Georgi Plechanow


Bernstein und der Materialismus

(1898)


Zuerst veröffentlicht auf Deutsch in Die Neue Zeit, 1897/1898, Bd.2, Nr.44.
Später veröffentlicht in G. Plechanow, Ausgewählte philosophische Werke, Bd.II.
Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


In Nr.34 der Neuen Zeit setzt Genosse [1] Bernstein die zweite Serie seiner Probleme des Sozialismus fort. Er erörtert daselbst, „inwieweit der moderne Sozialismus realistisch ist und inwieweit Ideologie“. [2] Die von ihm bei dieser Untersuchung angewendete Methode erscheint mir durchaus ungeeignet, die aufgeworfene Frage zu beantworten. Ich werde diese Methode deshalb in einem folgenden Artikel einer Kritik unterziehen. Heute interessiert mich die von Bernstein an die Sozialisten gerichtete Aufforderung, „bis zu einem gewissen Grade“ [3] auf Kant zurückzugehen. „Auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie Laie“<, sagt Bernstein,> „beanspruche ich nicht, mehr wie die Gedanken eines Laien zur Frage beisteuern zu können. Dagegen schulde ich einem Artikel Conrad Schmidts in der wissenschaftlichen Beilage des Vorwärts über Kant unmittelbare Anregung.“ [4]

Durch einige Spalten der philosophischen Prosa des Genossen Conrad Schmidt „angeregt“, erzählt Genosse Bernstein anderen Laien: „Der reine oder absolute Materialismus ist gerade so spiritualistisch wie der reine oder absolute Idealismus. Beide setzen Denken und Sein schlechthin als identisch, wenn auch von verschiedenen Seiten her. Sie differieren in letzter Instanz nur in der Ausdrucksweise. Neuere Materialisten stellen sich dagegen prinzipiell ebenso entschieden auf den Boden Kants, wie dies die misten der größeren modernen Naturforscher getan haben.“ [5]

Diese Ausführungen sind sehr interessant. Aber was ist „der reine oder absolute Materialismus“? Genosse Bernstein erklärt das keineswegs, dagegen zitiert er in einer Anmerkung einen Satz eines der „neueren“ Materialisten der „völlig im Sinne Kants“ sagt: „Wir glauben an das Atom.“ [6]

Es ist augenscheinlich, daß nach Bernsteins Auffassung die „reinen oder absoluten“ Materialisten die in vorstehendem Satze charakterisierte Weise des Denkens und Sprechens durchaus nicht hätten gelten lassen. „Inwieweit“ wird diese Auffassung Bernsteins durch die Geschichte der Philosophie bestätigt? „That is the question.“ Das ist die Frage.

Muß man Holbach zu den „reinen“ oder zu den „neueren“ Materialisten zählen? Offenbar doch zu den ersteren. Wie dachte Holbach aber über die Materie?

Die folgenden Stellen geben uns darüber Aufschluß.

„Uns ist das Wesen eines jeden Dinges unbekannt, wenn man unter dem Wort Wesen das versteht, was die dem Dinge eigentümliche Natur ausmacht; wir kennen die Materie nur durch die Wahrnehmungen, die Empfindungen und die Ideen, die sie uns vermittelt; demgemäß beurteilen wir sie, je nach den besonderen Veranlagungen unserer Organe.“ [1*]

Und weiter:

„So ist die Materie für uns im allgemeinen alles das, was unsere Sinne auf irgendeine Weise affiziert; und die Eigenschaften, die wir den verschiedenen Stoffen zuschreiben, gründen sich auf die verschiedenen Eindrücke oder auf die unterschiedlichen Veränderungen, die sie in uns hervorrufen.“ [2*]

Noch eine kurze, bezeichnende Stelle:

„Wir können weder das Wesen noch die wahre Natur der Materie erkennen, obgleich wir imstande sind, einige ihrer Eigentünilichkeiten und Eigenschaften auf Grund der Art und Weise zu erkennen, wie sie auf uns wirkt.“ [3*]

Wenden wir uns nun zu der Auffassung eines anderen „reinen“ Materialisten, zu Helvétius. Besitzt die Materie die Fähigkeit des Empfindens? Helvétius antwortete wie folgt auf diese Frage, welche die französischen Philosophen des achtzehnten Jahrhunderts sehr viel beschäftigte und auf die wir weiter unten noch zurückkommen werden: Man „hat darüber sehr lange und sehr verworren gestritten. Erst sehr spät ist man auf den Gedanken gekommen, sich zu fragen, worüber man streitet, und eine präzise Idee mit dem Wort ‚Materie‘ zu verbinden. Wenn man von vornherein seine Bedeutung festgelegt hätte, so hätte man erkannt, daß die Menschen, wenn ich so sagen darf; Schöpfer der Materie sind ...“ [4*]

Mir scheint, daß dies ein wenig klarer als der Satz ist: „Wir glauben an das Atom.“ Ich habe die philosophischen Ideen Holbachs und Helvétius in meiner Schrift dargelegt: Beiträge zur Geschichte des Materialismus. Deshalb werde ich sie an dieser Stelle keiner eingehenden Erörterung unterziehen. Nur eines sei betont: Für Helvétius war die Existenz der Körper außer uns nur wahrscheinlich. Er machte sich über die „philosophischen Phantasien“ lustig; nach ihm müssen wir „mit der Beobachtung gehen, in dem Augenblick anhalten, wenn sie uns verläßt und den Mut haben, nicht zu wissen, was man noch nicht wissen kann“. [5*]

Und Robinet, der Verfasser des Buches De la Nature, sagt: „Wir sind unserer Natur nach nicht befähigt, das zu erraten, was das Wesen der Dinge ausmacht, und wir haben keineswegs die Mittel, es zu erkennen. Die Erkenntnis der Wesenheiten (des essences) geht über unsere Kräfte hinaus.“ [6*]

Und an anderer Stelle heißt es in dem nämlichen Werke: „Die Seele ist nicht aufgeklärter über ihr eigenes Wesen wie über die anderen Wesenheiten. Sie durchdringt ebenso wenig sich selbst, wie die Masse des mit ihr verbundenen Körpers, dessen innere Triebkräfte sie weder fühlt, noch sieht.“ [7*]

Ist das nicht „völlig im Sinne Kants“ gesprochen?

