N. Bucharin u.
E. Preobraschensky

 

Das ABC des Kommunismus

 

V. Kapitel

Die zweite und die dritte Internationale

 

§ 35. Der Internationalismus der Arbeiterbewegung als Bedingung für den Sieg der kommunistischen Revolution – § 36. Der Zusammenbruch der II. Internationale und dessen Ursachen – § 37. Die Losungen der Vaterlandsverteidigung und des Pazifismus – § 38. Die Sozialchauvinisten – § 39. Das „Zentrum“ – § 40. Die III. Kommunistische Internationale

 

§ 35. Der Internationalismus der Arbeiterbewegung als Bedingung für den Sieg der kommunistischen Revolution

Die kommunistische Revolution kann nur als Weltrevolution siegen. Wenn z.B. die Arbeiterklasse in irgendeinem Land sich der Macht bemächtigte, in anderen Ländern aber das Proletariat, nicht aus Furcht, sondern aus Überzeugung dem Kapital ergeben bliebe, würden schließlich die großen räuberischen Staaten dieses Land erwürgen. In den Jahren 1917, 1918 und 1919 suchten alle Mächte Sowjetrußland zu stürzen; im Jahre 1919 erdrosselten sie Sowjetungarn. Sie konnten aber Sowjetrußland nicht erwürgen, weil die innere Lage bei den Großmächten selbst eine derartige war, daß sie befürchten mußten, unter dem Drucke der Arbeiter, die die Entfernung der Heere aus Rußland forderten, gestürzt zu werden. Die Existenz der proletarischen Diktatur nur in einem einzigen Lande ist ständig bedroht, wenn die Unterstützung der Arbeiter in den anderen Ländern ausbleibt. Außerdem ist in einem solchen Lande der wirtschaftliche Aufbau sehr erschwert. Ein solches Land erhält aus dem Auslande nichts oder beinahe nichts: von allen Seiten blockiert.

Wenn aber für den Sieg des Kommunismus der Sieg der Weltrevolution und die gegenseitige Unterstützung der Arbeiter untereinander notwendig ist, so bedeutet das, daß die notwendige Bedingung für den Sieg – die internationale Solidarität der Arbeiterklasse sei. So wie die Arbeiter in irgendeinem Lande den Streik nur gewinnen können, wenn die Arbeiter verschiedener Fabriken einander unterstützen, eine gemeinsame Organisation schaffen und den Kampf gegen alle Fabrikanten gemeinsam führen, so ist es auch mit den Arbeitern, die in verschiedenen bürgerlichen Staaten leben. Sie werden nur dann den Sieg davontragen, wenn sie zusammen, in geschlossenen Reihen, vorgehen, wenn sie sich als eine einzige Klasse, verbunden durch die gleichen Interessen, fühlen. Nur ein völliges Vertrauen zueinander, ein brüderlicher Bund, die Einheit der revolutionären Handlungen gegen das Weltlkapital sichern der Arbeiterklasse den Sieg. Die kommunistische Arbeiterbewegung kann nur als internationale kommunistische Bewegung siegen.

Die Notwendigkeit des internationalen Kampfes des Proletariates wurde schon längst erkannt. In den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, am Vortag der Revolution vom Jahre 1848, gab es schon eine internationale geheime Organisation, die sich „Bund der Kommunisten“ [46] nannte. An seiner Spitze standen Marx und Engels. Auf dem Londoner Kongreß dieses Bundes wurden sie beauftragt, ein „Manifest“ im Namen dieses Bundes zu verfassen. So entstand Das Manifest der kommunistischen Partei, in dem die großen Kämpfer des Proletariats zum ersten Male die kommunistische Lehre darlegten.

Im Jahre 1864 entstand unter Führung von Marx die „Internationale Arbeiter-Assoziation“ oder die I. Internationale [47]. In der I. Internationale saßen viele Führer der Arbeiterbewegung aus den verschiedenen Ländern, doch gab es in ihren Reihen wenig Einigkeit. Außerdem stützte sie sich noch nicht auf die breiten Arbeitermassen, sondern erinnerte eher an eine internationale Vereinigung für revolutionäre Propaganda. Im Jahre 1871 nahmen die Mitglieder der Internationale an dem Aufstand der Pariser Arbeiter (die Pariser Kommune) teil. Darauf begannen überall die Verfolgungen der Gruppen der Internationale. Im Jahre 1874 zerfiel sie, nachdem sie bereits durch den Kampf zwischen den Anhängern Marx und dem Anarchisten Bakunin [48] innerlich geschwächt worden war. Nach dem Zerfall der I. Internationale begannen in den verschiedenen Ländern mit der Entwicklung der Industrie die sozialdemokratischen Parteien zu wachsen. Das Bedürfnis nach gegenseitiger Unterstützung machte sich bald fühlbar, und im Jahre 1889 wurde ein internationaler sozialistischer Kongreß aus Vertretern der sozialistischen Parteien verschiedener Länder einberufen. Die II. Internationale [49] wurde ins Leben gerufen, die mit dem Ausbruch des Weltkrieges zusammenbrach. Die Ursachen werden später dargelegt.

Schon im Kommunistischen Manifest verkündete Marx die Losung: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Marx schrieb darüber Folgendes und mit diesen Zeilen endete das Manifest:

Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch.“

[So erscheint es, daß die internationale Solidarität nicht ein Spielzeug oder eine schöne Phrase ist, sondern eine Notwendigkeit, ohne die die Arbeiterbewegung zum Scheitern verurteilt wäre.]

 

 

§ 36. Der Zusammenbruch der II. Internationale und dessen Ursachen

Als im August des Jahres 1914 das große Weltgemetzel ausbrach, traten die sozialdemokratischen Parteien aller Länder an die Seite ihrer Regierung und unterstützten so das Blutbad. Nur das russische, serbische und später das italienische Proletariat erklärten dem Kriege ihrer Regierungen den Krieg. An ein und demselben Tage stimmten die sozialdemokratischen Abgeordneten Frankreichs und Deutschlands für die Kriegskredite ihrer Regierungen. Statt der allgemeinen Erhebung gegen die verbrecherische Bourgeoisie, liefen die sozialistischen Parteien, jede unter der Fahne ihrer „eigenen“ bürgerlichen Regierung, auseinander. Der imperialistische Krieg erhielt die direkte Unterstützung der sozialistischen Parteien, deren Führer so dem Sozialismus abtrünnig wurden und ihn verrieten. Die Zweite Internationale fand ein unrühmliches Ende.

Es ist interessant, daß die Presse der sozialistischen Parteien und ihre Führer noch kurz vor dem Verrate dem Krieg gebrandmarkt haben. So schrieb z.B. G. Hervé [50], der Verräter des französischen Sozialismus, in seiner Zeitung Der Soziale Krieg (die er bei Beginn des Krieges in Der Sieg umtaufte): „Sich im Namen der Rettung des Prestige’ (Würde) des Zaren schlagen! ... Welche Freude, für solch’ eine edle Sache zu sterben!“ Drei Tage vor dem Ausbruch des Krieges erließ die sozialistische Partei Frankreichs ein Manifest gegen den Krieg und die französischen Syndikalisten forderten in ihrer Zeitung auf: „Arbeiter! Wenn Ihr keine Feiglinge seid, ... so protestiert!“ Die deutsche Sozialdemokratie rief zahlreiche Protestversammlungen ein. Bei allen war noch der Beschluß des internationalen Kongresses zu Basel [51] frisch in Erinnerung. In der Resolution bieß es, daß im Falle eines Krieges alle Mittel angewendet werden müßten, um das Volk „zur Erhebung zu bringen und den Zusammenbruch des Kapitalismus zu beschleunigen“. Doch schon am nächsten Tage schrieben dieselben Parteien und dieselben Führer von der Notwendigkeit, „das Vaterland zu verteidigen“ (d.h. den räuberischen Staat der eigenen Bourgeoisie) und die Wiener Arbeiter-Zeitung [52] schrieb, daß man die „deutsche (!!) Menschheit“ verteidigen müsse.

