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Man kann einen Vergleich ziehen zwischen jenen sozialen Strukturen, die im Kapitalismus Frauenunterdrückung hervorbringen, und gewissen anderen unterdrückerischen Strukturen, die im Laufe der kapitalistischen Entwicklung entstanden sind, wie z. B. die Jim Crow-Strukturen [12] in den Südstaaten der USA und der Orangeismus [13] in Nordirland.
Diese Strukturen diskriminierten bestimmte Teile der Bevölkerung auf der Basis von Rasse oder Religion. Wahrend des langandauernden wirtschaftlichen Aufschwungs in den 50er und 60er Jahren wurden sie dann von vielen Unterstützern des Systems als überholt angesehen. Die Kapitalakkumulation schien allein vom freien Zugriff auf Arbeitskraft – ungeachtet der Rasse und der Religion – abhängig zu sein. Allgemein fanden Ideologien Verbreitung, die die alte liberale Lehre vom freien Zugang zum Markt für jeden wiederbelebten. Es entstanden Bürgerrechtsbewegungen, mit denen sich das System scheinbar arrangieren konnte, obwohl sie einige der unterdrücktesten Teile der Bevölkerung zu politischem Handeln aufrüttelten. Dann aber, mit den ersten Anzeichen der Wirtschaftskrise Ende der 60er Jahre, mußte das System davon Abstand nehmen, diesen unterdrückten Gruppen mehr als nur eine symbolische Gleichheit zu gewähren.
Die frühe Frauenbewegung war im hohen Maße ein Ergebnis dieser allgemeinen Agitation um formale Gleichheit, die das System allen in seinem Machtbereich verspricht. Ihre Forderungen waren ursprünglich von Frauen aus den Mittelschichten erhoben worden, die die Freiheit haben wollten, das gleiche Leben zu führen wie die Männer ihrer Klasse. Aber sie paßten gut zu der veränderten Haltung vieler Frauen aus der Arbeiterklasse, die sich zum ersten Mal als einen dauerhaften Teil der bezahlten Arbeitskräfte des Kapitalismus betrachteten. In diesem Stadium schienen die Forderungen der Frauenbewegung im Einklang zu sein mit dem Bedürfnis des Systems nach einer Umgestaltung der Familie, um sich somit einen Zugriff auf die weibliche Arbeitskraft zu verschaffen.
Die Hindernisse auf dem Weg zu einer wirklichen Gleichstellung der Frauen der Arbeiterklasse waren jedoch noch größer, als es bei den amerikanischen Schwarzen oder den Katholiken in Ulster der Fall war. Das System konnte die vollen Kosten der Vergesellschaftung der Reproduktion nicht einmal in den 60er Jahren tragen, geschweige denn in der Krisenphase nach Mitte der 70er Jahre. Begrenzte Veränderungen, die es den Frauen erlauben sollten, Lohnsklavinnen zu werden, waren möglich (und notwendig). Ein Ende der Unterdrückung jedoch war wegen der fortgesetzten Abhängigkeit des Systems von der Kleinfamilie als Ort der privatisierten Reproduktion ausgeschlossen.
Die harte Tatsache, daß die Unterdrückung der Frau vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krise nicht beendet werden kann, hat die Frauenbewegung vor drei Alternativen gestellt:
Welche dieser Optionen in der Frauenbewegung die Hegemonie gewann, hing von den konkreten Umständen ab. Wo es einen Aufschwung der Arbeiterkämpfe gab, wie etwa Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre in Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien usw., tendierten fast alle Teile der Frauenbewegung dazu, sich zumindest teilweise auf die Arbeiterklasse hin zu orientieren. Ihre Forderungen fanden oft unmittelbaren Anklang bei der Masse der Frauen aus der Arbeiterklasse (gleicher Lohn, ganztägige Kinderhorte, Recht auf Abtreibung usw.). Wo aber die Arbeiterbewegung schwach war, wie in den USA, oder wo sie ab Mitte der 70er Jahre abflaute, wie in den meisten anderen Ländern, geriet die Frauenbewegung unter die Hegemonie des Feminismus zum einen und des Separatismus zum anderen.
In der Praxis stärkten sich Reformismus und Separatismus gegenseitig. Das bürgerlich feministische Vorurteil gegen die Arbeiterklasse verhalf der Bewegung zu ihrem „gesunden Menschenverstand“, der jegliche Vorstellung von der Frauenbefreiung durch eine Arbeiterrevolution als einen Rückfall in „primitive Arbeitertümelei“ und „altmodischen Leninismus“ abtat. Die separatistische Ablehnung einer Zusammenarbeit mit Männern führte in der Praxis dazu, daß man sich von den Kämpfen der Arbeiterbasis weit fernhielt. Letztlich lehnte man jegliche Beteiligung an den Kämpfen ab, die als einzige die Aussicht hatten, dem System mehr als nur Brotkrümel abzutrotzen.
