Wladimir Iljitsch Lenin

 

Sozialismus und Krieg

 

IV. Kapitel
Die Geschichte der Spaltung und die heutige Lage der Sozialdemokratie in Rußland

 

Die oben dargelegte Taktik der SDAPR gegenüber dem Krieg stellt das unvermeidliche Resultat einer dreißigjährigen Entwicklung der Sozialdemokratie in Rußland dar. Man kann diese Taktik ebenso wie die heutige Lage der Sozialdemokratie in unserem Land unmöglich richtig verstehen, wenn man sich nicht in die Geschichte unserer Partei vertieft. Darum müssen wir die Grundtatsachen dieser Geschichte dem Leser auch hier in Erinnerung bringen.

Als ideologische Strömung entstand die Sozialdemokratie im Jahre 1883, als im Ausland durch die Gruppe „Befreiung der Arbeit” zum erstenmal die sozialdemokratischen Anschauungen in ihrer Anwendung auf Rußland systematisch dargelegt wurden. Bis zu Beginn der neunziger Jahre blieb die Sozialdemokratie eine ideologische Strömung, ohne Verbindung mit einer Massenbewegung der russischen Arbeiterschaft. Zu Anfang der neunziger Jahre machten der gesellschaftliche Aufschwung, die Gärung und die Streikbewegung unter den Arbeitern die Sozialdemokratie zu einer aktiven politischen Kraft untrennbar verbunden mit dem (ökonomischen wie politischen) Kampf der Arbeiterklasse. Und seit dieser Zeit beginnt auch die Spaltung der Sozialdemokratie in „Ökonomisten” und „Iskristen”.

 

 

Die „Ökonomisten” und die alte Iskra
(1894-1903)

Der „Ökonomismus” war eine opportunistische Strömung in der russischen Sozialdemokratie. Sein politisches Wesen gipfelte in dem Programmsatz: „Den Arbeitern der ökonomische, den Liberalen der politische Kampf.” Seine theoretische Hauptstütze war der sog. „egale Marxismus” oder „Struvismus”, der sich zu einem von jeder revolutionären Tendenz gereinigten und den Bedürfnissen der liberalen Bourgeoisie angepaßten „Marxismus” „bekannte”. Unter Berufung darauf, daß die Arbeitermassen in Rußland nicht entwickelt seien, und in dem Wunsch, „mit der Masse zu gehen”, wollten die „Ökonomisten” die Aufgaben und den Schwung der Arbeiterbewegung auf den ökonomischen Kampf und auf die politische Unterstützung des Liberalismus beschränken und stellten sich weder selbständige politische noch irgendwelche revolutionäre Aufgaben.

Die alte Iskra (1900-1903) führte im Namen der Prinzipien der revolutionären Sozialdemokratie siegreich den Kampf gegen den „Ökonomismus” durch. Die ganze Elite des klassenbewußten Proletariats stellte sich auf die Seite der Iskra. Einige Jahre vor der Revolution trat die Sozialdemokratie mit dem denkbar konsequentesten und unversöhnlichsten Programm hervor. Und der Kampf der Klassen, das Auftreten der Massen in der Revolution von 1905 bestätigten die Richtigkeit dieses Programms. Die „Ökonomisten” paßten sich der Zurückgebliebenheit der Massen an. Die Iskra bildete eine Avantgarde der Arbeiter heran, die befähigt war, die Massen vorwärtszuführen. Die heutigen Argumente der Sozialchauvinisten (Notwendigkeit, der Masse Rechnung zu tragen; fortschrittlicher Charakter des Imperialismus; „Illusionen” der Revolutionäre usw.) sind alle schon von den Ökonomisten vorgebracht worden. Die opportunistische Verdrehung des Marxismus in „Struvismus” hat das sozialdemokratische Rußland schon vor 20 Jahren kennengelernt.

