Paul Lafargue

 

Zum Reich des Sozialismus

Die ökonomische Evolution und der Kommunismus

(1892)


Ursprünglich veröffentlicht in Paris, 1892.
Übersetzt von B. Bartels.
Herausgegeben von der Deutschen Gruppe der russischen kommunistischen Partei (Bolschewiki), Petrograd 1918.
Transkription und HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.
Vielen Dank an Fritz Keller.


Wir, Schüler von Karl Marx und Friedrich Engels sind davon überzeugt, dass die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen mit unvermeidlicher Notwendigkeit zum Kommunismus führt, d.h. zur Sozialisierung der Produktionsmittel – was teilweise schon erreicht ist – und zur Sozialisierung der Genussmittel, die momentan das Monopol einer an Zahl verhältnismässig kleinen Klasse, bilden.

Unsere Feinde behaupten, wir predigen den Mord und den Raub; es sei dem Leser überlassen, auf. Grund meiner weiteren Ausführungen zu urteilen, ob eine solche Predigt in unserer Theorie zu finden ist. Diejenigen unserer Gegner, welche mit uns liebenswürdig zu sein wünschen, halten uns für Utopisten und Schwärmer und sagen zu uns: „Ja, die Gesellschaft, von der ihr träumt, ist wunderbar; es wäre zu wünschen, dass unter den Menschen Gleichheit herrsche, doch ihr kennt die menschliche Natur, die böse in der Wurzel ist. Vervollkommnet zuerst die Menschen, bevor ihr die Gesellschaft reformieren wollt.“ Doch wir sind zu wenig utopistisch, um zu glauben, dass man den Charakter des Menschen allein durch Reden, religiöse und weltliche Moral ändern kann; um den Menschen umzuwandeln, muß man die Umgebung ändern, in der er sich entwickelt, denn wenn der Mensch der Schöpfer seiner sozialen Umgebung ist, so ist er gleichzeitig auch ihr Produkt. Ändert das Milieu, und ihr werdet sogleich auch die Sitten, Gebräuche, Leidenschaften und Gefühle des Menschen ändern. Wir, Utopisten und Träumer, wir studieren das soziale Milieu, analysieren die ökonomischen Erscheinungen; wir versuchen bis zu ihrem Grunde vorzudringen, ihre Entwicklung zu verfolgen, ihre Wirkungen auf Familie und Gesellschaftsordnung festzustellen, und schliesslich erkühnen wir uns, furchtlos und unparteiisch unsere Schlüsse zu ziehen.

Die ökonomischen Erscheinungen beeinflussen nicht nur die Sitten, sondern auch die Familien- und politische Organisation, ja sogar die philosophischen und religiösen Gedanken der Menschen. Bei einem gewissen Stande der Entwicklung, wenn die Produktionswerkzeuge unvollkommen sind, muss bei allen Völkern die Sklaverei existieren. Alle Welt, auch die hervorragendsten Denker, erblicken dann in der Sklaverei eine gerechte und natürliche Erscheinung; und religiöse Leute schreiben ihr sogar einen göttlichen Ursprung zu. Einer der mächtigsten Genien der Menschheit, Aristoteles, nahm an, dass die Natur eine besondere Menschenrasse geschaffen habe, die eigens dazu bestimmt sei, Sklaven zu sein. Doch der griechische Philosoph sah voraus, dass gewisse Veränderungen der Produktionsmittel notwendig die Aufhebung der Sklaverei zur Folge haben würden. Diese bemerkenswerte Stelle befindet sich in seinem Buche Politik: „Wenn jedes Instrument seine Aufgabe ohne fremde Hilfe oder automatisch verrichten könnte, so würde der Meister keine Gesellen, der Herr keine Sklaven mehr brauchen.“ Da nun die wirtschaftliche Umwandlung bereits eingetreten ist, so dürfen wir behaupten, dass die Lohnarbeit – diese letzte und schlimmste Form der Sklaverei – mit unausbleiblicher Notwendigkeit verschwinden, muss.

In der Tat hat gegenwärtig die Maschine alle Gebiete der Industrie erobert. Sie .hat die individualistische Produktion in die kollektive Produktion umgewandelt. Das sei durch ein Beispiel erklärt: Früher befasste man sich in fast jeder Familie mit Spinnen und Stricken, und die Weberei existierte in jedem Dorfe. Heute sind alle diese Gewerbezweige, die sonst über das ganze Land zerstreut waren, in gewissen Gegenden konzentriert, und der Produkte der mechanischen Herstellung erfreut sich das ganze Land. Die Web- und Spinnstühle wurden zu allgemeinen Gebrauchsgegenständen in ungeheuren Spinnerei- und Webereiwerkstätten. Das Herstellungsprodukt hat bereits seinen individualistischen Charakter verloren. Der Schuhmacher als kleiner Handwerker stellte den ganzen Stiefel her: er nimmt selbst Mass, schneidet zu, formt und näht das Leder. Der Stiefel ist ein rein individualistisches Produkt, ein Mensch genügte zu seiner Anfertigung. In der Schuhfabrik dagegen geht der Stiefel durch viele Hände: der eine schneidet das Leder, der zweite formt es, der dritte fertigt mit der Maschine die Schäfte an u.s.w., mit einem Worte, ein Paar Schuhe sind hier das Kollektiv-Produkt einer grösseren oder kleineren Anzahl Menschen: Aus dem individualistischen wurde ein kollektives Produkt

Dieselben Veränderungen sind auch im Handel zu beobachten. Im XVIII. Jahrhundert hatte jeder Kaufladen seine Spezialität, bei der er nach den Zunftregeln streng zu bleiben hatte. Heute werden in den grossen Warenhäusern nebeneinander, unter der Leitung desselben Kapitals, die verschiedensten und gegensätzlichsten Sachen verkauft; man kann in ihnen alles kaufen, was der gesunde oder kranke Mensch gebraucht.