Die Arbeitsteilung zwischen Separatismus und Reformismus fand schließlich ihren Ausdruck in Aufrufen zu einem breiten Bündnis zwischen bürgerlichen oder reformistischen Politikern, der Gewerkschaftsbürokratie, „Frauen“ und „Schwarzen“. So z. B. die breite Demokratische Allianz des Eurokommunismus, die Regenbogenkoalition in den USA, oder die auf Wahlen hin orientierte Strategie von linken Labour Party-Führern in Großbritannien.
Die Tendenz zum Reformismus ist kein Zufall. Im Kapitalismus gibt es nur eine Kraft, die einen wirklichen Wandel herbeiführen kann, nämlich die Arbeiterklasse. Wenn man sich nicht auf den Kampf der Arbeiterklasse stützt, ist man gezwungen, mit dem System Kompromisse einzugehen. Die Predigerinnen des Separatismus weisen den Gedanken an einen wirkungsvollen Kampf der Arbeiterklasse zurück. Selbst wenn sie versuchen, sich auf Arbeiterinnen zu beziehen, glauben sie, daß ein Teil der Arbeiterklasse ohne die Unterstützung der anderen (männlichen) Teile der Klasse siegen könne. Somit vermeiden sie die allgemeine Mobilisierung aller Kräfte, die als Einzige den Sieg garantieren kann.
Wie die Bürgerrechtsbewegungen in den USA und in Nordirland, begann auch die Frauenbewegung der späten 60er und frühen 70er Jahre, Menschen gegen ihre Unterdrückung durch das System zu mobilisieren. Insofern ermutigte sie zu Kämpfen gegen das bestehende Herrschaftssystem. Aber genauso wenig wie die anderen Bewegungen, konnte die Frauenbewegung die Kämpfe über einen bestimmten Punkt hinaus treiben. Von diesem Augenblick an war die Alternative: entweder eine gänzlich andere Art von Bewegung, oder lediglich der Versuch, das Los einiger weniger glücklicher Individuen zu verbessern, während die Masse der Leute so unterdrückt blieb wie eh und je. [14]
Aus diesem Grund kann für uns gar keine Rede davon sein, eine solche Frauenbewegung erneut aufzubauen. Sie gehört in die Vergangenheit.
Natürlich kann die Krise des Systems zu Angriffen auf Frauenrechte führen, die dann wiederum vermehrte Proteste von Frauen nach sich ziehen. Wir erlebten in den letzten Jahren in Großbritannien und in den USA mehrere solcher Protestbewegungen gegen den Versuch, die Abtreibungsrechte zu beschränken. Solche Kämpfe müssen wir bedingungslos unterstützen. Aber wir müssen auch verstehen, daß sich die Beteiligten sehr schnell in gegensätzlichen Lagern wiederfinden werden: auf der einen Seite die Unterstützer des Reformismus und Separatismus, und auf der anderen die, die für die Perspektive einer Arbeiterrevolution gewonnen wurden.
Die Frauenbewegung in den 60er und 70er Jahren entwickelte ihre eigenen Theorien der Frauenunterdrückung. Es ist notwendig, sich mit diesen Theorien zu befassen und herauszufinden was daran falsch war um die revolutionäre marxistische Lehre besser verstehen zu können:
Die allgemein vorherrschende Position in den Resten der britischen Frauenbewegung ist die Theorie des Patriarchats.
Nach dieser Theorie ist die Unterdrückung der Frau das Ergebnis der männlichen Herrschaft und hat mit der Teilung der Gesellschaft in ökonomische Klassen nichts zu tun. In dieser Theorie werden die „Männer“ als Nutznießer der Frauenunterdrückung in allen Gesellschaften [15] und daher als Verteidiger des Status Qua betrachtet, selbst wenn eine sozialistische Revolution stattfindet. Jeder Versuch, die Frauenunterdrückung auf der Basis der Dynamik von Klassengesellschaften zu erklären, wird als „reduktionistisch“ angesehen. Daher lautet die Schlußfolgerung dieser Theorie, daß der Kampf für die Befreiung der Frau zwar parallel zum Kampf für die Arbeiterrevolution und für den Sozialismus verlaufen könne, diese Kämpfe jedoch völlig separate Dinge seien.