Hören wir nun La Mettrie, das „enfant perdu“ der materialistischen Philosophie, den Mann, der durch seine Kühnheit die Kühnen erschreckte. Er sagt:

„Das Wesen der Seele des Menschen und der Tiere ist und wird immer so unbekannt bleiben, wie das Wesen der Materie und Körper. Obgleich wir keine Vorstellung von dem Wesen der Materie haben, können wir doch nicht umhin, die Eigenschaften anzuerkennen, welche unsere Sinne an der Materie entdecken.“ [8*]

In seinem Abrégé des Systèmes schreibt La Mettrie bei der Kritisierung der Philosophie Spinozas:

„Die äußeren Dinge werden keineswegs von der Seele erkannt, sondern nur einige verschiedene Eigenschaften dieser Dinge, die ganz relativ und abstrakt sind, und schließlich hängen die meisten unserer Empfindungen oder unserer Ideen derart von unseren Organen ab, daß sie sofort sich ändern, wenn diese eine Veränderung erfahren.“

Hier äußert sich, wie wir sehen, einer der „absolutesten“ Materialisten „völlig im Sinne Kants“. [7] Neben derartigen Ausdrücken erscheint der Satz hochkomisch, „wir glauben an das Atom“, den Bernstein als etwas ganz „Neueres“ zitiert.

Wähnt Genosse Bernstein z.B. vielleicht, Friedrich Engels habe nicht gewußt, daß wir an das Atom glauben? Man muß annehmen, daß Engels dies sehr gut wußte. [8] Aber das hat ihn nicht abgehalten, die Kantsche Philosophie zu bekämpfen und in seinem Ludwig Feuerbach zu schreiben: „Wenn dennoch die Neubelebung der Kantschen Auffassung in Deutschland durch die Neukantianer und der Humeschen in England (wo sie nie ausgestorben) durch die Agnostiker versucht wird, so ist das, der längst erfolgten theoretischen und praktischen Widerlegung gegenüber, wissenschaftlich ein Rückschritt und praktisch nur eine verschämte Weise, den Materialismus hinterrücks zu akzeptieren und vor der Welt zu verleugnen.“ [9]

Wird Genosse Bernstein vielleicht einwenden, daß Engels [10] in dieser Frage nicht genügend klare Ideen eigen waren?

Genosse Bernstein hat mehrere Jahre in nächster Nähe von Friedrich Engels gelebt [11] und hat dessen Philosophie nicht begriffen. Er, der mit beiden Händen aus dem reichen theoretischen Schatz des großen Denkers schöpfen konnte, er mußte ein quasiphilosophisches Artikelchen <von Conrad Schmidt> lesen, um <an philosophischen Fragen Interesse zu zeigen> und zu der Frage angeregt zu werden: „Aber welches ist denn eigentlich die Philosophie meines Meisters?“, und – was noch mehr ist – für ihn genügte es, ein paar Paralogismen des Genossen C. Schmidt kennenzulernen, um diese Philosophie über Bord zu werfen. Es ist unglaublich, aber es ist so. Wie schade für die Schule von Marx-Engels! Und wie schade vor allem für den Genossen Bernstein!

Wie dem auch sei, wir haben nicht die geringste Lust, dem Rate dieses „Kritikers“ [12] zu folgen, wenn er uns auffordert: Zurück auf Kant. Wir rufen ihm vielmehr zu: Zurück ins Studierzimmer!

Indem Bernstein uns rät, auf Kant zurückzukommen, versucht er es, sich auf einen Artikel von Stern zu stützen: „Der ökonomische und der naturwissenschaftliche Materialismus“, der in der Neuen Zeit, Jahrgang XV, 2, erschienen ist. [13] Genosse Stern ist auf dem Gebiet der Philosophie unvergleichlich sachkundiger als Genosse Bernstein, und sein Artikel verdient die volle Aufmerksamkeit unserer Leser.

Während Bernstein „bis zu einem gewissen Grade“ bis zu Kant zurückschrittelt, spricht uns Stern vom alten Spinoza und legt uns nahe, auf die Philosophie des edlen und genialen jüdischen Denkers zurückzukommen. Das ist etwas anderes <und bedeutend vernünftigeres> als die Bernsteinsche Aufforderung. Tatsächlich ist es wichtig und interessant, die Frage zu untersuchen: Was gibt es Gemeinsames zwischen den philosophischen Ideen von Marx-Engels und denen des Spinoza?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir erst die Auffassung des Genossen Stern vom Materialismus im allgemeinen richtigstellen. Er sagt:

Der naturphilosophische [14] Materialismus, im griechischen Altertum durch Demokrit und seine Schule, im vorigen Jahrhundert durch die Enzyklopädisten, in der Neuzeit durch Karl Vogt, Ludwig Büchner usw. vertreten, und der ökonomische Materialismus von Marx und Engels sind, obgleich sie den Namen miteinander gemein haben, zwei verschiedene Theorien, die sich auf verschiedene Forschungsgebiete beziehen. Der erstere enthält eine Erklärung der Natur, speziell des Verhältnisses von Materie und Geist, der andere bietet eine Erklärung der Geschichte der Menschheit, ihrer Erscheinungen und Prozesse, ist also eine soziologische Theorie.“ [15]

Das trifft nicht ganz zu.

Erstens: die Philosophie der „Enzyklopädisten“ beschränkte sich nicht auf die Erforschung des Verhältnisses zwischen Materie und Geist, sie versuchte vielmehr gleichzeitig die Geschichte mit Hilfe der materialistischen Auffassung zu erklären. [9*]

Zweitens: Marx und Engels waren nicht nut auf dem Gebiet der Geschichtsforschung Materialisten, sie waren es auch betreffs ihrer Auffassung des Verhältnisses von Geist und Materie.

Drittens: Es ist durchaus irrig, den Materialismus der „Enzyklopädisten“ und den Materialismus der Vogt und Büchner in einen Topf zu werfen. Es sind „zwei ganz verschiedene Theorien“.

