N. Bucharin

Die politische Ökonomie des Rentners

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III. Kapitel

Die Werttheorie (Fortsetzung)

1. Die Lehre vom Substitutionsnutzen

Wir kommen nun zu der Stelle, an der die neue Theorie, an eine der gefährlichsten Klippen stoßend, ihrem unvermeidlichen Schiffbruch entgegengeht, aus dem sie nicht einmal ein so erfahrener Steuermann, wie Böhm-Bawerk, mehr retten kann.

Bis jetzt betrachteten wir nur die einfachsten Fälle der Güterschätzung. Wir setzten mit Böhm-Bawerk voraus, daß die Güterschätzung vom Grenznutzen des betreffenden Gutes abhängig ist. Tatsächlich ist die Sache aber nicht so einfach. Lassen wir hier den Autor selbst sprechen:

„... Die Existenz eines ausgebildeten Tauschverkehrs kann jedoch hier erhebliche Komplikationen schaffen. Indem sie es nämlich ermöglicht, Güter einer Gattung in jedem Augenblick in Güter anderer Gattung umzusetzen, macht sie es auch möglich, den Ausfall, der in einer Gütergattung eintritt, auf eine andere zu wälzen ... so trifft der Verlust den Grenznutzen der vertretenden fremden Güter. Es bemißt sich also hier der Grenznutzen und Wert eines Gutes einer Art nach dem Grenznutzen der zur Vertretung herangezogenen Güterquantität einer fremden Art.“ [1]

Dies wird durch folgendes Beispiel veranschaulicht:

„Ich habe einen einzigen Winterrock. Er wird mir gestohlen. Ein unmittelbarer Ersatz durch ein anderes Exemplar derselben Art kommt nicht in Frage, weil ich überhaupt ja nur den einzigen Winterrock besessen habe. Ebenso wenig werde ich Lust haben, den durch den Diebstahl verursachten Ausfall an der Stelle zu tragen, an der er zunächst eingetreten ist... Ich werde daher den Ausfall auf andere Gütergattungen zu übertragen suchen, was sich in der Form verwirklicht, daß ich für Güter, die sonst eine andere Verwendung gefunden hätten, einen neuen Winterrock kaufe.“ [2]

Zum Verkauf werden solche Güter bestimmt, die die geringste „Bedeutung“ haben. Uebrigens können hier außer dem Verkauf noch andere Fälle vorkommen, die von der materiellen Lage des „Wirtschaftssubjekts“ abhängig sind. Ist er wohlhabend, so können „die 40 fl., die der neue Winterrock etwa kosten mag“ (Sperrdruck vom Verfasser) seinem Kassenvorrat entnommen werden, was zu einer entsprechenden Einschränkung der Luxusausgaben führen würde; ist er weder wohlhabend noch bedürftig, so wird er für den Kassenausfall eine Zeitlang durch allerhand Einschränkungen Sorge tragen müssen; falls auch dies unmöglich sein sollte, so werden verschiedene Gegenstände seines Hausrats verkauft oder verpfändet werden müssen; und nur im Falle der äußersten Armut ist es unmöglich, den Ausfall auf andere Bedürfnisgattungen abzuwälzen, so daß man ohne Winterrock auskommen muß. – In all diesen Fällen, mit Ausnahme des letzteren, geschieht die Wertschätzung der Güter somit nicht etwa isoliert, sondern im Zusammenhänge mit der Wertschätzung anderer Güter.

„Ich möchte glauben – sagt Böhm-Bawerk – daß die Mehrheit der subjektiven Wertschätzungen, die überhaupt vollzogen werden, auf ihren Anteil fällt. Namentlich schätzen wir ... uns unentbehrliche Güter fast nie nach dem direkten, sondern fast immer nach dem ,Substitutionsnutzen‘ fremder Gütergattungen.“ [3]

Diese Erörterungen nähern sich mehr der Wirklichkeit als die vorhergehenden, sie haben aber einen großen negativen „Wert“ für die „Wohlfahrt“ der gesamten Theorie Böhm-Ba-werks und seiner Anhänger. Woher entnimmt z. B. Böhm-Bawerk die „40 Florin“? Und warum gerade 40 und nicht 50 oder 1000? Es ist klar, daß in diesem Falle Böhm-Bawerk die Marktpreise einfach als gegeben voraussetzt. Sofern Kauf und Verkauf oder auch nur Kauf als eine notwendige Bedingung vorausgesetzt wird, wird damit auch zugleich der objektiv gegebene Preis vorausgesetzt. [4] Das verkennt auch Böhm-Bawerk nicht, der diesen Standpunkt ziemlich klar formuliert.

„Indessen möchte ich doch ausdrücklich hervorheben – bemerkt er –, daß wir auch mitten im ausgebildeten Verkehrsleben nicht immer ... Anlaß haben, die letztere Schätzungsmethode (d. h. nach dem „Substitutionsnutzen“. N. B.) anzuwenden. Wir tun das nämlich nur dann ..., wenn die Güterpreise und zugleich die Versorgungsverhältnisse der verschiedenen Bedürfnisgattungen so geartet sind, daß, wenn ein in einer Gattung eintretender Ausfall innerhalb der Gattung selber getragen würde, hier relativ wichtigere Bedürfnisse um ihre Deckung kämen, als wenn man den Kaufpreis des Ersatzexemplares anderen Bedürfnisgattungen entzieht.“ [5]

Böhm-Bawerk gesteht also zu, daß bei unserer subjektiven Wertschätzung (wie Böhm-Bawerk bescheiden zugibt, ist es die Mehrzahl der Fälle) eine objektive Wertgröße vorausgesetzt wird. Da aber seine Aufgabe eben darin besteht, diese Wertgröße von subjektiven Wertschätzungen abzuleiten, so ist es klar, daß die gesamte, von unserem Autor entwickelte Lehre vom Substitutionsnutzen nichts anderes als ein circulus vitiosus ist: der objektive Wert wird auf die subjektiven Wertschätzungen zurückgeführt, die ihrerseits durch den objektiven Wert erklärt werden. Diesen theoretischen Skandal stellte Böhm-Bawerk gerade dann an, als er ganz dicht vor dem Problem stand, nämlich: nicht irgendeine hypothetische Wirtschaft zu erklären, die mit der Wirklichkeit nichts gemein hat, sondern eine wirkliche, reale Wirtschaft, für die der „entwickelte Tausch” charakteristisch ist. [6] Es ist bezeichnend, daß Böhm auch selbst die „ernste theoretische Schwierigkeit erkennt, die für die Grenznutzentheorie in diesem Punkte besteht. Dennoch versucht er. aus der Verstrickung der Widersprüche herauszukommen. Sein Versuch, die Theorie zu retten, besteht in folgendem: die Abschätzung des Wintermantels mit 40 Florin beruht auf der „Antizipation eines Tatbestandes, der auf dem Markte erst geschaffen werden soll.“ [7] Deshalb nehmen „derartige subjektive Wertschätzungen auf ihr (der Menschen. N. B.) praktisches Verhalten auf dem Markte keinen anderen Einfluß, als irgendeine allgemeine Hoffnung, die benötigte Ware um einen bestimmten Preis, z. B. um 40 Florin, einkaufen zu können. Bekommt man sie um diesen Preis – gut; bekommt man sie nicht, so geht man trotzdem nicht ohne weiteres unverrichteter Dinge nach Hause, sondern legt die durch die Wirklichkeit getäuschte Hoffnung beiseite und überlegt, ob man nach seinen sonstigen Verhältnissen bis zu einem höheren Preise mitbieten soll oder nicht.“ [8] Die Entscheidung darüber macht Böhm-Bawerk davon abhängig, ob sich dem Käufer nur ein einziger oder mehrere Märkte bieten. Im ersten Fall: „ist es der einzige Markt, so wird man ganz gewiß weiterbieten, und zwar nötigenfalls bis zur vollen Höhe des unmittelbaren Grenznutzens, den man vom einzukaufenden Gut für sich erwartet.“ [9] „... Man wird also – schließt Böhm-Bawerk (und dies ist das Ergebnis, auf das es für unsere Preistheorie ankommt) – zur Bildung der Preisresultante nicht nach Maßgabe des niedrigeren, auf die Voraussetzung eines bestimmten Marktpreises aufgebauten mittelbaren, sondern nach Maßgabe des höheren unmittelbaren Grenznutzens beitragen.“ Im zweiten Fall kann „die hypothetische Wertschätzung ... also allenfalls (!) bewirken, daß er seine Kundschaft von einem Teilmarkt auf einen anderen Teilmarkt überträgt; allein sie kann nicht hindern, daß der volle Nachdruck der Schätzung bis zum unmittelbaren Grenznutzen irgendeinem Teile des Gesamtmarktes zugute kommt.“ [10] Daraus der Schluß: „Subjektive Wertschätzungen, die auf der Vermutung basieren, das geschätzte Gut zu einem bestimmten Preise einkaufen zu können, bilden für unser Verhalten auf demjenigen Markte, auf welchem diese Vermutung realisiert werden will, zwar eine bemerkenswerte psychische Etappe, aber nicht die endgültige Richtschnur. Diese wird vielmehr auch hier durch die Rücksicht auf die Höhe des unmittelbaren Grenznutzens gebildet.“ [11]

So versucht Böhm-Bawerk die obenerwähnte „theoretische Schwierigkeit“ zu beseitigen. Doch ist seine Erklärung nur imaginärer Natur und hängt in Wirklichkeit in der Luft. Nehmen wir das krasseste Beispiel: die Lebensmittel. Der auf Nutzen beruhende subjektive Wert derselben (wir nehmen eine Einheit, die der geringsten Sättigungs- und der höchsten Gebrauchsgrenze entspricht) ist unbegrenzt hoch; angenommen ferner, daß die auf der Antizipation der Marktbedingungen beruhende Wertschätzung gleich 2 Rubel ist. Wann wird die von Böhm vorausgesetzte Entscheidung gefällt? Mit anderen Worten, wann wird sich unser „Individuum“ entschließen, jeden Preis zu zahlen, „alles für ein Stück Brot“ abzugeben? Es ist klar, daß dies nur bei ganz anormalen Bedingungen des Marktes der Fall sein kann. Und nicht einmal bei anormalen, d. h. von der Norm abweichenden Bedingungen, sondern in ganz besonderen Ausnahmefällen, d. h. wenn von gesellschaftlicher Produktion, von gesellschaftlicher Wirtschaft usw. im gewöhnlichen Sinne des Wortes gar keine Rede sein kann. Möglich ist es, daß in einer „belagerten Stadt“ (eins der beliebtesten Beispiele Böhm-Bawerks) oder auf einem gestrandeten Schiffe, oder auch bei den in der Wüste Herumirrenden ein solcher Fall vorkommen kann. Doch im modernen Leben kann, vorausgesetzt, daß die gesellschaftliche Produktion und Reproduktion ihren normalen Gang behält, nichts derartiges vorkommen. Was sich da abspielt, ist etwas ganz anderes. Zwischen der subjektiven Wertschätzung nach dem Nutzen und der vorausgesetzten Höhe des Marktpreises (in dem vorliegenden Beispiel zwischen ∞ und 2 Rubeln) gibt es eine ganze Skala von verschiedenen möglichen Preisen (abgesehen selbst von der möglichen Abweichung unter 2 Rubel). Für gewöhnlich wird jedes einzelne konkrete Geschäft auf einer dem „antizipierten“ Preise sehr nahen Basis abgeschlossen, und in einer Anzahl von Fällen stimmen beide völlig überein, so z. B. bei festen Preisen. Doch wie dem auch sei, eins ist klar: bei einem normalen Gang der gesellschaftlichen Produktion ist das Verhältnis zwischen der gesellschaftlichen Nachfrage und dem gesellschaftlichen Angebot so, daß den individuellen Wertschätzungen nach dem Nutzen keinesfalls irgendeine leitende Rolle zukommt, ja sie tauchen überhaupt nicht an der Oberfläche des gesellschaftlichen Lebens auf. [12] Unser Beispiel eignet sich für beide von Böhm-Bawerk angeführte, obenerwähnte Fälle. Wir haben noch einen Fall zu analysieren, den der Autor behandelt. Das ist nämlich der Einkauf zum Zwecke des Wiederverkaufs, bei dem „ein Käufer die Ware gar nicht nach ihrem Gebrauchswert, sondern nach ihrem (subjektiven) Tauschwert schätzt. [13]

In solchen Fällen wickelt sich die Sache nach Böhm-Bawerk folgendermaßen ab: „Der Marktpreis wird zunächst beeinflußt durch die (Tausch) Wertschätzung des Händlers; diese basiert auf dem vermuteten Marktpreis eines zweiten Marktes und dieser wieder unter anderem (!!) auf den Wertschätzungen der Kauflustigen dieses zweiten Marktgebiete.“ [14] Hier ist der Tatbestand noch verwickelter. Böhm behauptet, daß der Käufer den Gebrauchsgegenstand nach Maßgabe derjenigen Geldsumme abschätzt, die man „beim Wiederverkauf auf einem anderen Markt (nach Abzug der allfälligen Transport- und Handelsspesen) dafür zu lösen hofft“; diese Geldsumme zerlegt er in die Wertschätzungen der Käufer (Wertschätzungen nach Nutzen) des zweiten Marktes. Doch ist die Sache bei weitem nicht so einfach. Der Händler bemüht sich, den höchstmöglichen Handelsgewinn herauszuschlagen, dessen Höhe von einer Reihe Bedingungen abhängt. Auf einige derselben weist Böhm-Bawerk selbst hin: Transportkosten und Handelsspesen. Was bedeutet dies? Doch nichts anderes als die Einführung neuer Reihen (die dazu noch verschieden zusammengesetzt sind) von Handelspreisen, als einer Größe, die keiner Erklärung bedarf. In Wirklichkeit müßte aber jeder Bestandteil dieser Kosten erklärt werden. Ferner glaubt Böhm-Bawerk den Endpunkt der Erklärung mit den Wertschätzungen der Käufer des zweiten Marktes erreicht zu haben. Das ist aber nichts anderes als eine Selbsttäuschung. Denn diese Wertschätzungen lassen sich ihrerseits noch weiter zerlegen. Sie werden ja doch nicht nach reinem „Nutzen“ getroffen, denn einerseits gibt es hier eigene Händler, die die Ware für andere Märkte Wiederverkäufen; andererseits schätzen ja auch die einfachen Käufer die Ware nicht unmittelbar ab, sondern nach ihrem „Substitutionsnutzen“. Die Anwesenheit der Händler veranlaßt uns, mit ihnen nach dem dritten Markt zu wandern, da aber auch da möglicherweise Händler anwesend sein können, so müssen wir nach dem vierten, fünften Markt usw. ad infinitum wandern. Es kommt hinzu, daß hier, wie wir sehen, noch eine Reihe von Handelspreisen und Wertschätzungen nach Subsitutionsnutzen als gegeben hineingeflochten sind. Als Ergebnis all dessen zerfällt das gesamte Phänomen in eine Fülle von Elementen, von denen kein einziges auch nur einigermaßen befriedigend erklärt werden kann.