Um den Zusammenbruch und ruhmlosen Untergang der II. Internationale zu verstehen, müssen wir uns über die Bedingungen klar werden, unter denen sich die Arbeiterbewegung vor dem Kriege entwickelte. Bis zu diesem Zusammenstoß entwickelte sich der Kapitalismus der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten auf Kosten der Kolonien. Die widerliche und blutige Seite des Kapitalismus kam hauptsächlich hier zur Geltung. Aus den Kolonialvölkern wurden durch barbarische Ausbeutung, Raub, Betrug, Gewalt, Werte herausgepreßt, die dem europäischen und amerikanischen Finanzkapital reichen Profit brachten. Je stärker und mächtiger sich irgend ein staatskapitalistischer Trust auf dem Weltmarkte fühlte, desto größere Profite steckte er durch die Ausbeutung der Kolonien ein. Aus diesem Mehrgewinn konnte er seine Lohnsklaven etwas über den gewöhnlichen Arbeitslohn bezahlen. Natürlich nicht alle, sondern nur die „qualifizierten“ d.h. die sogenannten gelernten Arbeiter. Diese Schichten der Arbeiterklasse wurden so durch das Geld vom Kapital gewonnen. Sie schlossen, daß: „wenn ‚unsere‘ Industrie in den afrikanischen Kolonien Absatzmärkte besitzt, es gut auch für sie sei. Die Industrie wird sich entwickeln, die Profite ihrer Herren werden wachsen und auch für sie wird etwas abfallen.“ So fesselt das Kapital seine Lohnsklaven an den eigenen Staat.

[Die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus hatten schon diese Erscheinung bemerkt. Engels schrieb z.B. 1882 in einem Brief an Kautsky: „Sie fragen mich, was die englischen Arbeiter von der Kolonialpolitik denken? Nun, genau dasselbe, was sie von der Politik überhaupt denken: dasselbe, was die Bourgeois davon denken. Es gibt heir ja keine Arbeiterpartei, es gibt nur Konservative und Liberal-Radikale, und die Arbeiter zehren flott mit von dem Weltmarkts- und Kolonialmonopol Englands.“ Auf diesem Boden hat eine besondere Form der Unterwürfigkeit, eine Anhänglichkeit der Arbeiter an die Bourgeois des eigenen Lands, Eine Selbsterniedrigung vor ihnen gediehen. Engels schrieb 1889: „Das Widerwärtigste hier ist die den Arbeitern tief ins Fleisch gewachsne bürgerliche ‚Anständigkeit‘ ... ihr angeborner Respekt vor ihren ‚Besseren‘ und ‚Höheren‘ [ist] so alt und festgegründet, daß die Bourgeois noch immer das Ködern leicht hat. Ich bin keineswegs sicher z.B., daß John Burns nicht auf seine Popularität bei Kardinal Manning [53], dem Lord Mayor und den Bourgeois überhaupt im stillen stolzer ist als auf die bei seiner eigenen Klasse.“]

Die Arbeitermassen waren nicht gewohnt – sie hatten ja auch keine Gelegenheit dazu – einen Kampf in internationalem Maßstabe zu führen. Die Tätigkeit ihrer Organisationen beschränkte sich in den meisten Fällen auf den des Staates ihrer eigenen Bourgeoisie. Und diese „eigene“ Bourgeoisie verstand es, für die Kolonialpolitik einen TeiI der Arbeiterklasse, insbesondere die qualifizierten Schichten, zu gewinnen. Auch die Führer der Arbeiterorganisationen, die Arbeiterbürokratie, die parlamentarischen Vertreter, die mehr oder weniger warme Plätzchen hatten und an eine „friedliche„, „ruhige“, „gesetzliche“ Tätigkeit gewohnt waren, gingen der Bourgeoisie auf den Leim. Denn die blutige Seite des Kapitalismus kam hauptsächlich nur in den Kolonien zur Geltung. ln Europa und Amerika selbst entwickelte sich die Industrie rasch und der Kampf der Arbeiterklasse nahm mehr oder weniger friedliche Formen an. Große Revolutionen hatten es (mit Ausnahme Rußlands) seit dem Jahre 1871 – für die meisten Länder seit 1848 – nicht gegeben. Alle gewöhnten sich an den Gedanken, daß der Kapitalismus sich auch weiterhin ebenso friedlich entwickeln werde, und wenn man von kommenden Kriegen sprach, so glaubte man selbst nicht daran. Ein Teil der Arbeiter aber – darunter auch die Arbeiterführer – gab sich immer mehr dem Gedanken hin, daß die Arbeiterklasse an der Kolonialpolitik interessiert sei und zusammen mit der eigenen Bourgeoisie das Gedeihen dieser „Sache das gesamten Volkes“ fördern müsse. Infolgedessen begannen auch die kleinbürgerlichen Massen der Sozialdemokratie zuzuströmen. [A*]

Kein Wunder, daß im Augenblick der Entscheidung die Anhänglichkeit an den imperialistischen räuberischen Staat die Oberhand gewann über die internationale Solidarität der Arbeiterklasse.

Die Hauptursache des Unterganges der II. Internationale lag also darin, daß die Kolonialpolitik und die Monopolstellung der größten staatskapitalistischen Trusts die Arbeiter – und insbesondere die „Spitzen“ der Arbeiterklasse – an den imperialistischen Staat der Bourgeoisie fesselten.

In der Geschichte der Arbeiterbewegung hat es auch früher Fälle gegeben, wo die Arbeiter mit ihren Unterdrückern zusammen gingen. Z.B. zur Zeit, als der Arbeiter noch mit seinem Herrn an einem Tische saß. Er betrachtete die Fabrik seines Herrn beinahe wie seine eigene; der Herr war für ihn kein Feind, sondern der „Arbeitgeber“. Erst mit der Zeit begannen die Arbeiter der verschiedenen Fabriken sich gegen alle Herren zu vereinigen. Als die großen Länder sich in „staatskapitalistische Trusts“ verwandelten, da zeigten die Arbeiter ihnen gegenüber noch ebenso Anhänglichkeit wie früher an den einzelnen Herren.

Erst der Krieg hat sie gelehrt, daß man nicht auf der Seite des eigenen bürgerlichen Staates stehen dürfe, sondern gemeinsam diese bürgerlichen Staaten stürzen und zur Diktatur des Proletariats schreiten müsse.

 

 

§ 37. Die Losungen der Vaterlandsverteidigung und des Pazifismus

Der Verrat an der Arbeitersache und dem gemeinsamen Kampfe der Arbeiterklasse wurde von den Führern der sozialistischen Parteien und der II. Internationale damit gerechtfertigt, daß man angeblich das „Vaterland verteidigen“ müsse.

Wir haben schon gesehen, daß in einem imperialistischen Kriege keine von den Großmächten sich verteidigt, sondern alle die Angreifenden sind. Die Losung der Vaterlandsverteidigung (des bürgerlichen Vaterlandes) war einfach ein Betrug, mit dem die Führer ihren Verrat decken wollten.

Hier müssen wir jedoch näher auf diese Frage eingehen.

Was ist eigentlich das Vaterland? Was versteht man darunter? Menschen, die dieselbe Sprache sprechen oder eine „Nation“? Keineswegs. Denn nehmen Wir z.B. das zaristische Rußland. Als die russische Bourgeoisie von der Vaterlandsverteidigung schrie, da dachte sie keineswegs an das Land, in welchem eine Nation, sagen wir, die Großrussen, leben; nein, denn handelte es sich da um verschiedene Völker, die Rußland bewohnen. Wovon war also eigentlich die Rede? Von nichts anderem, als von der Staatsgewalt der russischen Bourgeoisie und der Gutsbesitzer. Diese zu „verteidigen“ wurde den russischen Arbeitern nahegelegt (in Wirklichkeit nicht zu verteidigen, sondern ihre Grenzen bis Konstantinopel und Krakau zu erweitern). Als die deutsche Bourgeoisie von Verteidigung des „Vaterlandes“ heulte, um was handelte es sich da? Wiederum um die Macht der deutschen Bourgeoisie, um die Erweiterung der Grenzen des räuberischen Wilhelmschen Staates.

Wir müssen uns deshalb darüber klar werden, ob die Arbeiterklasse unter der Herrschaft des Kapitalismus überhaupt irgend ein Vaterland besitzt. Marx antwortete darauf im Kommunistischen Manifest: „Die Arbeiter haben kein Vaterland.“ Warum? Sehr einfach: weil sie unter der Herrschaft des Kapitalismus über keine Macht verfügen, weil im Kapitalismus alles in den Händen der Bourgeoisie liegt, weil im Kapitalismus der Staat ein Mittel zur Niederhaltung und Unterdrückung der Arbeiterklasse ist. Die Aufgabe des Proletariats besteht darin, den Staat der Bourgeoisie zu zerstören und nicht ihn zu verteidigen. Erst dann wird das Proletariat ein Vaterland haben, wenn es die Staatsgewalt erobert hat und zum Herrn des Landes geworden ist. Dann erst ist das Proletariat verpflichtet, sein Vaterland zu verteidigen: denn dann wird es seine eigene Macht und seine eigene Sache verteidigen, nicht aber die Macht seiner Feinde und die räuberische Politik seiner Unterdrücker.