„Der Kerngedanke des Materialismus“, sagt Genosse Stern, „ist: die Materie ist das Absolute, das ewig Seiende, alles Geistige (Psychische: Empfinden, Fühlen, Wollen, Denken) ist ein Produkt derselben. Die Materie ist mit unendlichen Kräften ausgestattet (‚Stoff und Kraft‘), die sich sämtlich auf Bewegung, die ebenfalls ewig, reduzieren lassen. Durch das Zusammenwirken verschiedener Kräfte in den kompliziert zusammengesetzten animalischen Organismen entsteht in diesen das Geistige, das mit ihrer Auflösung wieder verschwindet. alles Geschehen, auch das menschliche Wollen und Handeln, wird vom Gesetz der Kausalität beherrscht und ist in materiellen Ursachen bedingt.“ [16]

<So stellt sich Herr Stern die materialistische Lehr vor. Hat er recht?> Kann man das vorstehende Charakteristik mit Recht auf den Materialismus der Enzyklopädisten anwenden?

Es muß der Beantwortung dieser Frage vorausgeschickt werden, daß in dem vorliegenden Falle die Bezeichnung „Enzyklopädisten“ ihrerseits völlig ungenau und irreführend ist. Durchaus nicht alle Enzyklopädisten waren Materialisten. andererseits gab es im achtzehnten Jahrhundert in Frankreich Materialisten, die keine einzige Zeile für die Enzyklopädie [17] geschrieben haben. Es genügt zum Beweis, La Mettrie zu nennen.

Dies zur Klärung nebenbei. Für mich ist das Wesentliche, daß weder die Materialisten unter den „Enzyklopädisten“ noch La Mettrie je erklärt haben, daß alle Kräfte der Materie sich auf die Bewegung zurückführen lassen. Genosse Stern ist offenbar durch die Behauptung von Leuten irregeführt worden, denen zwar die Geschichte des Materialismus nicht bekannt ist, die sich aber trotzdem das Vergnügen nicht versagen können, über den Materialismus zu reden.

Ich will den Beweis dafür sofort in unwiderleglicher Weise antreten, und zwar lasse ich diesmal La Mettrie zuerst sprechen.

Der Leser weiß bereits, daß La Mettries Auffassung der Materie himmelweit entfernt von jedem Dogmatismus war. Indessen müssen wir uns doch mit seiner Philosophie noch vertrauter machen.

La Mettrie war nur ein Cartesianer. der konsequent schlußfolgerte und dessen Geist durch die biologischen Kenntnisse seiner zeit bereichert war. Cartesius hatte behauptet, daß die Tiere bloß Maschinen seien, d.h., daß sie jeden psychischen Lebens, des Fühlen, des Empfindens usw. ermangelten. La Mettrie nimmt ihn beim Worte. Er sagt, wenn diese Behauptung zutrifft, so ist auch der Mensch nur eine Maschine, weil es keinen substantiellen Unterschied zwischen den Menschen und den Tieren gibt. Daher der Titel seines berühmten Werkes: L’Homme machine („Der Mensch eine Maschine“). Allein, da der Mensch keineswegs des psychischen Lebens ermangelt, so schloß La Mettrie weiter, daß auch Tiere ihrerseits mit psychischem Leben begabt sind. Daher der Titel eines anderen seiner Werke: Les animaux plus que machines („Die Tiere sind mehr als Maschinen“). Übrigens glaubte La Mettrie, daß Cartesius selbst im geheimen der gleichen Ansicht war. „Denn Alles in Allem, obgleich er den unterschied der beiden Substanzen betont, ist doch ersichtlich, daß dies seinerseits nur ein Kunstkniff ist, ein List des Stiles etc.“ [10*] Indem La Mettrie den Menschen als eine Maschien bezeichnet, will er damit durchaus nicht sagen, „daß alle Kräfte der Materie sich auf die Bewegung zurückführen lassen“. Er will vielmehr damit etwas ganz anderes ausdrücken. Er rechnete „das Denkenunter die Eigenschaften der Materie. „Ich halte“, sagt er, „das Denken für so vereinbar mit der organisch aufgebauten Materie, daß es ebensogut eine Eigenschaft derselben zu sein scheint wie die Elektrizität, das Bewegungsvermögen, die Undurchdringlichkeit, die Ausdehnung usw.“ [11*]

Genosse Stern wird ohne Zweifel einwenden, daß für La Mettrie das Denken nur eine Eigenschaft der organisierten Materie ist, und daß gerade darin die Achillesferse jedes Materialismus zu finden ist. „Es ist völlig unerklärlich“, sagt er in seinem angezogenen Artikel, „daß in der Tierzelle die Empfindung (das psychische Grundelement) wie aus der Pistole geschossen erscheint, sonder es muß notwendig geschlossen werden, daß auch dem Anorganischen eine freilich minimale und einfache psychische Qualität anhaftet, die sich aber auf der Skala der Lebewesen mehr und mehr potenziert und sublimiert.“ [18] Das stimmt. Aber La Mettrie hat nie das Gegenteil behauptet. Er hat hier einfach eine Frage gestellt, sich aber nicht entschlossen, hierauf eine bestimmte Antwort zu geben. [19] „Man muß zugeben“, sagt er, „daß wir nicht Wissen, ob die Materie in sich die unmittelbare Fähigkeit der Empfindung besitzt oder nur die Fähigkeit, dieselbe durch Veränderungen oder durch Formen zu erwerben, welche nur den organischen Körpern eigen sind.“ [12*]

In seinem L’Homme plante („Der Mensch eine Pflanze“) drückt La Mettrie seinen Gedanken in einer anderen Weise aus, die ihn noch verständlicher macht. „Der Mensch“, sagt er, „ist dasjenige unter allen bis heute bekannten Wesen, das die meiste Seele besitzt, wie das notwendigerweise sein mußte, und die Pflanze ist ihrerseits dasjenige von allen, wenn man von den Mineralien absieht, welches am wenigsten Seele besitzen mußte.“ [20] Dieser Satz enthält die Theorie „des Beseeltseins der Materie“. Aber La Mettrie läßt diese Theorie fallen, weil „die Seele“ der Pflanzen und Mineralien etwas durchaus Rudimentäres ist. „Das ist mir alles in allem eine schöne Seele“, ruft er aus, „die von keinen Bestrebungen, keinen Wünschen bewegt wird, ohne Leidenschaften, ohne Laster, ohne Tugenden und vor allem ohne Bedürfnisse, nicht einmal damit beschwert ist, für die Nahrung ihres Körpers zu sorgen.“ [21]