Wir wollen noch bei einer Erwiderung Böhm-Bawerks verweilen, die allgemeine Bedeutung hat; er versucht nämlich, den Vorwurf zurückzuweisen, daß seine Theorie ein circulus vitiosus sei.

„Das Wesentliche für die Zirkelfrage ist stets, daß jene subjektiven Wertschätzungen, welche sich auf die vermutete Bildung eines konkreten Marktpreises aufstützen, andere sind, als diejenigen, auf welche sich die Bildung eben dieses Marktpreises selbst aufstützt, und umgekehrt. Der Anschein eines Zirkels hängt nur an dem dialektischen Gleichklang der beiderseits gebrauchten Worte ‚subjektive Wertschätzung‘, wenn dabei nicht ins klare gestellt und nicht beachtet wird, daß derselbe Name beiderseits nicht ein und dasselbe Phänomen, sondern verschiedene Phänomene deckt, die nur unter denselben Gattungsnamen fallen.“ [15]

Dies versucht Böhm durch folgendes Beispiel zu veranschaulichen:

„Ein parlamentarischer Klub hat ‚Klubzwang‘; seine Mitglieder müssen im Parlament so abstimmen, wie es die Majorität der Klubversammlung beschlossen hat. Offenbar ist hier der Klubbeschluß ganz zutreffend aus der Abstimmung der einzelnen Mitglieder der Klubs und die spätere Abstimmung der Mitglieder im Parlament ebenso zutreffend aus dem Klubbeschluß zu erklären, ohne daß im mindesten ein Zirkel in der Erklärung vorläge.“ [16]

Also Böhm sucht sich dadurch zu rechtfertigen, daß bei ihm die einen subjektiven Wertschätzungen durch die anderen subjektiven Wertschätzungen erklärt werden. Wir müssen noch hinzufügen, daß den „anderen“ noch die „dritten“, „vierten“ usw. folgen. Der Tatbestand, daß alle diese Wertschätzungen verschieden sind, rettet die Sache nicht. Hat doch auch die Theorie der Produktionskosten, die die Vertreter der Grenznutzentheorie so eifrig bekämpfen, von den einen Kosten auf die anderen, von den einen Preisen auf die anderen verwiesen. Doch das bewahrte sie nicht davor, einen theoretischen Zirkel zu bilden. Der Grund dafür ist klar: es handelt sich ja nicht um Zurückführung von gleichartigen Erscheinungen aufeinander, sondern um die Erklärung der einen Kategorie von Erscheinungen durch die andere Kategorie von Erscheinungen. Im ersten Falle kann man sich nur in der Unendlichkeit von Zeit und Raum verlieren, so daß jede etwaige Wertschätzung uns weit über die Grenzen der Jetztzeit hinausführen würde; wir würden in diesem Falle einen ununterbrochenen Film in umgekehrter Reihenfolge aufrollen, doch würde das keine Lösung eines theoretischen Problems, sondern ein endloses Verweisen von Pontius auf Pilatus sein. Eine derartige Sachlage ist selbstredend kein Zufall. Wie bereits oben erwähnt, mußte Böhm-Bawerk sich in diesen Zirkel verirren, da ihn dazu die individualistische Position der österreichischen Schule unvermeidlich führte. Die „Oesterreicher“ begreifen es nicht, daß die individuelle Psyche eines Menschen vom sozialen Milieu bestimmt wird, daß das „Individuelle“ des Gesellschaftsmenschen zum größten Teil nur „Soziales“ ist, daß das „soziale Atom“ ein ähnliches Hirngespinst der Oesterreicher ist, wie der „kränkliche Proletarier der Urwälder“ von Wilhelm Roscher. [17] Deshalb verläuft die Sache relativ glatt, solange es sich um die Analyse der „Motive“ und „Wertschätzungen“ der ausgedachten Robinsons handelt; sobald wir aber zur Gegenwart gelangen, erscheinen unüberwindliche Schwierigkeiten: man kann ja nicht eine theoretische Brücke von der Psyche des „isolierten Subjekts“ zu der des Menschen der Warenproduktionswirtschaft schlagen; gehen wir aber von der Psyche des letzteren aus, so sind damit die „objektiven“ Elemente der wirtschaftlichen Phänomene der Warenwirtschaft bereits gegeben, folglich können sie auch nicht ganz und gar von individuell-psychischen Erscheinungen abgeleitet werden, ohne daß man dabei idem per idem bestimmt.

In der Lehre vom Substitutionsnutzen tritt somit die Unrichtigkeit der methodologischen Grundlagen der österreichischen Schule und deren theoretische Unzulänglichkeit klar zutage. Die Bestimmung des subjektiven Wertes durch den objektiven, der selbst vom subjektiven Wert abgeleitet wird, – das ist der Grundfehler Böhm-Bawerks, der sich in veränderter Form immer wieder bei der Lösung von vielen anderen Teilproblemen wiederholt. [18]
 

2. Die Hoehe des Grenznutzens und die Guetermenge

Bei der Untersuchung der Frage über die Größe des Wertes fanden wir, daß sie nach Böhm-Bawerk von der Höhe des Grenznutzens bestimmt wird. Jetzt können wir auch die weitere Frage bezüglich der Faktoren, die diese Höhe bestimmen, stellen.

„Hier – sagt Böhm-Bawerk – haben wir zu nennen das Verhältnis von Bedarf und Deckung.“ [19] Bei der Analyse dieses Verhältnisses findet Böhm-Bawerk folgendes einfache „Gesetz“, das die Beziehung zwischen „Verbrauch“ und „Gütern“ ausdrücken soll: „Je mehr und je wichtigere Bedürfnisse ihre Befriedigung erheischen, und eine je geringere Menge von Gütern andererseits dazu verfügbar ist,... desto höher (muß) also der Grenznutzen bleiben.“ [19] Also: Die Höhe des Grenznutzens wird von zwei Faktoren bestimmt: von einem subjektiven (Bedürfnisse) und einem objektiven („Gütermenge). Wodurch aber wird diese Menge selbst bestimmt? Auf diese Frage gibt die Theorie der österreichischen Schule keine Antwort. [20] Sie setzt eine gewisse Menge Produkte schlechthin als vorhanden, d. h. setzt eine für alle Zeiten gegebene Größe von „Seltenheit“ voraus. Ein derartiger Standpunkt ist jedoch theoretisch sehr schwach, denn die „Wirtschaft“, deren Phänomene die politische Oekonomie analysiert, schließt die Wirtschaftstätigkeit und vor allem die Produktion der Wirtschaftsgüter in sich. Der Begriff des „Vorrats“ an Gütern setzt, wie A. Schor durchaus zutreffend bemerkt, schon einen vorangehenden Produktionsprozeß voraus [21], – ein Phänomen, das so oder anders, jedenfalls aber einen ungeheuren Einfluß auf die Wertschätzung der Güter ausüben muß. Eine noch größere Bedeutung kommt der Produktion zu, wenn wir von der Statik zur Dynamik übergehen. Es ist klar, daß die österreichische Theorie, die von dem gegebenen Gütervorrat ausgeht, die elementarsten Erscheinungen der Wirtschaftsdynamik nicht zu erklären vermag, so z. B. nicht einmal die Bewegung der Preise, geschweige denn die komplizierten Erscheinungen. Damit hängt es natürlich zusammen, daß die Erklärung, die Böhm in der Frage der Größe des Wertes gibt, sofort weitere Fragen hervorruft.

„Perlen und Diamanten sind eben in so geringer Menge vorhanden (!), daß das Bedürfnis nach ihnen nur zum geringen Teil gesättigt ist und der Grenznutzen, bis zu welchem die Befriedigung reicht, relativ hoch steht, während glücklicherweise Brot und Eisen, Wasser und Luft in der Regel in so großen Mengen verfügbar sind, daß die Befriedigung aller wichtigeren auf sie angewiesenen Bedürfnisse sichergestellt ist:“ [22]

„Sind vorhanden!“ „In der Regel verfügbar sind!“ Was sagt aber Böhm-Bawerk zu den sogenannten „Preisrevolutionen“, da das Wachstum der Arbeitsproduktivität ein geradezu katastrophales Sinken der Preise hervorruft? Hier geht es nicht mehr an. sich mit der Phrase „in der Regel verfügbar sind“ zu begnügen. Der Leser merkt schon sicherlich, wie tendenziös Böhm seine Beispiele wählt. Statt eine Erklärung für den Wert der tvpischen Produkte, die Ware sind, zu geben, d. h. derjenigen Produkte, die den Stempel der Fabriksproduktion tragen, spricht er von Wasser und Luft. Schon beim „Brot“ zeigt es sich, wie unzureichend die Position des Herrn Professors ist: man braucht nur an das scharfe Sinken der Getreidepreise beim Eintritt der landwirtschaftlichen Krise zu denken, die in den 80er Jahren durch den überseeischen Wettbewerb hervorgerufen wurde. Der „Gütervorrat“ veränderte sich sofort. Warum? Ja, einfach deshalb, weil neue Produktionsbedingungen, die Böhm-Bawerk auch mit keiner Silbe andeutet, eintraten. [23] Der Produktionsprozeß ist aber durchaus kein „verwickelter Umstand“, keine „Modifikation“ des Hauptfalles usw., wie sich dies Böhm-Bawerk denkt. Im Gegenteil ist die Produktion die Grundlage des sozialen Lebens schlechthin und dessen wirtschaftlicher Seite im besonderen. Die „Seltenheit“ der Güter ist (mit Ausnahme weniger Fälle, von denen wir mit vollem Recht abstrahieren dürfen) nur der Ausdruck für bestimmte Produktionsbedingungen, sie ist die Funktion des gesellschaftlichen Arbeitsaufwands. [24] Deshalb kann das, was früher „selten“ war, bei veränderten Bedingungen eine weite Verbreitung finden.

„Warum ... sind Baumwolle, Kartoffeln und Branntwein die Angelpunkte der bürgerlichen Gesellschaft? Weil zu ihrer Herstellung am wenigsten Arbeit erforderlich ist und sie infolgedessen am niedrigsten im Preise stehen.“ [25]

Aber eine derartige Rolle spielten diese Produkte keinesfalls immer. Sowohl Baumwolle als Kartoffeln begannen diese Rolle erst mit der Veränderung des Systems der gesellschaftlichen Arbeit zu spielen, erst dann, als die Produktions- und Reproduktionskosten dieser Produkte (ebenso wie ihre Transportkosten) eine bestimmte Höhe erreichten. [26]

Also, ohne eine Antwort auf die Frage zu geben, wodurch das Quantum der Güter bestimmt wird, kann Böhm-Bawerk auch nicht die zweite Frage, nämlich: wodurch die jeweilige Höhe des Grenznutzens bestimmt wird, erschöpfend beantworten.

Bis jetzt haben wir zusammen mit Böhm-Bawerk die Frage in abstrakto gestellt. Wenden wir uns nun dem „modifizierenden Einfluß“ der Tauschwirtschaft zu. Wie man im voraus erwarten kann, werden die Erklärungen Böhm-Bawerks hierin besonders verworren sein.

Also: „Die Existenz des Tausch Verkehrs führt auch hier wieder Komplikationen herbei. Sie ermöglicht nämlich in jedem Augenblick die Deckung in einer Bedürfnisgattung anzustückeln, allerdings auf Kosten der Deckung anderer Bedürfnisgattungen, die entsprechend verkürzt wird ... Hierdurch kompliziert sich der Kreis der Faktoren, die auf die Höhe des Grenznutzens Einfluß nehmen, folgendermaßen: Es besitzen Einfluß: Erstens das Verhältnis von Bedarf und Deckung, das bei den Gütern von der zu schätzenden Art in der ganzen durch den Tauschverkehr verbundenen Gesellschaft besteht. Denn dieses Verhältnis (von Nachfrage und Angebot) beeinflußt ... die Höhe des Preises, der für das gewünschte Ersatzexemplar gezahlt werden muß, und damit den Umfang des Abbruchs, der jenen anderen Gütergattungen erwächst, aus denen der Ersatz bestritten werden muß. Zweitens das Verhältnis von Bedarf und Deckung, das bei dem schätzenden Individuum selbst in den durch den Ersatz zu verkürzenden Bedürfnisgattungen besteht. Denn davon hängt es ab, ob der Güterabbruch ein tiefes oder ein hohes Niveau von Bedürfnisbefriedigung trifft, ob also ein kleiner oder ein großer „Grenznutzen“ entbehrt werden muß.“ [27]

Wir sehen also, daß das Verhältnis zwischen der gesellschaftlichen Nachfrage und dem gesellschaftlichen Angebot an Waren einen Faktor darstellt, der die Höhe der individuellen subjektiven Wertschätzung (resp. die Höhe des „Grenznutzens“) bestimmt, denn dieses Verhältnis bestimmt den Preis: Je höher der Preis irgendeines neuenGegenstandes ist, desto höher ist die subjektive Wertschätzungdes alten Gegenstandes.