Neben der Zentralisation in Industrie und Handel ist auch die des Ackerbaus zu erwähnen. Kleinere Landparzellen werden vereinigt zur Bildung grösserer Besitztümer. Die Bauern Frankreichs, die ihre Scholle verlassen, um die Industriestädte zu bevölkern, verkaufen ihre kleinen Landstücke den grossen Eigentümern. Die Kollektivisierung des Landes besteht somit schon. Doch was in Frankreich erst geschieht, ist in England schon längst geschehen. In diesem Lande befindet sich der gesamte Landbesitz in den Händen einiger Tausend Leute.

Der Feudalbesitz (des Mittelalters) bedeckte ja auch einen ungeheuren Flächenraum, doch seine Bebauung geschah auf individualistische Weise: das ganze Land wurde in eine Unmenge kleiner Parzellen aufgeteilt deren Bebauung einzelnen Familien Leibeigener oder Freier, aufgetragen wurde. Gegenwärtig geschieht die Bebauung des Grossgrundbesitzes meistens kollektiv. Am besten ist das zu beobachten im Westen der Vereinigten-Staaten von Nordamerika: dort werden ungeheure Felder mit Maschinen bearbeitet und abgeerntet.

Es muss noch auf eine vierte Art der Zentralisation hingewiesen werden, nämlich auf die des Finanzkapitals, die niemand ableugnen wird. Solange die Industrie individualistisch war, erforderte die Anschaffung der Betriebsmittel keine bedeutenden Summen. Um z.B. zu Stricken, brauchte man nur Stricknadeln und Spindel; jeder Produzent, der eine kleine Summe Geld erspart hatte, konnte sich selbständig machen, machte eine kleine Bude auf und arbeitete auf eigenes Risiko zusammen mit seinen Rindern und einigen Lehrlingen und Gesellen. Doch diese Zeiten sind hin, unwiederbringlich hin. Vor der Epoche der mechanischen Massenherstellung konnte jeder Arbeiter die Hoffnung hegen, einmal sein eigener Herr zu werden, und das war keine leere Hoffnung. denn sie verwirklichte sich ja jeden Tag. Jetzt ist eine solche Hoffnung zur Utopie geworden. Die modernen Industrie-Betriebswerkzeuge sind derart gigantisch geworden, dass zu ihrer Beschaffung schon nicht wie früher einige Hundert Mark ausreichen; heute gehören dazu Hunderte von Tausenden und Millionen. Im Laufe des XIX. Jahrhunderts, besonders aber in der zweiten Hälfte, bildeten sich Gruppen von Leuten, die die kleinen Kapitalien zusammenlegten, die vielen einzelnen Besitzern gehörten, zu dem Zwecke, der mechanischen Industrie die nötigen Mittel zu liefern, um Eisenbahnen zu bauen, Bergwerke auszubeuten, Weberei- und Spinnereifabriken zu gründen u.s.w. Die offiziellen Volkswirtschaftler behaupten, dass eine solche Einteilung der Grossindustrie-Organismen Aktien und Obligationen ein Weg zur Zerstückelung und Demokratisierung des Eigentums sei. Doch sie bemerken nicht, dass diese Demokratisierung des Eigentums den Finanzisten die Möglichkeit gab, das Barkapital aus allen alten Strümpfen und ehrwürdigen Truhen herauszuziehen, in denen man ehemals das Geld aufspeicherte, es in ihren Händen zu konzentrieren und unter ihre Monopolverwaltung zu bringen, um es bei der ersten besten Gelegenheit mittels allermöglicher betrügerischer Machenschaften ganz in ihre Gewalt zu bekommen; auf diese Weise eben entstanden die kolossalen, Hunderte von Million und Milliarden zählenden Vermögen der Finanzleute. Diese Zerstückelung der grossen Industrie- und Handelsunternehmungen bewirkte bloss, dass die Volksmasse ihrer Kapitalien beraubt wurde, die in die Hände einiger Finanzkönige übergingen.

Wie zu sehen ist, nehmen die Organismen der Produktion und des Handels die kommunistische Form an.

Diese Umwandlung der individualistischen Produktion und des Individualistischen Handels war die unvermeidliche und notwendige Folge der Entwicklung der ökonomischen Erscheinungen; sie vollzog sich unabhängig vom Willen der Menschen und. sogar gegen ihn; nichts vermochte den Gang der Entwickelung aufzuhalten, ebenso wie nichts imstande sein wird, das Nahen ihres Endresultates zu hemmen. Die Sozialisierung der Produktionsmittel muss mit unabwendbarer Notwendigkeit auch zur Sozialisierung der Genussmittel führen.