Die Bourgeoisie versteht das alles ausgezeichnet, wie Folgendes beweist: Als das Proletariat in Rußland die Macht eroberte, da nahm die russische Bourgeolsie den Kampf gegen Rußland mit allen Mitteln auf, wobei sie sich mit jedem Beliebigen verbündete: mit den Deutschen, Japanern, Amerikanern, Engländern, und – wenn notwendig – auch mit dem Teufel und seiner Großmutter. Warum? Weil sie in Rußland die Macht, ihre eigenes Vaterland des Raubes, der Plünderung, der bürgerlichen Ausbeutung verloren hatte. Das proletarische Rußland aber, d.h. die Sowjetmacht, ist sie bereit, in jedem beliebigen Augenblick in die Luft zu sprengen. Ähnlich war es in Ungarn. Die Bourgeoisie rief zur „Verteidigung“ Ungarns auf, solange die Macht in ihren Händen lag, einigte sich aber später sofort – mit den Rumänen, Tschechoslowaken, Österreichern, und der Entente und erwürgte im Bunde mit ihnen das proletarische Ungarn. Das bedeutet, daß die Bourgeoisie ausgezeichnet versteht, worum es sich handelt. Sie ruft unter der Phrase des Vaterlandes alle Bürger auf, ihre eigene, bürgerliche Macht zu befestigen, und richtet wegen Hochverrats diejenigen, die darauf nicht eingehen wollen. Dagegen läßt sie sich durch nichts zurückhalten, das proletarische Vaterland zu sprengen.

Das Proletariat muß von der Bourgeoisie dasselbe lernen: es muß das bürgerliche Vaterland sprengen und nicht es verteidigen oder erweitern helfen. sein eigenes proletarisches Vaterland aber muß es mit allen Kräften, bis zum letzten Blutstropfen, verteidigen.

Hier können unsere Gegner einwenden: Ihr erkennt also an, daß die Kolonialpolitik und der Imperialismus zur Entwicklung der Industrie der großen Mächte beitrugen, daß dadurch einige Brocken vom Herrentisch für die Arbeiterklasse abfielen? Also muß man doch seinen eigenen Herrn verteidigen und ihm in seinem Konkurrenzkampf helfen?

Das ist aber keineswegs richtig. Nehmen wir z.B. zwei Fabrikanten an: Schulz und Petroff. Sie liegen einander auf dem Markte in den Haaren. Schulz sagt seinen Arbeitern: „Freunde! Veteidigt mich mit allen Kräften! Schadet, soviel Ihr könnt, der Fabrik Petroffs, ihm selbst, seinen Arbeitern usw. Dann wird meine Fabrik in Gang kommen, ich werde Petroff den Garaus machen, meine Geschäfte werden glänzend gehen. Und Euch werde ich dann aus dem Gewinn eine Lohnerhöhung geben.“ Dasselbe sagt Petroff seinen Arbeitern. Nehmen wir an, Schulz hätte gesiegt. Dann wird er vielleicht auch in der ersten Zeit eine Lohnerhöhung geben, später wird er aber alles wieder zurücknehmen. Wenn die Arbeiter Schulz‚ nun streiken und sich an die Arbeiter Petroffs um Hilfe wenden würden, könnten diese erwidern: „Was wollt ihr? Ihr habt uns hereingelegt und jetzt kommt ihr zu uns, damit wir euch helfen? Schaut, daß ihr weiter kommt!“ Ein gemeinsamer Streik könnte nicht zustande kommen. Die Zersplitterung der Arbeiter aber macht den kapitalisten stark. Und er wendet sich nach der Niederringung seines Konkurrenten gegen die Arbeiter, deren Kräfte zersplittert sind. Die Arbeiter von Schulz gewannen zwar für einen Augenblick durch die Lohnerhöhung etwas mehr Lohn, verloren aber später alles. Geradeso ist es im internationalen Kampfe. Der bürgerliche Staat stellt einen Bund der Herren dar. Will ein solcher Bund sich auf Kosten eines anderer bereichern, so kann er die Zustimmung der Arbeiter hiezu durch Geld gewinnen. Der Zusammenbruch der II. Internationale und der Verrat am Sozialismus durch die Führer der Arbeiterbewegung waren möglich, weil die Führer gewillt waren, jene Brocken zu „verteidigen„ und zu vergrößern, die für sie vom Herrentisch abfielen. Im Laufe des Krieges aber, als die Arbeiter infolge dieses Verrates zersplittert wurden, stürzte sich das Kapital von allen Seiten mit furchtbarer Wucht auf sie. Die Arbeiter sahen, daß sie sich verrechnet, daß die Führer der sozialistischen Parteien für einen Groschen verkauft hatten. Mit dieser Erkenntnis beginnt die Wiedergeburt des Sozialismus. Die Proteste kamen vor allem aus den Reihen der schlecht bezahlten, nichtqualifizierten Arbeiter. Die Schichte der Arbeiteraristokratie und die alten Führer setzten noch lange ihr Verräterspiel fort.

Ein Mittel der Irreführung und Verdummung der Arbeitermassen war, neben der Losung der Verteidigung des (bürgerlichen) Vaterlandes, der sogenannte Pazifismus. Was ist das? Das ist die Ansicht, daß schon innerhalb des Kapitalismus, ohne jede Revolution, ohne jeden Aufstand des Proletariats usw. der ewige Friede auf Erden eintreten werde. Es genüge nur, Schiedsgerichte zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Mächten einzusetzen, die Geheimdiplomatie abzuschaffen, die Abrüstung durchzuführen – wenn auch anfangs nur durch Einschränkung der Rüstungen – usw., und alles wird gut werden.

Der Grundirrtum des Pazifismus (des „Friedensschaffens“) liegt darin, zu glauben, daß die Bourgeoisie auf all diese Dinge, wie Abrüstung usw. eingehen wird. Es ist aber ganz sinnlos, in der Epoche des Imperialismus und des Bürgerkrieges die Abrüstung zu predigen. Die Bourgeoisie wird sich trotz der Wünsche der Pazifisten bewaffnen. Und wenn das Proletariat abrüstet oder sich nicht bewaffnet, wird es sich einfach selbst der Vernichtung preisgeben. Darin besteht eben die Irreführung des Proletariats, die in den pazifistischen Losungen liegt. Ihr Ziel ist, die Arbeiterklasse von dem bewaffneten Kampfe um den Kommunismus abzulenken.

Als bestes Beispiel der Verlogenheit des Pazifismus können die Politik Wilsons und seine 14 Punkte [54] gelten, wo unter dem Deckmantel der edelsten Dinge, darunter auch des Völkerbundes, der Weltraub und der Bürgerkrieg gegen das Proletariat durchgeführt werden. Welcher Niedertracht die Pazifisten fähig sind, sehen wir etwa aus folgenden Beispielen: Der gewesene Präsident der Vereinigten Staaten Taft ist einer der Begründer des amerikanischen pazifistischen Bundes und zu gleicher Zeit ein toller Imperialist: der bekannte amerikanische Automobilfabrikant Ford [55] veranstaltete ganze Expeditionen nach Europa, um durch sie seinen Pazifismus in die Welt zu trompeten. Gleichzeitig steckte er aber Hunderte von Millionen Dollars Kriegsgewinne ein, denn alle seine Unternehmungen arbeiteten für den Krieg. Einer der maßgebendsten Pazifisten, A. Fried [56], sieht in seinem Handbuch des Pazifismus (Bd.II, S.149) die „Brüderlichkeit der Völker“ unter anderem in dem gemeinsamen Kriegszug der Imperialisten gegen China im Jahre 1900. Der offene, gemeinsame Raub der von allen Mächten an China begangen wurde, wird als „Verbrüderung der Völker“ angesehen. Und ebenso tischen die Phrase vom angesehen. Und ebenso tischen die Pazifisten die Phrase vom „Volkerbund“ auf, der in Wahrheit nichts ist als ein Kapitalistenbund.

 

 

§ 38. Die Sozialchauvinisten

Die betrügerischen Losungen, mit denen die Bourgeoisie tagaus tagein mit Hilfe ihrer ganzen Presse (Zeitschriften, Zeitungen, Flugschriften usw.) die Massen überschüttete, wurden auch zu Losungen der Verräter am Sozialismus.

Die alten sozialistischen Parteien spalteten sich fast in allen Ländern in drei Richtungen: in die aufrichtigen und unverschämten Verräter – Sozialchauvinisten; in versteckte und schwankende Verräter – das sogenannte „Zentrum„: und endlich in diejenigen, die dem Sozialismus treublieben. Aus den Letzteren organisierten sich später die kommunistischen Parteien.