Es ist nicht schwer, zu merken, daß diese Ausnahme wiederum eine Reihe Widersprüche in sich birgt. Erstens gilt all das auch hier, was wir bereits bei der Analyse der Lehre vom Substitutionsnutzen festgestellt haben: die subjektive Wertschätzung, von der der Preis abgeleitet werden soll, setzt eben selbst diesen Preis voraus.Ferner: Als letzte Instanz, die den Preis bestimmt, wird das Gesetz von Nachfrage und Angebot angesehen, das seinerseits vom Standpunkte der Oesterreicher auf Gesetze zurückgeführt werden muß, die die subjektiven Wertschätzungen bestimmen, d. h. letzten Endes auf das Gesetz des Grenznutzens. Kann man aber in Wirklichkeit ohne weitere Erklärungen den Preis nur durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage befriedigend erklären, wozu dann überhaupt die subjektive Werttheorie? Endlich, da das Gesetz von Nachfrage und Angebot selbst nach der Grenznutzentheorie erst durch die Gesetze erklärt werden kann,die die subjektiven Wertschätzungen bestimmen, so müssen die „Preise“, die zur Erklärung der subjektiven Wertschätzungen dienen sollen, auf die subjektiven Wertschätzungen selbst zurückgeführt werden. In der Tauschwirtschaft unterliegen jedoch auch diese subjektiven Wertschätzungen dem allgemeinen Gesetz und sind von den Preisen abhängig. [28] Wir hören hier somit wieder die alte Leier. Sie muß bei Böhm-Bawerk überall erklingen, weil sie in der falschen Auffassung dieser Schule vom Verhältnis zwischen „Individuum“ und „sozialem Ganzen“ ihren Ursprung hat.
 

3. Die Größe des Güterwertes bei verschiedenen Gebrauchsarten.
Der subjektive Tauschwert. Das Geld

Wir haben bis jetzt Fälle untersucht, in denen das der Wertschätzung unterliegende Gut nur irgend ein Bedürfnis befriedigt. Wir wenden uns nun mit Böhm-Bawerk dem Falle zu, in dem ein und dasselbe Gut der Befriedigung verschiedener Bedürfnisse dient.

„Die Antwort auf diese Frage – sagt Böhm-Bawerk – ist leicht zu finden: Es ist hier immer der höchste Grenznutzen der maßgebende ... der wahre Grenznutzen eines Gutes ist identisch mit dem kleinsten Nutzen, zu dessen Erzielung es in wirtschaftlicher Weise noch verwendet werden dürfte. Findet nun um ein verfügbares Gut ein Wettstreit zwischen mehreren sich ausschließenden Verwendungen statt, so ist es klar, daß bei rationeller Wirtschaftsführung die wichtigste derselben den Vorzug erhalten muß: sie allein ist ökonomisch zulässig, alle minder wichtigen sind ausgeschlossen und können daher auch auf die Bewertung des Gutes, das ihnen in keinem Falle dienen darf, keinen Einfluß üben.“ [29]

Daraus ergibt sich für Böhm-Bawerk folgende allgemeine Formel:

„Bei Gütern, die alternativ verschiedene Verwendungsweisen gestatten und in denselben einen verschieden hohen Grenznutzen zu stiften imstande sind, ist die höchste der alternativen Grenznutzanwendungen für die Größe ihres wirtschaftlichen Wertes maßgebend.“ [30]

Hier überrascht vor allem die sonderbare Terminologie. „Der ,höchste Nutzen‘ des Gutes erweist sich als der ,kleinste Nutzen‘, zu dessen Erzielung es wirtschaftlicher Weise noch verwendet werden dürfte“. Warum es gerade der „kleinste“ ist, bleibt vollkommen unverständlich. Aber das ist noch nicht das Wesen der Sache. Wenn wir die Böhmsche Formel auf das reale Wirtschaftsleben anwenden, so stoßen wir wiederum auf denselben Fehler, der uns wiederholt begegnete, nämlich den Zirkel, in dem sich seine Erörterungen bewegen. In der Tat, nehmen wir den einfachen Fall: Wir haben das Gut A, durch dessen Verkauf wir für das erhaltene Geld eine Reihe von Sachen erwerben können, und zwar: entweder x Ware B oder y Ware G oder z Ware D usw. Es ist klar, daß die zu kaufende Ware, folglich auch die Verwendung des Gutes, von den jeweiligen Marktpreisen abhängig sein wird: wir werden die eine oder die andere Ware kaufen, je nachdem sie zur Zeit teuer oder billig ist. Ebenso treffen wir, wenn es sich um die Wahl der „Verwendungsweise“ der Produktionsmittel handelt, diese Wahl im Einklang mit den Preisen der Produkte der verschiedenen Produktionszweige, d. h. mit anderen Worten, die Frage der „Verwendungsweisen“ setzt bereits den Preis voraus, wie Gustav Eckstein [31] richtig bemerkt.

Seinen Höhepunkt erreicht dieser Fehler in der Lehre vom subjektiven Tauschwert.

Böhm-Bawerk unterscheidet zwei Arten der „Vielseitigkeit“ der Güter, die durch die zwei Arten der „Verwendung“ derselben begründet sind, und zwar: die verschiedenen Verwendungsweisen sind entweder das Ergebnis einer „technischen Vielseitigkeit“ des Gutes oder das Ergebnis der Fähigkeit desselben, gegen ein anderes Gut eingetauscht zu werden. Letzteres ist um so häufiger der Fall, je entwickelter die Tausch Verhältnisse sind. Auf dieser doppelten Bedeutung des Gutes – einerseits als direktes oder indirektes Mittel der Bedürfnisbefriedigung (wobei unter letzterem die Verwendung als Produktionsmittel verstanden wird), andererseits als Tauschmittel, – beruht die Einteilung des subjektiven Wertes in subjektiven Gebrauchswert und subjektivenTauschwert. [32]

„Die Größe des Gebrauchswertes – sagt Böhm-Bawerk – bemißt sich ... nach der Größe des Grenznutzens, den das zu schätzende Gut im Eigengebrauche bringt. – Die Größe des subjektiven Tauschwerts ist daher zu bemessen am Grenznutzen der für dasselbe einzutauschenden Güter.“ [33] Daraus folgt, daß die Größe des subjektiven Tauschwerts „von zwei Umständen abhängen muß: erstlich von der objektiven Tauschkraft (dem objektiven Tauschwert) des Gutes; denn diese entscheidet, ob man viele oder wenige Güter in Austausch dafür erwerben kann; und zweitens von dem Bedürfnis- und Vermögensstande des Eigentümers.“ [34]

Wir führten die Formulierung Böhm-Bawerks fast vollständig an, weil sie selbst den Widersinn und Widerspruch des Begriffes des subjektiven Tauschwerts am besten zum Ausdruck bringt. Ist es doch kein geringerer als unser Meister selbst, der uns sagt, daß das „Maß des subjektiven Tauschwerts vom ... objektiven Tauschwert abhängen muß...“ (Sperrdruck von mir. N. B.)

Hier wird die „objektive“ Welt des Marktes nicht durch die Hintertüre eingeschmuggelt; im Gegenteil, in der Definition des Maßes des subjektiven Tauschwertes selbst tritt der Zusammenbruch der Theorie zu Tage, die auf individuell-psychologischem Sande aufgebaut ist. [35]

So ist es begreiflich, daß die völlige Unfruchtbarkeit der österreichischen Theorie sich am krassesten in der Frage des Geldes äußert.

„Das vielseitigste Gut – sagt Wieser – ist indes das Geld ... An keinem anderen Gute kann man eine so deutliche Vorstellung von der Idee des Grenznutzens gewinnen ...“ (Fr. v. Wieser: Der natürliche Wert, Wien 1889, S. 13). Diese Behauptung eines der hervorragendsten Theoretiker des Grenznutzens klingt ziemlich ironisch, wenn man sie mit den Ergebnissen vergleicht, die von der neuen Schule auf diesem Gebiete erreicht worden sind. Wie bekannt, unterscheidet sich das Geld von allen anderen Waren dadurch, daß es ein allgemeines Aequivalent der Waren bildet. Gerade diese seine Eigenschaft, der zufolge es den abstrakten Tauschwert allgemein auszudrücken vermag, erschwert seine Analyse vom Standpunkte des Grenznutzens in ganz besonderem Maße. [36] In Wirklichkeit betrachtet der Agent der modernen kapitalistischen Wirtschaftsordnung das Geld bei allerhand Tauschgeschäften ausschließlich nur vom Gesichtspunkte seiner „Kaufkraft“, d. h. seines objektiven Tauschwertes. Keinem einzigen „Wirtschaftssubjekt“ wird es einfallen, seine Barmittel an Gold vom Gesichtspunkte der Fähigkeit des Goldes, „das Bedürfnis an Schmuck“ zu befriedigen, zu schätzen. Bei dem doppelten Gebrauchswert des Geldes [37], nämlich als Ware und als Geld, fußt seine Schätzung gerade auf dieser letzten Funktion. Wenn man bei der Analyse des Wertes der gewöhnlichen Ware das Vorhandensein von gesellschaftlichen Zusammenhängen konstatieren kann, die jede individualistische Deutung der Wirtschaftserscheinungen ausschließen (siehe oben die Analyse der Lehre vom Substitutionsnutzen), so erreichen diese gesellschaftlichen Zusammenhänge beim Gelde ihren vollständigsten Ausdruck. Das Geld erscheint nämlich als dasjenige „Gut“, dessen subjektive Wertschätzung nach der Terminologie der österreichischen Schule der subjektive Tauschwert ist.

Mit der Aufdeckung des Widerspruchs und der logischen Unhaltbarkeit dieses Begriffs wird auch der Grundfehler der ganzen Geldtheorie offensichtlich. Sehr gut hat diesen Fehler Gustav Eckstein formuliert: „Der objektive Tauschwert des Geldes resultiert also aus seinem subjektiven Gebrauchswert, dieser besteht in seinem subjektiven Tauschwert, welcher wieder abhängig ist von seinem objektiven Tauschwert. Das Schlußergebnis hat also eine ähnliche Stringenz und einen ähnlichen Wert, wie der bekannte Lehrsatz, daß die Armut von der pauvrete komme ...“ [38] Mit anderen Worten: Der objektive Tausch wert des Geldes wird bestimmt durch den objektiven Wert des Geldes.

Die Theorie des Geldes und der Geldzirkulation kann in gewissem Sinne als Prüfstein für jede Werttheorie dienen, da gerade im Gelde die Objektivierung der komplizierten menschlichen Beziehungen am klarsten sichtbar wird. Eben deshalb ist „das Rätsel des Goldfetisches“, der „durch seinen Metallglanz blendet“, eines der schwierigsten Rätsel für die politische Oekonomie. Ein klassisches Beispiel für die Analyse des Goldes gab Marx (im Kapital und in Zur Kritik) und die der Analyse des Geldes gewidmeten Seiten seiner Arbeit stellen das glänzendste dar, was je auf diesem Gebiete geleistet wurde. Im Gegensatz dazu ersieht man an der „Theorie“ des Geldes der österreichischen Schule klar die völlige theoretische Unfruchtbarkeit der ganzen Konstruktion und ihren ganzen theoretischen Bankrott. [39]
 

4. Der Wert der komplementären Güter
(Die Zurechnungstheorie)

Eine der verworrendsten Fragen, die von der österreichischen Schule bearbeitet wird, ist die vom Werte der sogenannten „komplementären“ Güter (Menger) oder die „Zurechnungstheorie“ – ein Terminus, den Wieser einführt.

Böhm-Bawerk versteht unter komplementären Gütern diejenigen Güter, die sich gegenseitig vervollständigen: In diesem Falle wird „zur Erreichung eines wirtschaftlichen Nutzens das Zusammenwirken mehrerer Güter in der Art gefordert ..., daß, wenn eines aus ihrer Reihe fehlt, der Nutzen gar nicht oder doch nur unvollkommen erreicht werden kann.“ [40] Als Beispiel für solche Güter führt Böhm-Bawerk Papier, Feder und Tinte, Nadel und Faden, zwei zu einem Paare gehörende Handschuhe usw. an. Es ist klar, daß solche Gruppen von Komplementärgütern besonders oft bei den Produktionsgütern zu finden sind, bei denen die Produktionsbedingungen das Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Faktoren erfordern, wobei der Ausfall auch nur eines dieser Faktoren sehr oft das gesamte Zusammenwirken zerstört und die Wirksamkeit der anderen zunichte macht. Indem Böhm den Wert der Komplementärgüter analysiert, gelangt er zu einer Reihe von besonderen „Gesetzen“, die sich „sämtlich innerhalb des Rahmens des allgemeinen Gesetzes vom Grenznutzen bewegen“. Als Ausgangspunkt für die Analyse wählt Böhm den Gesamtwert der ganzen Gruppe und stellt dabei folgenden Satz auf: „Der Gesamtwert der vollständigen Gruppe richtet sich in der Regel nach der Größe des Grenznutzens, den sie in ihrer Vereinigung zu stiften imstande ist.“ [41] Wenn drei Güter, A, B, C bei dem gemeinsamen Gebrauch den in wirtschaftlicher Hinsicht geringsten Nutzen von 100 Werteinheiten bringen können, so wird der gesamte Wert der Gruppe gleich 100 sein. So einfach ist die Sache nach Böhm nur „im allgemeinen Normalfall“. Von diesem „Normalfall“ sind die Spezialfälle zu unterscheiden; da tritt das Substitutionsgesetz in Kraft, von dem bereits oben die Rede war (siehe die Analyse der Lehre vom Substitutionsnutzen).

