieser Tage tauchte die Meldung auf, der Phönix habe einen recht bedeutenden Auftrag auf Stahlrohren für amerikanische Rechnung erhalten; genannt wurde ein Wert von mehreren Millionen Mark. Leichten Herzens schenkte die Börse der Meldung Glauben und setzte die Kurse unserer heimischen Montanpapiere, vor allem aber Phönixaktien in die Höhe. Wußte sie doch, daß es in den Vereinigten Staaten zur Zeit nicht unwesentlich besser aussieht als vor Monaten ... Aber draußen im Lande, in den Industrierevieren, da wird man sich wohl eins ins Fäustchen über jene abenteuerliche Meldung gelacht haben, die an der Berliner Börse eine so gute Stimmung auslöste, und besonders wohl im Direktorium des Phönix. Wird da einem Unternehmen ein Auftrag, ja ein Millionenauftrag und obendrein noch für amerikanische Rechnung angedichtet, das überhaupt keine Tonne Stahlrohren produziert, ja nicht einmal eine Beteiligungsziffer für Röhren im deutschen Stahlwerksverband besitzt. Also ein plumper Schwindel.“ Berliner Tageblatt vom 15. Juli 1909.
Wenn also Herr Amhold (Deutsche Börsenenquete, Teil I, S. 444) von spekulativer Denktätigkeit spricht, so ist das mehr eine Spekulation auf die Denkuntätigkeit der Zuhörer. Übrigens muß er selbst das Zufällige und die Regellosigkeit der Spekulation für die Masse der Kleinen und der Mitläufer aus dem Publikum zugeben.
5. Über den Begriff der produktiven Arbeit im engeren Sinne siehe Marx, Theorien über den Mehrwert, I. Bd., S. 407 ff.
6. Nach der Terminologie Karners liegt Funktionswandel eines Rechtsinstituts ohne gleichzeitigen Normwandel vor.(Siehe Marxstudien, I., S. 81.)
7. Vielleicht das bedeutendste Beispiel aus neuester Zeit ist die Aufnahme der Tennessee Steel & Coal Company während der Panik im Herbst 1907 durch den Stahltrust, dessen bedeutendste Konkurrentin diese Kompanie war. Im Berliner Tageblatt vom 17. November 1907 schreibt darüber eine entrüstete Feder:
„Von gut informierter Seite wird jetzt bestätigt, daß die beiden vor einigen Tagen nach Washington gesandten Vertreter J. Pierpont Morgans – E.H. Gary (Steel Trust) und H.C. Frick – dem Präsidenten Roosevelt folgendes Ultimatum stellten: entweder die Aufsaugung der Tennessee Steel & Coal Company durch den Morganschen Trust ruhig gewähren zu lassen und zu versprechen, daß von der Regierung keine präventive Aktion vorgenommen werde in Gemäßheit der bestehenden Antitrustgesetze, oder – die schlimmste Panik zu erleben, die sich je im Lande abgespielt hat, mit wahrscheinlicher Suspendierung jeder Bank.
Diese waghalsig im erregtesten und bedrohlichsten Moment der wirtschaftlichen Katastrophe auf den Staatspräsidenten gerichteten Feuerwaffen konnten naturgemäß ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Präsident mußte, der Not gehorchend, der Börse seine Macht ausliefern. Er wurde brutal gezwungen, selbst seine höchsten Pflichten als erster Staatsbeamter augenblicklich abzuschwören und die bestehenden Gesetze außer acht zu lassen. Die höchste Exekutivgewalt war unschädlich gemacht, und – der brave Morgan konnte für die ‚Rettung‘ der Trust Company of America und der Lincoln Trust Company das Monopol für Eisen und Stahl in der Union für seinen Steel Trust einstreichen. Wenige Tage später ist ihm in seiner Rettertätigkeit ein weiterer Coup gelungen, er nahm C.W. Morses Coastwise Steamship Combination.