Wenn nun auch die Organismen, die zur Produktion und zum Tausch dienen, gesellschaftlich geworden sind, so ist doch die Methode ihres Besitzes und Genusses die individualistische geblieben, d.h. dass die kolossalen Produktionsmittel, wie z.B. Fabriken, Werke u.s.w., wie auch Warenhäuser, ihrem Charakter nach gesellschaftlich sind, jedoch einigen Personen oder Gesellschaften von Aktionären und Obligationären gehören; ihre Besitzform ist also die indiwidualistische geblieben. Hier besteht ein Widerspruch, und das Dasein dieses Widerspruches erklärt alles Elend und Unglück der modernen Gesellschaft, die sich einer Krisis nähert, die diesen Widerspruch lösen muss. Die notwendige Entwicklung der ökonomischen Erscheinungen schuf die kommunistische Organisation der Produktion und des Tausches: diese Entwicklung eben trägt in sich das Mittel zur Lösung des Widerspruches zwischen der kommunistischen Produktionsweise und der individualistischen Besitzform; das heisst, dass in dem Masse, wie die ökonomische Entwickelung die Produktions- und Tauschmittel vergesellschaftlicht, sie auch die Vergesellschaftlichung (Sozialisation) der Genussmittel (Besitzform) vorbereitet.

Die erste Begleiterscheinung der Sozialisierung der Produktionsmittel ist das ungeheure Wachsen der produktiven Kräfte des Menschen. Es gibt gegenwärtig keinen menschlichen oder gesellschaftlichen Bedarf, der nicht im Überfluss befriedigt werden könnte. Ein Beweis: in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts wurde ein beständiger Mangel an Eisen und Stahl zum Bau von Eisenbahnen und Schiffen und zur Herstellung mechanischer Werkzeuge für Industrie und Ackerbau verspürt. Da begann die Arbeit zu kochen, und die Herstellung obengenannter Gegenstände hatte bald nicht nur der Nachfrage genügt, sondern übertrifft, dank periodisch auftretenden Krisen und Überproduktion an Eisen, von Zeit zu Zeit sogar die Nachfrage. Und dabei ist in den letzten 50 Jahren die Erde mit Maschinen und Eisenfabrikaten übersät, von Eisenbahnen nach allen Richtungen hin durchschnitten und geradezu in Eisen eingeschmiedet worden. Wenn man alle in dieser Zeit hergestellten Maschinen, Gleise u.s.w. auf einen Haufen legen würde, so würde man Berge, höher als der Himalaja, erhalten. Noch ein anderes Beispiel; Die Herstellung von Kornprodukten in genügender Menge ist die erste Bedingung der Existenz der Gesellschaft; diese Aufgabe ist mehr als befriedigend gelöst worden. In den Gebieten, wo der Landbesitz in wenigen Händen konzentriert ist und wo wissenschaftliche und Maschinen-Bebauungsmethoden Anwendung gefunden haben, bringt der Hektar 25-30. Hektoliter Korn ein, während sonst der Hektar nur 15, vor gar nicht langer Zeit sogar 13, 12 und 11 Hektoliter eintrug. Wenn die gemeinsame Landbebauung, auch nur auf einige Departements des Nordwestens beschränkt, allgemeine Regel werden würde, so würde Frankreich alljährlich 200-300 Millionen Hektoliter Korn hervorbringen, anstatt wie jetzt etwas, über 100. Ein amerikanischer Agronom veröffentlichte Angaben über die Produktivität neuer Ackerländer, die östlich von der Hudson-Bai entdeckt wurden; er behauptete, dass wenn diese aussergewöhnlich fruchtbaren Gebiete von einer Million Menschen bearbeitet würden, die mit Maschinen ausgerüstet und ähnlich wie auf den ungeheuren Farmen des Fernen Westens organisiert sein müssten, so würden sie im Laufe einer ganzen Reihe von Jahren eine solche Menge von Getreide hervorbringen können, die zur Ernährung der ganzen Welt ausreichen würde, wobei so lange alles andere Ackerland brach liegen könnte, um die natürliche Fruchtbarkeit wiederzuerlangen. Überall, wo die Produktion derart kolossal ist, übertrifft sie den Verbrauch. Daher ist für die Industriellen schon nicht mehr die Hauptfrage, wie herzustellen, sondern wie Konsumenten zu finden; auf der Suche nach ihnen gehen sie nach Asien und Afrika. Im XVI. und XVII. Jahrhundert kämpften die europäischen Völker untereinander der Kolonien wegen, um diese zu plündern; im XIX. Jahrhundert streben sie nach der Eroberung von Kolonien, um sie zu Absatzmärkten für ihre Waren zu machen, die sie bei ihren Produzenten gestohlen haben, die Aneignung des Produktes fremder Arbeit ist die Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft. Ein derartiger Überfluss der Produktion, sollte man meinen, müsste einen allgemeinen Wohlstand der Produzenten zur Folge haben, in Wirklichkeit jedoch bringt er ihnen gerade Not. Die Arbeitslosigkeit, die immer den Hunger mit sich in das Haus des Arbeiters bringt, droht allemal, wenn die Läden mit Waren überfüllt sind; die Menschen müssen vor Hunger sterben, weil zu viel produziert worden ist. Im Mittelalter erreichte der Hunger das Volk nur im Falle von Missernten. In unserem Zeitalter bringt der Überfluss die Not. Dieser Widerspruch, der scharf in die Augen springt und der die Arbeiter zur Revolution vorbereitet, ist, wie schon oben angezeigt wurde, die Folge des Widerspruchs zwischen der kollektiven Produktionsweise und der individualistischen Aneignungsweise der Produkte. Die Erzeuger befinden sich in dauernder Armut, weil die Kapitalisten sie jeden Tag ihrer Produkte und Arbeit berauben. Solch eine Ordnung der Dinge verwandelt die Gesellschaft in einen ungeheuren Bazar, wo alles verkauft wird – nicht nur die Erzeugnisse menschlicher Tätigkeit, sondern auch der Mensch selbst. Lohnarbeiter werden nach ihrer Muskelkraft gekauft, Intelligente – nach ihrer geistigen Kraft, weil sie Ingenieure, Chemiker, Agronome sind, weil sie über organisatorische und administrative Fähigkeiten verfügen. Der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem individualistischen Charakter der Aneignung erniedrigt den Menschen, macht aus ihm eine Ware und aus der Gesellschaft einen grossen Krämerladen. „Was kann aus einem Laden Gutes kommen, und was kann der Handel Ehrliches geben!“ sagt Cicero. Alles, was irgend eine Beziehung zum Laden hat, ist des ehrlichen Menschen unwürdig, denn an Waren kann man nicht verdienen, ohne zur Lüge Zuflucht zu nehmen. Niedrig und schimpflich muss das Handwerk aller derer genannt werden, die ihre Arbeit und Dienste verkaufen; denn 1 ein jeder, der seine Arbeit gegen Geld verkauft, verkauft sich selber und erniedrigt sich zum Sklaven.. Und dieser Selbstverkauf der für jeden Spartaner und Römer schimpflich war, ist die einzige Existenzquelle, die dem Erzeuger in unserer kapitalistischen Gesellschaft geblieben ist: die Lohnarbeit ist eine Form der Sklaverei. O weh! Cicero hatte Recht: aus dem Laden kann etwas Anderes als Lüge nicht herauskommen. In dem grossen Laden, den die, kapitalistische Gesellschaft darstellt, ist alles Lüge.