 

 

Menschewismus und Bolschewismus
(1903-1908)

Die Epoche der bürgerlich-demokratischen Revolution ließ einen neuen Kampf der Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie entbrennen, der eine direkte Fortsetzung des vorhergegangenen war. Der „Ökonomismus” wandelte sich zum „Menschewismus”. Die Verfechtung der revolutionären Taktik der alten Iskra ergab den „Bolschewismus”.

In den Sturmjahren 1905-1907 war der Menschewismus eine opportunistische Strömung, die von den liberalen Bourgeois unterstützt wurde und die Schrittmacherin bürgerlich-liberaler Tendenzen in der Arbeiterbewegung war. Anpassung des Kampfes der Arbeiterklasse an den Liberalismus – das war das Wesen dieser Richtung. Der Bolschewismus dagegen stellte den sozialdemokratischen Arbeitern die Aufgabe, die demokratisch gesinnte Bauernschaft allen Schwankungen und Verrätereien des Liberalismus zum Trotz zum revolutionären Kampf zu mobilisieren. Und die Arbeitermassen gingen, wie die Menschewiki selbst wiederholt zugegeben haben, während der Revolution in allen größeren Aktionen mit den Bolschewiki

Die Revolution von 190; unterzog die unversöhnlich revolutionäre sozialdemokratische Taktik in Rußland einer Prüfung, stärkte, vertiefte und stählte sie. Das offene Auftreten der Klassen und Parteien brachte wiederholt den Zusammenhang des sozialdemokratischen Opportunismus (des „Menschewismus”) mit dem Liberalismus an den Tag.

 

 

Marxismus und Liquidatorentum
(1908-1914)

Die konterrevolutionäre Epoche stellte die Frage der opportunistischen und der revolutionären Taktik der Sozialdemokratie wiederum – diesmal aber in ganz neuer Form – auf die Tagesordnung Die Hauptgruppe des Menschewismus brachte entgegen den Protesten vieler seiner besten Vertreter die Strömung des Liquidatorentnms hervor – Lossagung vom Kampf für eine neue Revolution in Rußland, Verzicht auf illegale Organisation und Tätigkeit verächtliches Gespött über unterirdische Arbeit , über die Losung der Republik usw. In Gestalt der Gruppe legaler Publizisten der Zeitschrift Nascha Sarja (die Herren Potressow, Tscherewanin usw.) bildete sich ein von der alten sozialdemokratischen Partei unabhängiger Kern, den die liberale russische Bourgeoisie, getrieben von dem Wunsch, die Arbeiter des revolutionären Kampfes zu entwöhnen, auf tausenderlei Art unterstützte anpries und hätschelte.

Die Januarkonferenz der SDAPR im Jahre 1912, die trotz heftigsten Widerstandes einer ganzen Reihe von Auslandsgruppen und -grüppchen die Partei wiederherstellte, schloß diese opportunistische Gruppe aus der Partei aus. Während mehr als zwei Jahren (von Anfang 1911 bis Mitte 1914) tobte ein hartnäckiger Kampf zwischen den beiden sozialdemokratischen Parteien: dem auf der Januarkonferenz 1912 gewählten ZK und dem „Organisationskomitee”, das die Januarkonferenz nicht anerkannte und die Partei auf anderem Wege, unter Aufrechterhaltung der Einheit mit der Gruppe Nascha Sarja wiederherstellen wollte. Ebenso hartnäckig war der Kampf zwischen den beiden täglich erscheinenden Arbeiterzeitungen (Prawda und Lutsch [9] sowie ihren Nachfolgern) und zwischen den beiden sozialdemokratischen Fraktionen der IV. Reichsduma (der „SDAFR” der „Prawdisten” oder Marxisten und der „sozialdemokratischen Fraktion” der Liquidatoren mit Tschcheidse an der Spitze).