Diese Theorie ist hegemonial – sie wird von kaum einer Feministin in Zweifel gezogen. Gleichermaßen wurde sie von Teilen der reformistischen Linken außerhalb der Frauenbewegung begeistert angenommen. Obwohl sich einige wenige Mitglieder der Frauenbewegung, darunter Sheila Rowbotham, früher gegen die Benutzung des Begriffs „Patriarchat“ gewandt haben [16] wird er heute weit und breit nicht hinterfragt.
Die Theorie kommt bei den Leuten gut an. Lindsey German stellte fest: „Der Vorteil der Patriarchatstheorie ist, daß sie für jeden etwas anderes bedeuten kann. Denn sie stützt sich eher auf undefinierbare Gefühle, die von einem Großteil der Frauenbewegung so hoch geschätzt werden, und weniger auf eine sachliche Analyse.“ [17]
Das theoretische Fundament der Patriarchatstheorie ist in der Tat sehr brüchig. Wenn Frauen schon immer unterdrückt wurden, stellt sich die Frage nach dem Warum. Wie kommt es, daß das männliche Geschlecht in der Lage war, das weibliche auf diese Weise zu unterdrücken?
Solange Patriarchatstheoretikerinnen auf diese Frage keine Antwort finden, können sie die Unterdrückung der Frau nicht erklären. Deshalb können sie auch nicht erklären, wie sie überwunden werden kann. Somit kann ihre Theorie nicht eine der Frauenbefreiung sein, sondern nur eine, die jede wirkliche Befreiung ausschließt!
Ein Erklärungsmuster schreibt die Unterdrückung der Frau ideologischen Faktoren zu. Zugegebenermaßen verstärkt die vorherrschende Ideologie, wonach Frauen untergeordnet seien, eben ihre Unterordnung: Heranwachsende Männer sehen sich als das überlegene Geschlecht und heranwachsende Frauen akzeptieren dies meistens. Aber woher kommt die Ideologie der Unterordnung der Frau?
Anhänger dieser Theorie haben keine Erklärung dafür, werfen schließlich jeden materialistischen Ansatz über Bord und behaupten z. B., daß der historische Materialismus falsch sei, bzw. daß Ideologien ein selbständiges Dasein als „unterschiedliche Diskursweisen“ führen.
Andere Vertreterinnen der Patriarchatstheorie versuchen, die Frauenunterdrückung materialistisch zu erklären. Aber sie beziehen sich auf einen von der Klassengesellschaft losgelösten Materialismus. Alles, was dann als Grund für die Frauenunterdrückung übrig bleibt, ist der biologische Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dieser ermöglicht es dann wohl den Männern, in einer großen Verschwörung, die Frauen erfolgreich zu unterwerfen. Heidi Hartmann, eine Theoretikerin dieser Schule, vertritt die These, daß Männer „die Arbeit der Frau kontrollieren und ihre Sexualität beschränken“.
Hartmann geht so weit, Engels für ihre Position anzuführen. [18] Sie zitiert eine berühmte Passage aus seinem Vorwort zum Ursprung der Familie:
Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. [...] Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln, von Gegenständen der Nahrung, Kleidung, Wohnung und den dazu erforderlichen Werkzeugen; andrerseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, unter denen die Menschen einer bestimmten Geschichtsepoche und eines bestimmten limdes leben, werden bedingt durch beide Arten der Produktion. [19]
Hartmann betrachtet die beiden Produktionsweisen als gleichrangig und argumentiert, daß es keine notwendige Verbindung zwischen Veränderungen in der einen und Veränderungen in der anderen gebe.
Engels dagegen war ganz klar anderer Meinung. In der gleichen Passage führte er nämlich aus, daß es im Zuge der Entwicklung der Klassengesellschaft immer weniger so sei, daß zwei Produktionsweisen nebeneinander existierten. Es entstehe eine Gesellschaft in der die Familienordnung ganz von der Eigentumsordnung beherrscht wird.
Es ist tatsächlich absolut verwirrend, von „zwei Weisen“ zu reden.
Die Produktionsweise einer jeden Gesellschaft ist nichts anderes als die Koppelung der Produktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen wobei die Produktivkräfte einen ständigen Druck in Richtung auf Veränderung der Produktionsverhältnisse ausüben. Jede Errungenschaft des Menschen bei der Kontrolle über die Naturkräfte läßt neue Verhältnisse zwischen den Menschen entstehen und trägt deshalb dazu bei, die vorher existierenden Produktionsverhältnisse umzugestalten. Entweder paßt sich die Gesellschaft diesen Veränderungen an, oder die neuen Methoden der Naturkontrolle müssen verworfen werden. Die Produktionsweise birgt in sich stets eine Spannung, eine Dynamik, die die Entwicklung der menschlichen Geschichte gestaltet.