Die Produkte! Aber die sind ja alle nachgemacht und gefälscht! Die gepriesene kapitalistische Zivilisation wird einmal als das Zeitalter der schlechten Ware gebrandmarkt werden. Die Kapitalisten begnügen sich nicht allein mit der Falsifikation natürlicher Produkte, sie fälschen sogar nachgemachte Waren. Margarine, ein Buttersurrogat, wird selbst wieder nachgemacht. Doch die Lüge herrscht nicht nur in der materiellen Welt, in der Welt der Sachen, niemals noch gab es in der Moral soviel Lüge wie jetzt. Man kann sagen, dass die ganze Moral und die ganze Politik der kapitalistischen Gesellschaft durch und durch verlogen ist! Ich bin nicht in der Lage, hier die ganzen Lügen aufzuzählen, die die allehrwürdigsten Leute unserer herrschenden Klasse umgeben – es wäre zu viel; ich werde bloss einige einzelne Fragen behandeln.

Das Eigentum ist die Grundlage, der Gesellschaft – so heisst es auf Schritt und Tritt; Schutz des Privateigentums ist die beständige Sorge der herrschenden Klassen. Andererseits besingen die Priester des goldenen Kalbes, die Herren Ökonomisten, in allen Tonlagen die Ordnung und Harmonie. der kapitalistischen Gesellschaft. Was für eine Lüge! Noch in keiner Gesellschaft herrschten soviel Unordnung und Widersprüche; ein ununterbrochener und erbarmungsloser Bürgerkrieg zerreisst die harmonische kapitalistische Gesellschaft. Kämpfen denn nicht beständig miteinander zwei Händler, die ein und dieselbe Ware verkaufen, zwei Fabrikanten, die ein und dasselbe Produkt herstellen? Bemüht sich denn nicht jeder von ihnen, dem anderen Handels- oder Industriegenossen die Kundschaft zu entziehen, ihn vom Markte zu verdrängen, ihn zu ruinieren, aufs Pflaster zu werfen? Dieser Krieg heisst Konkurrenz. Es ist der Krieg aller gegen alle! Im Mittelalter wurde der Krieg zwischen Schlössern geführt: doch diese mit Degen und Speer ausgefochtenen Kriege entwickelten bei dem Lehnsherrn physische und moralische Eigenschaften, wie Tapferkeit, Pflichtgefühl, Gewöhnung – Müdigkeit, Unwetter und Leiden zu erdulden; diese Eigenschaften wirkten veredelnd auf Leib und Seele des Menschen. Die vorherrschende Passion der kapitalistischen Gesellschaft ist die Habgier, die unersättliche Gier nach Reichtümern, die ohne eigene Arbeit erworben sind; die wirtschaftliche Konkurrenz zieht in der Seele des Menschen nur Intrigantentum, List, Verlogenheit, Gier, Egoismus gross: lass die Gesellschaft untergehen, lass die Heimat umkommen, die Menschheit – wenn nur ich mir Vermögen erwerbe! – das ist der Schrei des Kapitalisten, der aus dem Grunde des Herzens kommt. [1] Der ökonomische Krieg der Kapitalisten führt zu demselben Resultat wie der kriegerische Wetteifer der feudalen Barone, nämlich zur Zentralisation des Besitzes; der feudale Baron einverleibte seinen Besitzungen das Land und die Leibeigenen seines besiegten Rivalen, der Industrielle bemächtigt sich der Werkstatt und Kundschaft seines ruinierten Konkurrenten. Das Grosskapital verschlingt das Kleinkapital. Der Kleinbesitz verschwindet tagtäglich und wird zum Grossgrundbesitz geschlagen. Auf diese Weise vernichtet diese Gesellschaft, die auf dem Eigentum begründet ist, selbst den Kleinbesitz, indem sie nur dem sehr grossen Besitz Existenzmöglichkeit :gewährt. Zur Zeit der französischen Revolution von 1789 erklärte sich die Bourgeoisie zur Beschützerin der Menschenrechte und verkündete die baldige Verwirklichung von Freiheit Gleichheit und Brüderlichkeit. Das steht in den Konstitutionen geschrieben und auf den Mauern der Gefängnisse gemeisselt, doch bis zur Verwirklichung ist es noch weit: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – das sind die drei Häuptformen der Lüge der Bourgeoisie. Die Sänger des Progresses haben behauptet und behaupten noch, dass die Maschine die Arbeit des Menschen verringere. Eine empörende Lüge! Die Erfolge der Mechanik erhöhen die Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft. Vor der (französischen) Revolution war die Nachtarbeit verboten; jetzt arbeiten in den kapitalistischen Werkstätten, die wahre Zwangsarbeit-Gefängnisse sind, Männer, Frauen und Kinder Tag und Nacht. Im XVIII. Jahrhundert beschützten Staat und Kirche den Arbeiter und sicherten ihm eine bestimmte Zahl von Ruhetagen – 52 Sonntage und 40 Feiertage, ungerechnet die örtlichen Gildenfeiertage. In unseren Tagen muss der Arbeiter alle sieben Tage der Woche arbeite [2]; die Kapitalisten vergessen, dass sogar der liebe Gott, trotz seiner ihm zugeschriebenen Allmacht, nach dem Sechstagewerk ausruhen musste.