Als Sozialchauvinisten, d.h. als Prediger des Menschenhasses unter der Flagge des Sozialismus, der Unterstützung der bürgerlichen Räuberstaaten unter der betrügerischen Losung der Vaterlandsverteidigung, erwiesen sich die Führer fast aller alten sozialistischen Parteien: in Deutschland – Scheidemann, Ebert, David, Heine und andere; in England – Henderson; in Amerika – Samuel Gompers (der Führer der Gewerkschaften); in Frankreich – Renaudel, Albert Thomas, Jules Guesde und die Gewerkschaftsführer, wie Jouhaux; in Rußland – Plechanow, Potressow, die rechten Sozialrevolutionäre (Breschko-Breschkowskaja, Kerenski, Tschernow); in Österreich – Renner, Seitz, Viktor Adler; in Ungarn – Garami, Buchinger und andere [57].

Alle waren für die „Verteidigung“ des bürgerlichen Vaterlandes. Einige von ihnen traten ganz offen selbst für die räuberische Politik, für die Gebietserwerbungen und Kriegsentschädigungen und für den Raub der Kolonien ein (Sozialimperialisten). Sie unterstützten während des ganzen Krieges diese Politik nicht nur durch Bewilligung der Kriegskredite, sondern auch durch die Art ihrer Propaganda. Das Manifest Plechanows in Rußland wurde vom zaristischen Minister Chwostow plakatiert. Der General Kornilow ernannte Plechanow zum Minister in seinem Kabinett. Kerenski (Sozialrevolutionär) und Zeretelli (Menschewik) versteckten vor dem Volke die Geheimverträge des Zaren: sie verfolgten das Proletariat Petrograds in den Julitagen; Sozial-Revolutionäre und Menschewiki nahmen an der Regierung Koltschaks teil, Rosanow war ein Spion des Judenitsch [58]. Mit einem Worte: sie waren, sowie die gesamte Bourgeoisie, für die Unterstützung des räuberischen bürgerlichen und für die Sprengung des proletarischen Sowjet-Vaterlandes. Die französischen Sozialchauvinisten traten in das Ministerium der Räuber ein (Guesde, Albert Thomas), sie unterstützten alle Raubpläne der Verbündeten, sie waren für die Erdrosselung der russischen Revolution und für die Entsendung von Truppen gegen die russischen Arbeiter; die deutschen Sozialchauvinisten traten ebenfalls. noch unter Wilhelm, in das Ministerium ein (Scheidemann), unterstützten Wilhelm, als er die finnische Revolution würgte, die Ukraine und Großrußland plünderte; Mitglieder der sozialdemokratischen Partei (Winnig [59] in Riga) leiteten die Kämpfe gegen russische und lettische Arbeiter; sie ermordeten Liebknecht und Rosa Luxemburg und unterdrückten die Aufstände der kommunistischen Arbeiter in Berlin, Leipzig, Hamburg, München usw. in Blut und Greuel. Die ungarischen Sozialchauvinisten unterstützten seinerzeit die monarchistische Regierung und verrieten später die Räterepublik. Mit einem Worte, in allen Ländern haben sie sich als wirkliche Henker der Arbeiterklasse erwiesen.

Als Plechanow noch ein Revolutionär war, schrieb er in der im Auslande erschienden Zeitung Iskra [60], daß das zwanzigste Jahrundert, dem es bestimmt sei, den Sozialismus zu verwirklichen, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine ungeheure Spaltung unter den Sozialisten und einen ungeheueren, erbitterten Kampf zwischen ihnen sehen werde. Sowie zur Zeit der französischen Revolution 1789-1793 die äußerste revolutionäre Partei (“der Berg“) einen Bürgerkrieg mit der gemäßigten, die später zur gegenrevolutionären Partei wurde (“Gironde“), führte, so werden wahrscheinlich – so sagte Plechanow – im zwanzigsten Jahrhundert frühere Gesinnungsgenossen einander feindlich gegenüberstehen, weil ein Teil von ihnen auf die Seite der Bourgeoisie übergehen wird.

Diese Prophezeiung Plechanows ging völlig in Erfüllung. Nur wußte er damals nicht, daß er selbst unter den Verrätern sein werde.

Die Sozialchauvinisten (auch Opportunisten) verwandelten sich in offene Klassenfeinde des Proletariats. In der großen Weltrevolution kämpfen sie in den Reihen der Weißen gegen die Roten; sie gehen zusammen mit den Generälen, mit der Großbourgeoisie, den Gutsbesitzern. Es ist selbstverständlich, daß gegen sie ein schonungsloser Kampf, so wie gegen die Bourgeoisie, deren Agenten sie sind, notwendig ist.

Die Überbleibsel der Zweiten Internationale, die diese Parteien zu beleben versuchen, sind eigentlich nichts anderes als ein Büro des „Völkerbundes“, eine Waffe der Bourgeoisie im Kampfe gegen das Proletariat.

 

 

§ 39. „Das Zentrum“

Diese Richtung führt ihren Namen deshalb, weil sie zwischen den Kommunisten auf der einen und den Sozial-Chauvinisten auf der anderen Seite schwankt. Dieser Richtung gehören an: in Rußland – die linken Menschewiki mit Martow an der Spitze; in Deutschland – die „Unabhängigen“ (die Unabhängige Sozialdemokratische Partei) mit Kautsky und Ledebour; in Frankreich – die Gruppe um Jean Longuet; in Amerika – die Amerikanische Sozialistische Partei mit Hillquit; in England – ein Teil der Britischen Sozialistischen Partei und die Unabhängige Arbeiterpartei usw. [61]

Zu Kriegsbeginn sprachen sich diese Leute mit allen Sozialverrätern für die Vaterlandsverteidigung und gegen die Revolution aus. Kautsky schrieb, daß das Allerschrecklichste – die „feindliche Invasion“ sei, und daß man erst nach dem Kriege den Kampf gegen die Bourgeoisie werde aufnehmen können. Zur Kriegszeit hätte die Internationale, nach der Meinung Kautskys, nichts zu tun. Nach dem „Friedensschluß“ schrieb Kautsky wieder, daß jetzt alles so zerstört sei, daß an Sozialismus gar nicht gedacht werden könne. Also: Während des Krieges dürfe man nicht kämpfen, weil es zu nichts führe, man müsse darum den Kampf auf die Zeit nach dem Frieden verschieben, und im Frieden wieder dürfe man nicht kämpfen, weil der Krieg alles erschöpft habe. Die Theorie Kautskys ist eine Predigt der absoluten Ohnmacht, die das Proletariat versumpft. Noch schlimmer ist es, daß Kautsky in der Revolutionszeit mit einer wahnsinnigen Hetze gegen die Bolschewiki einsetzte. Er, der die Lehren Marx’ vergessen hat, führt nun einen Feldzug gegen die Diktatur des Proletariats, gegen den Terror usw., ohne zu merken daß er damit nur dem weißen Terror der Bourgeoisie hilft. Seine Hoffnungen sind eigentlich die Durchschnitts-Pazifisten (Schiedsgerichte u.dgl.) und darin gleicht er jedem beliebigen bürgerlichen Pazifisten.

Die Politik des „Zentrums“ besteht darin, daß es ohnmächtig zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat hin und her pendelt, über seine eigenen Füße stolpert, da es das Unversöhnliche zu versöhnen wünscht und in entscheidenden Augenblicken das Proletariat verrät. Während der russischen Oktoberrevolution klagte das russische Zentrum (Martow und Komp.) über die Gewalttätigkeit der Bolschewiki. Es trachtete, alles zu „versöhnen“, und leistete so den Weißgardisten Hilfe und schwächte die Energie des Proletariats im Kampfe. Die Partei der Menschewiki schloß nicht einmal diejenigen ihrer Mitglieder aus, die mit den Generälen sich verschworen hatten und für sie Spionendienste leistete. In den schweren Tagen des Proletariats trat dieses „Zentrum“ mit einer Streikagitation für die Konstituante und gegen die Diktatur des Proletariats auf; während der Koltschak-Offensive warfen manche dieser Menschewiki, in voller Übereinstimmung mit den bürgerlichen Verschwörern, die Losung auf, den Bürgerkrieg zu beenden (Menschewik Pleßkow [62]). In Deutschland spielten die „Unabhängigen“ zur Zeit der Arbeiteraufstände in Berlin eine verräterische Rolle, als auch sie im Kampfe zu „versöhnen“ anfingen und damit zur Niederlage beitrugen; unter den Unabhängigen gibt es sehr viele Anhänger des Zusammenarbeitens mit den Scheidemännern. Aber das Allerwichtigste ist, daß sie keine Agitation des Massenaufstandes gegen die Bourgeoisie betreiben und das Proletariat mit pazifistischen Losungen einhüllen. In Frankreich und England „verurteilt“ das Zentrum die Gegenrevolution, „protestiert,“ mit Worten gegen die Erdrosselung der Revolution, zeigt aber eine völlige Unfähigkeit zu Massenaktionen.