Die „Reproduktionsweise“ birgt in sich keine solche Spannung. [20] Menschen erfinden nicht kontinuierlich neue Wege, sich zu reproduzieren – Klonen in einer Epoche, Eier legen in der nächsten, Lebendgeburten in einer dritten. Neue Methoden der Reproduktion prallen nicht ständig gegen das Bollwerk bestehender zwischenmenschlicher Verhältnisse.
Die Art und Weise, in der sich die Menschen reproduzieren, ist relativ statisch. Wenn sie den Gang der Geschichte bestimmt, kann es keinen Wandel, keine Entwicklung geben. Wenn die „Reproduktionskräfte“ die „Reproduktionsverhältnisse“ gestalten, dann ist die Frauenunterdrückung in der Tat etwas, was es schon immer gegeben hat und auch immer geben wird.
Aber die „Reproduktionsverhältnisse“, d. h. die Familienstrukturen, verändern sich doch, und zwar, wie alle menschlichen Verhältnisse, in Abhängigkeit von Ereignissen in der Sphäre der materiellen Produktion.
Wie wir schon zuvor dargelegt haben: In den vorkapitalistischen Gesellschaften, in denen die Frauen trotz der Last der Schwangerschaft und der Kindererziehung auf den wichtigsten Gebieten der materiellen Produktion tätig waren, finden wir Gesellschaften vor, in denen das weibliche Geschlecht ein hohes Ansehen genießt und eine ebenbürtige, wenn nicht gar höhere Stellung als das männliche Geschlecht innehat.
Die Reproduktionsverhältnisse – die Familie – resultieren aus den materiellen Produktionsverhältnissen und nicht aus irgendeiner „Reproduktionsweise“.
Ausgehend von diesem Verständnis kann man sehen, wie der Kapitalismus den Boden für die Aufhebung der Frauenunterdrückung bereitet. Er bringt eine derart gewaltige Entwicklung der Produktivkräfte mit sich, daß nunmehr das Hindernis der rohen „biologischen Realitäten“ überwunden und jeder in der Produktion tätig werden kann; zugleich schafft er erstmalig die Technologie, um die menschliche Biologie zu verwandeln (Fruchtbarkeitskontrolle etc.). Allerdings verhindert der Kapitalismus selbst die volle Realisierung dieser Möglichkeiten.
Die Patriarchatstheorie lehnt diese Sichtweise ab. Stattdessen zeichnet sie das Bild einer Gesellschaft, die heute durch zwei ganz verschiedene Faktoren geprägt sein soll: zum einen durch den Drang zur Kapitalakkumulation durch Ausbeutung, und zum anderen durch eine klassenübergreifende Männerverschwörung mit dem Ziel, die Frauen aller Klassen zu unterdrücken.
In der Logik der Patriarchatstheorie mag der Klassenkampf eine gewisse Rolle spielen, er hat aber nichts mit der Unterdrückung der Frau zu tun. Letztere hängt von dem zweiten Kampf ab – dem aller Frauen gegen alle Männer. Wer die Frauenunterdrückung ernsthaft abschaffen will, muß folglich in der Praxis dem Klassenkampf abschwören.
Diese Theorie kommt sowohl der separatistischen wie auch der reformistischen Strömung innerhalb der Frauenbewegung sehr gelegen – wobei die separatistische Strömung diese Theorie am konsequentesten anwendet und die Idee von der Geschichte als einem Machtkampf zwischen den Geschlechtern wirklich ernst nimmt. Ob es nun darum geht, alle Männer für Sexualverbrechen verantwortlich zu machen, „männliche Institutionen“ wie die Gewerkschaften zu bekämpfen, Bereiche befreiter weiblicher Sexualität zu schaffen oder der für Atomkriege verantwortlichen Machoaggression „weibliche Werte“ entgegenzustellen, so können die Separatistinnen gegenüber jenen Feministinnen, die die Zusammenarbeit mit einigen Männern für wichtig erachten, immer offensiv auftreten.
Aber auch der reformistische Trend profitiert von dieser Theorie. Wenn es nämlich zwei verschiedene Kampffelder gibt, dann kann man auf dem einen kämpfen und auf dem anderen Kompromisse eingehen. Auf diese Weise wurde beispielsweise in Großbritannien die Kollaboration zwischen Gewerkschaftsführern und einer zukünftigen Labour Regierung zur Eindämmung der Lohnzuwächse mit dem Gerede von einer „feministischen Einkommenspolitik“ und vom „Kampf gegen patriarchale Werte“ gerechtfertigt. Daher rührt auch die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen in der Gewerkschaftsbürokratie eine Ernennung der Funktionäre von oben sowie ein überdurchschnittliches Gehalt und eine Nichtabrufbarkeit derselben akzeptieren – unter der einzigen Voraussetzung, daß es eine „angemessene Karrierestruktur für Frauen“ in der Bürokratie gibt.