Genosse Stern zitiert das Scholion der dreizehnten Proposition des zweiten Teiles der Spinozaschen Ethik, wo es heißt, daß alle Individuen (individua) in verschiedenem Grade beseelt sind (quamvis diversis gradibus). [22] Der Leser sieht nun, daß für La Mettrie der Grad des Beseeltseins das Wesentliche und Entscheidende ist. Ein unbeseeltes Wesen war für ihn ein solches, dessen Empfindungsfähigkeit nicht ein gewisses Minimum übertraf. Und wenn unser Philosoph erklärt, daß „der Gedanke“ das Produkt der Organisation ist, so will er damit sagen, daß wir nur bei den organischen Individuen“ die verhältnismäßig höheren Formen des „Beseeltseins“ antreffen.

Ich mag noch so viel suchen und prüfen: Ich finde keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Spinozismus und dem Materialismus La Mettries! Und wie liegen die Dinge betreffs der „Enzyklopädisten“?

„Die grundlegende Fähigkeit des lebenden Menschen, von der sich alle anderen herleiten“, sagt Holbach, ist das Gefühl„ (d.h. das Empfinden – G.Pl.).

So unerklärbar diese Fähigkeit auf den ersten Blick erscheinen mag, so finden wir bei genauer Prüfung, daß sie ebenso eine Folge des Wesens und der Eigentümlichkeiten organisierter Dinge ist, wie die Schwere, der Magnetismus, die Elastizität, die Elektrizität usw. sich aus dem Wesen und der Natur einiger anderer Dinge ergeben; und wir werden sehen, daß diese letzten Erscheinungen nicht weniger unerklärbar sind als diejenigen des Gefühls ... Einige Philosophen denken, das Empfindungsvermögen sei eine allgemeine Eigenschaft der Materie; in diesem Fall wäre es unnütz, nach dem Ursprung dieser Eigentümlichkeit, die wir durch ihre Wirkungen kennen, zu suchen. Wenn man diese Hypothese annimmt, so wird man in gleicher Weise, wie man in der Natur zwei Arten von Bewegung unterscheidet, wovon die eine unter dem Namen lebende Kraft, die andere unter dem Namen tote Kraft [13*] bekannt ist, zwei Arten von Empfindungsvermögen unterscheiden: eine wirkende oder lebende und eine träge oder tote. Die Animalisierung einer Substanz würde dann nur die Beseitigung der Hindernisse sein, die sie daran hindern, wirksam und empfindungsfähig zu sein. Mit einem Wort: das Empfindungsvermögen ist entweder eine Eigenschaft, die wie die Bewegung mitgeteilt wird und die durch die Verbindung erworben wird, oder dieses Empfindungsvermögen ist eine aller Materie innewohnende Eigenschaft; und im einen wie im anderen Fall kann ein unausgedehntes Ding, als das man sich die menschliche Seele vorstellt, nicht ihr Träger sein.“ [14*]

Genosse Stern hat sich wohl nun davon überzeugt, daß die materialistische Philosophie Holbachs nichts Gemeinsames mit der Doktrin hat, welche er den „Enzyklopädisten“ zuschreibt

Holbach weiß sehr gut, daß nicht alle Kräfte der Materie sich auf die Bewegung zurückführen lassen. Er wendet nichts gegen die Hypothese vom „Beseeltsein der Materie“ ein, aber er hält sich bei dieser Hypothese nicht auf, weil ein anderes Problem seine Aufmerksamkeit fesselt. Er bemüht sich vor allem, den Nachweis zu erbringen, daß zur Erklärung der Erscheinungen des psychischen Lebens wir nicht notwendigerweise das Vorhandensein einer körperlosen Substanz voraussetzen müssen, das Vorhandensein dessen, was das Christentum als „Seele“ bezeichnet.

Doch weiter. Holbach war nicht der alleinige Verfasser des Système de la Nature. Diderot hat ganz hervorragend bei dessen Abfassung mitgewirkt. Diderot war Materialist. Welches war der Materialismus dieses Mannes, der mit mehr Recht als jeder andere ein „Enzyklopädist“ genannt werden kann?

Diderot hat sein Verhältnis zu Spinoza in seinem kurzen Artikel Spinoziste angedeutet, der in dem fünfzehnten Bande der Enzyklopädie veröffentlicht ist.

„Man darf“, so sagt er hier, „die früheren Spinozisten nicht mit den heutigen Spinozisten verwechseln. Das allgemeine Prinzip der letzteren ist, daß die Materie empfindungsfähig ist, wie sie an der Entwicklung des Eis als eines leblosen Körpers, der unter der bloßen Einwirkung gelinder Wärme in den Zustand eines empfindenden und lebenden Wesens übergeht, und überhaupt an dem Wachstum jedes Lebewesens beweisen, daß in seinem Anfang nur ein Punkt ist, das aber durch die Assimilation der Pflanzen, ja aller jener Substanzen, die zu seiner Ernährung dienen, ein großer Körper wird, der in einem großen Raume empfindet und lebt. Daraus folgern sie, daß es nur Materie gibt und daß sie genügt, um alles zu erklären; im übrigen folgen sie dem früheren Spinozismus in allen seinen Konsequenzen.“ [23]

In dieser Stelle tritt nicht vollständig klar hervor, was nach Diderot die Uberlegenheit der Auffassung der modernen Spinozisten über die der alten Spinozisten ausmacht. [15*] Aber völlig außer allem Zweifel steht, daß Diderot den Spinozismus <als eine richtige Lehre> anerkannte und vor keiner seiner Konsequenzen zurückschreckte. Alles in allem muß man zugeben, daß Karl Rosenkranz im Rechte war, als er in sein sehr bekanntes Buch: Diderots Leben und Werke (Bd.1, S.149) schrieb: „Heimlich wurde der Spinozismus, besonders seit Boulainvilliers, von allen Franzosen aufgenommen, welche durch den Sensualismus zum Materialismus und Atheismus übergingen.“

Wie stellen sich die Materialisten des neunzehnten Jahrhunderts zu dem in Rede stehenden Problem?