Gegenwärtig ist die Gruppe des „Zentrums“ ebenso schädlich, wie die der Sozialchauvinisten. Die „Zentrumleute“ oder „Kautskyaner“, versuchen ebenfalls den Leichnam der Zweiten Internationale zu beleben und die „Versöhnung“ mit den Kommunisten herbeizuführen. Es ist klar, daß ohne endgültigen Bruch und ohne Kampf mit ihnen der Sieg über die Gegenrevolution undenkbar ist.

Die Versuche, die Zweite Internationale wiederherzustellen, wurden unter dem wohlwollenden Schutze des räuberischen „Völkerbundes“ unternommen. Denn die Sozialchauvinisten sind heute tatsächlich die letzten Stützen der zerfallenden kapitalistischen Ordnung. Der imperialistische Krieg konnte nur deshalb fünf Jahre lang toben, weil die sozialistischen Parteien einen Treubruch an ihrer Klasse begingen. Die früheren sozialistischen Parteien wurden zum größten Hindernis im Kampfe der Arbeiterklasse um den Sturz des Kapitals. Während der Kriegszeit wiederholte jede der sozialverräterischen Parteien das, was die Bourgeoisie sagte. Nach dem Versailler Frieden, als der „Völkerbund“ gebildet wurde, stimmten die Überbleibsel der Zweiten Internationale (sowohl die Sozialchauvinisten als auch das Zentrum) in dieselben Losungen ein, die der „Völkerbund“ aufgestellt hatte. Der „Völkerbund“ beschuldigt die Bolschewiki – dasselbe tut die Zweite Internationale – des Terrors, der Verletzung der Demokratie, des „roten Imperialismus“. Anstatt den entschlossenen Kampf gegen die Imperialisten zu führen, unterstützt sie deren Losungen.

 

 

§ 40. Die Dritte Kommunistische lnternationale

Die Sozialchauvinisten und das „Zentrum“ erwählten, wie wir gesehen haben, während der Kriegszeit die Verteidigung des (bürgerlichen) Vaterlandes (der Staatsorganisation der Feinde des Proletariats) zu ihrer Losung. Daraus entsprang der „Burgfrieden“ [63], d.h. die völlige Unterwerfung unter den bürgerlichen Staat. Man durfte z.B. nicht streiken, noch weniger aber sich gegen die verbrecherische Bourgeoisie erheben. Die Sozialverräter erklärten: vor allem müssen wir mit dem „äußeren Feinde“ fertig werden und nachher werden wir schon sehen. Auf diese Weise verschrieben sich die Arbeiter aller Länder der Bourgeoisie. Daß so die Sache der Arbeiterklasse dem Untergange geweiht wäre, erkannten die Gruppen ehrlicher Sozialisten aber schon zu Kriegsbeginn, daß die „Vaterlandsverteidigung“ und der „Burgfrieden“ das Proletariat an Händen und Füßen fesseln werde, daß diese Losungen – Verrat am Proletariate seien. Die Partei der Bolschewiki erklärte schon im Jahre 1914, daß nicht der Burgfrieden mit der verbrecherischen Bourgeoisie, sondern der Bürgerkrieg gegen sie, d.h. die Revolution, notwendig sei. Plicht des Proletariats sei es, vor allem seine eigene Bourgeoisie zu stürzen. In Deutschland standen an der Spitze einer Gruppe von Genossen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (Gruppe „Internationale“). Die Gruppe erklärte die internationale Solidarität des Proletariats für das Wichtigste. Bald darauf trat Karl Liebknecht offen mit der Losung des Bürgerkrieges auf und begann die Arbeiterklasse zum bewaffneten Aufstand gegen die Bourgeoisie aufzurufen. So entstand die Partei der deutschen Bolschewiki – die Spartakisten. [64] In den anderen Ländern kam es ebenfalls zur Spaltung der alten Parteien. In Schweden bildete sich die sogenannte „linke sozialistische Partei“, in Norwegen eroberten die „Linken“ die ganze Partei. Die italienischen Sozialisten hatten während des Krieges immer den Gedanken des Internationalismus hochgehalten. Auf diesem Boden erwuchsen die Einigungsversuche, die auf zwei Konferenzen, in Zimmerwald und Kienthal [65], den Keim zur Bildung der Dritten Internationale legten. Bald zeigte sich aber, daß sich verdächtige Leute aus dem „Zentrum“ eingeschlossen hatten, die die Bewegung nur bremsten. Innerhalb der „Zimmerwalder“ internationalen Vereinigung entstand die sogenannte „Zimmerwalder Linke“ [66], mit Genossen Lenin an der Spitze. Die Zimmerwalder Linke bestand auf entschlossenem Handeln und kritisierte scharf das von Kautsky geführte „Zentrum“.

Nach der Oktoberrevolution und der Aufrichtung der Sowjetmacht in Rußland wurde Rußland zum Hauptpunkt der internationalen Bewegung. Um sich von den Sozialverrätern zu scheiden, kehrte die Partei zu dem alten, ruhmvollen und kampfesmutigen Namen zurück und nannte sich Kommunistische Partei. Unter dem Einfluß der russischen Revolution bildeten sich kommunistische Parteien auch in anderen Ländern. Der Spartakusbund änderte seinen Namen in „Kommunistische Partei Deutschlands„; in Ungarn, Deutschösterreich, Frankreich und Finnland bildeten sich kommunistische Parteien. In Amerika schloß das „Zentrum“ die Linken aus der Partei aus, worauf sich die Ausgeschlossenen zu einer kommunistischen Partei zusammenschlossen; in England gründete sich die kommunistische Partei im Herbst 1919. Aus diesen Parteien erwuchs die Kommunistische Internationale. Im März 1919 fand im Kreml, dem einstigen Zarenschlosse in Moskau, der erste internationale kommunistische Kongreß [67] statt, auf welchem die Dritte Kommunistische Internationale gegründet wurde. Diesem Kongresse wohnten die Vertreter der russischen, deutschen, deutschösterreichischen, ungarischen, schwedischen, norwegischen, finnischen und anderer Kommunisten bei, ebenso der französischen, amerikanischen und englischen Genossen.

Der Kongreß nahm einmütig die von den deutschen und russischen Genossen vorgeschlagene Plattform an und zeigte, daß sich das Proletariat fest und entschlossen unter das Banner der Arbeiterdiktatur, der Sowjetmacht und des Kommunismus gestellt habe. Die Dritte Internationale legte sich den Namen Kommunistische Internationale bei, gleichem Bund der Kommunisten, dessen Haupt noch Karl Marx selbst war. Mit jeder ihrer Arbeiten beweist die Dritte Internationale, daß sie auf den Spuren Marx’ wandelt, d.h. auf dem revolutionären Wege, der zum gewaltsamen Sturz der kapitalistischen Ordnung führt.

Kein Wunder, daß alles, was an Lebendigem, Ehrlichem, Revolutionärem, im internationalen Proletariate vorhanden ist, sich der neuen Internationale anschließt, die alle Kräfte der Vorkämpfer der Arbeiter vereinigt.

Schon mit ihrem Namen beweist die kommunistische Internationale, daß sie nichts Gemeinsames hat mit den Sozialverrätern. Marx und Engels hielten es nicht für richtig, daß einer Partei des revolutionären Proletariats der Namen „Sozialdemokratie“ beigelegt werde. „Demokratie“ bedeutet eine bestimmte Staatsform. Wie wir aber oben gesehen haben, wird es in der zukünftigen Gesellschaft überhaupt keinen Staat geben. In der Übergangsperiode muß aber die Diktatur der Arbeiter herrschen. Die Verräter der Arbeiterklasse kommen über die bürgerliche Republik nicht hinaus. Wir aber wollen dem Kommunismus entgegengehen.

Im Vorwort zum Kommunistischen Manifest schrieb Engels, daß man unter „Sozialismus“ (zu seiner Zeit) die Bewegung der radikalen Intelligenz verstehe, während der Kommunismus die der Arbeiter bedeutete. Vor unseren Augen spielt sich dasselbe ab. Die Kommunisten stützen sich ausschließlich auf die Arbeiter, die „Sozialdemokratie“ – auf die Arbeiteraristokratie, Intellektuellen, Wirtshausbesitzer und Krämer, auf das Kleinbürgertum überhaupt.