Während die „Prawdisten”, die den revolutionären Geboten der Partei treu blieben, den (besonders nach dem Frühjahr 1911) beginnenden Aufschwung der Arbeiterbewegung unterstützten und die legale Organisation, Presse und Agitation mit der illegalen vereinigten, die erdrückende Mehrheit der klassenbewußten Arbeiterschaft um sich scharten, waren die Liquidatoren, die als politische Kraft einzig durch die Gruppe Nascha Sarja wirkten, auf die allseitige Unterstützung der liberalen bürgerlichen Elemente angewiesen.

Die öffentlichen Geldsammlungen der Arbeitergruppen für die Blätter beider Parteien – in jener Epoche die den russischen Verhältnissen angepaßte (und legal allein zulässige, von jedermann frei kontrollierbare) Form von sozialdemokratischen Mitgliedsbeiträgen – zeigten anschaulich, daß die Kraft und der Einfluß der „Prawdisten” (Marxisten) proletarischen Ursprungs waren, während die Liquidatorcn (und ihr „OK”) aus bürgerlich-liberalen Quellen gespeist wurden. Nachstehend über diese Geldbeiträge einige knappe Angaben, die ausführlich in dem Buch Marxismus und Liquidatorentum [10] und gekürzt in der deutschen sozialdemokratischen Leipziger Volkszeitung [11] am 21. Juli 1914 veröffentlicht worden sind.

Anzahl und Summe der Beiträge für die Petersburger Tageszeitungen der Marxisten (Prawdisten) und der Liquidatoren vom 1. Januar bis 13. Mai 1914:

 

Prawdisten

Liquidatoren

Anzahl der
Beiträge

Summe
in Rubel

Anzahl der
Beiträge

Summe
in Rubel

Von Arbeitergruppen

2.873

18.934

671

5.296

Nicht von Arbeitergruppen

   713

  2.650

453

6.760

Unsere Partei vereinigte somit in Jahre 1914 vier Fünftel der klassenbewußten Arbeiterschaft Rußlands um die revolutionäre sozialdemokratische Taktik. Für das ganze Jahr 1913 belief sich die Anzahl der von Arbeitergruppen geleisteten Beiträge bei den Prawdisten auf zi8i, bei den Liquidatoren auf 66i. Für die Zeit vom 1. Januar 1913 bis 15. Mai 1914 erhalten wir folgende Zahlen: 5.054 Beiträge von Arbeitergruppen für die „Prawdisten” (d.h. für unsere Partei) und 1.332, d.h. 20,8 Prozent, für die Liquidatoren.

 

 

Marxismus und Sozialchauvinismus
(1914/1915)

Der große europäische Krieg 1914/1915 gab allen europäischen, darunter auch den russischen Sozialdemokraten die Möglichkeit, ihre Taktik an einer weltweiten Krise zu prüfen. Der reaktionäre und räuberische Charakter des Sklavenhalterkrieges offenbart sich auf seiten des Zarismus noch unvergleichlich anschaulicher als auf seiten der anderen Regierungen. Nichtsdestoweniger schwenkte die Hauptgruppe der Liquidatoren (die einzige Gruppe außer unserer Partei, die ernsthaften Einfluß in Rußland besitzt und zwar dank ihren Beziehungen zum Liberalismus) zum Sozialchauvinismus ab. Da diese Gruppe Nascha Sarja ziemlich lange Zeit das Monopol der Legalität besaß, konnte sie unter den Massen Propaganda in dem Sinne treiben, man solle „sich dem Krieg nicht widersetzen”, der Sieg des Drei(jetzt Vier)verbands sei erwünscht, der deutsche Imperialismus mache sich „jedes Maß überschreitender Sünden” schuldig u.dgl m. Plechanow, der seit 1903 wiederholt Beispiele seiner äußersten politischen Charakterlosigkeit gegeben hatte und mehrmals zu den Opportunisten hinübergewechselt war, nahm, von der ganzen bürgerlichen Presse Rußlands mit Lob überschüttet, die gleiche Haltung in noch ausgeprägterer Form ein. Plechanow sank sogar so tief, daß er den vom Zarismus geführten Krieg für einen gerechten Krieg erklärte und in der italienischen Regierungspresse Interviews veröffentlichte, wodurch er Italien in den Krieg hineinziehen half!!