Ludwig Feuerbach sah sehr von oben herab auf den französischen Materialismus des achtzehnten Jahrhunderts. „Es ist nichts verkehrter“, sagt er, „als wenn man den deutschen Materialismus vom Système de la Nature oder gar von der Trüffelpastete La Mettries ableitet.“ [16*] Dennoch stand er selbst mit beiden Füßen auf dem Boden des französischen Materialismus.

So sagt er z.B. in seinem Werke Über Spiritualismus und Materialismus: „Für den abstrakten Denker ... ist das Denken ein hirnloser Akt, für den Arzt aber eine Tätigkeit des Hirns.“ [24] Gerade für die nämliche Auffassung wollte La Mettrie den Nachweis in seinem L’Homme machine erbringen. „Die Medizin, die Pathologie vor allem, ist die Heimat und Quelle des Materialismus“, sagt Feuerbach ein wenig weiter. [17*] Das war auch La Mettries Ansicht [18*] Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß seine eigene Krankheit der Ausgangspunkt seiner Forschungen über das Verhältnis von Seele und Körper war.

„Die Medizin ist aber nicht die Quelle und Residenz des extravaganten und transzendenten, des über den Menschen hinausschweifenden, sondern des immanenten, im und beim Menschen stehenbleibenden Materialismus. Aber gerade dieser ist der Archimedische Standpunkt in dem Streite zwischen Materialismus und Spiritualismus, denn es handelt sich hier in letzter Instanz nicht um die Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Materie, sondern um die Teilbarkeit oder Unteilbarkeit des Menschen, ... nicht um die außer dem Menschen in Himmel und Erde zerstreute und ausgedehnte, sondern um die in den menschlichen Hinschädel zusammengepreßte Materie. Kurz, es handelt sich in diesem Streit,. wenn er nicht kopflos geführt werden soll, nur um den Kopf des Menschen.“ [19*]

Das ist genau die Meinung von La Mettrie, Holbach und mehreren anderen Materialisten unter den „Enzyklopädisten“ <zu diesem Streite>. Und gerade weil das ihre Meinung war, verhielten sie sich mit sehr geringen Ausnahmen ziemlich gleichgültig gegenüber der Theorie vom Beseeltsein“ der Materie, die nicht „in den menschlichen Hirnschädel zusammengepreßt ist“. Feuerbachs Standpunkt in dieser Beziehung war auch der Standpunkt der französischen Materialisten. [25]

Aber gleichzeitig ist es unbestreitbar, daß Feuerbach nur bis zu einem gewissen Punkte mit den Materialisten gehen wollte. Er hat mehr als einmal erklärt, daß für ihn die Wahrheit „weder der Materialismus noch der Idealismus, weder die Physiologie noch die Psychologie“ [26] sei! Woher diese Abneigung gegen eine Theorie, die im Grunde doch die seinige war?

Engels hat das erklärt: Feuerbach identifizierte den Materialismus „mit der besondern Form, worin diese Weltanschauung auf einer bestimmten geschichtlichen Stufe, nämlich im 18. Jahrhundert, zum Ausdruck kam“, und was den französischen Materialismus anbetrifft, so verwechselte er ihn „mit der verflachten, vulgarisierten Gestalt, worin der Materialismus des 18. Jahrhunderts heute in den Köpfen von Naturforschern und Arzten fortexistiert und in den fünfziger Jahren von Büchner, Vogt und Moleschott gereisepredigt wurde“. [27] Ich gehe noch weiter <als Engels> und behaupte: Feuerbach wußte nicht, daß er im neunzehnten Jahrhundert der wahre Erneuerer des Materialismus des achtzehnten Jahrhunderts war und daß er diesen Materialismus vertritt mit all seinen Vorzügen und Fehlern, mit dem edlen, stolzen, revolutionären Hasse gegen jede „Theologie“ und der Hinneigung zum Idealismus da, wo es sich darum handelt, soziale Erscheinungen und Vorgänge zu erklären.

Feuerbach war der Ansicht – wie Genosse Stern gegenwärtig der Ansicht ist – daß die französischen Materialisten alle Kräfte der Materie auf die Bewegung zurückführten. Wir haben gezeigt, daß diese Ansicht durchaus nicht zutreffend ist und daß in dieser Beziehung die französischen Materialisten nicht „materialistischer“ waren als Feuerbach selbst. Aber seine Abneigung gegen den französischen Materialismus verdient in hohem Maße Aufmerksamkeit, weil sie seine eigene Weltanschauung ebenso scharf charakterisiert wie die von Marx-Engels.

Nach Feuerbach ist die Erkenntnisquelle der Psychologie eine ganz andere als die der Physiologie. Aber was ist der Unterschied dieser beiden Erkenntnisquellen? [28] Feuerbach gibt eine sehr bezeichnende Antwort: Was für mich oder subjektiv ein rein geistiger, immaterieller, unsinnlicher Akt, ist an sich oder objektiv ein materieller, sinnlicher.“ [20*] Das ist genau, was Genosse Stern sagt: Der Hunger z.B. ist materiell betrachtet Mangel an gewissen Körpersäften, psychisch betrachtet ein Unlustgefühl; die Sättigung materiell die Ergänzung des Defizits im Organismus, psychisch ein Lustgefühl.“ [29] Aber Genosse Stern ist Spinozist. Ergo ... ergo ist Feuerbach ebenfalls ein Spinozist.

Gewiß, Feuerbach war Spinozist wie Diderot Spinozist war.