Die Familie! Die zweite unerschütterliche und geheiligte Stützte der Gesellschaft! Wie man sie in den Himmel gehoben hat! Die ganze Welt, die Chefs, die Finanzisten, Moralisten und Politiker sind nur darum besorgt – wenn man ihren Worten Glauben schenken wollte, – wie man sie hegen, entwickeln und verschönern könnte. Leider geschieht aber in Wirklichkeit etwas ganz Anderes. Die kapitalistische Gesellschaft desorganisiert und zerstört die Familie: die Industriewerkstatt entreisst Frau und Kind dem Heim; sie nimmt dem Brustkinde die Mutter und dem Familienvater die Gattin; die Eisenbahnverwaltungen, die Finanzgesellschaften krönen dieses Zerstörungswerk. Die Philanthropen, die immer geneigt sind, die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse mit Phrasen zu verschleiern, sagen uns, dass die Frauen- und Kinderarbeit in den kapitalistischen Werkstätten nur deshalb verwendet wird, um die Lage des Arbeiters zu verbessern, sein Einkommen zu vergrössern. Das ist eine schamlose Lüge! Die Frauenarbeit fand in der Industrie nur deshalb Verwendung, um den Lohn des Familienvaters herabzudrücken; um den Lohn der Frauen zu drücken, begannen die Fabrikanten die Kinderarbeit anzuwenden. Die philanthropischen Kapitalisten haben in den Schoss der Familie Uneinigkeit und Konkurrenz getragen; sie zwingen Vater, Mutter und Kind zu wetteifern, wem von ihnen es gelingt, seine Arbeit am günstigsten zu verkaufen! Im individualistischen Gewerbe musste der Vater mit seiner Arbeit die, ganze Familie ernähren; in der kapitalistischen Industrie müssen Mutter und Kind nicht nur selbst ihren Unterhalt verdienen, sondern es kommt sogar häufig vor, dass Frau und Kinder mit ihrer Arbeit den Vater unterhalten müssen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt es Industriestädte, wo den Frauen der Vorzug vor Männern gegeben wird, so dass der Mann zu Hause bleiben, den Haushalt führen und Kinder warten muss! Die Frau erduldet noch mehr Mühsal als der Mann; doch die schwere soziale Arbeit befreit die Frau aus der Vormundschaft des Mannes. Die Frau, die vom Heim fortgerissen wurde und gleichwie der Mann teilnimmt an der sozialen Arbeitslast, hat das Recht, ja die Pflicht, sich mit der Politik zu befassen und teilzunehmen an der sozialistischen Bewegung. Wir gewähren ihnen gerne Aufnahme. Die Frau stehn unter dem Manne! – wehklagen die Pedanten des Kapitalismus. Daran ist das blöde moralische, geistige; und physische Erziehungssystem schuld, das man auf sie im Laufe von Jahrhunderten angewendet hat.

Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Arbeit; die Arbeit wird geehrt; Geist und Wissen werden heutzutage nach Gebühr belohnt – so sagt man. Doch das ist ja alles Lüge! Der Arbeiter der Kleinindustrie war ein Handwerker, der in seiner Person die geistige wie die Handarbeit vereinigte. Der Tischler, z.B., bevor er ein Stück Möbel anfertigte, machte einen Plan; sein Gehirn leitete seine Hände bei der Arbeit. Doch verhält es sich auch so in der mechanischen Industrie ? Der Arbeiter braucht nicht mehr zu denken, für ihn denkt die Maschine, der er als einfaches Anhängsel beigegeben ist. Die kapitalistische Produktion lässt den Arbeiter nur die Maschine bedienen. Fast ebenso wenig beneidenswert ist das Los der intelligenten Arbeiter. Da der Arbeiter nur noch ein Maschinenanhängsel war, so wurde es notwendig, eine Schicht auserlesener Arbeiter zu schaffen, die zu denken haben würden, neue Erfindungen machen und das Unternehmen leiten sollten: Direktoren, Meister, Ingenieure, Chemiker, Agronomen usw. Wenn die Behauptung wahr wäre, dass Wissen und Geist nach Verdienst belohnt werden, so müssten diese Arbeiter, die das denkende Gehirn der Produktion darstellen, den ersten Platz in der kapitalistischen Gesellschaft einnehmen, gleich den Priestern in den Theokratien des Altertums, als das Wissen noch Monopol der Religion war. In Wirklichkeit jedoch erweisen sich die intelligenten Arbeiter ebenso vom Joch des Kapitalismus bedrückt, wie die physischen Arbeiter, sie sind nur kläglich bezahlte Lohnarbeiter; sie ermüden und trocknen ihr Gehirn nur aus, damit die Grosskapitalisten sich bereichern können, die sich nicht einmal zu bemühen brauchen, Wissen zu erwerben, denn sie finden für 150-200 Mark monatlich auf dem Markte immer genug Chemiker, Ingenieure und Agronomen. Heutzutage wird alles im Überfluss hergestellt: Chemiker und Elektrotechniker werden in derselben Menge fabriziert, wie Karotten beim Gärtner; infolgedessen ist ihr Preis sehr gesunken. Geist und Wissen zu erniedrigen – das ist alles, was der Kapitalismus vermocht hat, um die Arbeit der Intelligenz zu belohnen und zu ehren.

Doch betrachten wir jetzt die Kehrseite der Medaille.

Ich habe eben die Leiden der physischen und intelligenten Arbeiter gezeigt, die von der kommunistischen Zentralisation der Produktion ergriffen wurden, welche sich aber im Besitz einer geringen Zahl einzelner Kapitalisten befindet. Hat diese Monopolisierung der Produktionsmittel und Reichtümer den besitzenden Kapitalisten in geistiger und moralischer Beziehung entwickelt? Entsprechen die Dienste, die er der Gesellschaft erweist, den Ehrungen und den Genüssen, deren er sich erfreut? Im individualistischen Gewerbe war, der Unternehmer ein sehr nützlicher Mensch. Er beschäftigte sich mit der Herstellung seiner Produkte unter Mithilfe seiner Familie und einiger Lehrlinge und Gesellen. Er war die Seele der Werkstatt oder des Ladens. In der kommunistischen Produktion ist der Unternehmer verschwunden: man suche die Eigentümer in einer Zuckerfabrik, auf der Eisenbahn, im Metallwerk; sie sind nicht in der Arbeiterwerkstätte zu finden; aber dort, wo der Gewinn verteilt wird, kann man sie sehen. Sie wohnen fern von der Arbeit, die sie reich macht sie wohnen in Paris, in Berlin, in Petersburg, sie könnten sogar auf dem Mond leben, ohne Schaden für ihr Unternehmen.

Ganz besonders augenscheinlich wird die Nutzlosigkeit des Eigentümers, wenn das kapitalistische Unternehmen die entwickeltste seiner Formen, die einer Aktiengesellschaft annimmt. Und da er nutzlos ist, so wird er schädlich. Der kapitalistische Eigentümer spielt gar keine Rolle in der Produktion. An dem Tage, an welchem die kommunistische Organisation von Handel und Industrie ihn aller nützlichen Funktionen beraubte, hat sie der gesamten Kapitalistenklasse das Todesurteil gesprochen. Ihn muss das Schicksal der Aristokratie ereilen.

Die Geschichte wiederholt sieh: die Entwickelung der Aristokratie stellt eine grosse Analogie mit der Entwickelung der Kapitalistenklasse dar. Solange die Feudal-Barone auf ihren Ländern wohnten und eine nützliche Rolle spielten, war es unmöglich, den Adel zu vernichten; so wie das 1789 geschah; sie schützten damals in der Tat ihre Leibeigenen und Vasallen gegen die mannigfaitigen Feinde, die sie umgaben: der feudale Adel war damals die Landwehr Europas. Doch an dem Tage, als der Adel Helm und Schild mit höfischem Putz vertauschte, wurde sein Todesurteil unterschrieben. Die soziale Revolution, mit der unausbleiblich die kapitalistische Ära enden muss, wird an der Klasse der Kapitalisten das Todesurteil vollziehen, das der ganze Entwicklungslauf der ökonomischen Erscheinungen über sie ausgesprochen hat.