Und zwar: beträgt z. B. der Grenznutzen bei einer kombinierten Verwendung 100, „dagegen der Substitutionswert der drei Glieder der Gruppe einzeln nur 20, 30, 40, zusammen also nur 90, so hängt von allen dreien zusammengenommen eben nicht die Erreichung des kombinierten Nutzens von 100 ..., sondern die des kleinen Nutzens von 90 ab.“ [42] Etwas derartig „Nebensächliches (das aber für die kapitalistische Wirtschaft geradezu „normal“ ist, wollen wir in Klammern hinzufügen) hat augenscheinlich für Böhm-Bawerk kein Interesse; er analysiert nur den „Hauptfall“, „in dem der in gemeinsamer Verwendung zu erzielende Grenznutzen zugleich der wahre wertgebende Grenznutzen ist.“ [43]

Also der Wert der ganzen Gruppe wird als gegeben vorausgesetzt. Es handelt sich nur darum, das Verhältnis zu bestimmen, in dem der allgemeine Wert auf die einzelnen Güter, die in der Gruppe enthalten sind, zu verteilen ist. Darin besteht das Problem der „ökonomischen Zurechnung“. Diese ökonomische Zurechnung ist nach der österreichischen Schule von jeder anderen zu unterscheiden: nämlich von der rechtlichen, moralischen und physischen Zurechnung. Die früheren Theoretiker machten nach Wieser folgenden Fehler: „Sie wollen erfahren, welchen Anteil des gemeinsamen Produktes, physikalisch betrachtet, jeder Faktor hervorgebracht hat, oder von welchem Teile der Wirkung jeder die physische Ursache sei. Das aber sei nicht zu erfahren.“ [44] Eine ähnliche Stellung nimmt auch Böhm-Bawerk ein, der in dieser Frage mit Wieser völlig übereinstimmt. [45] Bei der Verteilung der Werte auf die verschiedenen Anteile der Gruppe entstehen verschiedene Kombinationen, die nach der Terminologie von Böhm von „der kasuistischen Besonderheit des Falles“ abhängig sind. Wir wollen mit Böhm-Bawerk die drei Grundfälle untersuchen.

  1. Die gegebenen Güter können nur bei gemeinsamer Verwendung Nutzen bringen und können nicht ersetzt werden. In diesem Falle ist jedes einzelne Stück der Träger des Gesamtwertes der gesamten Komplementärgruppe.
     
  2. Die einzelnen Glieder der Gruppe können auch anderswo, außerhalb der gegebenen Komplementärgruppe, ihre Verwendung finden. „In diesem Fall schwankt der Wert des einzelnen Stücks nicht mehr zwischen ‚nichts‘ und ‚alles‘, sondern nur noch zwischen der Größe des Grenznutzens, den es isoliert zu stiften imstande ist, als Minimum, und der Größe des gemeinsamen Grenznutzens der übrigen Glieder, als Maximum.“ [46] Angenommen, drei Güter, A, B, C, bringen durch ihr Zusammenwirken einen Grenznutzen 100; angenommen ferner, daß außerhalb der Komplementärgruppe (d. h. bei einer anderen „Art des Gebrauchs“) ihr „isolierter Wert“ für A = 10, für B = 20, für C = 30 ist; dann ist der „isolierte Wert“ A gleich 10. Umgekehrt wird der Wert von A als Teil der Komplementärgruppe (vorausgesetzt wird der „Ausfall“ von A und der dadurch verursachte Zerfall der Gruppe) gleich 100–(20+30), d. h. gleich 50 sein.
     
  3. Einige Gruppenglieder können ersetzt werden. In diesem Fall tritt das Substitutionsgesetz in Kraft. Die allgemeine Formel für diesen Fall lautet: „Der Wert der ersetzlichen Glieder wird unabhängig von ihrer konkreten komplementären Verwendung auf eine bestimmte Höhe fixiert, mit der sie dann auch bei der Aufteilung des Gesamtwerts der Gruppe an die einzelnen Glieder partizipieren. Die Aufteilung geht nunmehr in der Art vor sich, daß aus dem durch den Grenznutzen der gemeinsamen Verwendung bestimmten Gesamtwert der ganzen Gruppe zunächst den ersetzlichen Gliedern ihr fixer Wert zugeteilt und der – je nach der Größe des Grenznutzens variable – Best den nicht vertretbaren Gliedern als ihr Einzelwert zugerechnet wird.“ [47] So die Theorie der „ökonomischen Zurechnung“ in allgemeinen Zügen. Zweifelsohne ist die „Zurechnung“ des Wertes eines Produkts zu den verschiedenen Produktionsfaktoren gewissermaßen ein real verlaufender psychologischer Prozeß. [48] Insoweit wir es mit individuell-psychologisehen Erscheinungen, wie Schätzungen usw., zu tun haben, findet auch eine Zurechnung des Wertes des Produktes zu den verschiedenen „Faktoren“ statt. [49] Eine andere Frage ist es freilich, ob die Untersuchung dieser Erscheinungen zu einer befriedigenden Problemlösung führen kann. Es genügt hier, den typischsten Fall zu betrachten, nämlich den, bei welchem das Hinzu-treten von Substitutionsschätzungen bestimmend wirkt. Vor allem entsteht die Frage: Welcher „Wert des Produkts“ ist der Komplementärgruppe zuzurechnen? Was stellt er in den Augen des Kapitalisten dar?

Oben sahen wir, daß selbst Böhm-Bawerk die Schätzungen der Waren durch ihre kapitalistischen Warenproduzenten fast gleich Null setzt. Für den Kapitalisten gibt es keinen Grenznutzen der Ware als Norm für seine Schätzung. Andererseits ist es widersinnig, von einem „sozialen“ Grenznutzen zu sprechen. [50] Worüber in diesem Falle der Kapitalist sprechen kann (und in Wirklichkeit auch spricht), was er bald dem einen, bald dem anderen Teil seines Produktionskapitals zurechnet, das ist nichts anderes als der Preis des Produktes. Daraus folgt, daß die Einführung des einen oder des anderen Produktionsfaktors dieses oder jenes Teils der Komplementärgruppe vor allem vom Preis des Produktes abhängt und keineswegs von seinem Grenznutzen, wie dies Böhm-Bawerk behauptet. Ferner können in unserem typischen Fall die Teile der Komplementärgruppe ersetzt werden, d. h. sie sind jederzeit auf dem Markte zu haben. Es ist für unseren Kapitalisten wiederum keinesfalls gleichgültig, wieviel er für diese oder jene Maschine zu zahlen oder wie er den Arbeiter zu entlohnen hat usw. Mit anderen Worten: Ihn interessiert der Marktpreis der Produktionsmittel; davon hängt es ab, ob er neue Maschinen anschafft oder neue Arbeitskräfte einstellt, ob er die Produktion erweitert oder einschränkt. Dazu kommt endlich noch eine andere Kategorie von objektiv gegebenen wirtschaftlichen Größen, nämlich die Zinshöhe. Wie schätzt z. B. der Bauer sein Grundstück ein? Nach Böhm-Bawerk vollzieht sich diese Schätzung so: „Vom Gesamtertrag zieht man nämlich in der Praxis zunächst die ‚Kosten‘ ab. Das sind ... eben die Aufwände für die ersetzlichen Produktionsmittel von gegebenem Substitutionswert. [51] Den Rest „schreibt“ der Bauer von seinem Grundstück zu. [52] Das ist es, was man Grundrente nennt, deren Kapitalisation den Preis des Grund und Bodens ergibt. Daß gerade auf diesem Wege, d. h. durch Kapitalisierung der Grundrente, jede Parzelle abgeschätzt wird, erübrigt sich zu beweisen: Jeder beliebige praktische Fall bestätigt diesen Gedanken. Eine derartige Schätzung setzt jedoch die Zinshöhe als gegeben voraus, von der nun das Ergebnis der Kapitalisierung völlig abhängt.

Wir sehen somit, daß Böhm-Bawerk sogar die fetischistische Psychologie des „Produzenten“ falsch beschreibt, da er die „objektiven“ Momente ausschließt, die sich in ihr stets finden, sobald wir Warenproduktion und noch mehr – kapitalistische Warenproduktion voraussetzen.

Die Theorie der „ökonomischen Zurechnung“ bildet bei den Vertretern der österreichischen Schule den unmittelbaren Uebergang zu der Verteilungstheorie. Deshalb verlassen wir hier eine Reihe von Fragen, die von Böhm-Bawerk berührt werden, um darauf erst bei der Analyse seiner Zinstheorie zurückzukommen. [53]
 

5. Der Wert der Produktivgüter. Die Produktionskosten

Die klassische Schule der politischen Oekonomie führte, ebenso wie Marx, bei der Analyse der Bestandteile des Wertes der Verbrauchsgüter diesen Wert in der Hauptsache auf den Wert der auf gewendeten Produktionsmittel zurück; welche konkreten Formen diese Analyse auch annahm, der ihr zugrunde liegende allgemeine Gedanke blieb derselbe, daß nämlich der Wert der Produktionsmittel den bestimmenden Wertfaktor für die frei reproduzierbaren Güter bildet. Umgekehrt nach der Lehre der österreichischen Theoretiker:

„... ihr Wert ist gleich dem ‚erwarteten Werte des erwarteten Ertrages‘ an Grenzgütern. Und darin nun liegt der wahre Grundgedanke des neueren Systems der Oekonomie im Gegensatz zu dem der Klassiker. Er liegt darin, daß wir, vom Werte der Genußgüter ausgehend, die Theorie der Preisbildung darauf basieren und uns den Wert der Produktivgüter, den wir bei diesem Vorgehen ja auch brauchen, dadurch verschaffen, daß wir ihn aus dem der Genußgüter ableiten.“ [54]

Wir wollen diesen „Grundgedanken“ näher darstellen. Nach dem Beispiel Mengers, oder richtiger, Gossens, teilt Böhm-Bawerk alle Güter in Kategorien ein, je nachdem, ob sie näher oder entfernter vom Konsumtionsprozeß stehen. Und so haben wir: 1. Genußgüter, 2. Produktivgüter, die mit gegebenen Genußgütern unmittelbar in Berührung kommen, oder „Produktivgüter erster Ordnung“; darauf folgen Produktionsmittel der Güter erster Ordnung oder „Produktivgüter zweiter Ordnung“ usw. Die letzten Güter heißen Güter der „höchsten“ oder der „entferntesten Ordnung“. Wodurch wird nun der Wert dieser Güter der „höchsten Ordnung“ bestimmt? Böhm-Bawerk stellt folgende Erwägung an: Jedes Gut, folglich auch ein beliebiges Gut der „höchsten Ordnung“, d. h. ein beliebiges Produktionsmittel, kann einen Wert nur dann besitzen, wenn es direkt oder indirekt irgendein Bedürfnis befriedigt. Angenommen, wir haben ein Genußgut A, das ein Ergebnis der Anwendung der Produktivgüter G2, G3, G4 darstellt (die Zahlen 2, 3, >4 bedeuten die Güterordnung, d. h. den Grad ihrer Entfernung vom Genußgut A, dann ist es klar, daß vom Gute G1 sich der Grenznutzen des Gutes A ergibt. „Von der Gruppe G2 hängt also, genau wie vom Schlußprodukt A selbst, der Grenznutzen dieses letzteren ab.“ [55] So kommt Böhm-Bawerk zu folgendem Satz:

„Von allen sukzessive ineinander übergehenden Produktivmittelgruppen entfernterer Ordnung hängt ein und derselbe Wohlfahrtsgewinn ab, nämlich der Grenznutzen ihres Schlußproduktes.“ [56]

Daraus folgt:

„Zuerst und unmittelbar prägt sich die Größe des Grenznutzens im Wert des Schlußproduktes aus. Dieser bildet dann die Richtschnur für den Wert der Gütergruppe, aus der es hervorgeht; dieser wieder für den Wert der Gütergruppe dritter, dieser endlich für den Wert der letzten Gruppe vierter Ordnung. Von Station zu Station ändert sich der Name des maßgebenden Elementes, aber in den verschiedenen Namen wirkt immer dieselbe Sache: Der Grenznutzen des Schlußproduktes.“ [57]

Ein solcher Tatbestand ergibt sich, wenn wir den Umstand außer acht lassen, daß ein und dasselbe Produktionsmittel zur Produktion von verschiedenen Genußgütern dienen kann und in der Tat auch meist dient. Nehmen wir an, daß das Produktivgut G2 in drei verschiedenen Produktionszweigen gebraucht werden kann, wobei die Produkte A, B, C entstehen, mit den ihnen entsprechenden Grenznutzen von 100, 120 und 200 Werteinheiten. Böhm-Bawerk stellt dieselben Erwägungen wie bei der Wertanalyse der Genußgüter an und folgert, daß der Verlust einer Gruppe der Produktivgüter der Kategorie G2 zur Verringerung desjenigen Produktionszweiges führt, der das Produkt mit dem kleinsten Grenznutzen ergibt. Daraus folgt der Satz:

„Der Wert der Produktivmitteleinheit richtet sich nach dem Grenznutzen und Werte desjenigen Produktes, welches unter allen, zu deren Erzeugung die Produktivmitteleinheit wirtschaftlicherweise hätte verwendet werden dürfen, den geringsten Grenznutzen besitzt.“ [58]

Dieses Gesetz soll, nach Böhm-Bawerk, auch das „klassische“ Gesetz der Produktionskosten erklären, und zwar soll der Wert derjenigen Güter, deren Grenznutzen nicht der geringste Grenznutzen ist (in unserem Beispiel die Gruppen B und C), nicht durch ihren Grenznutzen bestimmt werden, sondern durch den Wert der Produktionsmittel („die Produktionskosten“), der seinerseits vom Wert und Grenznutzen des „Grenzprodukts“ bestimmt wird, d. h. desjenigen Produkts, dessen Grenznutzen am geringsten ist. Hier tritt also das oben bereits erwähnte Substitutionsgesetz in Kraft. Also mit Ausnahme des „Grenzproduktes“ bilden für alle Arten der „produktionsverwandten Güter“ [59] die Produktionskosten den bestimmenden Faktor, doch wird diese Größe selbst, d. h. der Wert der Produktionsmittel, vom Wert des Grenzprodukts, von seinem Grenznutzen bestimmt: ‚In letzter Linie’ erscheint der Grenznutzen als bestimmende Größe, das Gesetz der Produktionskosten aber als ein ‚partikuläres Gesetz‘, da die Kosten nicht die endgültige, sondern immer nur eine Zwischenursache des Güterwerts sind.“ [60] Soweit die von der neuen Schule aufgestellte Werttheorie der Produktivgüter in allgemeinen Zügen. Wenden wir uns der Kritik dieser Theorie zu und fangen wir mit seinem Grundgedanken an, nämlich der Abhängigkeit des Wertes der Produktionsmittel von dem Werte des Produkts. [61] Das Sinken der Warenpreise im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt war die wichtigste empirische Tatsache, die der „alten“ Theorie zugrunde lag, welche besagte, daß die Produktionskosten einen Faktor darstellen, der den Wert (respektive den Preis) des Produktes bestimmt. Der Zusammenhang zwischen der Verringerung der Produktionskosten und dem Sinken der Warenpreise schien völlig klar. Auf dieses Phänomen muß Böhm-Bawerk vor allem als auf einen Prüfstein für seine eigene Theorie verwiesen werden.