Es genügt, seine Werke mit ein wenig Aufmerksamkeit gelesen zu haben, es genügt, einen einigermaßen klaren Begriff von der Entwicklung der modernen Philosophie von Spinoza bis auf Hegel zu besitzen, um auch nicht einen Augenblick daran zu zweifeln. „Spinoza ist der eigentliche Urheber der modernen spekulativen Philosophie, Schelling ist ihr Wiederhersteller, Hegel ihr Vollender“ [30] sagt er in einem seiner besten Werke. „Das Geheimnis“, der wahre Sinn des Spinozismus, ist nach ihm die Natur. Was ist denn, bei Lichte besehen, das, was Spinoza logisch oder metaphysisch: ‚Substanz‘ theologisch: ‚Gott‘ nennt? Nichts andres als die Natur.“ [21*] Das ist die starke Seite Spinozas, „seine historische Bedeutung und Würde“. (Die Natur ist auch das Geheimnis Feuerbachs.) Aber Spinoza hat mit der Theologie nicht brechen können. „Die Natur ist ihm nicht als Natur, das sinnliche, antitheologische Wesen der Natur ist ihm nur als abgezognes, metaphysisches, theologisches Wesen – als Gott Gegenstand. Spinoza hebt in der Natur Gott auf, aber er hebt auch wieder umgekehrt die Natur in Gott auf.“ [22*] Und darin besteht sein „Grundmangel“. Feuerbach korrigiert diesen Grundmangel des Spinozismus, indem er aut – aut an die Stelle von sive setzt. „Nicht ‚Deus sive Natura‘ [Gott soviel wie die Natur], sondern ‚Aut Deus, aut Natura‘ [entweder Gott oder die Natur] ist die Parole der Wahrheit. Wo Gott mit der Natur oder umgekehrt die Natur mit Gott identifiziert oder konfundiert wird, da ist weder Gott noch Natur, sondern ein mystisches, amphibolisches Zwitterding.“ [23*]

<Wir haben schon gesehen, daß gerade diesen Vorwurf Diderot dem Spinozismus in dem oben zitierten Artikel Spinoziste“ der Enzyklopädie“ gemacht hat.> [31]

Genosse Stern wendet vielleicht ein, daß der erhobene Vorwurf von Spinoza nicht verdient worden ist. Aber zur vorliegenden Frage geht das uns nichts an. Worauf es gegenwärtig ankommt, das ist die Antwort auf die Frage, in welchem Verhältnis die Philosophie Feuerbachs zu derjenigen des Spinoza steht. Und was diese Antwort anbelangt, so kann sie nur folgendermaßen lauten:

Die materialistische Philosophie Feuerbachs war wie diejenige Diderots eine Art Spinozismus.

Und nun zu Marx-Engels.

Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus waren eine Zeit lang begeisterte Anhänger Feuerbachs. Die Begeisterung war allgemein: „Wir waren alle momentan Feuerbachianer“, sagt Engels. „Wie enthusiastisch Marx die neue Auffassung begrüßte und wie sehr er – trotz aller kritischen Vorbehalte – von ihr beeinflußt wurde, kann man in der Heiligen Familie lesen. [24*]

Jedoch bereits im Frühjahr 1845 erkannte Marx mit dem Scharfblick des Genies „den Hauptmangel“ des Feuerbachschen Materialismus. Dieser Hauptmangel besteht darin, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich-menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv“. [32] Diese Kritik wird zum Ausgangspunkt einer neuen Entwicklungsphase des Materialismus, die zur materialistischen Geschichtsauffassung führt. Das Vorwort der Schrift: Zur Kritik der politischen Ökonomie enthält das, was man bezeichnen könnte als „Prolegomena zu einer jeden künftigen Soziologie, die als Wissenschaft wird auftreten können“.

Aber bemerkenswerter Umstand: Die Kritik von Marx-Engels gilt nicht dem Ausgangspunkt des Feuerbachschen Materialismus. [33] Ganz im Gegenteil.

Wenn Engels schreibt, daß Materialisten diejenigen sind, „die die Natur als das Ursprüngliche ansahen“ <(siehe seine Schrift Ludwig Feuerbach)>, [25*] so wiederholt er nur die Worte Feuerbachs: „Das wahre Verhältnis vom Denken zum Sein ist nur dieses: Das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat ... Das Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken.“ [26*] Da nun Feuerbachs Standpunkt der eines Spinozisten war, so ist klar, daß auch der Standpunkt von Engels kein anderer sein konnte.

Ich gebe zu, daß der Satz: „Das Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken“, nicht spinozistisch klingt. Aber das Denken, um das es sich hier handelt, ist das menschliche Bewußtsein, d.h. die höhere Form des „Denkens“, und das Voraussetzen des Seins dieses Denkens schließt keineswegs das „Beseeltsein der Materie“ aus. Um sich davon zu überzeugen, braucht man bloß Seite 263 des zweiten Bandes der Werke von Feuerbach zu lesen und die Seiten 21 und 22 von Engels Ludwig Feuerbach (Stuttgart 1888). Jedermann weiß, mit welcher Verachtung Engels von dem Materialismus Karl Vogts, Moleschotts und anderer sprach. Es ist aber, wie ich gezeigt habe, nur dieser Materialismus, dem man mit einem gewissen Rechte vorwerfen könnte, daß er alle Kräfte der Materie auf die Bewegung zurückführen gewollt. Ich bin überzeugt, daß die Veröffentlichung der Manuskripte, die sich unter dem Nachlaß von Marx und Engels befinden, neues Licht über diese Frage verbreiten wird. [27*] Bis dahin behaupte ich mit vollster Überzeugung, daß Marx und Engels [34] <in der materialistischen Periode ihrer Entwicklung> nie den Standpunkt des Spinozismus aufgegeben haben. [35] Diese meine Überzeugung stützt sich übrigens auf das unmittelbare Zeugnis von Engels selbst.

<1889, nach der internationalen Ausstellung in Paris, begab ich mich nach London, um Engels persönlich kennenzulernen. Ich hatte das Vergnügen, fast eine ganze Woche lang mit ihm ausführliche Gespräche zu verschiedenen theoretischen und praktischen Problemen zuführen.> [36] Eines Tages kam unser Gespräch auf die Philosophie. Engels verurteilte scharf das, was Genosse Stern in sehr ungenauer Weise den „naturphilosophischen Materialismus“ nennt. „Sie glauben also“, fragte ich, „daß der alte Spinoza recht hatte: der Gedanke und die Ausdehnung sind nichts als die beiden Attribute einer einzigen Substanz?“ „Gewiß“, antwortete Engels, „der alte Spinoza hat vollständig recht gehabt.“

Dafern mich meine Erinnerung nicht trügt, war der <bekannte> Chemiker Schorlemmer bei unserem Gespräch gegenwärtig. Daß Axelrod zugegen war, weiß ich gewiß. <Schorlemmer lebt schon nicht mehr. Aber mein anderer Gesprächspartner befindet sich noch wohl.> Er wird<, wenn es notwendig ist,> ohne Zweifel die Richtigkeit meiner Mitteilung durchaus bestätigen.