Daß wir das Liquidatorentum richtig einschätzten und recht daran taten, die Hauptgruppe der Liquidatoren aus unserer Partei auszuschließen, war somit voll bestätigt worden. Das reale Programm der Liquidatoren und die reale Bedeutung ihrer Richtung besteht heute nicht nur in Opportunismus schlechthin, sondern auch darin, daß sie die Großmachtprivilegien und -positionen der großrussischen Gutsbesitzer und Bourgeois verteidigen. Das ist die Richtung einer nationalliberalen Arbeiterpolitik. Das ist das Bündnis eines Teils radikaler Kleinbürger und eines verschwindend Meinen Teils privilegierter Arbeiter mit ihrer nationalen Bourgeoisie gegen die Masse des Proletariats.

 

 

Der gegenwärtige Stand der Dinge in der russischen Sozialdemokratie

Wie schon erwähnt, haben weder die Liquidatoren noch eine ganze Reihe von Auslandsgruppen (die von Plechanow, Alexinski, Trotzki u.a.), noch auch die sogenannten „nationalen” (d.h. nicht großrussischen) Sozialdemokraten unsere Januarkonferenz von 1911 anerkannt. Unter den unzähligen Schmähungen, mit denen man uns bedachte, hörte man am häufigsten die Beschuldigung des „Usurpatorentums” und der „§Spalterei”. Unsere Antwort darauf bestand in der Anführung von genauen und objektiv nachprüfbaren Zahlen, die bewiesen, daß unsere Partei vier Fünftel der klassenbewnßten Arbeiterschaft Rußlands um sich vereinigt hat Das ist nicht wenig, wenn man all die Schwierigkeiten der illegalen Arbeit in einer konterrevolutionären Epoche berücksichtigt.

Wäre die „Einheit” in Rußland auf Grund der sozialdemokratischen Taktik ohne Ausschluß der Gruppe Nascha Sarja möglich, warum haben unsere zahlreichen Gegner sie dann nicht einmal unter sich verwirklicht? Seit Januar 1912 sind volle dreieinhalb Jahre verflossen, und während dieser ganzen Zeit haben es unsere Gegner trotz aller Bemühungen nicht fertiggebracht, eine sozialdemokratische Partei gegen uns zu schaffen. Diese Tatsache ist die beste Verteidigung unserer Partei.