Hier stellt Böhm-Bawerk folgende Betrachtungen an:

Nehmen wir an – sagt er – es werden neue Kupferlager entdeckt. Dieser Umstand wird (falls nicht eine entsprechend große Steigerung der Nachfrage vorausgesetzt wird) eine Senkung des Wertes der Kupferprodukte hervorrufen. Der Anstoß dazuist somit von der Seite der Produktivgüter ausgegangen. Doch bedeutet es nicht, meint Böhm weiter, daß die ursprüngliche Ursache die Senkung des Wertes des Kupfers ist. Nach Böhm wickelt sich der Vorgang so ab: Die Kupfermenge steigt, dies bewirkt die Vermehrung der Kupferprodukte; dieser Umstand wird vom Niedergang des Wertes dieser Produkte begleitet, was wiederum den Niedergang des Wertes des Produktivgutes (des Kupfers) zur Folge hat. [62]

Untersuchen wir diese These näher. Vor allem ist es völlig klar, daß jedes Produktivgut so lange einen Wert haben kann (in welchem Sinne dieser Begriff auch gebraucht werden mag: in dem des Marxschen objektiven Wertes oder in dem des Böhmschen subjektiven Wertes), als es in Wirklichkeit Produktivgut ist, d. h. ein Mittel zur Produktion irgendeines nützlichen Gegenstandes. Lediglich in diesem Sinne kann vom Wert eines Produktes die Rede sein, als von einer „Ursache“ des Wertes des Produktivguts. [63] Ganz etwas anderes ist es, wenn wir unter „Ursache“ gerade den „kausalen Anstoß“ verstehen.

Dieser „kausale Anstoß“ geht, wie wir sahen, von der Seite der Produktivgüter aus. Nun entsteht die Frage, ob es sich hier nur um die Menge der Produktionsmittel handelt – wie Böhm annimmt – oder ob zugleich mit deren Vermehrung und durch diese auch schon die Verminderung des Werts derselben gegeben ist (in diesem Falle wäre der Wert des Produkts die zu bestimmende Größe). Es liegt zweifelsohne gar kein Grund vor, die Menge der Produktionsmittel dem Wert derselben gegenüberzustellen. [64] Vor allem fällt es in die Augen, daß das Sinken des Wertes, d. h. im Grunde genommen, des Preises (darüber unten) der Produktivgüter der Zeit nach früher erfolgt als das Sinken des Wertes der Verbrauchsgüter. Jede auf dem Markte erscheinende Ware tritt nicht nur in einer gewissen Menge auf, sondern stellt auch eine gewisse Wertgröße dar. Das im Ueberfluß auf den Markt geworfene Kupfer sinkt im Preise lange vorher, ehe die Kupferprodukte im Preise sinken. Freilich auch dagegen findet sich bei Böhm-Bawerk ein Einwand, und zwar weist er auf den Umstand hin, daß der Wert der Güter „höherer Ordnung“ nicht durch den Wert der Güter „niederer Ordnung“ bestimmt wird, den sie im gegebenen Augenblick besitzen, sondern vom Werte, den sie bei einer gesteigerten Menge der in der Produktionssphäre eingetretenen Produktionsmittel haben werden. [65] Doch wenn der Abstand zwischen den Produktionsmitteln und den Konsumtionsgütern überhaupt so groß ist, daß sogar die Vertreter der Grenznutzentheorie selber daran zweifeln, ob der Wert der Produktionsmittel von dem Werte des Produkts abhängt [66], so ist es ganz offensichtlich, daß bei der Veränderung der Menge der auf den Markt geworfenen Produktionsmittel eine derartige Abhängigkeit, wie sie Böhm-Bawerk behauptet, durchaus nicht festgestellt werden kann. Es genügt in diesem Falle, um die Frage zu klären, den Böhmschen Behauptungen seine eigenen Thesen gegenüberzustellen, die lauten: „Wenn wir uns überlegen, was ... ein Produkt von höherem, unmittelbarem Grenznutzen für uns wert ist, so müssen wir uns sagen: gerade soviel, als die Produktionsmittel für uns wert sind, aus denen wir das Produkt in jedem Augenblick wieder herstellen könnten. Forschen wir dann weiter, wieviel die Produktionsmittel selbst wert sind, so kommen wir auf den Grenznutzen. Aber unzählige Male können wir uns diese weitere Forschung ersparen. Unzählige Male wissen wir den Wert der Kostengüter schon, ohne ihn von Fall zu Fall erst aus seinen Grundlagen entwickeln zu müssen ...“ Dazu fügt er in einer Fußnote hinzu:

„Namentlich das Eingreifen der Arbeitsteilung und des Tauschverkehrs trägt viel dazu bei, daß auch der Wert von Zwischenprodukten häufig (!) selbständig fixiert wird.“ [67]

Leider entwickelt Böhm-Bawerk seinen Gedanken nicht weiter, er zeigt uns nicht, warum die Arbeitsteilung und der Tausch einen derartig entscheidenden Einfluß auf das Zustandekommen der „Selbständigkeit“ des Wertes der Produktivgüter ausüben. In Wirklichkeit kommt die Sache folgendermaßen zustande: Die moderne Gesellschaft stellt keineswegs ein harmonisch entwickeltes Ganzes dar, in dem die Produktion an den Konsum planmäßig angepaßt wird; gegenwärtig sind Produktion und Konsumtion voneinander losgerissen, sie stellen zwei entgegengesetzte Pole des Wirtschaftslebens dar. Diese Lostrennung der Produktion von der Konsumtion äußert sich unter anderem auch in wirtschaftlichen Erschütterungen, wie den Krisen. Die Schätzungen, die die Agenten der Produktion selbst für die Produkte machen, geschehen keineswegs abhängig vom „Grenznutzen“, – dies gilt, wie wir oben sahen, sogar für die Konsumtionsgüter; noch prägnanter äußert sich dies bei der Herstellung von Produktionsmitteln. Die anarchisch aufgebaute Gesellschaft, in welcher der Zusammenhang der einzelnen Produktionsteile keineswegs ein planmäßiger ist, ein Zusammenhang, der in letzter Instanz von gesellschaftlicher Konsumtion geregelt wird, führt unvermeidlich zu einer Lage der Dinge, die man im gewissen Sinne als „Produktion für die Produktion“ bezeichnen kann. Dieser Umstand wirkt seinerseits auf die Psyche der Agenten der kapitalistischen Produktionsweise (die Analyse dieser Psyche gehört ja zur Aufgabe Böhm-Bawerks) in ganz anderer Weise, als Böhm es voraussetzt. Fangen wir nun mit der Wertschätzung der Verkäufer der Produktionsmittel an. Sie sind Kapitalisten, deren Kapital in Produktionszweigen angelegt ist, die Produktionsmittel herstellen. Wodurch wird die Schätzung der erzeugten Produktionsmittel seitens des Besitzers der betreffenden Unternehmung bestimmt? Er schätzt seine Ware („Produktivgüter“) keinesfalls nach dem Grenznutzen des Produkts, das mit Hilfe dieser Ware hergestellt wird; es ist vielmehr so, daß er seine Ware in Abhängigkeit vom Preise schätzt, den er für sie auf dem Markte erhalten kann; d. h. in der Böhm-Terminologie gesprochen, er schätzt sie nach dem subjektiven Tauschwerte. [68] Nehmen wir nun an, daß der besagte „Produzent“ eine neue Technik einführt und die Produktion erweitert; jetzt ist er in der Lage, eine größere Menge Ware – Produktionsmittel – auf den Markt zu werfen. Nach welcher Richtung hin wird sich hierbei die Schätzung der einzelnen Wareneinheit verändern? Sie wird natürlich sinken. Doch geschieht dieses Sinken in seinen Augen nicht etwa deshalb, weil die Preise der aus seiner Ware hergestellten Produkte sinken, sondern vielmehr deshalb, weil er selbst bestrebt ist, die Preise sinken zu lassen, um durch niedrigere Preise die Käufer seinen Konkurrenten abzugewinnen und dadurch höheren Profit zu erzielen.

Wenden wir uns nun der anderen Partei, den Käufern, zu. In unserem Falle sind die Käufer die Kapitalisten desjenigen Produktionszweiges, der Konsumtionsmittel mit Hilfe von Produktionsmitteln herstellt, die bei den Kapitalisten der ersten Kategorie (Produktion von Produktionsmitteln) gekauft werden. Ihre Wertschätzung wird natürlich mit dem angebotenen Preise des Produkts rechnen; doch dieser vorausgesetzte Preis des Produkts kann höchstens nur als obere Grenze dienen; in der Wirklichkeit aber ist die Schätzung der Produktionsmittel immer niedriger; und diejenige Größe, um die sich die Schätzung der Produktionsmittel von seiten der Käufer verringert, ist in dem gegebenen Beispiel nichts anderes als ein gewisses Korrektiv des früheren Preises, das durch die größere Menge der auf den Markt geworfenen Produktionsmittel hervorgerufen ist.

So ist die nicht konstruierte, sondern die wirkliche Psychologie der Agenten der Warenproduktion. Der Wert der Produktionsmittel wird also in Wirklichkeit mehr oder weniger selbständig bestimmt, und die Veränderung des Wertes der Produktionsmittel erfolgt der Zeit nach früher als die Veränderung des Wertes der Konsumtionsgüter. Folglich muß die Analyse so durchgeführt werden, daß eben die Wertveränderungen in der Sphäre der Produktion der Produktionsmittel den Ausgangspunkt bilden.

Hier muß noch auf einen sehr wichtigen logischen Fehler hingewiesen werden. Oben sahen wir, daß der Wert der Produktionsmittel nach Böhm-Bawerk durch den Wert des Produkts bestimmt wird; „in letzter Instanz“ bildet der Grenznutzen des Grenzprodukts das ausschlaggebende Moment. Wodurch wird aber die Höhe dieses Grenznutzens bestimmt? Wir wissen bereits, daß die Höhe des Grenznutzens in umgekehrtem Verhältnis zur Menge des zu schätzenden Produkts steht; je mehr Einheiten einer gewissen Gütergattung es gibt, desto mehr sinkt die Schätzung für jede Einheit des „Vorrats“ und umgekehrt. Es entsteht naturgemäß die Frage, wodurch diese Menge ihrerseits bestimmt wird. Darauf erwidert nun unser Professor:

„... die Masse der in einem Marktgebiet verfügbaren Waren selbst (wird) wieder bestimmt... in besonders weitem Umfange durch die Höhe der Produktionskosten. Je höher nämlich die Produktionskosten einer Ware sich belaufen, desto niedriger bleibt verhältnismäßig die Zahl der dem Bedarf von der Produktion entgegengestellten Exemplare.” [69]

Und so haben wir folgende „Erklärung“: Der Wert der Produktivgüter (Produktionskosten) wird durch den Wert des Produkts bestimmt; der Wert des Produkts hängt von dessen Menge ab; die Menge des Produkts wird durch die Produktionskosten bestimmt oder, mit anderen Worten, die Produktionskosten werden durch die Produktionskosten bestimmt; und so kommen wir wiederum auf eine der Scheinerklärungen, an denen die Theorie der österreichischen Schule so reich ist. Böhm-Bawerk geriet selbst in diesen circulus vitiosus, in dem, wie er durchaus richtig bemerkt, sich die alte Theorie der Produktionskosten bis heute noch bewegt. [70]

Zum Schluß noch einige Worte über die allgemeine Formel Böhms über den Wert der Produktionsmittel. Wie wir gesehen haben, richtet sich „der Wert der Produktivmitteleinheit... nach dem Grenznutzen und Werte desjenigen Produktes, welches unter allen, zu deren Erzeugung die Produktivmitteleinheit wirtschaftlicherweise hätte verwendet werden dürfen, den geringsten Grenznutzen besitzt. [71] Wenn wir jetzt die kapitalistische Produktion betrachten, so sehen wir sofort, daß das „wirtschaftlicherweise“, von dem Böhm-Bawerk spricht, die Kategorie des Preises bereits als gegeben voraussetzt. [72] Das ist wiederum ein Irrtum, der der ganzen österreichischen Schule „immanent“ ist; er entsteht, wie oben ausgeführt, aus dem Verkennen der Rolle der gesellschaftlichen Zusammenhänge in der Bildung der individuellen Psychologie des modernen „Wirtschaftssubjekts“.
 