Im XVIII. Jahrhundert verschlangen sich die. bürgerlichen Revolutionäre gegenseitig und rotteten nacheinander die Verteidiger der Revolution aus, so dass sie sogar ihr gigantisches Werk in Gefahr brachten. Wenn im XIX. Jahrhundert das Proletariat zum Schutze seiner Rechte hervortrat und den Wunsch aussprach, dem ihm gebührenden Platz im Leben einzunehmen, so antwortete man ihm jedesmal mit den allergrausamsten Repressalien. Mit zwanzig- und dreissigtausend Leichen, bedeckte die kapitalistische Bourgeoisie 1848 und 1871 die Strassen von Paris. Und dabei war Paris zwei Monate in den Händen des Proletariats gewesen, ohne dass in dieser Zeit den Geiseln auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre! ... Erst am letzten Schlachttage, als das Volk vor Niederlage und den Schrecken, die die „Generäle der Ordnung“ verübten, von Sinnen kam, wurden die. Geiseln hingerichtet. Es ist eine historische Tatsache, dass in den zwei Monaten ihrer Herrschaft die Proletarier keine der Geiseln anrührten, während die Generäle der Kommune verräterisch ermordet wurden, nachdem sie sich ergeben hatten.

Ich behaupte, dass die soziale Umwälzung, die mit unvermeidlicher Notwendigkeit kommen muss, nicht den blutigen Charakter der Revolution des XVIII. Jahrhunderts tragen wird, den Charakter, den sie der Grausamkeit des Bürgertums verdankt.

Die ökonomischen Erscheinungen, die die Produzenten ihrer Arbeitsmittel beraubten und diese in ungeheuren Werkstätten konzentrierten, verursachten in den Industriezentren Ansammlungen von ungeheuren Arbeitermassen, die früher in den Städten verteilt waren. Die Arbeiter konzentrierten sich in Industriezentren und nahmen an der gesellschaftlichen Produktion in ein und denselben Werkstätten teil. Hier befreiten sie sich von den Instinkten kleiner Eigentümer, die sich bei ih%en noch als Erinnerung an ihr früheres individuelles Eigentum erhalten hatten; indem sie ständig die kolossalen Werke und Fabriken vor Augen haben, in welchen sie arbeiten, begreifen sie, dass es ihnen niemals gelingen wird, sie persönlich zu besitzen, und dass die einzig mögliche Besitzform die Umwandlung in allgemeines Eigentum ist. Dieser Umschwung in den Anschauungen der Arbeiter hat sich ohne den Einfluss der Kommunisten-Sozialisten vollzogen; er ist das Resultat der Produktion durch die Maschine, die eben unter der Leitung der kapitalistischen Bourgeoisie organisiert wurde. Kommunistische Ideen leben in geschlossenem Zustande in den Köpfen der Arbeiter; die Propagandisten brauchen sie nur zu wecken und in Bewegung zu bringen.

Die kapitalistische Bourgeoisie verlieh der sozialistischen Propaganda durch die Ansammlung der Arbeiter in den Städten und ihre Konzentrierung in ihren Werkstätten eine ungeheure Macht; sie bereitete die Geister nicht nur zur Auffassung dieser Propaganda vor, sondern lieferte sogar noch die Mittel zur Einwirkung auf sie. Wenn wir uns in die Industriestädte begeben, so finden wir dort ungeheure Massen von Arbeitern, die bereit sind, begeistert die kommunistischen Ideen zu begrüssen, diese Ideen denken wir nicht in unseren Köpfen aus, sondern folgern wir aus den ökonomischen Erscheinungen, deren Märtyrer die Arbeiter sind. Die kapitalistische Bourgeoisie, die die proletarischen Massen, dank den Anfordernissen der Produktion, zur kommunistischen Propaganda vorbereitet hat, liefert auch noch die Mittel zur Agitation unter ihnen, zu ihrer politischen Organisation und Vorbereitung auf die ihnen bevorstehende revolutionäre Rolle.

Der Arbeiterklasse – darunter sind nicht nur physische Arbeiter, sondern auch geistige zu verstehen, die ebensolche Lohnarbeiter sind, – liegt gegenwärtig die ganze Produktion und ihre Leitung ob. Sie ist gegenwärtig die einzige nützliche Klasse; um alle sozialen Funktionen zu verrichten, braucht sie nur noch die Leitung der politischen Angelegenheiten der Nation in ihre Hände zu nehmen.

Das Proletariat wird, wenn es erst die Macht in Gemeinwesen und Staat in seinen Händen haben, wird, dem Beispiel der Bourgeoisie des XVIII. Jahrhunderts folgen; nach der politischen Macht wird es den Kapitalisten auch die ökonomische Macht nehmen. Es wird den oben angezeigten Widerspruch zwischen der kommunistischen Produktionsweise und der individualistischen Aneignungsweise der Werkzeuge und Produkte der Arbeit vernichten, es wird die Sozialisierung des kapitalistischen Besitzes einführen. Dann werden nicht nur die Produktions-, sondern auch die Genussmittel Allgemeingut sein. Und da die mechanische Produktion die produktiven Kräfte des Menschen in dem Masse gehoben hat, dass alle normalen Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden können, so wird es auf der Erde, trotz allen Prophezeiungen der Moralisten aus allen privilegierten und herrschenden Klassen, keine Armen mehr geben und der Wohlstand wird allgemein sein.

Wie man sieht, habe ich mich keinen Phantasie- träumen hingegeben. Ich habe nicht verlangt, dass man die soziale Bewegung leiten müsse, ausgehend von Gefühlen oder absoluten Ideen von Gerechtigkeit und Gleichheit. Nein, ich habe nur Erscheinungen studiert, die sich vors unsern Augen abspielen und zeigen, wohin ihre Entwicklung geht. Heisst das, sich Träumereien hingeben? Ist das vielmehr nicht ein klares Voraussehen künftiger Ereignisse? Die Arbeitermassen auf die revolutionäre Mission vor- zubereiten, die sie berufen sind, zum Glocke der Menschheit zu übernehmen, – heisst das Mord und Plünderung predigen?