Noch einige Worte, ehe ich ende. In seiner Vorrede zu Ludwig Feuerbach spricht Engels nebenbei von der „eklektischen Bettelsuppe“, die an den deutschen Universitäten ausgelöffelt wird unter dem Namen „Philosophie“. [37] Bei seinen Lebzeiten war diese treffliche Suppe den deutschen Arbeitern noch nicht ausgeteilt worden. Gegenwärtig ist Genosse C. Schmidt daran, sie ihnen auszuteilen. Es ist das die Suppe, deren Genuß den Genossen Bernstein so glücklich „angeregt“ hat.

Genosse Conrad Schmidt macht Schule. Es ist deshalb nicht überflüssig, seine eklektische Suppe mittels des wirksamen Reagens der Marx-Engelsschen Philosophie zu analysieren. Ich will das in einem besonderen Artikel versuchen: „Friedrich Engels und Conrad Schmidt“.



Fußnoten von Plechanow

1*. Système de la Nature, II, p.1. (Paul Thiry d’Holbach: System der Natur, Berlin 1960, S.346.]

2*. Ibid., I, p.28. [Ebenda, S.33.]

3*. Ibid., II, p.116, Ausgabe von 1781. [Ebenda, S.366.]

4*. De l’Esprit, Discours 1, chap. IV. [Claude-Adrien Helvétius: Vom Geist, Berlin/Weimar 1973, S.96.]

5*. Vgl. Beiträge zur Geschichte des Materialismus, S.77 und ff. [Georgi Plechanow: Beiträge zur Geschichte des Materialismus, Berlin 1957, S.75ff.]

6*. De la Nature, Amsterdam MDCCLXIII, tome premier, p.265.

7*. Ibid., p.259.

8*. Oeuvres philosophiques de Monsieur de la Mettrie, Amsterdam MDCCLXIV, tome premier, Traité de l’âme, p.83 und 87.

9*. Ich habe dies in meiner Studie über Helvétius nachgewiesen. [siehe Georgi Plechanow: Beiträge zur Geschichte des Materialismus.]

10*. Oeuvres philosophiques de Monsieur de la Mettrie, T.I, p.72 [Julien Offray de la Mettrie: Der Mensch eine Maschine, Leipzig 1965, S.139.]

11*. Ibid., p.73 [Ebenda, S.141.]

12*. Traité de l’âme etc., chap. VI. In diesem Werke bedient sich La Mettrie noch der alten Terminologie, welche er später fallen ließ.

13*. Die Terminologie Holbachs ist in unserer Zeit nicht mehr gebräuchlich.

14*. Système de la Nature, T.I, pp.88-89 und 90-91. [Paul Thiry d’Holbach: System der Natur, S.82-84.]

15*. Es ist indessen sehr wahrscheinlich, ja fast gewiß, daß Diderot nur das verwarf, was man als den Pantheismus Spinozas bezeichnet.

16*. [Ludwig Feuerbach’s sämtliche] Werke, 10. Band, [Leipzig 1866,] S.123.

17*. [Ludwig Feuerbach s sämtliche] Werke, 10. Band, S.128.

18*. Die Spiritualisten wissen das sehr gut! Der Verfasser von La Mettries Biographie in Biographie Universelle ancienne et moderne behandelt das Werk L’Homme machine als ein „infames Werk, in dem die trostlose Lehre des Materialismus ohne jeden Umschweif entwickelt ist“. Aber worin besteht diese Lehre? Oh, sie ist sehr einfach, und sie ist schon in La Mettries Erstlingswerk entwickelt worden. „Da er während der Dauer seiner Krankheit die Beobachtung gemacht hatte, daß eine Schwächung seiner geistigen Kräfte der Schwächung seiner Organe gefolgt war, so schloß er daraus, daß das Denken nur ein Produkt des körperlichen Organismus ist, und er hatte die Kühnheit, seine Ansicht zu veröffentlichen.“ <Wie schrecklich! Welch unsinnige Irrlehre!!>

19*. [Ludwig Feuerbach’s sämtliche] Werke, 10. Band, S.128/29.

20*. [Ludwig Feuerbach: Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist. In: Gesammelte Werke, Bd.10, S.125.] Anmerkung für jene Marxisten, die „zurück auf Kant“ gehen: Das An-sich Feuerbachs hat nichts gemein mit dem An-sich des Verfassers der Kritik der reinen Vernunft.

21*. [Ludwig Feuerbach’s sämtliche] Werke, II. Band, [Leipzig 1846,] S.244; IV. Band, [Leipzig 1847,] S.380.

22*. [Ludwig Feuerbach’s sämtliche] Werke, IV. Band, 5.391.

23*. [Ludwig Feuerbach’s sämtliche] Werke, IV. Band, 5.392.

24*. Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, S.13. [MEW, Bd.21, S.272.]

25*. Ebenda, S.16-17. [MEW, Bd.21, S.275.]

26*. [Ludwig] Feuerbach’s [sämtliche] Werke, II. Band, S.263.

27*. <Als ich diese Zeilen schrieb (1898), dachte ich vor allem an Marx Doktordissertation über Epikur, die damals nicht gedruckt vorlag und von deren Existenz ich durch Engels schon 1889 erfuhr. Später lag diese Dissertation in den von Mehring herausgegebenen Frühschriften von Marx und Engels gedruckt vor. Aber sie hat meine Erwartungen nicht erfüllt, weil Marx hier noch ganz idealistische Ansichten vertritt.>



Anmerkungen

1. In den Ausgewählten philosophischen Werken Plechanows, die nach dem Sammelband Eine Kritik unserer Kritiker ediert wurden, ist die Anrede nicht Genosse, sondern Herr Bernstein.