Die ganze Geschichte der gegen unsere Partei kämpfenden sozialdemokratischen Gruppen ist eine Geschichte der Zersetzung und des Verfalls. Im März 1912 „vereinigten sie sich” alle ohne Ausnahme zum Kampf gegen uns. Aber schon im August 1912, als der sogenannte „Augustblock” gegen uns ins Leben gerufen wurde, begann bei ihnen der Zerfall. Ein Teil der Gruppen fällt von ihnen ab. Sie bringen es nicht fertig, eine Partei und ein ZK zu schaffen. Sie bilden nur ein OK „zur Wiederherstellung der Einheit”. Aber in Wirklichkeit erwies sich dieses OK als ein unwirksamer Deckmantel für die Liquidatorengruppe in Rußland. In der ganzen Periode des gewaltigen Aufschwungs der Arbeiterbewegung in Rußland und der Massenstreiks in den Jahren 1912-1914 bleibt vom ganzen Augustblock als einzige unter den Massen wirkende Gruppe die Gruppe Nascha Sarja übrig, die ihre Kraft aus ihren Beziehungen zum Liberalismus schöpft. Anfang 1914 treten die lettischen Sozialdemokraten formell aus dem „Augustblock” aus (die polnischen Sozialdemokraten waren ihm gar nicht beigetreten), und Trotzki, einer der Führer des Blocks, tritt, obzwar nicht formell, aus dem Block aus, indem er abermals eine eigene Gruppe gründet. Im Juli 1914 wurde auf der Brüsseler Konferenz unter Beteiligung des Exekutivkomitees des ISB, Kautskys und Vanderveldes der sog. „Brüsseler Block” gegen uns gebildet, dem die litten nicht beitraten und aus dem die polnische sozialdemokratische Opposition sofort wieder ausschied. Nach Kriegsausbruch zerfällt dieser Block. Die Nascha Sarja, Plechanow, Alexinski und der Führer der kaukasischen Sozialdemokraten An [12] werden zu offenen Sozialchauvinisten, die eine deutsche Niederlage als wünschenswert predigen. Das OK und der „Bund” verteidigen die Sozialchauvinisten und die Grundlagen des Sozialchauvinismus. Die Fraktion Tschclieidse obgleich sie gegen die Kriegskredite gestimmt hatte (in Rußland stimmten sogar bürgerliche Demokraten, die Trudowiki, gegen die Kriegskredite), bleibt ein treuer Verbündeter der Nascha Sarja. Unsere extremen Sozialchauvinisten, Plechanow, Alexinski und Co., sind mit der Fraktion Tschcheidse vollauf zufrieden. In Paris wird das Blatt Nasche Slowo (früher Golos) gegründet, hauptsächlich unter Beteiligung von Martow und Trotzki, die gern die platonische Verteidigung des Internationalismus mit der unbedingten Forderung nach Einheit mit der Nascha Sarja, dem OK oder der Fraktion Tschcheidse verbinden möchten. Nach Erscheinen von 250 Nummern sieht sich dieses Blatt genötigt, seinen Zerfall selbst einzugestehen: ein Teil der Redaktion neigt zu unserer Partei; Martor bleibt dem OK treu, das dem Nasche Slowo öffentlich „Anarchismus” vorwirft (wie auch die Opportunisten in Deutschland, David und Co., die Internationale Korrespondenz [13], Legien und Co. den Gen. Liebknecht des Anarchismus bezichtigen); Trotzki verkündet seinen Bruch mit dem OK, will aber mit der Fraktion Tschcheidse zusammengehen. Hier das Programm und die Taktik der Fraktion Tschcheidse, dargelegt von einem ihrer Führer. In Nr. 5, Jahrgang 1915, des Sowremenny Mir [14], einer Revue, die den Standpunkt Plechanows und Alexinskis vertritt, schreibt Tschchenkeli: „Die Behauptung, die deutsche Sozialdemokratie sei imstande gewesen, das Losschlagen ihres Landes zu verhindern, habe das aber nicht getan, bedeutet entweder den stillen Wunsch, nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Vaterland solle auf den Barrikaden elend zugrunde gehen, oder es bedeutet, daß man die vor der Nase liegenden Dinge durch ein anarchistisches Teleskop betrachtet.” [A]

In diesen paar Zeilen ist das ganze Wesen des Sozialchauvinismus ausgedrückt: prinzipielle Rechtfertigung der Idee der Vaterlandsverteidigung” im gegenwärtigen Krieg ebenso wie – mit gütiger Erlaubnis der Militärzensoren – Verspottung der Propagierung und Vorbereitung der Revolution. Es kommt doch gar nicht darauf an, ob die deutsche Sozialdemokratie imstande war, den Krieg zu verhindern, und auch nicht darauf, ob Revolutionäre überhaupt die Garantie für den Sieg der Revolution übernehmen können. Die Frage ist die, ob man wie ein Sozialist handelt oder buchstäblich in den Umarmungen der imperialistischen Bourgeoisie „erstickt”.