Die Ökonomische Entwicklung – das ist der grosse Urheber, das ist der schreckliche Revolutionär; der alle Gewohnheiten der Menschen zerstört und alle Jahrhunderte alten Einrichtungen der Gesellschaft! Wir, Schüler von Marx und Engels, sind bloss die Deuter der ökonomischen Erscheinungen: wenn wir, gleich den Seevögeln, die den Matrosen den Sturm ankündigen, den herrschenden Klassen das Herannahen des Orkans voraussagen, der alle ihre Privilegien wegfegen wird, so rufen wir doch nicht den Sturm hervor.

Wenn in der Gesellschaft, die unter dieser Sozialen Revolution weniger Erschütterungen erleben wird als von den periodischen Krisen der kapitalistischen Produktion, Harmonie und Ordnung einkehren, die in der Produktion und Verteilung der Güter herrschen werden, dann wird auch die Maschine, dieses schrecklichste Unterjochungswerkzeug in den Händen der besitzenden Klassen, eine Wohltat für die Menschheit sein. Dann, wird die Sklavenarbeit aufhören, wie das bereits der geniale Aristoteles voraussah.

Was den Staat betrifft, so wollen wir ihn vernichten, weil wir denken, dass der Staat der stärkste Wall des Kapitalismus ist; wenn die Klasse der Kapitalisten keine Polizei, Soldaten, Beamten und Gefängniswärter zu ihrem Schutze hätte, so würde ein einfacher Aufstand der Arbeiter genügen, damit die an Zahl so geringe Klasse vom Antlitz der Erde verschwände. Seitdem die Bourgeoisie die politische Macht in Händen hat, wurde sie zur herrschenden Gesellschaftsklasse, und der Staat schützt nur ihre Interessen.

In der kommunistischen Gesellschaft wird es keine privilegierten Klassen geben; es wird nur Arbeitende geben, Menschen, die über gleiche Rechte verfügen, gleiche Pflichten haben; folglich liegt zum Staate gar keine Notwendigkeit vor, denn es wird keine Klassen geben, die des Schutzes bedürften. Niemand wird daran interessiert sein, dem andern Schaden zuzufügen, während in der kapitalistischen Gesellschaft nicht nur die privilegierte der Arbeiterklasse zu schaden bestrebt ist, sondern auch die Mitglieder dieser beiden Klassen hören nicht auf, sich untereinander zu bekämpfen.

In unserer Gesellschaft besteht ein beständiger Krieg zwischen den Industriellen und den Kaufleuten, und der Wohlstand des einen ist, untrennbar verknüpft mit dem Unglück des anderen. So, z.B., muss der Arzt, um existieren zu können, notwendig wünschen, dass in der Gesellschaft Krankheiten wüten möchten. In der Gesellschaft die anders sein wird als die heutige und in welcher die Interessen der Einzelnen einander nicht widersprechen werden, wird keine Notwendigkeit zum Schutze der Individuen sein, die sich nicht mehr untereinander bekämpfen werden.

Wenn alle Produktionswerkzeuge Nationaleigentum sein werden, wird die Nation sie in die Hände der organisierten Arbeiter übergeben. Dann wird es keine Beamten mehr geben, sondern nur in Verbände organisierte Arbeiter, von denen jeder seine Pflicht erfüllen wird in dem Bewusstsein, dass die Früchte seiner Arbeit allen zugute kommen werden.

In jener zukünftigen Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, wird im voraus die Menge der nötigen Arbeit festgesetzt werden, damit ihre Produkte im weitesten Masse alle Ansprüche befriedigen können. (Gegenwärtig vermag man schon die Menge Korn zu bestimmen, die zur Ernährung eines Landes erforderlich ist.) Diese Arbeit wird zwischen allen aktiven Mitgliedern der Gesellschaft verteilt, und es wird genau festgesetzt werden, wieviel jeder einzelne Mensch zu arbeiten hat, um alle Güter, die durch allgemeine Arbeit geschaffen sind, geniessen zu dürfen. Dann erst wird der Mensch sich frei in der Gesellschaft fühlen; er wird die Möglichkeit haben zu reisen, seinen Wohnort zu wechseln, seine Beschäftigung, alles nach seinem Gutdünken. Früher erforderte die Erlernung eines Handwerks eine langjährige Lehrzeit; in Zukunft wird dank der Maschine jedes beliebige Handwerk in wenigen Monaten zu erlernen sein. Das einzige Handwerk, das in der zukünftigen Gesellschaft noch existieren wird, ist die Mechanik; der Mensch wird im Stande sein, der Reihe nach alle Handwerke durchzunehmen, und dieser Umstand wird die angenehmsten Folgen für seine physische und geistige Entwicklung haben.

 

Fußnoten zur Ausgabe von 1918

1. Hat der gegenwärtige Krieg nicht Spekulanten des widerwärtigsten Typus zur Weit gebracht? – Die Redaktion

2. Diese Broschüre erschien zuerst um 1860. – Die Redaktion [Eigentlich im Jahre 1892 – MIA]

 


Zuletzt aktualisiert am 23.8.2003