Die Kommunistische Internationale verwirklicht somit in der Tat die Lehre Marx’, indem sie diese von den Auswüchsen „befreit“, die in der „Friedens“periode der Entwicklung des Kapitalismus an ihr wucherten. Das, was der große Lehrer des Kommunismus vor siebzig Jahren predigte, wird unter der Führung der Kommunistischen lnternationale heute verwirklicht.

 

 

Literatur:

Lenin und Sinowjew: Der Sozialismus und der Krieg
Lenin und Sinowjew: Gegen die Strömung
G. Sinowjew: Der Krieg und die Krise des Sozialismus. I. und II. Teil
N. Lenin: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky
G. Gorter: Der Imperialismus
Die Zimmerwalder Manifeste und die Berichte der Zimmerwalder Kommission
Die Zeitschrift: Die Kommunistische Internationale

 

 

Anmerkungen

46. Der Bund der Kommunisten war der erste internationale Organisation der revolutionären Arbeiterklasse, die im Sommer 1847 auf einem Kongreß in Londen gegründet wurde. Er entwickelte sich aus dem Zusammenschluß des Bundes der Gerechten, einer ehemaligen verschwörerischen Organisation von Handwerkern und Arbeitern, und des von Marx und Engels geleiteten Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitees; Marx und Engels traten der Organisation erst bei, nachdem es vereinbart wurde, daß sie nicht eine elitäre Konspiration sein, sondern eine echte Orientierung auf die Masse der Arbeiterklasse haben sollte. Im auftrag des Bundes der Kommunisten verfaßten Marx und Engels Das Manifest der kommunistischen Partei. Während der Revolution von 1848/49 in Deutschland spielten die Mitglieder des Bundes eine bedeutende Rolle, die Organisation selbst war aber zu klein, um eine maßgebende Rolle zu spielen. 1850 gab es eine Spaltung zwischen der Gruppe um Marx und Engels, die erkannte, daß die revolutionäre Krise vorübergehend vorbei war, und die Gruppe um Schapper und Willich, die aus Ungeduld zu einer elitären Taktik nach dem alten Muster zurückkehrte. Der Bund der Kommunisten bestand bis 1852, als er von polizeilichen Maßnahmen zerschlagen wurde. Seine bedeutendsten Führer spielten eine führende Rolle in der Wiederbelebung der deutschen Arbeiterbewegung während der 1860er Jahre und im Aufbau der I. Internationale.

47. Die Internationale Arbeiter-Assoziation (I. Internationale) war die erste internationale revolutionäre Massenvereinigung der Arbeiterklasse. Sie wurde September 1864 in London bei einer Massenversammlung von englischen und französischen Arbeitern mit der Beteiligung von Karl Marx gegründet. Marx schrieb die „Inauguraladresse“ und die Statuten der IAA. Marx und (ab 1870) Engels spielten eine wichtige Rolle im Generalrat der IAA und durch ihre Arbeit konnten sie viele Frage der revolutionären Politik klären und mit den Überresten der vormarxschen Sozialismus fertigwerden. Die IAA spielte eine wichtige Rolle in der Verteidigung der Pariser Kommune, wurde aber durch einen bitteren Kampf gegen die Anarchisten geschwächt und hörte 1872 faktisch auf zu existieren, obwohl sie erst 1876 offiziell aufgelöst wurde. Die Arbeit der IAA legte die Basis für die Entwicklung von sozialistischen Massenorganisationen mit mehr oder weniger marxistischer Orientierung in mehreren Ländern.

48. Michail Alexandrowitsch Bakunin (1814-1876): Publizist, russischer Revolutionär, später einer der Hauptvertreter des Anarchismus; Teilnehmer der Revolution 1848/49 in Deutschland; beeinflußte ideologisch die Volkstümlerbewegung in Rußland; Mitglied der IAA; Gegner des Marxismus; auf dem Haager Kongreß 1872 wegen Spaltertätigkeit aus der IAA ausgeschlossen.

49. Die II. Internationale war eine internationale Vereinigung sozialistischer Parteien, die in Paris im Juli 1889, am 100. Jahrestag der Französischen Revolution, gegründet wurde. Mit der Entwicklung der imperialistischen Epoche gewannen opportunistische Tendenzen immer mehr die Oberhand in der Internationale. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, gingen die opportunistischen Führer der II. Internationale zur offenen Verteidigung der imperialistischen Politik der eigenen Regierungen über. Die II. Internationale zerfiel faktisch; obwohl sie nach dem Krieg wieder ins Leben gerufen wurde, gewann sie nie wieder ihre entscheidende Rolle in der internationaler Arbeiterbewegung.

50. Gustave Hervé (1871-1944): linksradikaler Antimilitarist in der französischen Sozialistischen Partei vor 1914; gründete die Zeitung La Guerre Sociale 1906; wurde zum extremen Sozialchauvinisten und änderte den Namen der Zeitung 1914 zu La Victoire; wurde zum Monarchisten nach dem Krieg und organisierte 1926 eine profaschistische Bewegung.

51. Der Außerordentliche Internationale Sozialistenkongreß zu Basel fand am 24. und 25. November 1912 statt. Dabei wurde ein Manifest angenommen, das die Völker vor dem nahenden Weltkrieg warnte, seine imperialistischen Ziele enthüllte und die Arbeiter aller Länder aufrief, einen energischen Kampf für den Frieden zu führen. Das manifest übernahm aus der Resolution des Stuttgarter Kongresses (1907) den von Lenin und Rosa Luxemburg formulierten Punkt, daß Sozialisten im Falle eines imperialistischen Krieges die ökonomische und politische Krise, die durch den Krieg hervorgerufen werden würde, für den Kampf um die sozialistische Revolution ausnützen müßten. Als der Krieg 1914 ausbrach, vergaßen die meisten sozialdemokratischen Führer das manifest sowie alle anderen Beschlüsse gegen den Krieg und stellten sich auf die Seite der eigenen imperialistischen Regierungen.

52. Arbeiter-Zeitung: östereichische Tageszeitung; erschien seit 1889 in Wien; seit 1895 Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Österreichs.

53. John Burns (1858-1943): Vertreter der englischen Arbeiterbewegung; Ende der 1880er Jahre Führer der neuen Trade-Unions für ungelernte Arbeiter; Freund von Eleanor Marx; gehörte zu den Organisatoren des Londoner Dockstreiks (1889); ging in den 1890er Jahren zum liberalen Trade-Unionismus über und trat gegen die sozialistische Bewegung auf; seit 1892 Mitglied des Parlaments; in liberalen Regierungen Minister für kommunale Selbstverwaltung (1905-1914) und Handel (1914); trat bei Ausbruch des Krieges vom Ministerposten zurück. – Henry Edward Manning (1808-1892): englischer Geistlicher, trat 1851 zum römisch-katholischen Glauben über; seit 1875 Kardinal; stand dem christlichen Sozialismus nahe.

54. Die 14 Punkte waren das von Woodrow Wilson formulierte demagogische „Friedens“programm, das dazu dienen sollte, die aggressive Politik der USA zu verschleiern. Die amerikanische Propaganda und die europäische bürgerliche Presse bemühten sich, Wilson als Kämpfer für den Frieden hinzustellen. Doch bald enthüllte die reaktionäre arbeiterfeindliche Innen- und die aggressive Außenpolitik der Wilson-Regierung die Heuchelei, die dahinter steckte.

55. William Howard Taft (— - —): Präsident der USA 1909–1912. – Henry Ford (— - —): amerikanischer Industrieller; führte den ersten Fließband 1914 in seinem Werk in Highland Park neben Detroit ein; gilt deshalb als Gründer des Fordismus.