 

 

Die Aufgaben unserer Partei

Die russische Sozialdemokratie entstand vor der bürgerlich- demokratischen Revolution (1905) in unserem Lande und erstarkte während der Revolution und der Konterrevolution. Die Rückständigkeit Rußlands erklärt die außergewöhnliche Fülle von Strömungen und Schattierungen die der kleinbürgerliche Opportunismus bei uns aufweist, während der Einfluß des Marxismus in Europa und die Solidität der legalen sozialdemokratischen Parteien vor dem Krieg unsere Muster-Liberalen beinahe zu Anhängern einer „vernünftigen”, „europäischen” (nichtrevolutionären), „legalen” „marxistischen” Theorie und Sozialdemokratie machten. Die russische Arbeiterklasse konnte ihre Partei nicht anders als in einem entschlossenen dreißigjährigen Kampf gegen alle Spielarten des Opportunismus aufbauen. Die Erfahrung des Weltkriegs. der den schmählichen Zusammenbruch des europäischen Opportunismus herbeiführte und das Bündnis unserer National- liberalen mit dem sozialchauvinistischen Liquidatorentum festigte, bestärkt uns noch mehr in der Überzeugung, daß. unsere Partei auch fernerhin diesen konsequent revolutionären Weg gehen muß.

 

 

Fußnote

A. Sowremenny Mir, 1915, Nr.5, S.148. Trotzki erklärte unlängst, er betrachte es als seine Aufgabe, die Autorität der Fraktion Tschcheidse in der Internationale zu heben. Zweifellos wird Tschchenkeli seinerseits ebenso energisch bestrebt sein, die Autorität Trotzkis in der Internationale zu heben.

 

Anmerkungen

9. Lutsch (Der Strahl) – legale Tageszeitung der menschewistischen Liquidatoren, die von September 1912 bis Juli 1913 in Petersburg herausgegeben wurde; sie existierte „von Mitteln reicher Freunde aus der Bourgeoisie” (Lenin).

10. Marxismus und Liquidatorentum. Sammelband von Artikeln über Grundfragen der modernen Arbeiterbewegung, Teil II – wurde im Juli 1914 vom Parteiverlag Priboi herausgegeben. Er enthält eine Reihe von Artikeln Lenins, die sich gegen die Liquidatoren richten. Die zwei Artikel Arbeiterklasse und Arbeiterpresse und Die Antwort der Arbeiter auf die Bildung der Sozialdemokratischen Arbeiterfraktion Rußlands in der Reichsduma enthalten ausführliches Material über die Geldbeiträge. (Siehe Lenin, Werke, deutsche Ausgabe, Bd.10, S.365-73 und S.554.

11. Leipziger Volkszeitung – Organ des linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie. Die Zeitung erschien täglich von 1894 bis 1933. Längere Zeit hindurch gehörten Franz Mehring und Rosa Luxemburg der Redaktion an. Von 1917 bis 1922 war die Leipziger Volkszeitung das Organ der „Unabhängigen”, und nach 1922 das Organ der rechten Sozialdemokraten.

12. N.N. Shordanija, Führer der kaukasischen Menschewiki.

13. Internationale Korrespondenz – sozialchauvinistische deutsche Wochenschrift für internationale Politik und Arbeiterbewegung; sie erschien von 1914 bis 1917 in Berlin.

14. Sowremenny Mir (Die Welt der Gegenwart) – Monatsschrift für Literatur, Wissenschaft und Politik, die von 1906 bis 1918 in Petersburg erschien. Zu den engsten Mitarbeitern der Zeitschrift zählten Menschewiki, unter ihnen G.W. Plechanow. In der Periode des Blocks mit der Plechanowschen Gruppe der parteitreuen Menschewiki und zu Beginn des Jahres 1914 arbeiteten an der Zeitschrift auch Bolschewiki mit. Im März 1914 wurde in Sowremenny Mir Lenins Artikel Noch eine Vernichtung des Sozialismus veröffentlicht. Während des ersten Weltkriegs wurde die Zeitschrift zu einem Organ der Sozialchauvinisten.

 


Zuletzt aktualisiert am 2.9.2003