Einige sozialistische Feministinnen haben die Gefahren und Widersprüchlichkeiten dieses Ansatzes erkannt und versucht, dagegen zu argumentieren. Aber oft haben sie der Patriarchatstheorie schließlich doch nachgegeben.
Sheila Rowbotham etwa weist die Patriarchatstheorie zurück, erklärt aber das Fortbestehen der Familie anhand der „zwei Produktionsweisen“. In Women’s Consciousness, Men’s World beschreibt sie die Familie als eine vorkapitalistische Produktionsweise innerhalb des allgemeineren kapitalistischen Systems. Die Logik dieser Position ist im Grunde die gleiche wie bei der Patriarchatstheorie: Es gibt zwei verschiedene Kämpfe, die hier und heute nicht notwendigerweise miteinander verbunden sind.
Selbst revolutionäre Sozialistinnen, die viele der Argumente der kleinbürgerlichen Frauenbewegung zu widerlegen versuchten, haben den Fehler gemacht, eine Reihe ihrer theoretischen Formulierungen zu übernehmen.
Ein gutes Beispiel hierfür bietet die Diskussion, die Anfang der 80er Jahre zwischen Joan Smith und Irene Breughel in der Zeitschrift International Socialism stattfand.
Smith eröffnete die Diskussion [21] mit einer sehr aussagekräftigen und wichtigen Kritik an der Lebensstilpolitik, die damals in der Frauenbewegung immer mehr an Boden gewann. Sie grenzte sich von dieser Politik ab und bestand darauf, daß die Unterdrückung der Frau wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Familie für den Kapitalismus fortdauere. Dann aber baute sie ihre eigene Position auf der Theorie der „zwei Produktionsweisen“ auf, wie sie von Sheila Rowbotham, Shulamith Firestone und Heidi Hartmann entwickelt worden war, und übernahm sogar dasselbe aus dem Zusammenhang gerissene Zitat von Engels. Das Ergebnis ist eine absolut konfuse und verwirrende Argumentation.
Smith vertrat die Ansicht, daß die bestehende Familie genauso ein bestimmendes Merkmal des Kapitalismus sei wie die Ausbeutung des Arbeiters iri der Produktion. Daher ist die Familie „Teil der Basis“ und nicht des Überbaus. Sie rechtfertigte das mit dem Argument, daß der Kapitalismus doch von „freier Arbeit“ abhänge, die aber nur in privatisierten Haushalten reproduziert werden könne.
Dieses Argument diente nur der Verwirrung. Unter „freier Arbeit“ verstand Marx Arbeit, bei der der Arbeiter a) keinerlei Kontrolle über die Produktionsmittel hatte und b) nicht dem individuellen Kapitalisten gehörte und deswegen rausgeworfen werden konnte, sobald seine Arbeitskraft nicht länger gebraucht wtirde. Es ist ganz leicht, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der eine solche Arbeitskraft in staatlichen Institutionen reproduziert und dann in die Welt hinausgeschickt wird, um sich zu verkaufen oder aber zu verhungern.
Wie wir zuvor schon erläutert haben, gibt es eine solche Gesellschaft gegenwärtig nicht, weil sie den Erfordernissen der Kapitalakkumulation nicht entspricht. Die ökonomische „Basis“ braucht eine solche Umwandlung des institutionellen Überbaus noch nicht. Wie Kath Ennis 1973 in der Zeitschrift International Socialism schrieb:
„In der Theorie könnte der Kapitalismus ohne die Familie auskommen ... In der Praxis aber würde das solche grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft erfordern, daß eine derartige Entwicklung kaum vorstellbar erscheint.“ [22]
Irene Breughel, in ihrer Antwort auf Smith, arbeitete das Argument von Kath Ennis weiter aus. [23] Sie zeigte, wie der Kapitalismus ein wirtschaftliches Interesse hat, gewisse Aspekte der Hausarbeit zu vergesellschaften, damit Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet werden können. Ihre ökonomische Beweisführung war tadellos. Damit war dem Argument, daß die Familie für den Kapitalismus ebenso lebenswichtig sei wie Ausbeutung und Akkumulation, die Basis entzogen.