6. Ergebnisse

Wir können die Untersuchung der subjektiven Werttheorie abschließen, indem wir noch die Preistheorie der österreichischen Schule einer kurzen Prüfung unterziehen. Wird doch der Preis von Böhm-Bawerk gewissermaßen als eine Resultante von subjektiven Schätzungen betrachtet, die im Tauschprozeß auf dem Markte Zusammenstößen. Bei der Ableitung dieser Resultante muß Böhm-Baw’erk eine Reihe von Faktoren auf zählen, die an ihrem Zustandekommen teilnehmen und in der Hauptsache den Inhalt, d. h. die quantitative Bestimmtheit der subjektiven Schätzungen der auf dem Markte im Kampfe miteinander liegenden Käufer und Verkäufer betreffen. Wir wollen beim Nachweis der Widersprüche und Untauglichkeit der Böhmschen Behauptungen über diese „Faktoren“ gleichzeitig auch die früheren ausführlichen kritischen Bemerkungen nochmals kurz zusammenfassen.

Zuvor aber müssen wir noch etwas bei der von Böhm-Bawerk gegebenen Darstellung des Mechanismus des Tauschprozesses verweilen. Böhm-Bawerk betrachtet den Tauschprozeß entsprechend der immer mehr zunehmenden Kompliziertheit seiner Bedingungen. Dabei entstehen für ihn 4 Fälle: 1. der isolierte Tausch, 2. der einseitige Wettbewerb der Käufer untereinander, 3. der einseitige Wettbewerb der Verkäufer untereinander und endlich 4. der „beiderseitige Wettbewerb“, d. h. der Fall, bei dem sowohl die Käufer als auch die Verkäufer in Konkurrenz miteinander treten.

Für den ersten Fall (isolierter Tausch) ergibt sich eine sehr einfache Formel, und zwar:

„Beim isolierten Tausch zweier Tauschlustiger setzt sich der Preis innerhalb eines Spielraumes fest, dessen Obergrenze die subjektive Wertschätzung der Ware durch den Käufer, dessen Untergrenze ihre Wertschätzung durch den Verkäufer bildet.“ [73]

Für den zweiten Fall (Wettbewerb der Käufer untereinander) stellt Böhm-Bawerk folgenden Satz auf:

„Bei einseitigem Wettbewerb der Kauflustigen bleibt der tauschfähigste Bewerber, d. i. derjenige, der die Ware im Vergleich zum Preisgut am höchsten schätzt, Ersteher, und der Preis bewegt sich zwischen der Wertschätzung des Erstehers als Ober- und der des tauschfähigsten unter den ausgeschlossenen Bewerbern als Untergrenze, die jederzeit die eigene Wertschätzung des Verkäufers bildet.“ [74]

Ein ähnlicher Tatbestand ergibt sich auch im dritten Fall, nämlich bei dem einseitigen Wettbewerb der Verkäufer untereinander; hier werden die Grenzen, innerhalb deren der Preis schwankt, von der allergeringsten Schätzung des stärksten (oder, in der Böhmschen Terminologie „des tauschfähigsten“) Verkäufers und der Schätzung des stärksten der unterliegenden Konkurrenten bestimmt.

Das größte Interesse bietet naturgemäß der vierte Fall, d. h. der Wettbewerb der Verkäufer und auch der Käufer untereinander. Hier haben wir das typische Beispiel für Tauschgeschäfte innerhalb einer einigermaßen entwickelten Tauschwirtschaft.

Für diesen Fall stellt Böhm-Bawerk ein Schema auf, in dem zehn Käufer je ein Pferd kaufen und acht Verkäufer je ein Pferd

verkaufen wollen. Die Zahlen bedeuten die Höhe der entsprechenden Schätzung.

Käufer:

Verkäufer:

A1

schätzt ein Pferd

auf 300 Flor.

B1

schätzt sein Pferd

auf 100 Flor.

A2

      "        "         "

  "   280    "

B2

      "          "         "

  "   110    "

A3

      "        "         "

  "   260    "

B3

      "          "         "

  "   150    "

A4

      "        "         "

  "   240    "

B4

      "          "         "

  "   170    "

A5

      "        "         "

  "   220    "

B5

      "          "         "

  "   200    "

A6

      "        "         "

  "   210    "

B6

      "          "         "

  "   215    "

A7

      "        "         "

  "   200    "

B7

      "          "         "

  "   250    "

A8

      "        "         "

  "   180    "

B8

      "          "         "

  "   260    "

A9

      "        "         "

  "   170    "

 

A10

      "        "         "

  "   150    "

Angenommen, die Käufer beginnen mit dem Preise von 130 Florin. Es ist klar, daß zu diesem Preis die sämtlichen 10 Käufer Pferde kaufen könnten, während von den Verkäufern nur 2 (B1 und B2) auf dieses Geschäft eingehen könnten. Unter solchen Bedingungen kann der Tausch offenbar nicht Zustandekommen, denn die Verkäufer würden zweifelsohne den Wettbewerb der Käufer untereinander ausnutzen, so daß der Preis steigen müßte; ebenso würde der Wettbewerb der Käufer untereinander es verhindern, daß die zwei Käufer das Geschäft zu 130 Florin pro Pferd abschließen. Bei der weiteren Steigerung des Preises wird sich die Zahl der Wettbewerber unter den Käufern verringern, und zwar: bei einem Preise von 150 Florin bleibt der Käufer A10 zurück, bei einem Preise von 170 Florin der Käufer A9 usw. Andererseits, je mehr sich die Zahl der Käufer verringert, desto mehr nimmt die Zahl der Verkäufer zu, für die es, vom Standpunkte der Wirtschaftlichkeit aus, möglich wird, sich an dem Tauschgeschäft zu beteiligen. Bei einem Preise von 150 Florin kann auch B3 sein Pferd verkaufen, bei einem Preise von 170 Florin – auch B4 usw. Bei einem Preise von 200 Florin besteht noch der Wettbewerb unter den Käufern. Ein anderer Tatbestand ergibt sich aber bei einer weiteren Steigerung des Preises. Angenommen, der Preis steigt über 200 Florin. In diesem Falle halten sich Angebot und Nachfrage die Wage. Ueber 220 Florin kann der Preis nicht steigen, denn in diesem Falle würde der Käufer A5 ausscheiden, so daß der Wettbewerb unter den Verkäufern den Preis zum Sinken bringen würde; in dem gegebenen Fall könnte der Preis eigentlich auch nicht auf 215 Florin steigen, denn in diesem Falle würden auf 6 Verkäufer nur 5 Käufer entfallen. Und so wird sich ein Preis ergeben, der innerhalb der Grenzen von 210 bis 215 Florin liegt.

Daraus folgt erstens: Zum Tausch gelangen „von beiden Seiten die tauschfähigsten Bewerber; nämlich die Käufer, die die Ware am höchsten (A1 bis A5) und die Verkäufer, die sie am niedrigsten schätzen (B1 bis B5).“ [75]

Zweitens:

„Es kommen von jeder Seite so viele Bewerber zum Tausch, als es, wenn man die Bewerber nach der absteigenden Rangordnung ihrer Tauschfähigkeit paart, Paare gibt, innerhalb deren der Kauflustige die Ware einer größeren Summe des Preisgutes gleichschätzt als der Verkäufer.” [76]

Drittens:

„Bei beiderseitigem Wettbewerb stellt sich der Marktpreis innerhalb eines Spielraumes fest, der nach oben begrenzt wird durch die Wertschätzungen des letzten noch zum Tausch kommenden Käufers und des tauschfähigsten ausgeschlossenen Verkaufsbewerbers, nach unten durch die Wertschätzungen des mindesttauschfähigen noch zum Tausch gelangenden Verkäufers und des tauschfähigsten vom Tausch ausgeschlossenen Kaufbewerbers.” [77]

Faßt man die oben erwähnten Paare als „Grenzpaare“ auf, so ergibt sich folgende Formulierung für das Preisgesetz: „Die Höhe des Marktpreises wird begrenzt und bestimmt durch die Höhe der subjektiven Wertschätzungen der beiden Grenzpaare.“ [78]

Soweit der Mechanismus des Wettbewerbs, d. h. der Prozeß der Preisbildung von seiner formalen Seite aus. Dem Wesen der Sache nach ist es nichts anderes als eine ausführliche Formulierung des längst bekannten Gesetzes von Angebot und Nachfrage. Deshalb ist eben diese formale Seite der Sache von geringerem Interesse als ihr Inhalt, d. h. die quantitative Bestimmtheit des Tauschprozesses. Doch zunächst noch eine kurze Bemerkung. Bei der Bestimmung der „allgemeinen Regeln“, von denen die am Tausch Beteiligten sich leiten lassen, formuliert Böhm-Bawerk folgende drei „Regeln“:

„Er (d. h. der Tauschlustige. N. B.) wird erstens überhaupt nur dann tauschen, wenn der Tausch ihm Vorteil bringt; er wird zweitens lieber mit einem größeren als mit einem kleineren Vorteile tauschen; und er wird endlich drittens lieber mit einem kleineren Vorteil als gar nicht tauschen.” [79]

Die erste dieser drei Regeln ist falsch. Es gibt nämlich Fälle, in denen die Verkäufer mit Verlust den Tausch eingehen, indem sie nach der Regel handeln: Ein kleiner Verlust ist besser als ein großer. Das kommt dann vor, wenn die Kapitalisten sich durch die Marktkonjunktur gezwungen sehen, ihre Ware unter dem Herstellungspreise zu verkaufen. Böhm-Bawerk selbst sagt an anderer Stelle darüber, daß unter derartigen Bedingungen nur „ein sentimentaler Tor“ auf den Verkauf seiner Ware verzichtet. In diesem Falle tritt die ursprüngliche Wertschätzung des Verkäufers, mit der er auf den Markt gekommen ist, gegenüber der elementaren Kraft der Marktkonjunktur zurück, die ihn nun zwingt, den Tausch mit Verlust für seine Unternehmung einzugehen.

Wenden wir uns nun den Faktoren zu, die im Rahmen des oben dargestellten formalen „Preisgesetzes“ die Höhe dieser Preise bestimmen. Böhm-Bawerk zählt sechs solche Faktoren:

1. Die Zahl der auf die Ware gerichteten Begehrungen; 2. die absolute Größe des subjektiven Wertes der Ware für die Kauflustigen; 3. die absolute Größe des subjektiven Wertes des Preisgutes für die Kauflustigen; 4. die Zahl, in der die Ware feil ist; 5. die absolute Größe des subjektiven Werts der Ware für die Verkäufer; 6. die absolute Größe des subjektiven Werts des Preisgutes für die Verkäufer. Betrachten wir, wodurch bei Böhm-Bawerk jeder einzelne dieser Faktoren bestimmt wird.