Dies kennzeichnet die augenblickliche Lage der von selbstlosen Patrioten, wie George Washington, Benjamin Franklin, Jefferson und anderen hervorragenden Männern begründeten Republik der United States of America.“
8. Marx, Kapital, III., 1., S. 406. (Neuausgabe S. 459. – Die Red.)
9. Stenographischer Bericht der deutschen Börsenenquete 1893, I., S. 190.
10. So besteht zum Beispiel in London „seit 1874 das Stock Exchange Clearing, durch welches für die bedeutendsten Effektengattungen die jeweiligen Umsätze so weit als möglich kompensiert werden, so daß nur für den etwa verbleibenden Rest ein Scheck ausgestellt wird. Für die Umsätze auf der Fondsbörse ist das Ergebnis, daß nur zirka 10 Prozent derselben per Scheck zu bezahlen sind, während 90 Prozent der gegenseitigen Verpflichtungen sich durch einfachen Ausgleich erledigen.“ (Jaffé, Das englische Bankwesen, Leipzig 1904, S. 95.) Ähnliche Einrichtungen existieren auch an den anderen Börsenplätzen.
11. „Die Formen des Börsenverkehrs sind aber nicht nur für die Ermittlung der Preise von Bedeutung; die Bedingungen für die Eingehung und Abwicklung von Börsengeschäften sind mehr als bloße juristisch-technische Hilfsmittel des Börsenverkehrs, sie sind auch Faktoren der Preisbildung selbst, deren Wichtigkeit nicht verkannt werden darf, wenn auch in letzter Linie Bedarf und Vorrat, Angebot und Nachfrage entscheiden. Ob ein Effekt oder eine Ware bloß per Kasse oder auch auf Termin, ob auf längere oder kürzere Termine, in welchen Schlußeinheiten, in welcher Type eine Ware, in welcher Börsengruppe: Kulisse oder Schranken, ein Wertpapier gehandelt wird und andere formale Einrichtungen mehr: das sind sehr einflußreiche Momente, nicht bloß für die richtige Ermittlung der Preise, sondern auch für ihre Bildung, und jede Veränderung in ihnen beeinflußt die Kurve, in der die Preise auf einem organisierten Markt zeitlich verlaufen.“ Landesberger, Die Reform der landwirtschaftlichen Börsen in Deutschland, Zeitschrift für Volkswohlfahrt, Sozialpolitik und Verwaltung, XI. Bd. (1902), S. 56.
12. Deutsche Börsenenquete, I. Bericht der Kommission, S. 75 ff.
13. Dies kann auch zu anderen Zwecken geschehen. „Auf dem Kontinent wird (von den Banken) nicht selten eine eigene Reportpolitik getrieben. Es kommt vor, daß Banken, wenn sie zum Beispiel eine größere Emission vorbereiten, den Report herabsetzen, um Haussestimmung zu erzeugen, sie können ja den Verlust, den sie dadurch erleiden, durch Kursgewinne bei der Emission kompensieren.“ Philippovich, Grundriß der politischen Ökonomie, II. Bd., 2. Teil, S. 181.
14. Vergleiche Deutsche Börsenenquete, III., S. 1950, die Aussage des Sachverständigen Königs. Er hält den Terminhandel für die Industrie für unerwünscht und begründet dies folgendermaßen:
„Alle diese Papiere, die im Ultimohandel sind, schwimmen an der Börse herum, zum großen Teil in Händen, die sich dauernd nicht für die Sache selbst interessieren, sondern nur ein Interesse haben an den Aktien, aber nicht an den Werken als Werken, die ein Interesse daran haben, die Aktien von oben nach unten oder von unten nach oben zu bringen; bei den Einrichtungen, die bei dem Ultimohandel bestehen, ist es außerordentlich leicht für jemand, auf die Werke einzuwirken und an dem Ultimo desjenigen Monats, wo eine Generalversammlung stattfinden soll, sich ein großes Quantum Aktien zu sichern im Wege des Reports. Man tritt als Eigentümer von ein paar Millionen Aktien auf, die einem gar nicht gehören, tritt auf einmal vor die soliden Aktionäre, die gar nichts ahnen; auf einmal werden sie überrumpelt und ihnen die schönsten Sachen oktroyiert, von denen sie gar nichts geahnt haben.“
15. Siehe die Aussage von Meier (Börsenenquete, II. Bd., S. 1608), der die starke Entwicklung des Termingeschäftes in England darauf zurückführt, daß dort jederzeit bedeutende flottante Kapitalien für das Reportgeschäft zur Verfügung stehen.