2. Eduard Bernstein: Das realistische und das ideologische Moment im Sozialismus. Probleme des Sozialismus, 2. Serie II, in: Die Neue Zeit, XVI. Jahrgang, 1897/1898, Bd.2, Nr.34, S.226.

3. Ebenda.

4. Ebenda. „Unmittelbare Anregung“ verdankt Eduard Bernstein der Rezension Conrad Schmidts zu dem Buch von Moritz Kronenberg Kant. Sein Leben und seine Lehre, München 1897, die am 17. Oktober 1897 im Vorwärts erschienen war.

5. Eduard Bernstein: Das realistische und das ideologische Moment im Sozialismus. Probleme des Sozialismus, 2. Serie II, in: Die Neue Zeit, XVI. Jahrgang, 1897/1898, Bd.2, Nr.34, S.227.

6. Ebenda. Eduard Bernstein verweist hier auf das Buch von Wilhelm Strecker Welt und Menschheit vom Standpunkte des Materialismus, Leipzig 1892, S.14/15.

7. In der Neuen Zeit lautet dieser Satz: Auch diese Stelle ist „völlig im Sinne Kants“ gehalten.

8. Georgi Plechanow schreibt hier Friedrich Engels die Auffassung zu, daß wir an das Atom glauben. Wie Karl Marx, stand auch Friedrich Engels auf dem Boden der materialistischen Widerspiegelungstheorie, verteidigte er die Erkennbarkeit der Materie und ihres Wesens. Georgi Plechanow macht mit dieser Formulierung dem Agnostizismus ein Zugeständnis, das mit einem anderen Fehler zusammenhängt, nämlich mit der Behauptung, daß unsere Vorstellungen keine Kopien, keine Widerspiegelung der Dinge sind, sondern nur Hieroglyphen-Zeichen der Dinge.

9. Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: MEW, Bd.21, S.276.

10. In der Neuen Zeit: dem berühmten Mitbegründer des wissenschaftlichen Sozialismus.

11. Seit 1881 war Eduard Bernstein Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung Der Sozialdemokrat, die in Zürich erschien. 1888 siedelte er nach London über, wo er unter dem Einfluß des Tradeunionismus und der bürgerlichen ökonomischen Literatur sich dem Revisionismus näherte. Mit einer offenen Kritik des Marxismus trat er gegen Ende der neunziger Jahre auf.

12. In der Neuen Zeit: dieses Genossen.

13. Jakob Stern: Der ökonomische und der naturphilosophische Materialismus, in: Die Neue Zeit, XV. Jahrgang, 1896/1897, Bd.2, Nr.36, 5.301-304. Georgi Plechanow gibt den Titel des Artikels ungenau wider.

14. Plechanow schreibt „naturwissenschaftlicher Materialismus“.

15. Jakob Stern: Der ökonomische und der naturphilosophische Materialismus, S.301.

16. Jakob Stern: Der ökonomische und der naturphilosophische Materialismus, S.302.

17. Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1751-1780) von Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d’Alembert herausgegeben. Sie stellte sich das Ziel, den Kampf gegen die „alte Ordnung“ und den Klerikalismus zu führen und für eine fortschrittliche Wissenschaft und Kunst einzutreten.

18. Jakob Stern: Der ökonomische und der naturphilosophische Materialismus, S.304.

19. In der Neuen Zeit lautet dieser Satz: Er zog nur vor, diesem Problem gegenüber das zu bleiben, was man heutigentags einen „Agnostiker“ nennt.

20. J.O. de la Mettrie: L’homme plante. In: Textes choisis, Paris 1974, p.193.

21. Ebenda.

22. Siehe Baruch Spinoza: Ethik, Leipzig 1975, S.98.

23. Artikel aus der von Diderot und D’Alembert herausgegebenen Enzyklopädie, Leipzig 1972, S.955.

24. Ludwig Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Gesammelte Werke, Bd.11, Berlin 1972, S.120.

25. In der Neuen Zeit: La Mettries und Holbachs.

26. Ludwig Feuerbach: Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist, in: Gesammelte Werke, Bd. 10, Berlin 1971, S.135. In der ersten Veröffentlichung des Artikels heißt es fälschlich „Philosophie“ statt „Physiologie“.

27. Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: MEW, Bd.21, S.278.

28. In der Neuen Zeit lautet dieser Satz: Aber der Unterschied betrifft nur die Artund Weise der Erkenntnis.

29. Jakob Stern: Der ökonomische und der naturphilosophische Materialismus, in: Die Neue Zeit, XV. Jahrgang, 1896/1897, Bd.2, Nr.36, S.303.

30. Ludwig Feuerbach: Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie. In: Gesammelte Werke, Bd.9, Berlin 1970, S.243. In der Neuen Zeit endet der Satz: sagt er in seinen Vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie.

31. In der Neuen Zeit steht lediglich: Das war auch Diderots Auffassung.

32. Karl Marx: [Thesen über Feuerbach], in: MEW, Bd.3, S.5.

33. In der Neuen Zeit steht: Philosophie.

34. In der Neuen Zeit heißt es: daß unsere Meister.

35. Georgi Plechanow, der die Einheit der Ausgangspositionen des vormarxistischen und des modernen, dialektischen Materialismus (bei der Lösung der Grundfrage der Philosophie) unterstreicht, erkennt nicht die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Marxismus und dem vormarxistischen Materialismus. In diesem Zusammenhang begeht er einen Fehler, wenn er den Materialismus Spinozas dem philosophischen Standpunkt von Marx und Engels annähert. In der Arbeit Über die angebliche Krise des Marxismus sagt Georgi Plechanow, daß „der moderne Materialismus nur ein mehr oder weniger sich selbst begriffener Spinozismus ist“.

36. In der Neuen Zeit: 1889, nach dem Internationalen Sozialistenkongreß zu Paris, begab ich mich zusammen mit Paul Axelrod nach London, um den Mann persönlich kennenzulernen, den ich schon seit langem als einen der tiefsten und glänzendsten Vertreter des revolutionären Gedankens des neunzehnten Jahrhunderts bewunderte.

37. MEW, Bd.21, S.263/264.


Zuletzt aktualiziert am 9.8.2008