  1. Die Zahl der auf die Ware gerichteten Begehrungen. Darüber äußert sich Böhm-Bawerk wie folgt: „Ueber dieses Moment läßt sich wenig sagen, was nicht selbstverständlich wäre. Es wird offenbar beeinflußt einerseits durch die Ausdehnung des Marktes, andererseits durch den Charakter des Bedürfnisses ... Uebrigens ist – und das ist die einzige Bemerkung von theoretischem Interesse, die hier zu machen ist – nicht jeder, der die Ware vermöge seines Bedürfnisstandes zu besitzen wünscht, auch schon ein Kauflustiger ... Unzählige Leute, die ein Gut brauchen und zu besitzen wünschen, bleiben trotzdem vom Markte freiwillig (!) aus, weil bei ihnen die Wertschätzung des Preisgutes bei dem mutmaßlichen Preisstande (Sperrdruck vom Verfasser) die Wertschätzung der Ware so weit überwiegt, daß für sie eine ökonomische Möglichkeit, zum Kaufe zu gelangen, von vornherein ausgeschlossen ist.“ [80] Also „die Zahl der Begehrungen“ wird als die Zahl der Begehrungen schlechthin bestimmt, minus der Zahl der sich selbst vom Kaufe Ausschließenden; diese letztere hängt von den Marktpreisen ab, die ihrerseits anscheinend wiederum von der „Zahl der Begehrungen“ bestimmt werden.
  2. Die Wertschätzung der Ware durch die Käufer. Darüber schreibt Böhm-Bawerk: „Die Höhe des Wertes bestimmt sich ... im allgemeinen nach der Größe des Grenznutzens.“ [81] Oben untersuchten wir eingehend diesen Satz, wobei wir fanden, daß die Käufer die Ware keinesfalls nach ihrem Grenznutzen schätzen. Das Korrektiv, das Böhm-Bawerk mit seiner Substitutionstheorie zu machen sucht, ist jedoch nichts anderes als ein theoretischer Zirkel.
  3. Der subjektive Wert des Wertgutes für die Kauflustigen. Die gesamten Böhmschen Erläuterungen darüber konzentrieren sich in folgendem Satz: „Im allgemeinen wird also für den Reicheren der subjektive Wert der Geldeinheit kleiner, für den Aermeren größer sein.“ [82] Ihrem Wesen nach besteht die Geldtheorie darin, daß der subjektive Wert des Geldes – für die Verkäufer sowohl wie für die Käufer – ihr eigener subjektiver Tauschwert ist, der wiederum von den sich auf dem Markte befindlichen Preisen der Ware bestimmt wird. Und so wird auch dieser „Bestimmungsgrund der Preise“ durch die Preise selbst erklärt.
  4. Die Zahl, in welcher die Ware feil ist. Die Bestimmungsgründe dafür sind: a) rein natürliche Verhältnisse (z. B. beschränkte Menge von Grund und Boden); b) soziale und rechtliche Verhältnisse (Monopole); c) „in besonders weitem Umfange“ aber die Höhe der Produktionskosten. Für diese finden wir jedoch, wie oben bereits auseinandergesetzt, in der Böhmschen Theorie keine Erklärung, da sie einerseits durch den Grenznutzen des Produkts bestimmt wird, andererseits diesen selbst bestimmt.
  5. Der subjektive Wert der Ware für den Verkäufer. Hierfür gibt Böhm eine doppelte Formulierung: Die erste besteht darin, daß ... „der unmittelbare Grenznutzen und weiter der subjektive Gebrauchswert, den ein Stück für sie hat, gewöhnlich außerordentlich niedrig steht.“ [83] Diese Formulierung entspricht, wie oben eingehend bewiesen wurde, nicht der Wirklichkeit, da es eine Wertschätzung der zum Verkauf angesetzten Ware nach Nutzen gar nicht gibt, d. h., sie ist mathematisch gleich Null. Andererseits ist es offensichtlich, daß die Verkäufer ihre Ware schätzen und dabei durchaus nicht etwa „außerordentlich niedrig“. Und da tritt die zweite Formel Böhm-Bawerks auf die Szene. „Die Höhe des Marktpreises“, – sagt er an anderer Stelle – „den jeder Produzent für sein Produkt erlangen kann, ist maßgebend für die Höhe des subjektiven (Tausch-) Wertes, den er auf dasselbe legt.“ [84] Doch ist diese Formulierung theoretisch noch weniger stichhaltig, da schon der Begriff des subjektiven Werts einen Widerspruch in sich selbst birgt: Bald ist er Grundlage für die Ableitung der Preise, bald aber setzt er die Preise als gegeben voraus.
  6. Der subjektive Wert des Preisgutes für die Verkäufer. „Hierüber“ – meint Böhm-Bawerk – „gilt wieder im allgemeinen dasselbe, was wir oben über den Wert der Preisgüter für die Käufer gesagt haben. Nun mag es bei den Verkäufern noch häufiger als bei den Käufern vorkommen, daß für den Wert, den das Preisgut „Geld“ für sie hat, nicht so sehr ihre allgemeine Vermögenslage, als Heimehr ein spezieller Bedarf nach Bargeld maßgebend ist.“ [85] Demnach sind hier zwei Momente auseinanderzuhalten: 1. Die Wertschätzung des Geldes entsprechend der „allgemeinen Vermögenslage“; diese Wertschätzung kommt ihrerseits unter der Wirkung von zwei Faktoren zustande: der Menge des Geldes, die dem Besitzer zur Verfügung steht, und den Warenpreisen; 2. von der Wertschätzung des Geldes entsprechend dem „speziellen Bedarf“, d. h. der Marktkonjunktur, die wiederum nichts anderes ist als ein bestimmter Stand der Marktpreise. Und so sehen wir, daß die besondere Natur des Geldes, als Tauschwert, es nicht erlaubt, dieses Phänomen vom Gesichtspunkte des Nutzens zu erklären, so daß die Böhmsche Theorie sich unvermeidlich im Zirkel bewegen muß.

„So findet sich in der Tat – schreibt Böhm-Bawerk – im ganzen Verlauf des Preisbildungsprozesses ... nicht eine einzige Phase, nicht ein einziger Zug, der nicht ganz voll auf den Stand subjektiver Wertschätzungen als auf seine Ursache sich zurückführen ließe, und wir können demnach mit vollem Rechte den Preis als die Resultante der auf dem Markte sich begegnenden subjektiven Wertschätzungen von Ware und Preisgut bezeichnen.“ [86] Doch ist ein derartiger Gesichtspunkt, wie bereits im ersten Abschnitt auseinandergesetzt, unzulässig: Er berücksichtigt nicht die Grundtatsache des gesellschaftlichen Verhältnisses zwischen den Menschen – eines Verhältnisses, das im vornherein gegeben ist und das die individuelle Psyche jedes einzelnen bildet, indem es sie mit gesellschaftlichem Inhalt erfüllt. Jedesmal daher, sobald die Theorie Böhm-Bawerks individuelle Motive hervorholt, um aus ihnen ein soziales Phänomen abzuleiten, wird dieses soziale Element in mehr oder weniger versteckter Form bereits im voraus eingeführt, so daß die ganze Konstruktion zum falschen Zirkel, zu einem ununterbrochenen logischen Fehler wird; ein Fehler, der nur dem Scheine nach als Erklärung dienen kann, in Wirklichkeit aber nur die völlige Fruchtlosigkeit der modernen bourgeoisen; Theorie demonstriert. So hat es sich bei der Analyse der Preistheorie gezeigt, daß von den sechs „Bestimmungsgründen“ der Preisbildung in Wirklichkeit kein einziger befriedigend von Böhm-Bawerk erklärt wurde. Die Böhm-Bawerksche Werttheorie vermochte nicht das Preisphänomen zu erklären. Der eigenartige Fetischismus der österreichischen Schule, der ihren Anhängern individualistische Scheuklappen aufsetzt und den dialektischen Zusammenhang zwischen den Erscheinungen für sie unsichtbar macht – jene gesellschaftlichen Fäden, die sich vom Individuum zum Individuum ziehen und allein nur aus dem Menschen das „gesellschaftliche Tier“ machen – dieser Fetischismus zerstört schon an der Wurzel jede Möglichkeit, die Struktur der modernen Gesellschaft zu begreifen. Dieses Problem zu lösen, bleibt nach wie vor der Marxschen Schule vorbehalten.

* * *

Fußnoten

1. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 37 u. 38.

2. Ib., S. 38.

3. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 39. Sperrdruck vom Verfasser.

4. Vgl. R. Stolzmann: Der Zweck in der Volkswirtschaft, S. 723.

5. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 39.

„Die Käufer – meint Scharling – bestimmen den Preis, den sie für die Ware geben wollen, nicht nach ihrer eigenen Schätzung ihres Nutzens, sondern nach dem mutmaßlichen Preise, den zu geben man vom Konsumenten erwartet“ (l. c., S. 20).

6. Ueber einen anderen Theoretiker der Grenznutzentheorie, Wieser, der die Bedingungen der Tauschwirtschaft nicht analysiert, bemerkt Böhm: „Der Satz Wiesers (Wieser: Ursprung und Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes, S. 128), daß der Grenznutzen immer „der Nutzsphäre derselben Gütergattung angehören muß“, gilt daher nur unter der daselbst aufgestellten einschränkenden Klausel, daß man von der Existenz jedes Tausch Verkehrs abstrahiert“ (Grundzüge usw., S. 39, Fußnote). Also finden wir bei Wieser keine Erklärung für den Tauschprozeß; Böhm versucht eine solche zu geben, doch stolpert er dabei sofort. Wahrlich, es geht, wie das russische Sprichwort sagt: „Die Schnauze gerettet, der Schwanz versunken – den Schwanz gerettet, die Schnauze versunken“. Vgl. auch L. Walras: Principe d’une Théorie mathématique etc., ch. III. § Courbes de demande effective, pp. 12, 13, 14. Die Formeln von Walras sind ihrem Wesen nach nichts anderes als einfache Tautologien. Vgl. S. 16 d. obenerwähnten Arbeit.

7. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 516. Vgl. auch Kapital und Kapitalzins, Bd. II, 1. Teil, S. 497 ff.

8. Ib., S. 517.

9. Ib., S. 518.

10. Ib., S. 518.

11. Ib., S. 518 u. 519.

12. Scharling l. c., S. 29; auch Lewin: Arbeitslohn und soziale Entwicklung, Anhang.

13. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 519. Der Begriff des subjektiven Tauschwerts wird uns noch in der weiteren Darstellung begegnen, in der eine eingehende Kritik dieses Begriffs gegeben wird.

14. Ib., S. 519.

15. Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, Bd. II, 1. Teil, S. 403, Fußnote

16. Ib.,

17. Der Unterschied ist nur der, daß Roscher im Vorgesellschaftsmenschen den Proletarier sah, während Böhm-Bawerk im Proletarier den Vorgesellschaftsmenschen sieht.

18. „Die Versuche der Kritik dieser Theorie (d. h. der Grenznutzentheorie. N. B.) – schreibt Tugan-Baranowsky – sind in den meisten Fällen so schwach, daß sie keiner ernsten Widerlegung bedürfen. Der Haupteinwand gegen diese Theorie, nämlich, daß die Größe der Befriedigung, die wir von den Wirtschaftsgütern haben, keinen quantitativen Vergleich zulasse, ist bereits von Kant widerlegt worden ...“ (M. J. Tugan-Baranowsky: Grundzüge der politischen Oekonomie, 2. Aufl., S. Petersb. [russ.] 1911, S. 56). Wir halten diesen Einwand aber keinesfalls für einen „Haupteinwand“, im Gegenteil, er kann gerade zu den am wenigsten zutreffenden gezählt werden. Bemerkenswert ist es jedoch, daß Tugan-Baranowsky die andern Einwände mit völligem Stillschweigen übergeht, z. B. die Stolzmann macht, dessen beide Werke ihm bekannt sein dürften.

19. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 40.

20. „Um die Untersuchung des Wertproblems bis zu Ende zu führen, ist es notwendig, sich klar zu machen ... wie es kommt, daß die einen Gebrauchsgegenstände wenig, die andern viel produziert werden ...“ Doch würde der Leser vergeblich bei den Theoretikern des Grenznutzens eine klare Antwort auf diese Frage suchen (Tugan-Baranowsky, l. c., S. 46).

21. „Wir können schon feststellen, daß in den von Böhm-Bawerk gewählten Beispielen dasjenige Merkmal der Wirtschaft fehlt, welches für jede Wirtschaft notwendig ist, nämlich die Tätigkeit des wirtschaftenden Subjekts ... Ein Vorrat von Gütern ist nicht nur für den Menschen, sondern auch für jedes lebende Wesen nur als Resultat einer gewissen Tätigkeit möglich“ (Alexander Schor: Kritik der Grenznutzentheorie, Conrads Jahrbücher, Bd. 23, S. 248). Vgl. auch R. Stolzmann: Der Zweck in der Volkswirtschaft, S. 701: „Erst durch die Größe oder durch die Kleinheit der gegebenen Vorräte, d. h. schließlich der Produktivität der originären Urfaktoren, Boden und Arbeit ... ergibt sich der Umfang des möglichen Angebots, ergibt sich die Zahl der von jedem Gute hervorzubringenden Exemplare, damit aber erst die effektive Ausdehnung des möglichen Konsums.“

22. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 32.

23. Wie Shelesnow richtig bemerkt, vergessen die Oesterreicher, „daß die Menschen in ihrer Wirtschaftstätigkeit den Mangel an Gaben der Natur durch besondere Anstrengungen zu überwinden bestrebt sind, dank denen die Abhängigkeitsgrenzen des Menschen von der materiellen Welt elastischer und immer mehr erweitert werden“ (Shelesnow: Grundriß der politischen Oekonomie, Moskau 1912, S. 380, russ.).

24. „... die relative Seltenheit macht sie (die Ware. N. B.) subjektiv zum Gegenstand der Schätzung, während objektiv – vom Standpunkte der Gesellschaft – ihre Seltenheit eine Funktion des Arbeitsaufwandes ist, und in dessen Größe ihr objektives Maß findet“. R. Hilferding: Böhm-Bawerks Marx-Kritik, S. 13.

25. Karl Marx: Das Elend der Philosophie, S. 37.

26. In einem anderen Teil seiner Arbeit erkennt Böhm die Bedeutung dieses Moments an, doch zeigt dies nur seine Inkonsequenz, da die Produktionskosten nach ihm nur vom Grenznutzen abhängig sind. S. erhält man den circulus vitiosus. Davon aber weiter unten, in anderem Zusammenhang. Carver beschränkt sich durchaus nicht auf die Betrachtung vom Himmel gefallener Meteore. Er analysiert vor allem die produzierten Güter. Vgl. Carver, l. c., p. 27–31.

27. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 40 u. 41.

28. Hier sei noch folgender Umstand hervorgehoben. Früher behauptete Böhm (beim Bestreben, aus den Widersprüchen der Substitutionsnutzenstheorie herauszukommen), daß der Preis kein leitendes Prinzip bilden könne, weil der Preis, den die betreffende Person bezahlt, bereits unter aktiver Teilnahme dieser Person auf dem Markt gebildet wird. Jetzt scheint dies nun Böhm völlig vergessen zu haben.

29. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 52.

30. Ib., S. 52 u. 53.

31. Gust Eckstein: Zur Methode der politischen Oekonomie, Neue Zeit XXVIII, Bd. I, S. 371.

32. Bezüglich der „direkten“ und „indirekten“ Befriedigung der Bedürfnisse ist hervorzuheben, daß Böhm-Bawerk hierin von der Terminologie K. Mengers abweicht: „Der Wert in dem ersten (d. h. in der Naturalwirtschaft. N. B.) und der Wert in dem zweiten Falle (subjektive Tauschwertschätzung. N. B.) sind – lediglich zwei verschiedene Formen derselben Erscheinung des wirtschaftlichen Lebens. Was aber der Erscheinung des Wertes an jedem der beiden Fälle einen besonderen Charakter verleiht, das ist der Umstand, daß die Güter für die wirtschaftenden Subjekte, welche über dieselben verfügen, in dem ersten Falle mit Rücksicht auf ihre direkte, im zweiten Falle mit Rücksicht auf ihre indirekte Verwendung jene Bedeutung erlangen, welche wir den Güterwert nennen. So nennen wir den Wert in dem ersten Falle – Gebrauchswert, im letzteren aber Tauschwert“ (K. Menger: „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, Wien 1871, S. 214, 215).

33. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 53 u. 54.