Die logische Konsequenz daraus ist, die Familie als Teil des Überbaus anzusehen – als eine Einrichtung, die durch die Akkumulationsbedürfnisse zu einem bestimmten Moment in der kapitalistischen Entwicklung geschaffen wurde, und die der Kapitalismus jetzt zwar untergräbt, wegen seiner eigenen krisenhaften Natur jedoch nicht gänzlich abschaffen kann.
Doch auch Breughel greift auf die von Anne Foreman entwickelte Analyse der Frauenunterdrückung zurück. Diese geht überhaupt nicht von der Ökonomie der kapitalistischen Produktion aus, sondern von den psychischen Bedürfnissen der Männer der Arbeiterklasse. In Foremans Augen existiert die Familie, weil „Männer Erholung von der Entfremdung durch ihre Beziehung zu Frauen finden; für Frauen gibt es diese Erholung nicht.“
Breughel akzeptiert diese Anschauung völlig. Beide aber bewegen sich schließlich unweigerlich weg vom revolutionären sozialistischen Kampf gegen das System in Richtung auf die Lebensstilpolitik von gewissen kleinbürgerlichen Feministinnen. Smith hat vollkommen Recht, wenn sie gegen eine solche Schlußfolgerung Stellung bezieht und bekräftigt:
Wenn wir der Analyse folgen, wie sie Anne Foreman vertritt, dann sind die „Geschlechtsattribute der Weiblichkeit“, die Polarität maskulin/feminin, verantwortlich für die Frauenunterdrückung – sie sind nicht bloß ideologische Erscheinungen der Frauenunterdrückung. Dies ist im wesentlichen nichts anderes als eine idealistische Analyse: Frauen werden durch die ideologischen Formen unterdrückt, die innerhalb der Beziehungen von Frauen mit ihren männlichen Lebenspartnern erzeugt werden.
Smith selbst aber ist genauso wenig wie Breughel in der Lage, die logische Schlußfolgerung aus ihrer Einsicht, daß die Familie für den Kapitalismus nicht für alle Ewigkeit eine ökonomische Notwendigkeit ist, zu ziehen. Sie gibt in der Praxis die Theorie von den „zwei Produktionsweisen“ auf (und benutzt stattdessen Begriffe wie das „Familiensystem der Reproduktion der Arbeitskraft“) . Aber sie kann nicht von der Meinung abrücken, daß die Familie – und mit ihr die Unterdrückung der Frau – für den Kapitalismus ebenso wichtig wie Ausbeutung und Akkumulation sei. Deshalb hält sie umso hartnäckiger an der Ansicht fest, daß nur die Familie „freie Arbeit“ produzieren könne. Sie geht sogar so weit zu behaupten, daß das für alle Klassengesellschaften gelte.
Das wesentliche Element der Familie bleibt in allen Klassengesellschaften unverändert, weil die Familie die einzige Möglichkeit der Reproduktion der Gesellschaft darstellt, die die erheblichen Klassenunterschiede auf dem Gebiet der Reproduktion nicht antastet und die Gesellschaft von der Last der Reproduktion befreit, um sie Individuen oder Gruppen in der Gesellschaft aufzubürden. [24]
Smith, die zuvor den „patriarchalen“ Reden von der unveränderbaren Familie sehr kritisch gegenüberstand, propagiert zum Schluß eine Sicht, die der Patriarchatstheorie sehr nahe kommt. Tatsächlich übernimmt sie sogar die Wortwahl der Patriarchatstheorie mit ihrer Behauptung: „Die wesentliche Geschichte des Patriarchats und der Frauenunterdrückung ist die Geschichte des familiären Reproduktionssystems ...“
Smith geht von ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt noch einen Schritt weiter und schreibt nun dem Staat die Unterdrückung der Frau zu. Sie benutzt die Terminologie der kleinbürgerlich-feministischen Analyse und schreibt:
„Die patriarchalische Kontrolle der Frauen verschiebt sich vom patriarchalen Haushalt auf den patriarchalen kapitalistischen Staat mit seinen unzähligen Gesetzen zur Kontrolle der Frauen und auf den kapitalistischen Markt, auf dem Frauen immer schlechter bezahlt werden als Männer.“
Sie geht sogar soweit, vom „Männerstaat“ zu reden!
Einige ihrer Gründe, die Rolle des Staates betonen zu wollen, sind durchaus gerechtfertigt. Sie wehrt sich immer noch gegen Theorien, nach denen die Unterdrückung der Frau in den individuellen Beziehungen zwischen Männern und Frauen wurzelt. Trotzdem ist ihre Formulierung gleichermaßen mystisch wie irreführend. Denn nicht der Staat verleiht dem kapitalistischen System seine innere Dynamik, sondern der Drang zur Akkumulation. Der Staat ist lediglich ein Mechanismus unter vielen, die vom System zur Befriedigung.dieses Drangs eingesetzt werden – er ist Teil des Überbaus. Die Familie ist ein anderer derartiger Mechanismus, und als solcher ist auch sie Teil des Überbaus.