56. Alfred Hermann Fried: deutscher bürgerlicher Pazifist.

57. Friedrich Ebert (1871-1925): Sattler, rechter Sozialdemokrat; seit 1905 Mitglied des Vorstandes der SPD; 1912-18 Mitglied des Reichstags; seit 1913 neben Hugo Haase Vorsitzender der SPD; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; seit 1916 Vorsitzender der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion; am 9. November durch Prinz Max von Baden zum Reichskanzler ernannt; Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten; maßgeblig beteiligt an der Niederschlagung der Deutschen Revolution 1918/19; deutscher Präsident 1919-25. – Eduard David (1863-1930): ein Führer des rechten Flügels der deutschen Sozialdemokratie; seit langer Zeit Förderer des deutschen Imperialismus; während des Ersten Weltkriegs extremer Sozialchauvinist; Minister ohne Geschäftsbereich 1919-20; erster Präsident der Nationalversammlung. – Wolfgang Heine (1861-1944): Rechtsanwalt, rechter Sozialdemokrat; 1898-1918 Mitglied des Reichstags; führender Vertreter des Revisionismus, Mitarbeiter der Sozialistischen Monatshefte und am bürgerlichen Berliner Tageblatt; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; November 1918-Januar 1919 preußischer Justizminister. – Arthur Henderson (1863-1935): ein Führer der britischen Labour Party und der britischen Gewerkschaften; 1908-10 und 1914-17 Vorsitzender der Labour-Fraktion im Parlament; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; Kabinettminister 1916-17; Vorsitzender der wiederbelebten Zweiten Internationale 1925-29; britischer Außenminister 1929-31. – Samuel Gompers (1850-1924): Vertreter der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung; Mitbegründer und Präsident der American Federation of Labor (AFL) (1886-1924, außer 1895); betrieb eine Politik des Klassenfriedens mit den Kapitalisten; trat gegen die revolutionären Kämpfe der Arbeiter auf; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist. – Pierrre Renaudel (1871-1935): reformistischer Führer der Sozialistischen Partei Frankreichs; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; Führer der rechten Mehrheit der französischen Sozialistischen Partei ab 1914; Redakteur von l’Humanité 1914-18; aktiv beteiligt bei der Wiederbelebung der Zweiten Internationale nach dem Krieg; heftiger Gegner der Komintern; 1920 führend in der rechten Abspaltung, die den Namen Sozialistische Partei behielt; führte weitere rechte Abspaltung von der SP 1934. – Albert Thomas (1978-1932): französischer Politiker, Sozialreformist; seit 1910 Führer der sozialistischen Fraktion der Nationalversammlung; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; Mitglied der Regierung 1914-17; besuchte Rußland April 1917, um den Krieg zu fördern; führend bei der Wiederbelebung der reformistischen Zweiten Internationale nach dem Krieg; erster Direktor der International Labour Organisation des Völkerbundes. – Jules Guesde (1845-1922): Vertreter der französischen und internationalen Arbeiterbewegung; zuerst bürgerlicher Republikaner; schloß sich Anfang der 1870er Jahre den Anarchisten an; zusammen mit Paul Lafargue Begründer der französischen Arbeiterpartei; Propagandist der Ideen des Marxismus in Frankreich; mehrere Jahre Führer des revolutionären Flügels der französischen Bewegung; ging während des Ersten Weltkriegs auf die Position des Sozialchauvinismus über und trat der bürgerlichen Regierung bei. – Léon Jouhaux (1879-1954): Führer der französischen Gewerkschaftsbewegung; anfänglich revolutionärer Syndikalist; Führer der CGT (französischen Gewerkschaftsverbands) 1909-40; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; nach dem Krieg Führer des internationalen reformistischen Gewerkschaftsverbands; gründete antikommunistische Gewerkschaftsverband Force Ouvrière 1948. – A.N. Potressow (Starower) (1869-1934): Mitarbeiter von Lenin an der Iskra; nach der Spaltung 1903 Führer des Menschewismus; während der Jahre der Reaktion Ideologe des Liquidatorentums; emigrierte nach der Oktoberrevolution ins Ausland, wo er gegen die Revolution auftrat. – J.K. Breschko-Breschkowskaja (1844-1934): Mitbegründerin und Führerin der Partei der Sozialrevolutionäre; gehörte zu ihrem extrem rechten Flügel an; unterstützte nach der Februarrevolution 1917 die bürgerliche Provisorische Regierung; kämpfte gegen die Oktoberrevolution gegen die Sowjetmacht. – Wiktor M. Tschernow (1876-1952): ein Führer und Theoretiker der Partei der Sozialrevolutionäre; Mai-August 1917 Landwirtschaftsminister in der Provisorischen Regierung; betrieb eine Politik grausamer Repressalien gegen Bauern, die das Agrarprogramm der Sozialrevolutionäre durchführten; organisierte nach der Oktoberrevolution antisowjetische Aufstände; emigrierte 1920 in Ausland, wo er als Propagandist gegen die Revolution auftrat. – Karl Renner (1870-1950): österreichischer Politiker; Führer und Theoretiker der rechten Sozialdemokraten; österreichischer Kanzler 1918-20 und Präsident 1931-33. – Karl Seitz (1869-1950): österreichischer Rechtssozialist; ab 1901 Mitglied des österreichischen Reichsrats; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; Präsident von Österreich 1918-20; Bürgermeister von Wien 1923-34; von den Nazis verhaftet. – Viktor Adler (1852-1918): Arzt; Mitbegründer und führendes Mitglied der Östereichischen Sozialdemokratischen Partei; stand 1889-95 im Briefwechsel mit Engels; Delegierter des Internationalen Sozialistischen Kongresses 1889; Redakteur der Gleichheit und der Arbeiter-Zeitung in Wien; später Vertreter des opportunistischen Flügels der österreichischen Sozialdemokratie und der II. Internationale; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; österreichischer Außenminister 1918. – Ernö Garami (‚ - ‚): reformistischer Führer der Ungarischen Sozialdemokratischen Partei. – Buchinger

58. A.N. Chwostow (1872-1918): russischer Innenminister 1915-16; nach der Revolution hingerichtet. – Lawr G. Kornilow (1870-1918): General der zaristischen Armee, Monarchist; Juli–August 1917 Oberbefehlshaber der russischen Armee; leitete im August einen konterrevolutionären Putsch; nach der Niederschlagung des Putsches verhaftet; es gelang ihm, aus dem Gefängnis zu flüchten; organisierte im Dongebiet eine weißgardistische „Freiwilligenarmee“, deren Befehlshaber er wurde; gefallen während der Kämpfe beui Jekaterinodar. – Iraklij G. Zeretelli (1882-1959): georgischer Sozialdemokrat; ein Führer der Menschewiki; nach der Februarrevolution Mitglied des Exekutivkomitees des Sowjets; gehörte seit Mai 1917 der Provisorischen Regierung; Inspirator der Hetze gegen die Bolschewiki; nach der Oktoberrevolution Führer der konterrevolutionären Regierung Grusiens; später im Exil Gegner der Sowjetmacht. – Am 3. und 4. Juli (16. und 17. Juli) 1917 kam es in Petrograd zu spontanen bewaffneten Massenaktionen von Arbeitern, Soldaten und Matrosen gegen die Kriegspolitik der Provisorischen Regierung. Die Bolschewiki hielten einen bewaffneten Aufstand für unzeitgemäß, beteiligten sich jedoch an den Aktionen, um ihnen einen friedlichen und organisierten Charakter zu verleihen. Die Demonstration am 4. (17.) Juli zählte etwa 500.000 Teilnehmer. Die provisorische Regierung, unterstützt von der menschewistisch-sozialrevolutionären Mehrheit im Zentralexekutivkomitee des sowjets, trieb die Demonstration mit Waffengewalt auseinander. Danach versuchte die Provisorische Regierung die revolutionäre Bewegung endgültig zu unterdrücken; führende Bolschewiki (z.B. Trotzki) wurden verhaftet und Lenin mußte sich verstecken. – RosanowN.N. Judenitsch (1862-1933): General der zaristischen Armee; nach der Oktoberrevolution Befehlshaber der weißgardistischen nordwestlichen Armee; versuchte 1919 zweimal erfolglos Petrograd zu erobern; flüchtete im November 1919 nach seiner Niederschlagung durch die Rote Armee nach Estland.

59. August Winnig (1878-1956): Maurer, rechter Sozialdemokrat, führender Gewerkschafter; 1905–12 Redakteur der Zeitschrift Grundstein; seit 1911 zweiter Vorsitzender des Deutschen Bauarbeiterverbandes; Mitarbeiter der revisionistischen Sozialistischen Monatshefte; 1913/14 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft; während des Ersten Weltkriegs Sozialchauvinist; 1918/19 Reichskommissar für die baltischen Länder; während des Kapp-Putsches Führer der SPD in Ostpreußen; neigte dazu, einen Kompromiß mit den Putschisten einzugehen.

60. Iskra (Der Funke) war die erste gesamtrussische illegale marxistische Zeitung, die von Lenin in Zusammenarbeit mit Martow und Plechanow 1900 gegründet wurde. Die Zeitung spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer gesamtrussischen revolutionär-marxistischen Partei, der SDAPR. Die erste Nummer erschien Dezember 1900 in Leipzig und folgende Nummer wurden in München, London und Genf herausgegeben. Die Iskra wurde zum Zentrum der Vereinigung aller Parteikräfte. Auf Initiative Lenins erarbeitete die Redaktion einen Entwurf des Parteiprogramms und leistete die Vorbereitungsarbeit für den II. Parteitag der SDAPR, der im Juli/August 1903 stattfand. Nach der Spaltung der Partei beim II. Parteitag wurde die Zeitung weiter unter Lenins Leitung herausgegeben, aber später fiel sie unter die Kontrolle der Menschewiki und Lenin trat von der Redaktion zurück. Ab Nr.52 wurde die Iskra zum Sprachrohr des Menschewismus.