16. Die Börsenenquete, I. Bd., S. 547. Aussage von Amhold.
17. Vergleiche zum Beispiel folgende Äußerungen eines „hervorragenden Mitgliedes der Berliner Bankwelt“, die das Berliner Tageblatt vom 25. Februar 1908 wiedergibt:
„Vergessen Sie nicht, daß zu dem offiziellen Kassakurs nur ein relativ kleiner Teil der Gesamtumsätze getätigt wird. Die Konzentration im deutschen Bankgewerbe hat es mit sich gebracht, daß ein wesentlicher Teil der Kauf- und Verkauf Orders in den Büros der Großbanken zur Kompensation gelangt. An der Berliner Börse werden eigentlich nur noch die ‚Spitzen‘ reguliert.“
Die gleiche Erscheinung auch in Österreich: In der Generalversammlung des Wiener Giro- und Kassenvereins klagt ein Aktionär:
„Infolge des Umstandes, daß das kommerzielle Leben der Monarchie sich immer mehr bei den Banken konzentriert, so daß alle schwächeren Privathäuser verschwinden müssen, benötigt der Umsatz an der Börse in sehr vielen Fällen gar nicht die Vermittlung des Arrangementbüros. Jede Bank ist ein Giro- und Kassenverein ohne Spesen und Beamten. Das Prosperieren des Effektengeschäftes bei den Banken ist verbunden mit einer Einschränkung der Vermittlung des Arrangements durch den Giro- und Kassenverein.“ Neue Freie Presse vom 1. Februar 1905.
18. Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie 1905.
19. Frankfurter Zeitung vom 21. Juni 1907.
20. So schreibt die Frankfurter Zeitung am 28. Jänner 1906:
„Von einer wirklichen Ultimo-Liquidation ist heutzutage kaum die Rede. Es werden allerdings noch Prolongationssätze bekanntgegeben, aber die Mehrzahl der Schiebungen wird innerhalb der großen Banken reguliert, die auch ihre eigenen Sätze notieren dürften. Über die Höhe der schwebenden Engagements läßt sich überhaupt kein Urteil abgeben, weil, wie gesagt, in der Börsenliquidation nur der kleinste Teil aller Engagements zur Verrechnung gelangt.“
Anders steht es zum Teil mit den auswärtigen Börsen. Namentlich die New-Yorker Börse hat als Mittel der Eigentumsübertragung, das heißt der Expropriation, größere Bedeutung als die europäischen Börsen. Hier wirkt auch die eigentümliche Geldverfassung in Verbindung mit der Börsentechnik mit. Die New-Yorker Börse kennt nur das Kassengeschäft, in der Art, daß die Differenzen täglich reguliert werden müssen. Bei stärkeren Kursbewegungen, besonders wenn diese sich in ein und derselben Richtung bewegen, entsteht so eine starke Nachfrage nach Geld. Ist der Geldmarkt angespannt, so ist die amerikanische Notenbankgesetzgebung mit ihrer mangelnden Elastizität ein ausgezeichnetes Mittel, exorbitante Zinssätze zu produzieren, die die kleinen Spekulanten nicht bezahlen können. Dies ist der Moment für die großen Geldgeber, sie „aus der Spekulation zu werfen“ und bei der Zwangsliquidation die Papiere billig zu erwerben.
Zuletzt aktualisiert am 14. November 2015