Es stimmt einfach nicht, daß nur der Staat Frauen unterdrückt, oder aber daß der Staat wegen seiner Aufrechterhaltung der bestehenden Familie einzig und allein eine unterdrückerische Funktion wahrnimmt. Die Unterdrückung der Frau hat letztendlich ihre Wurzeln im Drang zur Akkumulation. Der Staat ist ein Hilfsmittel im Akkumulationsprozeß und muß als solches die Familie stützen. Aber er übernimmt selbst bestimmte Aufgaben der Familie, wenn das System danach verlangt. Er stellt, wenn auch bei weitem nicht in ausreichendem Ausmaß, Kindergärten und Schulen, Sozialhilfe und kostenlose Verhütungsmittel zur Verfügung, verabschiedet (zugegebenermaßen sehr lückenhafte) Gesetze über gleichen Lohn, usw.
Es ist das System als Ganzes, das Frauen unterdrückt, und nicht nur der Staat. Darüber hinaus findet die Unterdrückung oft auf widersprüchliche Art und Weise statt.
Diese Feststellungen sind wichtig. Denn Smiths Theorie ist in sich widersprüchlich. Ihre Widersprüchlichkeit hat dazu gedient, Menschen von der revolutionären marxistischen Analyse der Frauenunterdrückung weg hin zu Theorien, die von Gegnern des Marxismus vorgebracht werden, zu führen. Sie schreibt über ihre Arbeit:
... In meinen Artikeln in International Socialism 100 und 104 habe ich versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Argument über das Wesen des Patriarchats und der Beschäftigung seitens der Schule der häuslichen Arbeit mit der Beziehung zwischen Frauenunterdrückung und Kapitalismus. Es war der Versuch, die Beziehung zwischen Männerherrschaft (Patriarchat) und kapitalistischer Produktionsweise zu beleuchten.
Die Patriarchatstheorie ist, wie wir gesehen haben, der intellektuelle Ausdruck des reformistischen und des separatistischen Flügels der Frauenbewegung. Smith wollte „eine Brücke schlagen“ zwischen ihnen und dem Marxismus. Ein solcher Versuch mußte notwendigerweise in völlige Verwirrung münden.
Es besteht aber auch eine ganz handfeste Verwirrung in der Praxis. Bei jedem Schritt in ihrer Argumentationskette versucht Smith den Nachweis zu erbringen, daß die Unterdrückung der Frau ebenso wie die Ausbeutung der Arbeiter Anfänge spontaner Ablehnung des Kapitalismus hervorruft.
Das geschieht, so argumentiert sie, weil das kapitalistische System auf zwei gleich wichtigen Säulen steht – nämlich der Ausbeutung der Arbeiter und der Unterdrückung der Frau. Diesen Standpunkt hält sie weiterhin aufrecht, auch nachdem sie den Staat für die gesamte Unterdrückung der Frau verantwortlich macht.
In beiden Fällen geht sie davon aus, daß getrennte Frauenkämpfe automatisch mit Kapital und Staat in Konflikt geraten müssen. Der Kampf gegen das Patriarchat wird dann für Smith automatisch zum Verbündeten eines getrennten Kampfes der Arbeiter gegen den Kapitalismus. Somit ist die Grundlage für ein Bündnis „unterschiedlicher aber nicht getrennter“ Kämpfe gelegt.
Der weibliche Teil des Bündnisses besteht für Smith aus allen Frauen, wenn auch unter Führung von Revolutionärinnen:
Wir können mit Frauen sowohl auf der Grundlage ihrer Unterdrückung als auch ihrer Ausbeutung argumentieren und sie für revolutionäre Politik gewinnen. Viele Frauen aus dem Kleinbürgertum wie auch aus der Arbeiterklasse haben ihre Klassenherkunft abgelegt, und wie bei den Studenten ist es möglich, diese Frauen um die revolutionäre Partei zu organisieren. Aber um das zu bewerkstelligen, brauchen wir eine Frauenorganisation, die umfassender als die revolutionäre Parlei ist, damit sie die Fragen der Frauenunterdrückung und Ausbeutung aufgreifen kann [...] Es ist notwendig, eine Frauenbewegung mit ihrer eigenen Zeitung aufzubauen, die alle Frauen vereinen kann – Frauen im öffentlichen Dienst, Frauen aus den Fabriken, Hausfrauen. Weil der Kapitalismus alle Frauen unterdrückt, besteht die materielle Basis für eine solche Organisation. [25]
Smith bezieht sich hier ausdrücklich auf „alle Frauen“ als Basis für eine solche Bewegung, nicht auf Frauen der Arbeiterklasse. Denn auf jeder der drei Stufen ihrer Analyse sind es alle Frauen, die vom „Patriarchat“ oder „Männerstaat“ zum Kampf angestachelt werden. Eben das ermöglicht ihr, von der Organisierung „aller Frauen“ ohne Bezug auf ihre Klassenposition zu sprechen (Frauen der Arbeiterklasse wie auch des Kleinbürgertums legen ganz einfach ihre Klassenherkunft ab!) Dennoch soll diese Bewegung irgendwie einer „sozialistischen Plattform“ und einem „Kampf der Arbeiterklasse für Freiheit“ verpflichtet sein.