61. Julius Martow (geb. Zederbaum) (1873-1923): bis 1903 enger Mitarbeiter von Lenin; Mitbegründer der Iskra; nach 1903 ein Führer der Menschewiki; Gegner des Ersten Weltkriegs; nach der Februarrevolution Führer der Gruppe der Menschewiki Internationalisten; kritisierte die Machtübernahme Oktober 1917; später Gegner der Revolution; auch Gegner der weißen Konterrevolution; führte die legale menschewistische Opposition zur sowjetischen Regierung 1918-22; emigrierte in Ausland. – Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) wurde im April 1917 gegründet, nachdem die Reichstagsabgeordnete, die den Krieg nicht bedingungslos unterstützten, aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen wurden. Die Partei schwankte zwischen revolutionären Forderungen und reformistischer Praxis. Karl Kautsky und Eduard Bernstein waren Mitglieder der Partei. Während der Deutschen Revolution 1918/19 spielten viele Mitglieder an der Basis der USPD eine wichtige Rolle in den revolutionären Kämpfen. Diese Zusammenarbeit mit der KPD legte die Basis für die Spaltung der Partei im Oktober 1920, wo die Mehrheit der Delegierten beim Parteitag in Halle für die Vereinigung mit der KPD stimmten. Diese Vereinigung vollendete sich im Dezember 1920. Die rechte Minderheit behielt die alte Bezeichnung USPD. diese Organisation bestand bis 1922, als sie sich mit der SPD wider zusammenschmolz. – Georg Theodor Ledebour (1850-1947): Journalist, Sozialdemokrat; 1890–95 Mitarbeiter und 1895-98 Redaktionsmitglied des Vorwärts; 1898-1900 Redakteur der Sächsischen Arbeiter-Zeitung, Dresden; 1900-14 Mitarbeiter des Vorwärts und anderer sozialdemokratischer Organe; 1900-1918 Mitglied des Reichstags; entwickelte sich zu zentristischen Positionen während des Ersten Weltkriegs; 1916 Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft; 1917 Mitbegründer der USPD, deren ZK er bis März 1919 angehörte; rief mit Karl Liebknecht Anfang Januar 1919 zum Arbeiteraufstand; lehnte den Zusammenschluß der USPD mit der KPD 1920 ab; lehnte aber auch die Wiederkehr in die SPD ab; während der 1920er Jahre Führer einer kleinen linken Gruppierung; trat später die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) bei; Exil ab 1933.– Jean-Laurent-Frederick Longuet (1876-1938): Sohn von Jenny und Charles Longuet, Enkel von Karl Marx; einer der Führer der reformistischen Sozialistischen Partei Frankreichs. – Die Amerikanische Sozialistische Partei wurde 1901 gegründet; hatte 1914 über 100.000 Mitglieder; unterstützte am Anfang die Zimmerwalder Bewegung, aber als die USA 1917 in den Krieg traten ignorierte die Mehrheit der Führung die Stimmung gegen den Krieg unter der Basis der Partei; die linke Mehrheit spaltete 1919 ab und bildete die Kommunistische Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei, die sich schließlich 1920 vereinigten; die Mitgliedschaft der Sozialistischen Partei schrumpfte auf 11.000 1922. – Morris Hilquit (1869-1933): amerikanischer Rechtssozialist; Mitbegründer der Sozialistischen Partei Amerikas; wurde 1904 ihr Vertreter im Internationalen Sozialistischen Büro; stand während des Ersten Weltkriegs auf pazifistischen Positionen. – Die Britische Sozialistische Partei wurde 1911 in Manchester durch den Zusammenschluß der Sozialdemokratischen Partei mit anderen sozialistischen Gruppen gebildet; die Mehrheit der Partei stellte sich dem Ersten Weltkrieg entgegen. Die Partei begrüßte die Oktoberrevolution und spielte eine wichtige Rolle in der Bewegung gegen die imperialistische Intervention. Bei der Gründung der Kommunistischen Partei Großbritanniens 1920 war die BSP die größte der Organisationen, die sich da zusammenschlossen. – Die Unabhängige Arbeiterpartei (Independent Labour Party) wurde 1893 in England gegründet. An der Gründung beteiligten sich viele Aktivisten der „neuen Trade-Unions“, die die Notwendigkeit der unabhängigen Organisation der Arbeiterklasse erkannten und Schluß mit der Verbindung zwischen der offiziellen Arbeiterbewegung und der Liberalen Partei machen wollten. Leider entstand die Partei während eines Rückgangs der gewerkschaftlichen Kämpfe der Arbeiterklasse, was dazu führte, daß der Flügel, der sich auf parlamentarische Aktion beschränken wollte, maßgeblich wurde und der Organisation sehr rasch eine reformistische Färbung verlieh, die immer stärker wurde. Am Anfang war Engels über die Entwicklung der Partei begeistert, aber seine Begeisterung ließ sehr schnell nach. Trotz ihres Anspruchs auf Unabhängigkeit schlossen die Führer der Partei geheime Vereinbarungen mit den Liberalen. Während des Ersten Weltkriegs stellte sich die Partei dem Krieg entgegen, obwohl die Mehrheit der Mitglieder dies eher aus pazifistischen Gründen machte.

62. Pleßkow

63. Der Burgfriede war eine Vereinbarung der Parteien während des Ersten Weltkrieges, daß sie weder sich gegenseitig noch die Regierung kritisieren würden. Er bedeutete faktisch trotz aller Sondergesetze zur Beschränkung des politischen und ökonomischen Kampfes die Aufgabe aller Opposition gegen den Krieg durch die SPD und die Gewerkschaften. Der Kaiser hatte demagogisch in der Eröffnungssitzung des Reichstags am 4. August 1914 erklärt: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche.“

64. Spartakisten – allgemeine Bezeichnung für die deutsche revolutionäre Linken während des Ersten Weltkriegs und der Deutschen Revolution 1918/19. Die eigentliche Spartakusgruppe entstand in der Antikriegsopposition in der deutschen Sozialdemokratie zu Beginn des Krieges unter der Führung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Clara Zetkin u.a. Die Gruppe wurde zuerst als Gruppe Internationale bekannt nach ihrer damaligen Zeitschrift. Während des Krieges betrieben die „Spartakisten“ revolutionäre Propaganda und organisierten Aktionen gegen den Krieg. Nach der Spaltung der SPD schlossen sich die Spartakisten im April 1917 der USPD an, mit dem Vorbehalt, ihre unabhängige Organisation zu wahren. Während der Deutschen Novemberrevolution 1918 formierten sie sich zum Spartakusbund und brachen mit der USPD. Auf dem Gründungsparteitag der KPD (30. Dezember 1918-1. Januar 1919) waren die Spartakisten die größte der Organisationen, die sich zur KPD zusammenschlossen.

65. Vom 5.-8. September September 1915 trafen sozialistischen Kriegsgegner aus verschiedenen Ländern zu einer Konferenz in Zimmerwald (Schweiz), um internationale Verbindungen wiederaufzunehmen und eine gemeinsame Strategie gegen den Krieg zu beraten. Dabei waren 38 Delegierte aus 11 europäischen Ländern. – Am 24.-30. April 1916 trafen die Kriegsgegner wieder in Kienthal, um ihre Arbeit fortzusetzen.

66. Bei den Konferenzen bei Zimmerwald und Kienthal wurde eine Spaltung zwischen konsequenten revolutionären Gegnern des Krieges und einer eher pazifistischen zentristischen Strömung deutlich. Lenin sammelte diese revolutionären Kräfte und bildete die sogenannte Zimmerwalder Linke, die man als Vorläufer der III. Internationale betrachten könnte.

67. Der erste Kongreß der kommunistischen Internationale fand am 2.-6. März 1919 in Moskau zum Höhepunkt des Bürgerkriegs und der imperialistischen Blockade Rußlands statt. Daran beteiligten sich 35 Delegierte, von denen nur die Russen eine wirklich revolutionäre Massenorganisation vertraten. Der Kongreß hatte deshalb einen eher symbolischen Charakter. Der Kongreß nahm das von Trotzki verfaßte Manifest an die Proletarier der ganzen Welt an und erhob die Fahne des revolutionären Internationalismus, um die in den folgenden Jahren revolutionäre Organisationen überall in der Welt sich sammelten.

 

Anmerkung des Korrektors

A*. Im Text der englischen Ausgabe vom Penguin-Verlag gibt es hier einige Statistik über Deutschland

 


Zuletzt aktualisiert am 11.10.2003