34. Ib., S. 54.

35. „Recht besehen – sagt W. Scharling – scheint dann (bei den indirekten Schätzungen. N. B.) auch durch diesen ‚subjektiven Tauschwert’ gerade die subjektive Schätzung der Beschaffenheit des Gutes das mehr Untergeordnete zu sein“ (Prof. W. Scharling, l. c., S. 29).

36. Es ist interessant, daß K. Menger in seinem umfangreichen Artikel, der speziell sich mit dem Gelde befaßt (siehe Geld im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4), so gut wie gar keine theoretische Analyse des Geldes gibt.

37. „Der Gebrauchswert der Geldware verdoppelt sich. Neben ihrem besonderen Gebrauchswert als Ware, wie Gold zum Beispiel zum Ausstopfen hohler Zähne, Rohmaterial von Luxusartikeln usw. dient, erhält sie einen formalen Gebrauchswert, der aus ihren spezifischen gesellschaftlichen Funktionen entspringt“ (Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. 56).

38. Gust Eckstein: Die vierfache Wurzel des Satzes vom unzureichenden Grunde der Grenznutzentheorie. Eine Robinsonade, Neue Zeit 22, Bd. II, S. 812. In der russischen Literatur wurde ebenfalls darauf hingewiesen. (Vgl. z. B. A. Manuilow: Der Wertbegriff nach der Lehre der Oekonomisten der klassischen Schule, S. 26.)

39. Einer der neuesten Vertreter der österreichischen Schule, ein Spezialist auf dem Gebiete der Geldtheorie, Ludwig v. Mises, gibt in seinem Buche: Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel zu, daß die österreichische Geldtheorie unbefriedigend sei. Er sagt darüber: „Eine Betrachtung des subjektiven Geldwertes ist ohne Eingehen auf seinen objektiven Tauschwert unmöglich: im Gegensatz zu den Waren ist beim Gelde das Vorhandensein eines objektiven Tauschwertes, einer Kaufkraft, unerläßliche Voraussetzung des Gebrauchs. Der subjektive Geldwert führt immer auf den subjektiven Wert der für das Geld im Austausch erhältlichen anderen wirtschaftlichen Güter zurück; er ist ein abgeleiteter Begriff. Wer die Bedeutung, die eine bestimmte Summe Geldes mit Rücksicht darauf, daß er eine Bedürfnisbefriedigung von ihr abhängig weiß, abschätzen will, kann dies schlechterdings nicht anders tun als unter Zuhilfenahme eines objektiven Tauschwertes des Geldes. Jeder Schätzung des Geldes liegt so eine bestimmte Ansicht von seiner Kaufkraft zugrunde (zitiert nach einer Besprechung von Hilferding in der Neuen Zeit, 30. Jahrg., Bd. II, S. 1025 ff.). Mises versucht diesen circulus vitiosus historisch zu überwinden, analog dem, wie es Böhm-Bawerk im Abschnitt über den Substitutionswert tut, und natürlich mit demselben Erfolg. Darüber siehe Hilferding, l. c., S. 1025 u. 1026.

40. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 56.

41. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 56.

42. Ib., S. 57.

43. Ib., S. 57.

44. Wieser: Der natürliche Wert, S. 72, ferner auch Struve l. c.,, Bd. II, Moskau 1916 (russ.).

45. Vgl. Grundzüge, S. 62, Kapital und Kapitalzins, Bd. II, 1. Teil, S. 28, Fußnote: „Der physikalische Anteil wäre meistens schlechterdings nicht zu berechnen ... ist aber auch ganz gleichgültig. Dagegen läßt sich meistens ganz gut feststellen, welchen Betrag von Nutzen oder von Wert man hätte entbehren müssen, wenn man einen bestimmten einzelnen Faktor nicht besessen hätte – und diese durch den Besitz oder das Dasein eines Faktors bedingte Quote nenne ich den wirtschaftlichen Anteil desselben am Gesamtprodukt.“

46. Ib., S. 58.

47. Ib., S. 59.

48. „Wenn man nach der wirtschaftlichen Praxis urteilen darf, so gibt es eine Regel der Aufteilung. Niemand bleibt praktisch dabei stehen, daß der Ertrag allen erzeugenden Faktoren zusammen zu danken sei. Jedermann versteht und handhabt, wenn auch mehr oder minder vollkommen, die Kunst der Ertragsaufteilung. Ein guter Geschäftsmann muß wissen und weiß, was ihm ein guter Arbeiter erbringe, wie sich eine Maschine rentiere, wieviel er sich auf den Rohstoff zu rechnen habe, welchen Ertrag das, und welchen jenes Grundstück liefere. Wüßte er das nicht, vermöchte er nur im ganzen, in Bausch und Bogen, Einsatz und Erfolg der Produktion zu vergleichen, so hätte er ganz und gar keine Auskunft, falls der Erfolg hinter dem Einsatz zurückbleibt.“ (Wieser: „Der natürliche Wert“, S. 70 u. 71.)

49. Mit der Einschränkung, daß dies nur insoweit gilt, als wir die individuelle Psychologie des Warenproduzenten ins Auge fassen. Ganz anders wird die Frage, sobald wir den gesellschaftlichen Standpunkt einnehmen. Dann kann die ganze „ökonomische Zurechnung“ sich nur auf die gesellschaftliche Arbeit beziehen. Diese beiden Gesichtspunkte hält Marx scharf auseinander (vgl. z. B. die Profitberechnung auf das Gesamtkapital und nicht nur auf seinen variablen Teil). Uns scheint, daß J. H. (Parvus) diesen Umstand in seiner scharfsinnigen Kritik der Zinstheorie Böhm-Bawerks außer acht gelassen hat. Siehe seine Oekonomische Taschenspielerei, Neue Zeit, Jahrg. X.

50. „... allein in der Verkehrswirtschaft gibt es nichts, was einem solchen sozialen Grenznutzen entspräche“ (J. Schumpeter: Bemerkungen über das Zurechnungsproblem, Ztschr. für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 18 (1909), S. 102.

51. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 60.

52. Ib., S. 60.

53. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Wieser und Böhm-Bawerk in der Zurechnungsfrage beruhen in der Hauptsache auf der verschiedenen Stellungnahme in der Frage des Gesamtwertes der Güter, wovon oben bereits die Rede war. Siehe darüber Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, Bd. II, Teil II, Exkurs VII. Eine analoge Kritik Wiesers im Zusammenhänge mit einer Kritik des Begriffes „Gesamtwert“ gibt auch J. Schumpeter in den bereits zitierten Bemerkungen über das Zurechnungsproblem (Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 18).

54. J. Schumpeter: Bemerkungen usw., S. 83. (Sperrdruck vom Verfasser.)

55. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 64.

56. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 64.

57. Ib., S. 65.

58. Ib., S. 69.

59. Unter „produktionsverwandten Güter“ versteht Böhm-Bawerk diejenigen Güter, die durch gleiche Produktionsmittel produziert werden. (Ib., S. 70.)

60. Ib., S. 71.

61. Wir haben hier die reproduzierbaren „Güter“ im Auge. Die Theorie der nicht reproduzierbaren Güter (und ihres Preises, nicht ihres Wertes, wenn man die Marxsche Terminologie an wendet) würde eine besondere Untersuchung erfordern. Unseres Erachtens ist gerade die Werttheorie der frei reproduzierbaren Güter wichtig, da hier die Richtung der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung verläuft, die Gesetze der letzteren aufzufinden, ist eben die Hauptaufgabe der politischen Oekonomie. Ein Beispiel einer Preistheorie für nicht reproduzierbare Güter ist die Marxsche Theorie der Rente im Zusammenhang mit der Frage des Bodenpreises.

62. Der volle Wortlaut dieser interessanten Stelle ist folgender: „Ich habe indes oben absichtlich von ‚Ursachen‘ gesprochen, ‚die auf Seite der Produktivgüter einsetzen‘ und nicht von ‚Ursachen‘, die auf Seite des Wertes der Produktivgüter einsetzen. Denn mir scheint, daß, wenn auch der kausale Anstoß von Umständen ausgegangen ist, die sich auf Seite der Produktivgüter zutragen, die weitere kausale Verkettung eine solche ist, daß der Wert der Produktivgüter in derselben nicht vor, sondern hinter dem Werte der Produkte steht. Die größere Häufigkeit eines Produktivmittels ist (indirekt) Ursache des geringeren Wertes des Produktes; aber der ebenfalls indirekt hieraus entspringende geringere Wert des Produktivmittels ist trotzdem nicht Ursache, sondern Folge des geringeren Wertes der Produkte. Die Verkettung ist nämlich die folgende: Die vergrößerte Menge von (Kupfererzen und) Kupfer führt zu einer größeren Menge von Kupferprodukten; diese bewirkt eine stärkere Sättigung der nach Produkten dieser Art bestehenden Bedürfnisse; dadurch rückt ein minder wichtiges Bedürfnis in die Stelle der ‚abhängigen Bedürfnisse‘, dadurch wird der Grenznutzen und Wert der Kupferprodukte, und weiterhin endlich der durch ihn vermittelte Grenznutzen und Wert des Produktivgutes Kupfer herabgedrückt.“ (Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, II. Teil, II. Exkurs VIII, S. 257.)

63. Genau gesprochen, ist es keine Ursache, sondern eine Bedingung. Das Verkennen dessen hat eine ähnliche Verwirrung zufolge, wie in der Soziologie die Theorie der Wechselwirkung. Vgl. z. B. Dietzel: „Diese Alternative (nämlich, was als Ursache anzusehen sei: Der Wert der Produktionskosten oder der Wert des Produktes. N. B.) aber besteht nicht. Sondern Wert der Produktivgüter und Wert der Grenzgüter bedingen sich wechselseitig. Kein Produktivgut hat wirtschaftlichen Wert, dessen Produkte (Genußgüter) wertlose – nutzlose und in Ueberfülle vorhandene Objekte ... wären. S. erscheint der Wert des Produktes als Ursache des Wertes des Produktivgutes.“ (Heinrich Dietzel: Zur klassischen Wert- und Preistheorie, Conrads Jahrbücher, 3. Folge, Bd. I, S. 694.)

64. „Böhm-Bawerk ... meint, nicht der Wert, sondern die Häufigkeit des Produktionsmittels setze in solchen Fällen (‚indirekt‘) den Wert des Produktes herab. Das ist sehr fein gedacht Aber es ist jedenfalls nicht wahrer als der Satz: Nicht der Wert des Produktes, sondern das Bedürfnis nach dem Produkt wirkt auf den Wert der Produktivmittel zurück. Gewiß ist der Gegensatz: nicht der Wert, sondern die Häufigkeit, nicht zwingend. Die Häufigkeit der Produktivgüter wirkt nur dann auf den voraussichtlichen Wert des Produktes, und zwar auf dessen voraussichtliche Menge, wenn sie zuvor auf den Wert des Produktivmittels gewirkt hat oder doch diese Wirkung vorauszusehen ist. Sie wirkt nicht, wenn diese Wirkung auf den Wert des Produktivmittels durch ein Kartell oder durch eine gesteigerte Nachfrage in einem anderen Zweige der Verwendung des Produktivmittels ausgeschaltet ist.“ (Dr. Karl Adler: Kapitalzins und Preisbewegung, Verl. von Dunker & Humblot, München und Leipzig 1913, S. 13. u. 14, Fußnote.)

65. Vgl. Exkurs XIII (Wert und Kosten), S. 258, Fußnote.

66. Scharling: Grenznutzentheorie und Grenzwertlehre, Conrads Jahrbücher, III F., Bd. 27, S. 25: „Die ganze Kette wird zu lang, als daß man diese Berechnung durchführen könnte.“

67. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 70 u. 71, Fußnote. (Sperrdruck vom Verfasser.)

68. Siehe Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 538: „Die Höhe des Marktpreises, den jeder Produzent für sein Produkt erlangen kann, ist maßgebend für die Höhe des subjektiven (Tausch-) Wertes, den er auf dasselbe legt ...“

69. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 521.

70. Vgl. Schaposchnikow: Die Wert- und Verteilungstheorie, S. 37 u. 38. dort auch den Hinweis auf Stolzmann und Manuilow.

71. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 69.

72. Vgl. G. Eckstein: Neue Zeit XXVIII, Bd. I, S. 371. Böhm selbst schreibt: „Ein Holzhändler, der Holz für die Erzeugung von Faßdauben kaufen will, wird mit seiner Ueberlegung über den Wert, den das Holz für ihn hat, sehr rasch zu Ende sein: er überschlägt, wie viel Dauben er daraus erzeugen kann, und er weiß, was die Dauben nach den derzeitigen Marktverhältnissen wert sind; u. ein weiteres braucht er sich nicht zu kümmern.” Grundzüge, S. 65. Der Holzhändler wird freilich „mit seiner Ueberlegung sehr rasch zu Ende sein“ und „braucht sich um ein weiteres nicht zu kümmern“; das kann man aber keinesfalls von Böhm selbst behaupten.

73. Böhm-Bawerk: Grundzüge usw., S. 493.

74. Ib., S. 494.

75. Ib., S. 499.

76. Ib., S. 500. Unter Tauschfähigkeit versteht Böhm-Bawerk das Verhältnis zwischen dem zu erwerbenden und dem eigenen Gut. „Es ist also, allgemein gesagt, derjenige Tauschbewerber der tauschfähigste, der sein eigenes Gut im Vergleich zum einzutauschenden fremden am niedrigsten, oder was dasselbe ist, der das fremde Gut im Vergleich zu dem dafür hinzugebenden eigenen Gut am höchsten schätzt.“ Ib., S. 491.

77. Ib., S. 501.

78. Ib., S. 501.

79. Ib., S. 489.

80. Ib., S. 514 u. 515.

81. Ib., S. 515.

82. Ib., S. 520.

83. Ib., S. 521.

84. Ib., S. 538.

85. Ib., S. 521.

86. Ib., S. 503.


Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2020