Smith ist ein typisches Beispiel für das Durcheinander, in das man gerät, wenn man zwei gegensätzliche Ansichten über die Wurzeln der Frauenunterdrückung miteinander verquickt – die von kleinbürgerlichen Feministinnen und die des revolutionären Marxismus. Es bleibt einem nur übrig, zwischen beiden Positionen hin und her zu schwanken, ohne jemals festen Boden unter die Füße zu bekommen, von dem aus alleine es möglich ist, für die Befreiung der Frau zu kämpfen.
12. Das Apartheid-System, das bis in die 60er Jahre hinein in den Südstaaten der USA herrschte.
13. Die Bewegung innerhalb der protestantischen Bevölkerung in Nordirland gegen die Anerkennung der gleichen Bürgerrechte für die katholische Minderheit.
14. Für eine hervorragende Darstellung der Frauenbewegungen in Großbritannien und in den USA siehe Tony Cliff, Class Struggle and Women’s Liberation, London 1984.
15. Wie Karen Sacks bemerkt hat, teilen diese Feministinnen die Vorurteile von männlichen Vertretern der Männerherrschaft, die in der Unterordnung ein „angeborenes“ Merkmal aller Gesellschaften sehen:
„Ein Großteil des feministischen Gedankenguts wurde geprägt durch [...] diese Sichtweise des Angeborenseins [...] Die Annahme der endogenen Weltanschauung beim gleichzeitigen Versuch, sie zu verändern, um Platz zu machen für gleiche Rechte für Frauen, indem man Frauen von jeglichem Makel freispricht [...] liegt mancherlei radikalem Feminismus zugrunde. (Sacks, op. cit., S. 25)
16. Siehe ihren Artikel in New Statesman, Januar 1980, nachgedruckt in der Sammlung No Turning Back.
17. Lindsey German, Theories of Patriarchy, International Socialism, Nr. 12 (neue Serie).
18. Heidi Hartmann, The Unhappy Marriage of Marxism and Feminism, Capital and Class, Nr. 8, Sommer 1979.
19. Engels, Ursprung der Familie, op. cit.
20. Ich verwende hier den Begriff „Reproduktion“ im buchstäblichen Sinne der physischen Reproduktion der einzelnen Mitglieder der Spezies. Es gibt natürlichen auch einen weiteren Sinne, also die Reproduktion des vollkommen sozialisierten Erwachsenen, der in der Lage ist, die notwendigen gesellschaftlichen Aufgaben zu erledigen. Da gibt es sicherlich Veränderungen von einer Gesellschaft zur anderen in der Art, wie dies bewerkstelligt wird. Das Grundargument wird davon aber nicht berührt. Denn diese Veränderungen sind das Ergebnis anderer gesellschaftlicher Faktoren und entwickeln sich nicht nach einer eigenen Dynamik. Das Gleiche gilt für die Art und Weise, in der Frauen in manchen Gesellschaften ihre Fruchtbarkeit durch Zeiten sexueller Abstinenz kontrollieren, usw. Für eine Diskussion dieser Themenbereiche siehe Friedl, op. cit., S. 8.
21. [Joan Smith, Women and the family (Part 1),] International Socialism, Nr. 100 (alte Serie)
22. [Kathy Ennis, Women’s Consciousness,] International Socialism, Nr. 68 (alte Serie).
23. [Irene Bruegel, What keepts the family going?,] International Socialism, Nr. 1 (neue Serie).
24. [Joan Smith, Women’s Oppression and male alienation,] International Socialism, Nr. 3 (neue Serie).
25. [Joan Smith, Women and the family (Part 2),] International Socialism, Nr. 104 (alte Serie).
Zuletzt aktualisiert am 6. April 2019